VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 5C.229/2001  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 5C.229/2001 vom 29.11.2001
 
[AZA 0/2]
 
5C.229/2001/min
 
II. Z I V I L A B T E I L U N G ********************************
 
29. November 2001
 
Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung,
 
Bundesrichter Raselli, Ersatzrichter Riemer sowie
 
Gerichtsschreiber Zbinden.
 
---------
 
In Sachen
 
X.________, Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Rudolf Sutter, Toggenburgerstrasse 24, 9500 Wil SG,
 
gegen
 
Versicherung Y.________, Beklagte und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Eugen Mätzler, Poststrasse 23, Postfach 1936, 9001 St. Gallen,
 
betreffend
 
Versicherungsvertrag, hat sich ergeben:
 
A.- Am 12. Januar 1996 unterzeichnete X.________ bei der Versicherung Y.________ einen Antrag betreffend eine Motorfahrzeugversicherung für das Fahrzeug BMW 735i, Kontrollschild TG ..., wobei sie die Frage nach der Anzahl regelmässiger Lenker mit "drei" beantwortete und sich selbst als "häufigsten Lenker" bezeichnete. Als Verwendungszweck gab sie "Privatfahrzeug, private und geschäftliche Verwendung" mit einer jährlichen Kilometerleistung von 20'000 km an. Darauf erhielt sie am 7. Februar 1996 die Police zugestellt, in welcher sie als "häufigste Lenkerin" bezeichnet und die Nutzungsart mit "privat, mit regelmässiger Fahrt zur Arbeit" umschrieben wurde. Am 27. März 1996 wurde in Belgrad in den BMW 735i eingebrochen; Lenker war Z.________, der Ehemann von X.________, gewesen. Am 9. April 1997 wurde der BMW 735i in Belgrad gestohlen; Lenker war wiederum der Ehemann gewesen, welcher geschäftlich unterwegs gewesen war.
 
X.________ reichte am 6. Mai 1997 das "Frageblatt Fahrzeugdiebstahl" ein, worauf die Versicherung Y.________ am 28. Mai 1997 den Versicherungsvertrag aufgrund von Art. 42 Abs. 1 und 2 VVG wegen überdurchschnittlicher Schadensbelastung kündigte. Am 19. Dezember 1997 trat sie aufgrund von Art. 6 VVG vom Vertrag zurück, da im Antrag für die Versicherung vom 12. Januar 1996 keine Schadensfälle deklariert worden seien, die Abklärungen indessen ergeben hätten, dass das Fahrzeug mit dem Kontrollschild TG ... (Mercedes) mehrere Schadensfälle erlitten habe. Bei diesem Wagen handelte es sich um das Vorgängerfahrzeug des BMW, das bei der Versicherung V.________ versichert war und bei dem der Ehemann von X.________ als Halter, Versicherungsnehmer und häufigster Lenker ausgewiesen worden war. Am 31. März 1998 trat der Ehemann sämtliche Ansprüche aus dem Diebstahl vom 9. April 1997 an X.________ ab.
 
B.-X.________ erhob am 7. September 1998 beim Bezirksgericht Münchwilen/TG Klage mit dem Antrag, die Versicherung Y.________ habe ihr Fr. 46'247. 60 nebst Zins zu 5% seit 9. April 1997 zu bezahlen. In der Duplik erklärte die Versicherung Y.________ am 28. Januar 1999 den Rücktritt vom Vertrag i.S.v. Art. 6 VVG wegen Falschbeantwortung der Frage nach dem häufigsten Lenker des BMW. Mit Urteil vom 16. November/21.
 
Dezember 2000 wies die erste Instanz die Klage ab.
 
Auf Berufung von X.________ bestätigte das Obergericht des Kantons Thurgau mit Urteil vom 15. Mai 2001 den bezirksgerichtlichen Entscheid.
 
C.- Hiergegen richtet sich die vorliegende Berufung, mit welcher die Klägerin Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und Gutheissung der Klage, eventualiter Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung beantragt. Es ist keine Berufungsantwort eingeholt worden.
 
D.- Die gegen das Urteil des Obergerichts erhobene staatsrechtliche Beschwerde der Klägerin (5P. 321/2001) ist von der erkennenden Abteilung mit Entscheid vom heutigen Tag abgewiesen worden, soweit darauf hat eingetreten werden können.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Die Klägerin wirft dem Obergericht im Zusammenhang mit der Frage nach dem häufigsten Lenker vor, es habe Art. 8 ZGB verletzt, indem es sie nicht zum Gegenbeweis dafür zugelassen habe, dass sie die häufigste Lenkerin gewesen sei.
 
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ergibt sich aus Art. 8 ZGB auch das Recht zum Gegenbeweis. Der Gegner der beweisbelasteten Partei hat einen Anspruch darauf, zum Beweis von Umständen zugelassen zu werden, die beim Richter Zweifel an der Richtigkeit der Gegenstand des Hauptbeweises bildenden Sachbehauptungen wachhalten und diesen dadurch vereiteln sollen (BGE 115 II 305). Für das Gelingen des Gegenbeweises ist mithin bloss erforderlich, dass der Hauptbeweis erschüttert wird, nicht aber auch, dass der Richter von der Schlüssigkeit der Gegendarstellung überzeugt wird (BGE 76 II 188 E. 3 S. 194). Insoweit unterscheidet sich der Gegenbeweis vom Beweis des Gegenteils, der sich gegen eine gesetzliche Vermutung richtet und seinerseits ein Hauptbeweis ist (BGE 120 II 393 E. 4b S. 397 mit Hinweisen).
 
b) Die erste Instanz hat über die Frage, wer häufigster Lenker des BMW gewesen sei, ein relativ eingehendes Beweisverfahren durchgeführt, auf welches sich auch die Vorinstanz mit einlässlichen Erwägungen gestützt hat. Die Klägerin behauptet und belegt nicht, sie habe im kantonalen Verfahren rechtzeitig Beweismittel geltend gemacht, welche die kantonalen Instanzen in Verletzung des Anspruches auf Gegenbeweis nicht abgenommen hätten (vgl. dazu: BGE 114 II 289 E. 2a S. 290; vgl. 115 II 464 E. 1, 484 E. 2a). Erweist sich somit die Rüge der Verletzung von Art. 8 ZGB als unzureichend substanziiert, so kann insoweit auf die Berufung nicht eingetreten werden.
 
2.- Gemäss Art. 6 VVG ist der Versicherer an den Vertrag nicht gebunden, wenn der Anzeigepflichtige beim Abschluss der Versicherung eine erhebliche Gefahrstatsache, die er kannte oder kennen musste, unrichtig mitgeteilt oder verschwiegen hat und der Versicherer binnen vier Wochen, nachdem er von der Verletzung der Anzeigepflicht Kenntnis erhalten hat, vom Vertrag zurücktritt.
 
a) Die Klägerin rügt am vorinstanzlichen Urteil als Verletzung von Art. 6 VVG vorab, das Obergericht habe in diesem Zusammenhang einzig abgeklärt, wer häufigster Lenker des BMW gewesen sei und nicht auch die Frage, ob die Klägerin diese Gefahrstatsache bei Vertragsabschluss kannte oder hätte kennen müssen. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang einzig auf die häufigen Auslandaufenthalte ihres Ehemannes (ohne BMW), in welcher Zeit der BMW ihr zur Verfügung gestanden habe, was bei Vertragsabschluss voraussehbar gewesen sei.
 
Indessen hat die Vorinstanz nicht allein diesen Umstand als massgebend angesehen, sondern weitere. Dabei ergibt sich aus dem ganzen Tenor der diesbezüglichen vorinstanzlichen Erwägungen jedenfalls mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Vorinstanz bezüglich der häufigsten Benützung des BMW seitens des Ehemannes der Klägerin von einer entsprechenden Absprache bzw. von einem Plan der Eheleute ausgegangen ist und deshalb die in Frage stehende Kenntnis der Klägerin implizit bejaht hat. Unter diesen Umständen hat die Vorinstanz nicht gegen Art. 6 VVG verstossen.
 
b) Eine weitere Verletzung von Art. 6 VVG erblickt die Klägerin darin, dass die Vorinstanz die Rücktrittserklärung der Beklagten vom 19. Dezember 1997 trotz Unklarheiten und Mängel als ausreichend qualifiziert habe.
 
aa) Dabei macht die Klägerin zunächst geltend, die Beklagte sei mit der Begründung vom Vertrag zurückgetreten, die Klägerin habe frühere Schadensfälle "mit" dem Fahrzeug TG ... verschwiegen, obwohl von ihr noch gar nie eine Motorfahrzeugversicherung abgeschlossen worden sei und sie daher auch keinen Schadensfall habe verschweigen können.
 
Die Kritik ist nicht berechtigt. Die Beklagte hat in besagtem Schreiben der Klägerin nicht etwa vorgeworfen, selbst erlittene Schadensfälle verschwiegen zu haben; vielmehr ging es lediglich um Schadensfälle an dem mit dem Kontrollschild TG ... versehenen Fahrzeug. Insofern sind die Ausführungen der Klägerin nicht geeignet, eine Bundesrechtsverletzung nachzuweisen.
 
bb) Des Weiteren hält die Klägerin dafür, die Beklagte habe im fraglichen Rücktrittsschreiben nicht gesagt, dass sie den Ehemann als häufigsten Lenker einstufe. Sie hätte darauf hinweisen müssen, dass ihrer Ansicht nach nicht die Klägerin, sondern deren Ehemann häufigster Lenker des Fahrzeuges gewesen sei und dass sie (die Beklagte) deshalb die Angaben im Fragebogen als unvollständig betrachte, weil er keinen Hinweis auf die früheren Schadensfälle des Ehemannes enthalte. Auch insoweit erweist sich die Berufung als unbegründet; das Obergericht hat ausdrücklich darauf hingewiesen, erst das Beweisverfahren habe definitiv belegt, dass die Klägerin nicht die häufigste Lenkerin des BMW gewesen sei. Mit diesem wesentlichen Argument setzt sich die Klägerin nicht auseinander. Eine Verletzung von Bundesrecht ist somit nicht dargetan.
 
3.- Unter diesen Umständen ist die Berufung abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann; das vorinstanzliche Urteil ist folglich zu bestätigen, unter Kostenfolge zu Lasten der Klägerin (Art. 156 Abs. 1 OG). Eine Parteientschädigung an die Beklagte entfällt mangels Einholung einer Berufungsantwort.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.- Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 15. Mai 2001 wird bestätigt.
 
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Klägerin auferlegt.
 
3.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
 
_____________
 
Lausanne, 29. November 2001
 
Im Namen der II. Zivilabteilung
 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
 
Der Präsident:
 
Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).