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Informationen zum Dokument  BGer P 60/1999  Materielle Begründung
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BGer P 60/1999 vom 09.11.2001
 
[AZA 7]
 
P 60/99 Vr
 
III. Kammer
 
Präsident Schön, Bundesrichter Spira und Bundesrichterin Widmer; Gerichtsschreiber Signorell
 
Urteil vom 9. November 2001
 
in Sachen
 
Ausgleichskasse des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
M.________, 1913, Beschwerdegegner, vertreten durch die
 
X.________ AG,
 
und
 
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn
 
A.- Der 1913 geborene M.________ liess sich am 8. Juli 1998 zum Bezug von Ergänzungsleistungen anmelden. Gemäss seinen Angaben stehen jährlichen Einnahmen von Fr. 24'528. - Ausgaben von Fr. 33'151. -, einschliesslich eines Bruttomietzinses von Fr. 8640. -, gegenüber. Zufolge verschiedener Korrekturen, namentlich der Reduktion des anrechenbaren jährlichen Mietzinses auf Fr. 1613. -, ergab sich ein Einnahmenüberschuss von Fr. 1517. -, weshalb die Ausgleichskasse des Kantons Solothurn das Gesuch mit Verfügung vom 6. August 1998 abwies.
 
B.- Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn hiess eine dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher die volle Anrechnung des vereinbarten Mietzinses verlangt wurde, mit Entscheid vom 31. August 1999 gut und stellte fest, dass der Versicherte mit Wirkung ab 1. Juni 1998 Anspruch auf Ergänzungsleistungen zur AHV-Rente von Fr. 460. -/Monat hat.
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Ausgleichskasse des Kantons Solothurn die Aufhebung des kantonalen Entscheides.
 
M.________ und die Vorinstanz schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung lässt sich nicht vernehmen.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- a) Gemäss Art. 2 Abs. 1 ELG (in der seit 1. Januar 1998 gültigen Fassung) haben Schweizer Bürger mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz Anspruch auf Ergänzungsleistungen, wenn sie eine der Voraussetzungen nach den Art. 2a-2d ELG erfüllen und die gesetzlich anerkannten Ausgaben (Art. 3b ELG) die anrechenbaren Einnahmen (Art. 3c ELG) übersteigen. Dabei entspricht die jährliche Ergänzungsleistung dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen (Art. 3a Abs. 1 ELG in der ab 1. Januar 1998 gültigen Fassung).
 
b) Nach den im Rahmen der 3. ELG-Revision geänderten Bestimmungen (in Kraft seit 1. Januar 1998) werden die anrechenbaren Ausgaben in Art. 3b ELG umschrieben. Als Ausgaben anrechenbar sind danach u.a. der Mietzins einer Wohnung und die damit zusammenhängenden Nebenkosten (Art. 3b Abs. 1 lit. b ELG). Die Kantone legen den Betrag fest für die Mietzinsausgaben nach Art. 3b Abs. 1 lit. b ELG, höchstens aber Fr. 12'000. - im Jahr bei Alleinstehenden (Art. 5 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 ELG). Gemäss dem neu in die Verordnung eingefügten Art. 16c ELV ist der Mietzins auf die einzelnen Personen aufzuteilen, wenn Wohnungen oder Einfamilienhäuser auch von Personen bewohnt werden, welche nicht in die EL-Berechnung eingeschlossen sind; die Mietzinsanteile der Personen, welche nicht in die EL-Berechnung eingeschlossen sind, werden bei der Berechnung der jährlichen Ergänzungsleistung ausser Betracht gelassen. Gemäss Abs. 2 dieser Verordnungsbestimmung hat die Aufteilung grundsätzlich zu gleichen Teilen zu erfolgen. In BGE 127 V 15 Erw. 5 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht diese Verordnungsbestimmung als gesetzmässig qualifiziert. Bezüglich der ebenfalls anrechenbaren Nebenkosten wird bei selbstbewohntem Eigentum ausschliesslich eine Pauschale anerkannt (Art. 16a Abs. 1 ELV), welche Fr. 1680. - beträgt (Art. 16a Abs. 3 ELV).
 
2.- M.________ ist Mieter eines Zimmers in einem Einfamilienhaus, welches der Eigentümer und dessen Familie (Ehefrau und ein Kind) bewohnt. Gemäss Mietvertrag beträgt der monatliche Mietzins Fr. 600. -, zuzüglich Nebenkostenpauschale von Fr. 120. -. In der Anmeldung zum Leistungsbezug machte er diese Kosten im Umfange von Fr. 8640. -/Jahr als Ausgabe geltend. Die Verwaltung reduzierte den anrechenbaren Abzug auf Fr. 1613. -. Sie ging davon aus, dass der Liegenschaftseigentümer und Vermieter gemäss Steuererklärung einen Eigenmietwert von Fr. 6454. - deklariert habe. Dieser Betrag sei auf die (vier) Bewohner des Hauses zu gleichen Teilen aufzuteilen.
 
Das kantonale Gericht hiess eine dagegen erhobene Beschwerde gut im Wesentlichen mit folgender Begründung: Die Ausgleichskasse gehe in zutreffender Weise davon aus, dass dem Versicherten nach der Rechtsprechung ein Viertel des Eigenmietwertes, der im Übrigen korrekt festgestellt worden sei, als Mietzinskosten (Fr. 134. -/Monat) angerechnet werden könnte. Der steuerliche Eigenmietwert (Fr. 6454. -/Jahr) liege indessen deutlich unter den effektiv geltenden marktkonformen Mietzinsen. Die Betrachtungsweise der Verwaltung führe dazu, dass der Zweck des ELG, nämlich die Sicherstellung einer angemessenen Deckung des Existenzbedarfs des Leistungsansprechers, nicht erreicht werde. Die geltend gemachten Mietzinskosten von monatlich Fr. 600. -, zuzüglich Fr. 120. - für Nebenkosten, könnten für ein Zimmer mit Bad sowie die Mitbenützung eines ganzen Einfamilienhauses als angemessen bezeichnet werden. Es bestünde kein Hinweis auf eine willkürliche Erhöhung des Existenzbedarfs. Es seien daher die geltend gemachten Auslagen vollumfänglich anzuerkennen.
 
3.- a) Nach dem Wortlaut von Art. 16c ELV (in Kraft seit 1. Januar 1998) führt bereits das blosse gemeinsame Bewohnen einer Wohnung oder eines Einfamilienhauses zu einer Mietzinsaufteilung (Abs. 1). Die Aufteilung erfolgt grundsätzlich zu gleichen Teilen auf die einzelnen Personen (Abs. 2). Diese Regelung gilt analog auch dann, wenn ein gemeinsam bewohntes Objekt im Eigentum eines Mitgliedes der Hausgemeinschaft steht (vgl. Art. 12 ELV; Rz 3021 der Wegleitung über Ergänzungsleistungen zur AHV und IV [WEL], gültig ab 1. Januar 1998). Sobald zwischen dem EL-Ansprecher und dem Eigentümer aber ein Mietvertrag besteht und der vertraglich vereinbarte Mietzins auch tatsächlich geleistet wird, soistdiesermassgeblich, sofernernichtalsoffensichtlichübersetzterscheint(UrteileP. vom1. Juni2001[P62/00]Erw. 3a und T. vom 30. März 2001 [P 2/01] Erw. 2).
 
b) Vorliegend ist M.________ seit langen Jahren Mieter eines Zimmers im selbstbewohnten Einfamilienhaus der Familie O.________. Der vertraglich vereinbarte Mietzins beträgt pro Monat Fr. 600. -, zuzüglich Fr. 120. - für Nebenkosten. Der Einwand der beschwerdeführenden Amtsstelle, in der Region und der Stadt Y.________ sei ein Zimmer, verbunden mit dem Recht zur Mitbenutzung von Bad und Küche, auch günstiger zu haben, ist nicht geeignet, die zutreffenden Erwägungen des kantonalen Gerichts in Zweifel zu ziehen. Denn dass auch günstigere Mietobjekte zu haben sind, bedeutet nicht, dass der abgemachte Bruttomietzins offensichtlich übersetzt ist. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird zudem geltend gemacht, die Bezahlung des Mietzinses sei nicht bewiesen. Dieser Einwand erweist sich als unbegründet, weil einerseits sich früheren Akten entnehmen lässt, dass die damals vereinbarte Entschädigung mittels Dauerauftrag beglichen wurde, und weil andererseits das Ehepaar O.________ die entsprechenden Mietzinseinnahmen in der Steuererklärung als Einkünfte deklariert hat. Im Übrigen hätte es der Verwaltung frei gestanden, die erforderlichen Belege einzuverlangen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der vertragliche Mietzins tatsächlich bezahlt worden ist. Der vorinstanzliche Entscheid ist daher nicht zu beanstanden.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 9. November 2001
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
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