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Informationen zum Dokument  BGer I 696/2000  Materielle Begründung
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BGer I 696/2000 vom 20.07.2001
 
[AZA 7]
 
I 696/00 Gr
 
IV. Kammer
 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Kernen; Gerichtsschreiber
 
Flückiger
 
Urteil vom 20. Juli 2001
 
in Sachen
 
M.________, 1964, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Markus Peyer, Badenerstrasse 129, 8004 Zürich,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin,
 
und
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
 
A. - Der 1964 geborene M.________, der ursprünglich eine Ausbildung als Coiffeur absolviert hatte, war ab November 1986 bei der Genossenschaft X., anschliessend ab
 
1. April 1987 bei der Genossenschaft Z., angestellt. Am 24. September 1987 zog er sich bei einem Verkehrsunfall (Frontalkollision auf der Autobahn) als Mitfahrer auf dem Rücksitz eines Autos eine Femurmehrfragmentfraktur rechts, eine Ellenbogenluxation rechts mit leicht dislozierter Radiushalsfraktur und Abriss der ulnaren Kapselbandstrukturen, eine Kontusion des rechten Auges, eine commotio cerebri und eine Thoraxkontusion mit Contusio cordis zu.
 
Diese Verletzungen hatten mehrere operative Eingriffe zur Folge.
 
Am 1. November 1988 meldete sich der Versicherte bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die Verwaltung holte Berichte des Universitätsspitals vom 14. November 1988 (mit beigelegter Zusammenfassung der Krankengeschichte vom 7. Dezember 1987) sowie des Dr. med.
 
H.________, Innere Medizin FMH, vom 8. Dezember 1988 ein.
 
In der Folge wurden berufliche Massnahmen durchgeführt.
 
Diese umfassten eine Umschulung zum technischen Kaufmann, welche gemäss einer Aktennotiz der Regionalstelle für berufliche Eingliederung vom 18. Februar 1991 am 2. Februar 1991 abgeschlossen werden konnte, sowie eine Abklärung und ein Arbeitstraining im Bürozentrum der Stiftung X. vom 1. bis 29. Oktober 1991 bzw. vom 6. Januar 1992 bis
 
31. März 1993. Eine Erwerbstätigkeit nahm der Versicherte in der Folge nicht mehr auf. Die IV-Stelle sprach ihm für die Zeit vom 1. September 1988 bis 31. August 1989 und vom 1. März 1993 bis 31. Mai 1994 eine ganze Rente (Verfügungen vom 20. April 1995) und ab 1. Juni 1994 eine halbe Rente zu (Verfügung vom 20. April 1995, wegen einer Korrektur der Rentenberechnung ersetzt durch Verfügung vom 21. September 1995).
 
Im Rahmen der amtlichen Rentenrevision holte die IVStelle Angaben des Versicherten vom 28. Juli 1997, einen Arztbericht des Dr. med. A.________, Psychiatrie/Psychotherapie FMH vom 26. August 1997 und ein Gutachten des Dr.
 
med. M.________, Psychiatrie/Psychotherapie FMH vom 20. Januar 1998 ein. Anschliessend verneinte sie nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens mit Verfügung vom 6. Mai 1998 das Vorliegen einer rentenbeeinflussenden Änderung und bestätigte den Anspruch auf eine halbe Rente.
 
B.- Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Entscheid vom 24. Oktober 2000).
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt M.________ die Aufhebung des kantonalen Entscheids und die Zusprechung einer ganzen IV-Rente, eventualiter die Rückweisung der Angelegenheit zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz beantragen.
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
 
Das Bundesamt für Sozialversicherung hat sich nicht vernehmen lassen.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Da die Vernehmlassung der IV-Stelle keine neuen Argumente enthält, ist dem in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gestellten Begehren um Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels nicht stattzugeben (vgl. BGE 119 V 323 Erw. 1 mit Hinweisen).
 
2.- Das kantonale Gericht hat die massgebenden gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG), die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und Abs. 1bis IVG), die Ermittlung des Invaliditätsgrades bei Erwerbstätigen nach der Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG), die Bedeutung ärztlicher Auskünfte bei der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4, 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 Erw. 1) sowie die Rentenrevision (Art. 41 IVG) und die zu vergleichenden Sachverhalte (BGE 125 V 369 Erw. 2 mit Hinweis, BGE 112 V 372 Erw. 2b und 390 Erw. 1b) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden.
 
3.- Streitig und zu prüfen ist, ob zwischen dem Erlass der Verfügung vom 20. April 1995, bzw. der diese ersetzenden Verfügung vom 21. September 1995, und der Revisionsverfügung vom 6. Mai 1998 eine anspruchsbeeinflussende Änderung des Invaliditätsgrades eingetreten ist.
 
4.- a) Der Versicherte erklärte in seiner Stellungnahme vom 28. Juli 1997, sein Gesundheitszustand habe sich seit der ursprünglichen Rentenverfügung verschlimmert. Dies betreffe sowohl den psychischen als auch den körperlichen Bereich und äussere sich in Kopfschmerzen, Muskelbeschwerden, Hüftschmerzen, Schmerzen am rechten Ellenbogen inklusive Handgelenk sowie urologischen Problemen. Die Vorinstanz gelangte demgegenüber, insbesondere gestützt auf das Gutachten des Dr. med. M.________ vom 20. Januar 1998, zum Ergebnis, der Gesundheitszustand sei unverändert geblieben bzw. habe sich nicht verschlechtert.
 
b) Beim Erlass der ursprünglichen Verfügung ging die Verwaltung davon aus, dem Beschwerdeführer sei eine Tätigkeit im Bereich "einfachere Bürotätigkeiten / Aussendienst" mit einem Pensum von 50 % zumutbar, und ermittelte gestützt darauf ein Invalideneinkommen von Fr. 26'000.- (13 x Fr. 2000.-), welches sie einem Valideneinkommen von Fr. 58'500.- (13 x Fr. 4500.-) gegenüber stellte. Für die Festsetzung der Arbeitsfähigkeit stützte sie sich einerseits auf den Bericht des Bürozentrums der Stiftung X. vom 31. März 1993 über die Ergebnisse des Arbeitstrainings, wonach auf Grund der orthopädisch-neurologischen Behinderung "eine Arbeitsfähigkeit zwischen 60 % (min.) und 80 % (ca.) als realistisch eingestuft" werden könne. Andererseits trug sie der Beurteilung der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) Rechnung, welche dem Versicherten (nach Vergleichsverhandlungen) auf Grund des Unfallereignisses vom 23. September 1987 für die Zeit ab 1. März 1994 eine Rente auf der Basis einer Erwerbsunfähigkeit von 50 % zugesprochen hatte (Verfügung vom 9. September 1994) und ihm zudem gemäss Verfügung vom 1. Juni 1994 eine Integritätsentschädigung entsprechend einer Integritätseinbusse von 40 % ausrichtete, welche sich gemäss den Feststellungen der Vorinstanz wie folgt zusammensetzte: 20 % für eine leichte Hirnfunktionsstörung, 15 % für die Funktionseinschränkung und die leichte Instabilität am rechten Ellenbogen, 2,5 % für die minime Lockerung des rechten Kniegelenks und 2,5 % für die leichte Innenrotationshemmung der rechten Hüfte.
 
Die IV-Stelle berücksichtigte beim Erlass ihrer Rentenverfügung und der Festsetzung des Invalideneinkommens auch den schlechten psychischen Zustand des Versicherten, welcher intensiv psychotherapeutisch behandelt wurde.
 
c) Zum Gesundheitszustand des Versicherten im Zeitpunkt der Revisionsverfügung vom 6. Mai 1998 sind den Akten die folgenden Angaben zu entnehmen:
 
aa) Dr. med. A.________ diagnostiziert in seinem Bericht vom 26. August 1997 ein subdepressives Zustandsbild, reaktiv nach Polytrauma, und den Verdacht auf ein leichtes organisches Psychosyndrom. Der Gesundheitsschaden bestehe seit 1987 und der Versicherte bedürfe seit 1994 bis auf weiteres psychiatrischer Behandlung. Sein Gesundheitszustand sei stationär. Im bisherigen Beruf oder Tätigkeitsbereich als Coiffeur sei der Beschwerdeführer nicht mehr arbeitsfähig. Weiter berichtet Dr. med. A.________, der Patient befinde sich in subdepressiver Stimmung, sei apathisch, sehe keine Zukunftsperspektive und hadere mit dem Schicksal. Thematisch sei er eingeengt auf das Unfallgeschehen und die Unfallfolgen sowie die nicht ausreichend erhaltene Rehabilitation und Unterstützung zur beruflichen Reintegration. Auf Grund des Befundes und des Verlaufes sowie der Chronizität erscheine die Ausübung einer Tätigkeit als nicht realistisch.
 
bb) Dr. med. M.________ erwähnt im Gutachten vom 20. Januar 1998 die Behinderung mit Bezug auf die nicht optimal ausgeheilte Luxationsfraktur des rechten Ellenbogens und eine leichte Behinderung am rechten Bein (leicht hinkender Gang bei Status nach Femurfraktur), während bezüglich der erlittenen Augenverletzung rechts sowie der traumatischen Aortenläsion mit einer Aneurysmabildung keine Folgezustände bestünden, die eine Reduktion der Arbeitsfähigkeit zur Folge haben könnten. Die seit rund vier Jahren in Gang gekommene regressive, teils neurotische, teils pseudo-depressive Entwicklung stehe weder mit dem Unfallereignis vom 23. September 1987 in Zusammenhang, noch stelle sie ein psychiatrisches Störungs- oder Krankheitsbild dar, das einer geeigneten Arbeitstätigkeit im Wege stehen dürfte.
 
Aus psychiatrischer Sicht bestehe (mit den körperlichen Einschränkungen) in einer geeigneten, körperlich leichten Tätigkeit eine Arbeitsfähigkeit von 75 %. Wie die Vorinstanz mit ausführlicher und zutreffender Begründung, auf welche vollumfänglich verwiesen werden kann, festgehalten hat, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gutachter voreingenommen gewesen wäre, sodass sein Gutachten ohne Einschränkung in die Beweiswürdigung einzubeziehen ist.
 
cc) Der mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereichte Bericht des Dr. med. R.________, Oberarzt Chirurgie, Stadtspital, vom 6. Juni 2000, ist im vorliegenden Verfahren insoweit zu berücksichtigen, als er geeignet ist, die Beurteilung zum Zeitpunkt des Verfügungserlasses vom 6. Mai 1998 zu beeinflussen (BGE 99 V 102 mit Hinweisen).
 
Dr. R.________ führt insbesondere aus, die Beweglichkeit des rechten Ellenbogens sei in sämtlichen Ebenen massiv eingeschränkt, im Bereich der rechten Hüfte bestehe ein leichtes Trendelenburg-Hinken bei freier Hüftbeweglichkeit mit diskreten Endstellungsschmerzen, und das rechte Knie weise bei voller Beweglichkeit und absoluter Stabilität, ohne Meniskuszeichen, eine leichte Ergussbildung auf. Zudem berichtet der Arzt über eine diskrete Oberschenkelmuskelatrophie mit insuffizienter Kraftentwicklung, eine Verkürzung des rechten Beins um rund 1 cm mit diskreter Aussenrotationsfehlstellung sowie eine freie Beweglichkeit der LWS in sämtlichen Ebenen, bei leichter Druckdolenz der paravertebralen Muskulatur.
 
d) Die Vorinstanz hat in Würdigung der Stellungnahmen des Dr. med. A.________ und des Dr. med. M.________ das Vorliegen einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes des Versicherten, welche eine Veränderung der Zumutbarkeitsbeurteilung zur Folge hätte, zu Recht verneint. Dr.
 
med. A.________ spricht in seinem Bericht vom 26. August 1997 von einem stationären Zustand. Seine Feststellungen stimmen in Bezug auf den allgemeinen, als apathisch geschilderten psychischen Zustand des Versicherten weitgehend mit denjenigen des Dr. med. M.________ überein. Dessen Gutachten, welches unter Berücksichtigung der Anamnese sowie eigener Untersuchungen mit Einschluss testpsychologischer Befunde erstattet wurde, ist deutlich zu entnehmen, dass sich das psychische Beschwerdebild und dessen Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit seit dem Erlass der ursprünglichen Verfügung im Jahr 1995 nicht verschlimmert haben. Die Aussage des Dr. med. A.________, die Ausübung einer Tätigkeit erscheine als nicht realistisch, ändert an diesem Befund nichts, da sie die Frage nach der Zumutbarkeit einer Arbeit nicht beantwortet. Zudem beurteilt auch Dr. med. A.________ den Zustand als stationär. Dass sich auch die somatischen Beschwerden nicht erheblich verschlimmert haben, geht aus dem Gutachten des Dr. med. M.________ hervor und wird auch durch dem Bericht des Dr. med.
 
R.________ vom 6. Juni 2000 nicht in Frage gestellt, werden doch darin im Wesentlichen dieselben Beschwerdebilder wiedergegeben, welche bereits nach dem Unfall aufgetreten waren und zur Zusprechung von Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung sowie zur ursprünglichen Rentenverfügung führten. Dass das kantonale Gericht unter diesen Umständen von einem gegenüber der ursprünglichen Rentenverfügung im Wesentlichen unverändert gebliebenen Gesundheitszustand ausgegangen ist, ist nicht zu beanstanden. Da zudem keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die erwerblichen Auswirkungen der gesundheitlichen Beeinträchtigung in einer für den Anspruch erheblichen Weise verändert hätten, hat die Vorinstanz die halbe Rente mit Recht bestätigt.
 
Eine allenfalls nach dem Erlass der Revisionsverfügung vom 6. Mai 1998 eingetretene Veränderung müsste Gegenstand eines neuen Revisionsverfahrens bilden.
 
5.- Da es im vorliegenden Prozess um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine Gerichtskosten zu erheben.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse Migros, Zürich, und dem Bundesamt für Sozialversicherung
 
zugestellt.
 
Luzern, 20. Juli 2001
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der IV. Kammer:
 
Der Gerichtsschreiber:
 
i.V.
 
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