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Informationen zum Dokument  BGer C 221/2001  Materielle Begründung
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BGer C 221/2001 vom 07.11.2001
 
[AZA 7]
 
C 221/01 Bl
 
II. Kammer
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Rüedi und Meyer; Gerichtsschreiberin
 
Amstutz
 
Urteil vom 7. November 2001
 
in Sachen
 
Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland, Bahnhofstrasse 32, 4133 Pratteln, Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
E.________, 1969, Beschwerdegegnerin,
 
und
 
Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft, Liestal
 
A.- Mit Verfügung vom 28. Juli 2000 stellte die Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland die 1969 geborene E.________ zufolge selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit ab
 
16. Mai 2000 für 45 Tage in der Anspruchsberechtigung ein.
 
B.- Hiegegen erhob E.________ Beschwerde mit dem sinngemässen Rechtsbegehren, in Aufhebung der Verfügung vom 28. Juli 2000 sei die Dauer der Einstellung neu nach Mass
 
gabe eines mittelschweren oder leichten Verschuldens zu bestimmen und deren Beginn auf den 1. Juli 2000 festzusetzen, zumal sie erst ab diesem Datum Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung erhebe. Vernehmlassungsweise beantragte die Arbeitslosenkasse, in teilweiser Gutheissung der Beschwerde sei die Einstellungsdauer im Rahmen eines schweren Verschuldens von 45 auf 31 Tage herabzusetzen. Mit Entscheid vom 11. April 2001 hiess das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft die Beschwerde in dem Sinne gut, dass es in Abänderung der angefochtenen Verfügung die Dauer der Einstellung auf 20 Tage herabsetzte und deren Beginn auf den 22. Mai 2000 datierte (Datum der [Wieder-] Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung).
 
C.- Die Arbeitslosenkasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, in teilweiser Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei die Einstellungsdauer auf mindestens 31 Tage festzusetzen.
 
E.________ und das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichten auf eine Vernehmlassung.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- a) Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen über die Einstellung in der Anspruchsberechtigung wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit (Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG), namentlich wegen einer Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, die dem Arbeitgeber Anlass zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegeben hat (Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV), sowie über die verschuldensabhängige Dauer der Einstellung (Art. 30 Abs. 3 Satz 3 AVIG; Art. 45 Abs. 2 AVIV) zutreffend wiedergegeben. Darauf kann verwiesen werden.
 
b) Bei der Prüfung der Unangemessenheit einer ange- fochtenen Verfügung (Art. 132 lit. a OG) geht es um die Frage, ob der zu überprüfende Entscheid, den die Behörde nach dem ihr zustehenden Ermessen im Einklang mit den all- gemeinen Rechtsprinzipien in einem konkreten Fall getroffen hat, nicht zweckmässigerweise anders hätte ausfallen sollen.
 
Allerdings darf das Sozialversicherungsgericht sein Ermessen nicht ohne triftigen Grund an die Stelle desjenigen der Verwaltung setzen; es muss sich somit auf Gegebenheiten stützen können, welche seine abweichende Ermessensausübung als nahe liegender erscheinen lassen (BGE 123 V 152 Erw. 2).
 
2.- Unbestritten ist, dass die Beschwerdegegnerin ihre Arbeitslosigkeit im Sinne von Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV selbst verschuldet hat und die Einstellung in der Anspruchsberechtigung daher zu Recht erfolgte. Streitig und zu prüfen bleibt einzig die Einstellungsdauer, insbesondere der Grad des hiefür massgebenden Verschuldens.
 
a) Fest steht, dass die bei der Firma T.________ AG als Chauffeuse angestellt gewesene Beschwerdegegnerin am 11. Mai 2000 nach einem Betriebsfest in eine Polizeikontrolle geriet und ihr wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand (1,32 Promille) für sechs Monate der Führerausweis entzogen wurde. Am 15. Mai 2000 kündigte die T.________ AG das Arbeitsverhältnis mündlich per 30. Juni 2000 mit sofortiger Freistellung mangels Einsetzbarkeit als Chauffeuse; mit Schreiben vom 6. Juni 2000 bestätigte sie die Kündigung.
 
b) Nach Auffassung der Vorinstanz trifft die Beschwerdegegnerin im Hinblick auf den Verlust der Arbeitsstelle kein schweres Verschulden. Zwar habe sie während des Betriebsfestes am Abend des 10. Mai 2000 deutlich zu viel getrunken, obwohl sie habe wissen müssen, dass sie als Chauffeuse an ihrem Arbeitsplatz auf den Führerausweis angewiesen war. Vom Standpunkt der Arbeitslosenversicherung aus ausschlaggebend sei jedoch, dass die Kündigung der Arbeitsstelle nicht zufolge ungenügender Leistungen als Chauffeuse oder des sonstigen Verhaltens inner- oder ausserhalb des Betriebes ausgesprochen worden sei, mithin nicht aufgrund einer Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten erfolgte; vielmehr sei der Stellenverlust bloss eine Nebenfolge eines strafrechtlich relevanten und unter anderem bereits mit dem Führerausweisentzug sanktionierten Verhaltens anzusehen. Hinzu komme, dass die Beschwerdegegnerin es nicht darauf angelegt habe, ihren Arbeitsplatz zu verlieren und missbräuchlich Leistungen der Arbeitslosenversicherung in Anspruch zu nehmen. In Würdigung der gesamten Umstände sei eine Einstellungsdauer von 20 Tagen, mithin im mittleren Bereich des mittelschweren Verschuldens, angemessen.
 
c) Der Besitz des Führerausweises war im Falle der Beschwerdegegnerin entscheidende Voraussetzung für die Anstellung als Chauffeuse bei der Firma T.________ AG, konnten doch die arbeitsvertraglichen Pflichten nur durch die entsprechende Qualifikation überhaupt erfüllt werden.
 
Indem die Beschwerdegegnerin in der Nacht vom 10. auf den
 
11. Mai 2000 trotz beträchtlichen Alkoholkonsums Auto fuhr, nahm sie nicht nur den Entzug des Führerausweises, sondern notwendigerweise auch den Verlust ihrer Arbeitsstelle als Chauffeuse in Kauf. Zu Recht wertet die Arbeitslosenkasse dieses Verhalten als schweres Verschulden. Als Chauffeuse, welcher von Berufs wegen eine besonders hohe Sorgfaltspflicht obliegt und von der überdurchschnittliche Kenntnisse des Strassenverkehrsrechts verlangt werden, musste die Beschwerdegegnerin wissen, dass Fahren in angetrunkenem Zustand ausnahmslos den Führerausweisentzug nach sich zieht (Art. 16 Abs. 3 lit. b SVG). Erhöhte Vorsicht wäre umso mehr geboten gewesen, als ihr der Führerausweis bereits zwei Jahre zuvor für vier Monate entzogen worden war. Der Umstand, dass das fehlerhafte Verhalten nicht in die ordentliche Arbeitszeit fiel, mindert das Verschulden der Beschwerdegegnerin nicht (Urteil K. vom 23. Dezember 1998 [C 227/98], Erw. 2). Denn dies ändert nichts daran, dass sie mit ihrem Fehlverhalten die Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen bewusst gefährdete und durch den erfolgten Führerausweisentzug schliesslich auch tatsächlich verunmöglichte, womit sie die unmittelbare Grundlage für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses seitens der Firma T.________ AG schuf.
 
Nach dem Gesagten bestanden für die Vorinstanz keine triftigen Gründe, das schwerwiegende Fehlverhalten der Beschwerdegegnerin lediglich als mittelschweres Verschulden einzustufen und mit der Herabsetzung der Einstellungsdauer auf 20 Tage ihr Ermessen an die Stelle desjenigen der Verwaltung zu setzen (vgl. Erw. 1b hievor). Die von der Arbeitslosenkasse im vor- und letztinstanzlichen Verfahren als angemessen befundene Einstellungsdauer von 31 Tagen, also im untersten Bereich des schweren Verschuldens (Art. 45 Abs. 2 lit. c AVIV), hält in Würdigung der gesamten Umstände einer Ermessensprüfung stand (Art. 132 lit. a OG).
 
3.- Zu Recht wird von der Arbeitslosenkasse nicht beanstandet, dass das kantonale Gericht den Beginn der Einstellung abweichend von der Verfügung vom 28. Juli 2000 auf den 22. Mai 2000 festgesetzt hat. Wohl wurde der im Stundenlohn angestellt gewesenen Beschwerdegegnerin formell erst per Ende Juni 2000 gekündigt; da sie jedoch vom Arbeitgeber ab 16. Mai 2000 freigestellt und ihr seither mangels Einsetzbarkeit kein Lohn mehr ausbezahlt wurde, ist die mündliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses am 15. Mai 2000 versicherungsrechtlich einer fristlosen Kündigung gleichzusetzen. Da die Beschwerdegegnerin mithin zum Zeitpunkt der Antragstellung am 22. Mai 2000 bereits einen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitt und auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt waren, bestand bereits ab diesem Zeitpunkt und nicht erst ab 1. Juli 2000 ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung. In tatsächlicher Hinsicht anzufügen bleibt, dass die Beschwerdegegnerin in ihrer Anmeldung vom 22. Mai 2000 nicht gestützt auf eine Auskunft der Arbeitslosenkasse, sondern auf Anraten eines Mitarbeiters des Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums (RAV) irrtümlicherweise erst ab 1. Juli 2000 Arbeitslosenentschädigung beantragt hatte.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I.In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird
 
der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons
 
Basel-Landschaft vom 11. April 2001 insoweit abgeändert,
 
als die Dauer der Einstellung in der Anspruchsberechtigung
 
von 20 auf 31 Tage heraufgesetzt
 
wird.
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft, dem Kantonalen Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Baselland und dem
 
Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
 
Luzern, 7. November 2001
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der II. Kammer:
 
Die Gerichtsschreiberin:
 
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