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Informationen zum Dokument  BGer P 56/2000  Materielle Begründung
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BGer P 56/2000 vom 05.07.2001
 
[AZA 7]
 
P 56/00 Vr
 
III. Kammer
 
Bundesrichter Schön, Bundesrichterin Widmer und nebenamtlicher
 
Richter Maeschi; Gerichtsschreiber Hochuli
 
Urteil vom 5. Juli 2001
 
in Sachen
 
Ausgleichskasse des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
G.________, 1944, Beschwerdegegnerin,
 
und
 
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn
 
A.- Die 1944 geborene, verwitwete und in zweiter Ehe geschiedene G.________ wohnt mit einer am 8. Dezember 1983 geborenen ausserehelichen Tochter in einer 4-Zimmer-Wohnung in X.________. Sie bezieht seit 1. Mai 1998 zur Witwenrente der AHV eine Ergänzungsleistung von zuletzt Fr. 983.- im Monat. Mit Verfügung vom 4. März 1999 setzte die Ausgleichskasse des Kantons Solothurn die Ergänzungsleistung mit Wirkung ab 1. März 1999 neu auf Fr. 705.- im Monat fest, wobei sie den Bruttomietzins von jährlich Fr. 13'560.- nicht mehr im geltenden Höchstbetrag von Fr. 12'000.-, sondern lediglich noch zur Hälfte (Fr. 6780.-) zum Abzug brachte. Sie begründete dies in der Folge damit, dass der Mietzinsanteil von Personen, die nicht in die EL-Berechnung eingeschlossen seien, bei der Berechnung der Ergänzungsleistung ausser Acht zu lassen sei.
 
B.- G.________ beschwerte sich gegen diese Verfügung und machte geltend, sie komme für den Unterhalt der Tochter voll auf, sodass unverständlich sei, weshalb eine Aufteilung des Mietzinses vorzunehmen sei. Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn hiess die Beschwerde in dem Sinne gut, als die Verfügung vom 4. März 1999 aufgehoben und die Ergänzungsleistung unter Anrechnung eines Mietzinsabzuges von Fr. 12'000.- auf monatlich Fr. 1140.- ab
 
1. März 1999 festgesetzt wurde.
 
C.- Die Ausgleichskasse des Kantons Solothurn führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei die Verfügung vom 4. März 1999 zu bestätigen; eventuell sei die ab
 
1. März 1999 geschuldete Ergänzungsleistung nach richterlichem Ermessen festzusetzen.
 
Beschwerdegegnerin und Vorinstanz beantragen Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) verzichtet auf Vernehmlassung.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- a) Gemäss Art. 2 Abs. 1 ELG haben Schweizer Bürger und Bürgerinnen mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz Anspruch auf Ergänzungsleistungen, wenn sie eine der Voraussetzungen nach Art. 2a-d ELG erfüllen und die gesetzlich anerkannten Ausgaben (Art. 3b ELG) die anrechenbaren Einnahmen (Art. 3c ELG) übersteigen. Dabei entspricht die jährliche Ergänzungsleistung dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen (Art. 3a Abs. 1 ELG).
 
b) Zu den anerkannten Ausgaben gehört bei Personen, die nicht dauernd oder längere Zeit in einem Heim oder Spital leben (zu Hause wohnende Personen) der Mietzins einer Wohnung und die damit zusammenhängenden Nebenkosten (Art. 3b Abs. 1 lit. b ELG). Gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. b ELG legen die Kantone den Betrag für die Mietzinsausgaben fest, höchstens aber auf Fr. 12'000.- bei Alleinstehenden und Fr. 13'800.- bei Ehepaaren und Personen mit rentenberechtigten oder an der Rente beteiligten Kindern.
 
Art. 16c ELV bestimmt, dass der Mietzins auf die einzelnen Personen aufzuteilen ist, wenn Wohnungen oder Einfamilienhäuser auch von Personen bewohnt werden, welche nicht in die EL-Berechnung eingeschlossen sind. Die Mietzinsanteile der Personen, welche nicht in die EL-Berechnung eingeschlossen sind, werden bei der Berechnung der Ergänzungsleistung ausser Betracht gelassen (Abs. 1). Die Aufteilung hat grundsätzlich zu gleichen Teilen zu erfolgen (Abs. 2).
 
2.- Streitig ist, ob die Mietzinsaufteilung gemäss Art. 16c ELV auch dann zu erfolgen hat, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine verwitwete EL-Ansprecherin mit einem minderjährigen ausserehelichen Kind in einer gemeinsamen Wohnung lebt.
 
a) Zu der bis 31. Dezember 1997 gültig gewesenen Regelung des Mietzinsabzuges gemäss aArt. 4 Abs. 1 lit. b ELG hatte die Rechtsprechung den Grundsatz aufgestellt, dass bei gemeinsam gemieteten Wohnungen der Gesamtbetrag des Mietzinses in der Regel auf die einzelnen Mitbewohner gleichmässig aufzuteilen ist. Die konkreten Verhältnisse des Einzelfalles konnten indessen nahe legen, von der allgemeinen Regel abzuweichen, so etwa dann, wenn eine Person den grössten Teil der Wohnung belegt, oder wenn ein Versicherter vom Mitbewohner keinen Mietzinsanteil beansprucht, weil dieser ihn betreut (BGE 105 V 271; ZAK 1974 S. 556 Erw. 2). Nach dem mit Verordnungsänderung vom 26. November 1997 (AS 1997 2961) auf den 1. Januar 1998 eingefügten Art. 16c ELV ist der Mietzins auf die einzelnen Personen aufzuteilen, wenn Wohnungen oder Einfamilienhäuser auch von Personen bewohnt werden, welche nicht in die EL-Berechnung eingeschlossen sind. Dem Wortlaut der Bestimmung nach setzt die Aufteilung des Mietzinses nicht voraus, dass die Wohnung oder das Einfamilienhaus gemeinsam gemietet sind; es genügt das gemeinsame Wohnen.
 
Im noch nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichten Urteil A. vom 3. Januar 2001, P 56/98, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht diese Bestimmung als gesetzmässig qualifiziert und festgestellt, die neu in die Verordnung aufgenommene Bestimmung von Art. 16c ELV erweise sich als sachgerecht, gehe es doch darum, die indirekte Mitfinanzierung von Personen, die nicht in die EL-Berechnung eingeschlossen seien, zu verhindern. Daher sei als Grundregel immer dann eine Aufteilung des Gesamtmietzinses vorzunehmen, wenn sich mehrere Personen den gleichen Haushalt teilten (Erw. 5d). Zur Auffassung der Vorinstanz, wonach eine Aufteilung des Mietzinses nur möglich sei, wenn die Wohnung gemeinsam gemietet oder das Mietverhältnis entgeltlich sei, führte das Gericht aus, wenn der Bundesrat die bisherige Praxis in die Verordnung hätte aufnehmen wollen, hätte er dies tun können. Nach dem Wortlaut von Art. 16c ELV gebe jedoch bereits das gemeinsame Bewohnen Anlass für eine Mietzinsaufteilung, wie der französische und italienische Text ("aussi occupés par", "sono occupati anche da") bestätige und wovon auch die Verwaltungsweisungen (Rz 3023 der vom BSV herausgegebenen Wegleitung über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV [WEL] in der seit
 
1. Januar 1998 gültigen Fassung) ausgingen. Laut dieser Weisung sei für die Berechnung der jährlichen Ergänzungsleistung der Mietzins (inklusive Nebenkosten) zu gleichen Teilen auf die einzelnen Personen aufzuteilen, wenn mehrere Personen in einer Wohnung oder einem Einfamilienhaus wohnen.
 
Etwas anderes lasse sich auch den Erläuterungen des BSV zur Verordnungsänderung (AHI 1998 S. 34) nicht entnehmen.
 
Beachtenswerte Gründe, welche gegen eine andere Verordnungsauslegung sprächen, seien weder dargetan noch ersichtlich. Anknüpfungspunkt bilde somit nicht mehr wie nach bisheriger Praxis ein üblicherweise entgeltliches Mietverhältnis (BGE 105 V 272 Erw. 1), sondern das gemeinsame Bewohnen (Erw. 6b des erwähnten Urteils A.).
 
b) Dennoch führt das gemeinsame Wohnen auch nach Inkrafttreten von Art. 16c ELV nicht in allen Fällen zu einer Aufteilung des Mietzinses. Zum einen ist eine Aufteilung nach dem Wortlaut der Verordnungsbestimmung nur dann vorzunehmen, wenn die im gleichen Haushalt wohnenden Personen nicht in die EL-Berechnung eingeschlossen sind.
 
Damit entfällt eine Mietzinsaufteilung unter Ehegatten und bei Personen mit rentenberechtigten oder an der Rente beteiligten Kindern sowie Waisen, die im gleichen Haushalt leben (vgl. Art. 3a Abs. 4 ELG). Zum andern hat die bisherige Rechtsprechung zur Mietzinsaufteilung nicht jede Bedeutung verloren. Auch im Rahmen von Art. 16c Abs. 2 ELV, welcher "grundsätzlich" eine Aufteilung des Mietzinses zu gleichen Teilen vorsieht, kann der Umstand, dass eine Person den grössten Teil der Wohnung für sich in Anspruch nimmt oder das gemeinsame Wohnen auf einer rechtlichen oder moralischen Pflicht beruht, zu einer andern Aufteilung des Mietzinsabzuges und - ausnahmsweise - auch zu einem Verzicht auf eine Mietzinsaufteilung Anlass geben (BGE 105 V 273 Erw. 2). Was das Eidgenössische Versicherungsgericht diesbezüglich zum alten Recht ausgeführt hat, gilt dem Grundsatz nach auch nach Inkrafttreten von Art. 16c ELV, wovon auch die Verwaltungsweisungen ausgehen (Rz 3023 WEL; vgl. auch Carigiet, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, Supplement, Zürich 2000, S. 86). Ausnahmen sind jedenfalls dann zuzulassen, wenn das (unentgeltliche) Wohnen im gemeinsamen Haushalt auf einer zivilrechtlichen Unterhaltspflicht beruht.
 
Andernfalls wäre eine Mietzinsaufteilung selbst dann vorzunehmen, wenn der EL-Ansprecher mit eigenen (nicht in die EL-Berechnung eingeschlossenen) Kindern in der gemeinsamen Wohnung lebt, was indessen nicht Sinn von Art. 16c ELV sein kann. Mit dieser Bestimmung soll verhindert werden, dass die Ergänzungsleistungen auch für Mietanteile von Personen aufzukommen haben, welche nicht in die EL-Berechnung eingeschlossen sind (AHI 1998 S. 34). Abgesehen davon, dass von Mietanteilen in solchen Fällen kaum gesprochen werden kann, liesse sich eine Mietzinsaufteilung mit der Zielsetzung der Ergänzungsleistungen, nämlich einer angemessenen Deckung des Existenzbedarfs unter Berücksichtigung der konkreten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, nicht vereinbaren. Sie hätte zudem eine stossende Ungleichbehandlung zur Folge, indem Versicherte mit Kindern ohne Rentenanspruch schlechter gestellt würden nicht nur gegenüber kinderlosen Versicherten, sondern in der Regel auch gegenüber Versicherten mit Kindern, die einen Rentenanspruch auslösen.
 
3.- Im Zeitpunkt des Verfügungserlasses (4. März 1999) war die am 8. Dezember 1983 geborene Tochter der Beschwerdegegnerin fünfzehn Jahre alt und damit noch minderjährig.
 
Einen Anspruch auf Kinder- oder Waisenrente hat sie nicht ausgelöst. Als Inhaberin der elterlichen Gewalt (nunmehr elterliche Sorge: Ziff. I 4 des BG über die Änderung des ZGB vom 26. Juni 1998, in Kraft seit 1. Januar 2000; AS 1999 1118, 1144) war die Beschwerdegegnerin nach Art. 276 ZGB verpflichtet, für den Unterhalt der Tochter aufzukommen und ihr unentgeltlich Unterkunft zu gewähren. Im Hinblick auf diese zivilrechtliche Unterhaltspflicht hat die Vorinstanz nach dem Gesagten zu Recht entschieden, dass von einer Mietzinsaufteilung gemäss Art. 16c ELV abzusehen ist, woran die Vorbringen der Ausgleichskasse nichts zu ändern vermögen. Wohl können nach Art. 323 Abs. 2 ZGB die Eltern vom Kind, das in häuslicher Gemeinschaft mit ihnen lebt, verlangen, dass es einen angemessenen Beitrag an seinen Unterhalt leistet. Dies setzt indessen voraus, dass das Kind hiezu in der Lage ist und über eigenes Einkommen oder Vermögen verfügt. So verhält es sich hier unbestrittenermassen jedoch nicht. Anlass zu einer Mietzinsaufteilung vermag entgegen der Auffassung der Ausgleichskasse auch der Umstand nicht zu geben, dass der Kindsvater gemäss Unterhaltsvertrag vom 8. August 1984 zu indexierten Unterhaltsbeiträgen (Kinderalimente) von Fr. 400.- verpflichtet wurde und der ab 1. Januar 1999 gültige Unterhaltsbeitrag von Fr. 555.- im Monat vom Oberamt Bucheggberg-Wasseramt bevorschusst wird. Wie die Beschwerdegegnerin zu Recht geltend macht, decken diese Beiträge den Unterhalt der Tochter bei weitem nicht (vgl. hiezu BGE 122 V 125 ff., insbesondere S. 132 Erw. 4c). Die Vorinstanz weist in der Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde zudem zu Recht darauf hin, dass eine Anrechnung unter dem Titel von Art. 323 ZGB nur in Betracht fiele, wenn anderseits auch die Unterhaltskosten der Tochter in die Berechnung einfliessen würden.
 
Nach Art. 3a Abs. 4 ELG und Art. 8 Abs. 1 ELV wären die Einnahmen und Ausgaben der Tochter aber nur zu berücksichtigen, wenn diese Anspruch auf eine Waisenrente oder auf eine Kinderrente der AHV oder IV begründen würde. Dies ist indessen nicht der Fall. Der Ausgleichskasse kann daher auch insoweit nicht gefolgt werden, als sie geltend macht, bei Verneinung der Zulässigkeit eines Mietzinsabzuges seien die aufgrund der Alimenten-Bevorschussung für die Tochter bezogenen Unterhaltsbeiträge als zusätzliche Einnahmen in die EL-Berechnung einzubeziehen. Für eine solche Anrechnung fehlt eine Rechtsgrundlage.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 5. Juli 2001
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der III. Kammer:
 
Der Gerichtsschreiber:
 
i.V.
 
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