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Informationen zum Dokument  BGer I 606/1999  Materielle Begründung
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BGer I 606/1999 vom 06.06.2001
 
[AZA 7]
 
I 606/99 Ge
 
IV. Kammer
 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger;
 
Gerichtsschreiberin Hostettler
 
Urteil vom 6. Juni 2001
 
in Sachen
 
P.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt
 
Christof Tschurr, Bellerivestrasse 59, 8034 Zürich,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin,
 
und
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
 
A.- Nachdem die IV-Stelle des Kantons Zürich die 1972 geborene, an den Folgen von zwei Unfällen von 1993 und 1994 leidende, vorher als Serviceangestellte tätig gewesene P.________ zur kaufmännischen Angestellten umschulen liess, sprach sie ihr mit Verfügung vom 20. November 1996 rückwirkend ab 1. Oktober 1994 eine auf einem Invaliditätsgrad von 53 % beruhende halbe Invalidenrente zu.
 
Mit Wiedererwägungsverfügung vom 14. März 1997 setzte die IV-Stelle die gemäss Verwaltungsakt vom 20. November 1996 ausgerichtete halbe Rente auf Ende des nach der Zustellung der Verfügung folgenden Monats auf eine Viertelsrente herab, sofern kein Härtefall ausgewiesen sei. Am 16. April 1997 verfügte die Verwaltung die Aufhebung der ursprünglichen Verfügung vom 20. November 1996, bestätigte die Viertelsrente, verneinte das Vorliegen eines wirtschaftlichen Härtefalles und setzte die Wirkung der Herabsetzung auf den 1. Juni 1997 fest.
 
B.- Die gegen die Verfügungen vom 14. März und 16. April 1997 eingereichten Beschwerden wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, nachdem es die beiden Beschwerdeverfahren vereinigt hatte, mit Entscheid vom 30. August 1999 ab.
 
C.- P.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, in Aufhebung des kantonalen Entscheids sowie der Verfügungen vom 14. März und 16. April 1997 sei ihr weiterhin eine halbe Invalidenrente auszurichten; eventualiter sei die Sache zur allfälligen Ergänzung des Sachverhalts und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In der Folge liess sie mit Schreiben vom 6. Februar 2000 u.a. zwei Diplome über absolvierte Computerkurse vom 15. Februar 1990 und vom 17. Dezember 1992 nachreichen.
 
Die IV-Stelle des Kantons Zürich schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung sich nicht vernehmen lässt.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid die vorliegend massgebenden gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der Invalidität (Art. 4 IVG), den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG), die Invaliditätsbemessung bei Erwerbstätigen nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 104 V 136 Erw. 2a und b) und die Revision von Invalidenrenten bei wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (Art. 41 IVG) richtig wiedergegeben. Darauf kann verwiesen werden. Gleiches gilt für die dargelegte Rechtsprechung zur Wiedererwägung formell rechtskräftiger Verwaltungsverfügungen (BGE 111 V 198 Erw. 5; vgl. auch BGE 125 V 369 Erw. 2 mit Hinweisen).
 
2.- Zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin ab 1. Juni 1997 Anspruch auf eine halbe oder eine Viertelsrente der Invalidenversicherung hat. Dabei ist gestützt auf die medizinischen Unterlagen von einer unbestrittenen Arbeitsunfähigkeit der Versicherten von 50 % auszugehen (vgl. Arztbericht des Dr. med. S.________ vom 9. Dezember 1995, Psychiatrisches Gutachten des Dr. med. G.________ vom 17. November 1995 sowie Bericht der Klinik X.________ vom 5. September 1994). Ebenfalls unbestritten ist das für den Einkommensvergleich nach Art. 28 Abs. 2 IVG massgebende Invalideneinkommen von monatlich Fr. 2400. - inklusive Gratifikation/13. Monatslohn, was einem Jahreslohn von Fr. 28'800. - entspricht. Streitig ist hingegen, wie hoch das ohne invalidisierenden Gesundheitsschaden erzielbare Einkommen (das sog. Valideneinkommen) im Zeitpunkt der streitigen Verfügungen vom 14. März und 16. April 1997 zu veranschlagen ist. Insbesondere stellt sich die Frage, welcher Beruf dem Valideneinkommen zugrunde zu legen ist.
 
Während Verwaltung und Vorinstanz auf jenen als Serviceangestellte - den die Beschwerdeführerin vor dem Unfall von 1993 ausgeübt hatte - abgestellt haben, macht Letztere geltend, bei der Ermittlung des Valideneinkommens müssten ihre Fähigkeiten sich weiterzubilden, anspruchsvollere Berufe auszuüben und somit besser bezahlte Stellen zu bekleiden, berücksichtigt werden, weshalb von dem nach der Umschulung ausgeübten Beruf als kaufmännische Angestellte auszugehen sei.
 
3.- a) Bei der Ermittlung des Valideneinkommens ist entscheidend, was die versicherte Person im massgebenden Zeitpunkt auf Grund ihrer beruflichen Fähigkeiten und persönlichen Umständen nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit verdient hätte (RKUV 1993 Nr. U 168 S. 100 Erw. 3b mit Hinweis). Da die Invaliditätsbemessung der voraussichtlich bleibenden oder längere Zeit dauernden Erwerbsunfähigkeit zu entsprechen hat (vgl. Art. 4 IVG), ist auch die berufliche Weiterentwicklung mitzuberücksichtigen, die eine versicherte Person normalerweise vollzogen hätte. Dabei sind nach der Rechtsprechung theoretisch vorhandene berufliche Entwicklungs- bzw. Aufstiegsmöglichkeiten nur dann zu beachten, wenn sie mit hoher Wahrscheinlichkeit eingetreten wären. Für die Annahme einer mutmasslichen beruflichen Weiterentwicklung ist daher erforderlich, dass konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die versicherte Person einen beruflichen Aufstieg und ein entsprechend höheres Einkommen auch tatsächlich realisiert hätte, wenn sie nicht invalid geworden wäre. Absichtserklärungen genügen dazu nicht; vielmehr muss die Absicht, beruflich weiterzukommen, bereits durch konkrete Schritte wie Kursbesuche, Aufnahme eines Studiums, Ablegung von Prüfungen etc. kundgetan worden sein (BGE 96 V 30; nicht veröffentlichte Urteile P. vom 20. Juni 2000, I 483/98, Erw. 3a und F. vom 28. August 1996, U 12/96, Erw. 2b je mit Hinweisen).
 
b) Aus den mit Schreiben vom 6. Februar 2000 nachgereichten Diplomen geht hervor, dass die Beschwerdeführerin bereits vor dem ersten Unfall im Jahre 1993 mit Erfolg Computerkurse besuchte, um sich weiter zu bilden (vgl. Urkunde des Scheidegger-Kurses vom 15. Februar 1990 und TeilnehmerZertifikat von der Firma B.________ vom 17. Dezember 1992). Offensichtlich war die im Zeitpunkt der Unfälle noch sehr junge Beschwerdeführerin mit ihrer bisher genossenen Ausbildung (Grundschule teils in der Schweiz und teils in Ex-Jugoslawien absolviert mit anschliessender Coiffeur- Lehre ohne Abschluss) und ihren Gelegenheitsjobs nicht zufrieden. Nach den Unfällen besuchte sie zwischen 3. September 1994 und 14. Juli 1995 an einem Tag pro Woche aus eigener Initiative eine Handelsschule, für deren Übernahme sie erst nachträglich ein Gesuch bei der Invalidenversicherung stellte. Auch die zwischen 22. Februar 1997 und Mai 1998 absolvierte Umschulung zur IC-Beraterin hatte sie selbst in die Wege geleitet. Eine gesamthafte Betrachtung der Ausbildungsschritte, die die Beschwerdeführerin vor und nach den Unfällen in Angriff genommen und erfolgreich abgeschlossen hat, erlaubt den Schluss, dass sie auch ohne die Unfälle eine andere Berufslaufbahn eingeschlagen hätte, als sie sie mit weniger als 20 Jahren, noch nicht lange ohne Ausbildung aus ihrem Heimatland in die Schweiz zurückgekehrt, begonnen hatte.
 
4.- Stellt man zur Ermittlung des Invaliditätsgrades auf ein zumutbares Invalideneinkommen von Fr. 28'800. - bei 50%iger Erwerbstätigkeit ab, so müsste die Beschwerdeführerin als Gesunde mindestens Fr. 57'600. - verdienen, um eine halbe IV-Rente beanspruchen zu können. Ein solches Einkommen erscheint unter den vorliegenden Umständen und aus den dargelegten Gründen aber als durchaus realistisch.
 
5.- Der obsiegenden Beschwerdeführerin wird für das vorliegende Verfahren eine Parteientschädigung zugesprochen. Da die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wesentlich im Hinblick auf die erst zweitinstanzlich behaupteten und belegten Kursbesuche vor Eintritt des Gesundheitsschadens gutgeheissen wird, entfällt hingegen ein Entschädigungsanspruch für das kantonale Verfahren (in BGE 126 V 363 nicht veröffentlichte Erw. 6).
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I.In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 30. August 1999 und die Verfügungen vom 14. März und 16. April 1997 insoweit aufgehoben, als sie einen über die Viertelsrente hinausgehenden Anspruch verneinen, und es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin ab 1. Juni 1997 weiterhin Anspruch auf eine halbe Rente hat.
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
III. Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500. - (einschl. Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
 
IV.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 6. Juni 2001
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der IV. Kammer:
 
Die Gerichtsschreiberin:
 
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