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Informationen zum Dokument  BGer U 317/1999  Materielle Begründung
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BGer U 317/1999 vom 15.10.2001
 
[AZA 7]
 
U 317/99 Vr
 
IV. Kammer
 
Präsident Borella, Bundesrichter Rüedi und Kernen;
 
Gerichtsschreiber Krähenbühl
 
Urteil vom 15. Oktober 2001
 
in Sachen
 
Elvia Versicherungen, Badenerstrasse 694, 8048 Zürich,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
M.________, 1946, Beschwerdegegnerin, vertreten durch
 
Rechtsanwalt Lorenz Schreiber, Stadthausgasse 27,
 
8200 Schaffhausen
 
und
 
Obergericht des Kantons Schaffhausen, Schaffhausen
 
A.- Die 1946 geborene M.________ war seit dem 10. Juni
 
1987 als teilzeitlich beschäftigte Krankenpflegerin und
 
Nachtwache im Alters- und Pflegeheim X.________ tätig. In
 
dieser Funktion war sie über ihren Arbeitgeber, die Einwohnergemeinde
 
Y.________, bei der Elvia Versicherungen
 
unfallversichert.
 
Am 9. September 1995 kam es in Z.________ zu einem
 
Auffahrunfall, als M.________ nach dem Überqueren eines
 
Bahnübergangs ihren mit einer Geschwindigkeit von 30 bis
 
35 Stundenkilometern gelenkten Personenwagen wegen eines
 
ihre Fahrbahn überquerenden Fahrzeuges plötzlich bis zum
 
Stillstand abbremsen musste und ein ihr nachfolgender Taxifahrer
 
nicht mehr rechtzeitig reagieren konnte. Anschliessend
 
fuhr M.________ zwar noch selber an ihren Wohnort in
 
A.________, musste dort aber am folgenden Tag ihren Hausarzt
 
Dr. med. S.________ aufsuchen. Wegen zunehmender
 
zervikaler Schmerzen überwies dieser die Patientin am
 
14. September 1995 ins Spital B.________, wo ein zervikales
 
Distorsionstrauma der Halswirbelsäule sowie eine posttraumatische
 
Belastungsstörung diagnostiziert wurden. Eine
 
Erwerbstätigkeit konnte M.________ auch nach der bis am
 
4. Dezember 1995 dauernden Hospitalisation nicht mehr aufnehmen.
 
Die Elvia, welche ihre Haftung anerkannt und Taggelder
 
ausgerichtet hatte sowie für Heilungskosten aufgekommen
 
war, zog nebst dem Austrittsbericht des Spitals B.________
 
vom 8. Dezember 1995 unter anderm mehrere Stellungnahmen
 
des Neurologen Dr. med. H.________ sowie der Hausärzte Dr.
 
med. S.________ und Dr. med. E.________ bei. Zudem veranlasste
 
sie eine interdisziplinäre Begutachtung in der
 
Medizinischen Abklärungsstelle der Invalidenversicherung
 
(MEDAS), welche am 10. Januar 1997 ausführlich Bericht
 
erstattete. Gestützt auf diese Unterlagen gelangte sie zum
 
Schluss, das Unfallereignis vom 9. September 1995 sei nicht
 
geeignet gewesen, die aktuell noch vorliegenden Beschwerden
 
zu verursachen. Mangels adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen
 
der vorhandenen Schädigung und dem versicherten Verkehrsunfall
 
stellte sie ihre Leistungen deshalb mit Verfügung
 
vom 15. April 1997 rückwirkend per 31. Dezember 1996
 
ein. Im Ergebnis hielt sie daran mit Einspracheentscheid
 
vom 9. Oktober 1997 fest, wobei sie zur Begründung neu darlegte,
 
dass schon der natürliche Kausalzusammenhang zwischen
 
Unfallereignis und gesundheitlicher Beeinträchtigung
 
nicht gegeben sei.
 
B.- Beschwerdeweise wandte sich M.________ an das
 
Obergericht des Kantons Schaffhausen mit den Begehren, es
 
seien der Einspracheentscheid vom 9. Oktober 1997 aufzuheben
 
und eine nochmalige medizinische Begutachtung zu veranlassen;
 
bis zum Vorliegen der Resultate der weiteren Untersuchungen
 
seien die gesetzlichen Leistungen auszurichten.
 
Abweichend von der im Einspracheentscheid der Elvia
 
vertretenen Auffassung bejahte das kantonale Gericht die
 
natürliche Kausalität des Verkehrsunfalles vom 9. September
 
1995 für die vorhandene Symptomatik, welche es dem nach
 
Schleudertraumata der Halswirbelsäule häufig beobachteten
 
und insofern typischen Beschwerdebild zuordnete. Im Übrigen
 
befand es, hinsichtlich der psychischen Schädigung bedürfe
 
es zusätzlicher Abklärungen. Näheren Aufschluss erwartete
 
es dabei von der im MEDAS-Gutachten vom 10. Januar 1997
 
empfohlenen nochmaligen Durchführung der Single Photon
 
Emission Computed Tomography (Spect), weshalb es die Sache
 
mit Entscheid vom 16. Juli 1999 zur ergänzenden Sachverhaltserhebung,
 
insbesondere zur Anordnung einer weiteren
 
Spect-Untersuchung, an die Elvia zurückwies; im Anschluss
 
daran sei über den adäquatkausalen Bezug zum Unfallgeschehen
 
zu befinden, was allenfalls nach der bei Vorliegen
 
einer dominanten psychischen Störung anwendbaren Methode zu
 
geschehen habe.
 
C.- Die Elvia erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und
 
beantragt die Aufhebung des kantonalen Entscheids.
 
M.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
 
schliessen.
 
Das kantonale Gericht bekräftigt unter Bezugnahme auf
 
die Argumentation in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde die
 
seinem Entscheid zu Grunde liegenden Überlegungen. Das Bundesamt
 
für Sozialversicherung hat sich nicht vernehmen lassen.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Unbestrittenermassen hat die heutige Beschwerdegegnerin
 
anlässlich des Auffahrunfalles vom 9. September
 
1995 ein Distorsionstrauma der Halswirbelsäule erlitten.
 
Nach der Kollision verspürte sie gemäss ihren eigenen Angaben
 
Schmerzen in der Nackengegend und im Rücken; zudem habe
 
sie sich in einer sehr schlechten Verfassung befunden und
 
es sei ihr übel geworden. Dennoch war sie offenbar noch in
 
der Lage, selbst von Z.________ zu sich nach Hause nach
 
A.________ zu fahren.
 
Während des stationären Aufenthaltes im Spital
 
B.________ traten nebst Zervikalgien und Kopfschmerzen
 
zeitweise krampfartige Hyperextensionen der Halswirbelsäule
 
sowie symmetrische Zuckungen der Extremitäten und passagere
 
Kribbelparästhesien im Bereiche der Fingerkuppen auf. Des
 
Weitern klagte die bereits in depressiver Grundstimmung ins
 
Spital eingetretene Patientin über Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen
 
sowie über Schwierigkeiten beim Sprechen.
 
In den Koordinationsprüfungen wurde eine Ataxie beobachtet
 
und es entwickelte sich eine ebenfalls ataktische Gangstörung
 
mit teils klonusartigen Krämpfen des rechten Beines.
 
Die aufgetretenen Beschwerden machten auch nach dem Spitalaufenthalt
 
ständige ärztliche Betreuung notwenig und die
 
psychische Entwicklung führte Anfang Juli 1997 zu einer
 
notfallmässigen Einweisung in die Kantonale Psychiatrische
 
Klinik D.________. In einem Bericht des Dr. med. W.________
 
vom 30. Juli 1996 war ferner von - bis dahin nie erwähnten
 
- Beschwerden im linken Knie die Rede, welche der Arzt auf
 
die nach dem Unfall eingetretene Gangstörung zurückführte.
 
Im für die Beurteilung massgebenden Zeitpunkt bei Erlass
 
des Einspracheentscheids vom 9. Oktober 1997 (vgl. BGE
 
121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen) klagte die Versicherte
 
noch über Rücken- und Nackenbeschwerden mit schmerzhafter
 
Schulterbeweglichkeit rechts und über Kopfschmerzen mit
 
eingeschränkter Kopfbeweglichkeit und Schwindelerscheinungen.
 
Gegenüber den Ärzten der MEDAS gab sie Konzentrations-,
 
Gedächtnis- und Wortfindungsstörungen, Vergesslichkeit,
 
Schreibschwierigkeiten, erhöhte Müdigkeit und einen
 
Tinnitus rechts an. Ferner bestanden Sensibilitäts-,
 
Gleichgewichts- sowie Koordinationsstörungen und nach wie
 
vor lag ein stark schwankendes Gangbild mit Abweichtendenzen
 
nach rechts vor. Zudem wurden weiterhin Kniebeschwerden
 
und neu auch noch Bauchschmerzen mit unten rechts lokalisierbaren
 
Druckdolenzen geltend gemacht. In psychischer
 
Hinsicht ist in der MEDAS-Expertise vom 10. Januar 1997 von
 
Depressionen die Rede, wobei Dr. med. R.________ in seinem
 
psychiatrischen Konsiliarbericht vom 16. Dezember 1996 eine
 
posttraumatische Anpassungsstörung mit Symptomausweitung,
 
wahrscheinlich auf dem Boden einer Persönlichkeitsstörung,
 
eine Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen
 
Gründen sowie psychische Probleme im Rahmen von Ehescheidung
 
diagnostiziert hatte.
 
2.- Zu prüfen ist, ob sich die nach dem Auffahrunfall
 
vom 9. September 1995 mannigfach aufgetretenen Beschwerden
 
im Sinne eines natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhanges
 
auf das versicherte Unfallereignis zurückführen lassen,
 
was für eine Leistungspflicht der Beschwerde führenden Versicherungsgesellschaft
 
unabdingbare Voraussetzung bildet.
 
a) Der Begriff der natürlichen Kausalität eines versicherten
 
Unfallereignisses für eine darauf zurückgeführte
 
gesundheitliche Schädigung (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289
 
Erw. 1b, je mit Hinweisen) ist im Einspracheentscheid vom
 
9. Oktober 1997 zutreffend dargelegt worden, worauf verwiesen
 
wird. Wesentlich ist insbesondere, dass das Vorhandensein
 
eines natürlichen Kausalzusammenhangs als Tatfrage -
 
auch bei Beschwerdebildern ohne organisch nachweisbare Befunde
 
nach Schleudertraumata der Halswirbelsäule (BGE 119 V
 
335) oder in ihren Auswirkungen vergleichbaren Mechanismen
 
(SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67 Erw. 2) - mit dem im Sozialversicherungsrecht
 
allgemein erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden
 
Wahrscheinlichkeit erstellt sein muss, während
 
die blosse Möglichkeit eines Zusammenhangs für die Begründung
 
eines Leistungsanspruches nicht genügt (BGE 119 V 338
 
Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen).
 
Die adäquate Kausalität eines Unfalles für einen in
 
dessen Gefolge eingetretenen Gesundheitsschaden ist nach
 
der Rechtsprechung dann gegeben, wenn ein Ereignis nach dem
 
gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung
 
an sich geeignet ist, einen Erfolg von der
 
Art des eingetretenen herbeizuführen, der Eintritt dieses
 
Erfolges also durch das Ereignis allgemein als begünstigt
 
erscheint (BGE 125 V 461 f. Erw. 5a mit Hinweisen). Bei der
 
Adäquanz von Unfallfolgen geht es um die Beantwortung einer
 
Rechtsfrage (BGE 117 V 382 Erw. 4a mit Hinweis).
 
b) Bei einem Schleudertrauma der Halswirbelsäule oder
 
einer äquivalenten Verletzung (SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67
 
Erw. 2) wie etwa einer Distorsion der Halswirbelsäule, wie
 
sie die Beschwerdegegnerin erlitten hat, kann die Leistungspflicht
 
der Unfallversicherung unter Umständen auch
 
ohne organisch direkt nachweisbare Schädigung gegeben sein.
 
Nach den Ergebnissen der medizinischen Forschung können bei
 
solchen Verletzungen auch ohne klar ausgewiesene pathologische
 
Befunde noch Jahre nach dem Unfall funktionelle Ausfälle
 
verschiedenster Art auftreten (BGE 117 V 363
 
Erw. 5d/aa mit Hinweisen). Der Umstand, dass die nach einem
 
Schleudertrauma häufig beobachteten und deshalb von der
 
Rechtsprechung als typisch bezeichneten Beschwerden wie
 
diffuse Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen,
 
Übelkeit, rasche Ermüdbarkeit, Visusstörungen,
 
Reizbarkeit, Affektlabilität, Depression oder Wesensveränderung
 
(BGE 117 V 360 Erw. 4b) in manchen Fällen
 
mit den heute verwendeten bildgebenden Untersuchungsmethoden
 
nicht objektivierbar sind, darf nicht dazu verleiten,
 
sie als rein "subjektive" Beschwerden zu qualifizieren und
 
damit deren Relevanz für die Unfallversicherung in Abrede
 
zu stellen. Gemäss fachärztlichen Publikationen bestehen
 
Anhaltspunkte dafür, dass der Unfallmechanismus bei einem
 
Schleudertrauma der Halswirbelsäule zu Mikroverletzungen
 
führt, welche für das erwähnte typische Beschwerdebild mit
 
hoher Wahrscheinlichkeit ursächlich oder zumindest im Sinne
 
einer Teilursache mit verantwortlich sind. Ein Unfall mit
 
Schleudertrauma der Halswirbelsäule kann demnach in der
 
charakteristischen Erscheinungsform einer Häufung typischer
 
Beschwerden eine Arbeits- bzw. Erwerbsunfähigkeit verursachen,
 
auch wenn die festgestellten Störungen organisch
 
nicht nachweisbar sind (BGE 117 V 363 f. Erw. 5d/aa mit
 
Hinweisen).
 
c) Was den Nachweis des vorliegend zunächst interessierenden
 
natürlichen Kausalzusammenhangs zwischen solchen
 
Beschwerden und einem als ursächlich in Frage kommenden Unfall
 
anbelangt, ist festzuhalten, dass nach der in BGE 119
 
V 335 erfolgten Klarstellung der Rechtsprechung auch bei
 
Schleudermechanismen der Halswirbelsäule in erster Linie
 
die medizinischen Fakten, insbesondere die fachärztlichen
 
Erhebungen über Anamnese, Verletzungsfolgen, unfallfremde
 
Faktoren und Vorzustand sowie die medizinischen Erkenntnisse
 
hinsichtlich des objektiven Befundes und der Diagnose
 
die massgeblichen Grundlagen für die Kausalitätsbeurteilung
 
bilden. Das Vorliegen eines Schleudertraumas - oder einer
 
äquivalenten Verletzung - wie auch dessen Folgen müssen
 
durch zuverlässige ärztliche Angaben gesichert sein. Trifft
 
dies zu und ist die natürliche Kausalität - auf Grund fachärztlicher
 
Feststellungen in einem konkreten Fall - unbestritten,
 
so kann der natürliche Kausalzusammenhang in aller
 
Regel auch aus rechtlicher Sicht als erstellt gelten
 
(BGE 119 V 340 Erw. 2b/aa).
 
Ob ein natürlicher Kausalzusammenhang zwischen einer
 
Schleuderverletzung der Halswirbelsäule ohne organisch
 
nachweisbare Befunde und den eingetretenen Gesundheitsschädigungen
 
besteht, ist indessen - wie erwähnt (Erw. 2a)
 
- eine Tatfrage, über welche die Verwaltung und im Beschwerdefall
 
der Richter im Rahmen der Beweiswürdigung nach
 
dem im Sozialversicherungsrecht allgemein erforderlichen
 
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu befinden
 
haben. Auch in diesem Bereich bedarf es somit für die Leistungsberechtigung
 
gegenüber dem Unfallversicherer, dass die
 
geklagten Beschwerden medizinisch einer fassbaren gesundheitlichen
 
Beeinträchtigung zugeschrieben werden können und
 
diese Gesundheitsschädigung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
 
in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem versicherten
 
Unfallereignis steht. Blosse Klagen über diffuse
 
Beschwerden genügen nicht. Von Verletzungsopfern angegebene
 
Beschwerden können, auch wenn sie zumindest teilweise den
 
nach Schleudertraumata der Halswirbelsäule häufig auftretenden
 
entsprechen, unter Umständen dennoch nicht als überwiegend
 
wahrscheinliche Folge eines Unfallereignisses gelten,
 
sondern müssen etwa als Ergebnis einer krankhaften
 
Entwicklung gesehen werden.
 
3.- Während der Beschwerde führende Unfallversicherer
 
den natürlichen Kausalzusammenhang zwischen der Auffahrkollision
 
vom 9. September 1995 und den noch vorhandenen gesundheitlichen
 
Beeinträchtigungen im Einspracheentscheid
 
vom 9. Oktober 1997 verneint hat, ist das kantonale Gericht
 
bezüglich des so genannt typischen Beschwerdebildes nach
 
Schleudertraumata der Halswirbelsäule (Erw. 2b) zum Schluss
 
gelangt, dass dieses natürlich kausal auf das in Betracht
 
fallende Unfallereignis zurückzuführen sei.
 
a) Abgesehen von den erst lange Zeit nach dem Unfall
 
vom 9. September 1995 aufgetretenen Kniebeschwerden und den
 
noch später geltend gemachten Bauchschmerzen lagen im Zeitpunkt
 
des Erlasses des Einspracheentscheides vom 9. Oktober
 
1997 keine Anhaltspunkte für organische Schädigungen vor,
 
welche die gesundheitlichen Probleme der Versicherten hätten
 
erklären können. Dies gilt insbesondere hinsichtlich
 
der von der diagnostizierten Distorsion direkt betroffenen
 
Halswirbelsäule; aber auch für zervikale Beschwerden liess
 
sich kein organisches Substrat finden. Auf Grund der ärztlich
 
erhobenen Befunde muss deshalb davon ausgegangen werden,
 
dass sich die gesundheitliche Situation zumindest aus
 
organischer Sicht wieder in einem Zustand präsentierte, wie
 
ihn die Beschwerdegegnerin auch ohne Unfallereignis aufgewiesen
 
hätte. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die umstrittene
 
Leistungseinstellung demnach durchaus gerechtfertigt
 
gewesen zu sein.
 
b) Das kantonale Gericht hat sich denn auch darauf beschränkt,
 
die Kausalitätsfrage hinsichtlich eines allfälligen
 
typischen Beschwerdebildes ohne organisch nachweisbare
 
Befunde, wie es nach Schleudertraumata der Halswirbelsäule
 
oftmals beobachtet wird (Erw. 2b), zu prüfen. Nachdem die
 
aufgetretene Symptomatik zumindest teilweise dem charakteristischen
 
Erscheinungsbild der Folgen von Schleudertraumata
 
und diesen in ihren Auswirkungen vergleichbaren Verletzungen
 
entspricht, ist dagegen grundsätzlich nichts einzuwenden.
 
aa) Die Beschwerdegegnerin war am 9. September 1995 an
 
einem eher harmlosen Auffahrunfall beteiligt, welcher vom
 
äusseren Geschehensablauf her, aber auch auf Grund des äusserst
 
minimen Sachschadens an den betroffenen Fahrzeugen,
 
keineswegs gravierende gesundheitliche Folgen befürchten
 
liess. Dass die demgegenüber aufgetretenen massiven Befindlichkeitsstörungen
 
natürlich kausal auf dieses Unfallereignis
 
zurückzuführen, ohne dieses mithin ausgeblieben wären,
 
erscheint schon deshalb als kaum wahrscheinlich.
 
bb) Wie bereits im Einspracheentscheid vom 9. Oktober
 
1997 einlässlich dargelegt worden ist, bieten aber auch -
 
was entscheidend ist - die eingeholten ärztlichen Beurteilungen
 
keine Grundlage für einen mit dem erforderlichen Beweisgrad
 
der überwiegenden Wahrscheinlichkeit anzunehmenden
 
natürlichen Kausalzusammenhang zwischen den geklagten Gesundheitsschäden
 
und dem von der Beschwerdegegnerin dafür
 
verantwortlich gemachten Unfallereignis. Sämtliche der an
 
der umfassenden Exploration in der MEDAS im Herbst 1996 beteiligten
 
Spezialisten konnten die für ihren Fachbereich
 
jeweils erhobenen Befunde höchstens als mögliche, nicht
 
aber als wahrscheinliche Unfallfolge bezeichnen. Dies gilt
 
nicht nur für die primär auf somatische Leiden ausgerichteten
 
medizinischen Disziplinen, sondern insbesondere auch
 
für die psychiatrische Begutachtung durch Dr. med.
 
R.________ vom 4. November 1996. Damit fehlt es aber an der
 
von der Rechtsprechung für eine Bejahung des natürlichen
 
Kausalzusammenhanges zwischen Unfall und typischem
 
Beschwerdebild nach Schleudertraumata geforderten eindeutigen
 
ärztlichen Bestätigung (Erw. 2c). Auch unter
 
diesem Aspekt lässt sich der leistungsverweigernde Einspracheentscheid
 
vom 9. Oktober 1997 somit nicht beanstanden.
 
Die vorinstanzliche Betrachtungsweise misst demgegenüber
 
der angeblichen, jedoch kaum überprüfbaren
 
Beschwerdefreiheit vor dem Unfallereignis vom 9. September
 
1995 zu viel Gewicht bei und schenkt insbesondere den vom
 
Eidgenössischen Versicherungsgericht in BGE 119 V 340 ff.
 
Erw. 2b aufgezeigten Beurteilungskriterien (Erw. 2c) kaum
 
Beachtung.
 
cc) Kann demnach nicht von einem natürlich kausal auf
 
das Unfallereignis vom 9. September 1995 zurückzuführenden
 
typischen Beschwerdebild nach Schleudertraumata ausgegangen
 
werden, erübrigt sich diesbezüglich - wie schon im Einspracheentscheid
 
vom 9. Oktober 1997 zutreffend festgehalten
 
worden ist - eine Adäquanzprüfung zum Vornherein.
 
c) Für die erstmals im Frühsommer 1996 geltend gemachten
 
Schmerzen im linken Kniegelenk, welche selbstredend
 
nicht zum typischen Beschwerdebild nach Schleudertraumata
 
zu zählen sind, scheint zwar eine organische Schädigung belegt
 
zu sein. Eine mechanische Einwirkung auf das linke
 
Knie anlässlich des Auffahrunfalles vom 9. September 1995
 
ist indessen nicht ausgewiesen, weshalb zumindest das Vorliegen
 
einer direkten Unfallfolge zum Vornherein ausscheidet.
 
Dr. med. W.________ sieht das erst Monate nach dem
 
Unfallereignis in Erscheinung getretene Knieleiden denn
 
auch bloss als Auswirkung der im Anschluss an die Auffahrkollision
 
aufgetretenen Gangstörung, indem er in seinen
 
Berichten vom 30. Juli und 11. September 1996 annimmt,
 
diese erst habe wegen des zufolge einer Quadrizepsschwäche
 
ständigen Einsackens im linken Kniegelenk zur Schmerzhaftigkeit
 
der - nach einer 1982 vorgenommenen Knieoperation
 
vorbestehenden - Femoropatellar-Arthrose geführt. Als
 
unfallkausal liessen sich die Kniebeschwerden links demnach
 
- wollte man der Erklärung des Dr. med. W.________ folgen -
 
nur unter der Voraussetzung qualifizieren, dass die mit
 
Gleichgewichtsproblemen verbundene Gangstörung, welche die
 
Vorinstanz offenbar dem typischen Beschwerdebild nach
 
Schleudertraumata zugeordnet hat, ihrerseits als natürlich
 
kausale Folge der Auffahrkollision zu betrachten wäre.
 
Dafür besteht indessen kein Anlass.
 
d) Ebenso wenig liegen Hinweise auf eine anlässlich
 
des Auffahrunfalles erlittene Unterleibsverletzung vor.
 
Nicht ersichtlich ist deshalb, inwiefern die angegebenen
 
Bauchschmerzen und die in diesem Zusammenhang ärztlich
 
festgestellten Druckdolenzen auf den fraglichen Unfall zurückzuführen
 
sein sollten.
 
4.- Des Weitern hat das kantonale Gericht Anzeichen
 
für eine dominante psychische Störung erblickt, welche die
 
übrigen, sich eher somatisch manifestierenden Beschwerden
 
ganz in den Hintergrund dränge. Gegebenenfalls müsste in
 
diesem Punkt bei der Adäquanzprüfung nach der vom Eidgenössischen
 
Versicherungsgericht in BGE 123 V 98 für solche
 
Fälle als anwendbar erklärten Methode bei psychischen Fehlentwicklungen
 
nach Unfällen (BGE 115 V 133) vorgegangen
 
werden. Diesbezüglich erachtete die Vorinstanz den massgeblichen
 
Sachverhalt indessen als nicht genügend abgeklärt,
 
weshalb sie die Sache an den Beschwerde führenden Unfallversicherer
 
zurückwies, damit er insbesondere die im MEDAS-Gutachten
 
vom 10. Januar 1997 angeregte nochmalige Spect-Untersuchung
 
veranlasse.
 
a) Auch bei psychischen Leiden setzt die Leistungspflicht
 
des Unfallversicherers indessen zunächst voraus,
 
dass ein versichertes Unfallereignis als dessen natürlich
 
kausale Ursache erscheint. Wie erwähnt (Erw. 3b/bb), trifft
 
dies auf Grund der Ausführungen des Dr. med. R.________ im
 
psychiatrischen Konsiliarbericht vom 16. Dezember 1996
 
bezüglich der Auffahrkollision vom 9. September 1995 jedoch
 
nicht zu. An dieser Beurteilung würde sich im Fall der Beschwerdegegnerin
 
auch nichts ändern, wenn die psychische
 
Störung nicht bloss neben weiteren somatischen Symptomen
 
als Bestandteil des typischen Beschwerdebildes nach Schleudertraumata
 
zu sehen wäre, sondern insofern eine die körperlichen
 
Befunde überragende Bedeutung hätte, als sie diese
 
mit umfassen oder aber gar als deren Auslösungsfaktor
 
erscheinen würde.
 
Bezüglich der Frage nach der natürlichen Kausalität
 
des fraglichen Unfallereignisses für die unbestrittenermassen
 
vorhandene psychische Schädigung besteht angesichts des
 
in jeder Hinsicht überzeugenden Berichts des Dr. med.
 
R.________ auch kein weiterer Abklärungsbedarf. Insbesondere
 
vermöchte die von der Beschwerdegegnerin geforderte
 
nochmalige Spect-Untersuchung in diesem Zusammenhang zum
 
Vornherein keine entscheidrelevanten Aufschlüsse zu vermitteln.
 
Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat sich
 
in dem in RKUV 2000 Nr. U 395 S. 316 (= SVR 2001 UV Nr. 1
 
S. 1) publizierten Urteil Z. vom 2. Juni 2000 (U 160/98)
 
eingehend mit der Aussagekraft hirnorganischer Abklärungen
 
mittels Spect auseinander gesetzt und ist dabei zum Schluss
 
gelangt, dass diese bisher auch wissenschaftlich nicht
 
anerkannte Untersuchungsmethode nicht geeignet ist, den
 
Nachweis der natürlichen Kausalität eines Unfalles für
 
hirnorganische Schädigungen zu erbringen. Selbst wenn der
 
Zusammenhang zwischen den anlässlich der Spect-Untersuchung
 
festgestellten Auffälligkeiten und dem vorhandenen psychischen
 
Beschwerdebild als erstellt gelten könnte, wäre deshalb
 
bezüglich der Frage nach der Ursächlichkeit des am
 
9. September 1995 erlittenen Unfalles nichts gewonnen.
 
b) Ob die Untersuchung mittels Spect im Übrigen Aufschluss
 
über Art und Ausmass der von der Vorinstanz als
 
weiter abklärungsbedürftig eingestuften psychischen Schädigung
 
geben könnte, braucht an dieser Stelle nicht erörtert
 
zu werden. Da bereits die natürliche Unfallkausalität nicht
 
als erstellt gelten kann, bedarf die Frage nach der Adäquanz
 
keiner Prüfung, womit auch nicht entschieden zu werden
 
braucht, ob diese nach der in BGE 117 V 359 (insbesondere
 
367 Erw. 6a) oder aber gestützt auf BGE 123 V 98 nach
 
der in BGE 115 V 133 (insbesondere 135 ff. Erw. 4 ff.)
 
dargelegten Methode zu klären wäre.
 
Der in der Argumentation der Beschwerdegegnerin wie
 
auch der Vorinstanz wiederholt auftauchende Hinweis darauf,
 
dass die nochmalige Spect-Untersuchung im MEDAS-Gutachten
 
vom 10. Januar 1997 empfohlen worden sei, ist in diesem Zusammenhang
 
ohne Belang. Es mag durchaus sein, dass eine
 
nochmalige Abklärung mittels Spect für die künftige medizinische
 
Betreuung und Behandlung der Beschwerdegegnerin wesentliche
 
Erkenntnisse zu Tage fördern und sich die Empfehlung
 
der MEDAS damit als gerechtfertigt erweisen könnte.
 
Auf die Beurteilung der natürlichen Kausalität und damit
 
auch auf die Leistungspflicht des Unfallversicherers hätte
 
dies jedoch keinen Einfluss.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird
 
der Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen
 
vom 16. Juli 1999 aufgehoben.
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des
 
Kantons Schaffhausen und dem Bundesamt für Sozialversicherung
 
zugestellt.
 
Luzern, 15. Oktober 2001
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der IV. Kammer:
 
Der Gerichtsschreiber:
 
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