VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer I 414/2001  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer I 414/2001 vom 31.08.2001
 
[AZA 7]
 
I 414/01 Gi
 
III. Kammer
 
Bundesrichter Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter
 
Ursprung; Gerichtsschreiber Attinger
 
Urteil vom 31. August 2001
 
in Sachen
 
F.________, 1951, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Estermann, Sempacherstrasse 6, 6003 Luzern,
 
gegen
 
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, Beschwerdegegnerin,
 
und
 
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern
 
In Erwägung,
 
dass der 1951 geborene F.________, Betriebsökonom HWV, u.a. an einer mittelgradigen depressiven Episode mit somatischem Syndrom leidet,
 
dass er deshalb seine seit 1989 als Alleininhaber geführte Marketing- und Kommunikationsfirma X.________ AG) anfangs 1999 krankheitsbedingt liquidieren musste,
 
dass er sich bereits im Februar 1998 zum Rentenbezug bei der Invalidenversicherung angemeldet hatte,
 
dass ihm die IV-Stelle Luzern mit Verfügung vom 4. Januar 2000 (welche weder eine Begründung noch eine Rechtsmittelbelehrung enthielt) für den Zeitraum vom 1. Februar 1998 bis 30. November 1999 eine ganze sowie ab 1. Dezember 1999 nurmehr eine halbe Invalidenrente zusprach, wogegen F.________ Beschwerde einreichte,
 
dass die IV-Stelle pendente lite am 5. April 2000 eine neue, mit Begründung und Rechtsmittelbelehrung versehene, in materieller Hinsicht jedoch unveränderte Rentenverfügung erliess, gegen welche F.________ wiederum Beschwerde erhob,
 
dass das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern die beiden Beschwerdeverfahren vereinigte, das erstgenannte "als erledigt" abschrieb und die Beschwerde gegen die Verfügung vom 5. April 2000 abwies, soweit es darauf eintrat (Entscheid vom 18. Mai 2001),
 
dass F.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen lässt mit dem (sinngemässen) Antrag auf Rückweisung der Sache an das kantonale Gericht, damit dieses über die vorinstanzlich geltend gemachten Ansprüche auf medizinische und berufliche Eingliederungsmassnahmen sowie entsprechende Taggelder materiell entscheide (eventuell seien ihm die genannten Leistungen zuzusprechen; subeventuell sei ihm über Ende November 1999 hinaus weiterhin eine ganze Invalidenrente auszurichten),
 
dass er überdies um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung ersucht,
 
dass die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, während sich das Bundesamt für Sozialversicherung hiezu nicht hat vernehmen lassen,
 
dass die Vorinstanz mit zutreffender Begründung - auf welche vollumfänglich verwiesen wird - richtig erkannt hat, dass nur der Rentenanspruch Gegenstand der streitigen Verfügungen bildete und die Verwaltung im Hinblick auf die im angefochtenen Entscheid dargelegte Rechtsprechung unter den gegebenen Umständen auch nicht von Amtes wegen den Anspruch auf medizinische oder berufliche Eingliederungsmassnahmen hätte prüfen und darüber befinden müssen,
 
dass die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde dagegen erhobenen Einwendungen nichts zu ändern vermögen,
 
dass - was medizinische Massnahmen betrifft - beim Beschwerdeführer offensichtlich kein relativ stabilisierter Defektzustand oder Funktionsausfall vorliegt, wie er für medizinische Eingliederungsvorkehren im Sinne von Art. 12 Abs. 1 IVG unabdingbar ist (BGE 120 V 279 Erw. 3a mit Hinweisen),
 
dass sich ferner mit Bezug auf berufliche Eingliederungsmassnahmen den Akten entnehmen lässt, dass es dem Versicherten im massgebenden Verfügungszeitpunkt am erforderlichen, nunmehr geltend gemachten Willen mangelte, die verbliebene Arbeitsfähigkeit zu verwerten,
 
dass er nämlich für sich keinerlei Arbeitsmöglichkeiten mehr sah und sich für sämtliche Erwerbstätigkeiten als voll arbeitsunfähig bezeichnete (Bericht der beruflichen Abklärungsstelle [BEFAS] vom 12. Juli 1999; lediglich im Hinblick auf die Zukunft und eine sich bis dahin erhoffte gesundheitliche Besserung erkundigte er sich anlässlich des berufsberaterischen Gesprächs vom 8. Juli 1999 "nach dem Ausmass der 'erlaubten' Tätigkeit bei einer Teilberentung"),
 
dass somit die für Massnahmen beruflicher Art verlangte Voraussetzung der subjektiven Eingliederungsfähigkeit (Eingliederungsbereitschaft) nicht gegeben war, weshalb sich weitere Abklärungen in dieser Richtung erübrigten,
 
dass sich daran bis zum Erlass des massgebenden Verfügungszeitpunkts nichts änderte, zumal der Beschwerdeführer im Rahmen des Vorbescheidverfahrens keinerlei Vorbringen erhob, welche die Verwaltung zu entsprechenden Schritten hätten veranlassen müssen,
 
dass - weil die IV-Stelle nach dem Gesagten richtigerweise nur über den Rentenanspruch verfügt hat und die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Verfahrensausdehnung (vgl. BGE 122 V 36 Erw. 2a mit Hinweisen) fraglos nicht gegeben sind - einzig die Rentenberechtigung den Anfechtungs- und möglichen Streitgegenstand bildete,
 
dass die Vorinstanz somit auf die beschwerdeweise geltend gemachten Ansprüche auf medizinische und berufliche Eingliederungsmassnahmen sowie diesbezügliche Taggelder zu Recht nicht eingetreten ist,
 
dass ebenso auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit damit im Eventualantrag erneut um Zusprechung der genannten Leistungen ersucht wird, nicht eingetreten werden kann,
 
dass das Subeventualbegehren zu prüfen bleibt, wonach dem Versicherten über Ende November 1999 hinaus weiterhin eine ganze Invalidenrente auszurichten sei,
 
dass das kantonale Gericht im angefochtenen Entscheid die gesetzlichen Bestimmungen und von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG) und die Bemessung des Invaliditätsgrades nach dem sog. Prozentvergleich (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 114 V 313 Erw. 3a mit Hinweisen), richtig wiedergegeben hat, worauf verwiesen werden kann,
 
dass unter sämtlichen Verfahrensbeteiligten zu Recht unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer trotz seiner psychischen Beeinträchtigung ab September 1999 sowohl im angestammten Beruf als Marketingspezialist und Geschäftsführer als auch in jeder anderen ausbildungsmässig entsprechenden Tätigkeit wieder zu 50 % arbeitsfähig ist (vgl. die diesbezügliche Feststellung im Gutachten der MEDAS vom 7. September 1999),
 
dass gestützt darauf die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid ausführte, unter den gegebenen Umständen sei davon auszugehen, dass der Versicherte bei einer geeigneten Anstellung in einer seiner Ausbildung entsprechenden Tätigkeit die Hälfte seines früher als Geschäftsführer der eigenen Firma erzielten Einkommens verdienen könne, weshalb die Verwaltung den Invaliditätsgrad zu Recht auf 50 % festgelegt habe,
 
dass dieser Auffassung nicht gefolgt werden kann, liefe doch der in der Weise vorgenommene Prozentvergleich darauf hinaus, von der Arbeits- auf die Erwerbsunfähigkeit zu schliessen, was rechtsprechungsgemäss unzulässig ist (vgl.
 
BGE 114 V 314 Erw. 3c; RKUV 1991 Nr. U 130 S. 272 Erw. 3b; Urteil T. vom 5. Mai 2000, I 195/99),
 
dass solcherart nämlich dem berechtigten Einwand nicht Rechnung getragen würde, wonach der Beschwerdeführer im Rahmen einer auf ein halbes Pensum beschränkten Kaderstelle wohl weniger verantwortungsvolle Aufgaben versehen könnte als ein vollzeitlich einsetzbarer Kaderangehöriger und dementsprechend eine mehr als nur 50%ige Erwerbseinbusse zu gewärtigen hätte,
 
dass die Verwaltung demnach einen den Erfordernissen von Art. 28 Abs. 2 IVG genügenden Einkommensvergleich nachzuholen und gestützt darauf über den Rentenanspruch des Versicherten ab 1. Dezember 1999 neu zu verfügen haben wird,
 
dass dem Beschwerdeführer zufolge teilweise Obsiegens eine reduzierte Parteientschädigung zu Lasten der IV-Stelle zusteht (Art. 159 in Verbindung mit Art. 135 OG),
 
dass - soweit der Versicherte unterliegt - dem Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung entsprochen werden kann, da die hiefür nach Gesetz (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG) und Rechtsprechung (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen) erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind,
 
dass der Beschwerdeführer indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht wird, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist,
 
erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird, soweit darauf
 
einzutreten ist, in dem Sinne teilweise gutgeheissen,
 
dass Dispositiv-Ziffer 4 und 5 des Entscheids des Verwaltungsgerichts
 
des Kantons Luzern vom 18. Mai 2001,
 
soweit diese den Rentenanspruch betreffen, und die
 
Verfügung vom 5. April 2000 aufgehoben werden und die
 
Sache an die IV-Stelle Luzern zurückgewiesen wird, damit
 
diese, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen,
 
über den Rentenanspruch des Beschwerdeführers
 
ab 1. Dezember 1999 neu verfüge.
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
III. Die IV-Stelle Luzern hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1500.- (einschliesslich
 
Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
 
IV.Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Viktor Estermann, Luzern, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht
 
aus der Gerichtskasse eine Entschädigung (einschliesslich
 
Mehrwertsteuer) von Fr. 1000.- ausgerichtet.
 
V.Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern wird über
 
eine Parteientschädigung sowie über das Gesuch um unentgeltliche
 
Verbeiständung für das kantonale Verfahren
 
entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen
 
Prozesses zu befinden haben.
 
VI.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse Luzern und dem
 
Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 31. August 2001
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der III. Kammer:
 
i.V.
 
Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).