VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 2A.554/2001  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 2A.554/2001 vom 28.12.2001
 
[AZA 0/2]
 
2A.554/2001/bie
 
II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG ***********************************
 
28. Dezember 2001
 
Es wirken mit: Bundesrichter Hungerbühler, präsidierendes
 
Mitglied der II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Müller,
 
Kolly und Gerichtsschreiber Feller.
 
--------
 
In Sachen
 
B.________, geb. 1966, z.Zt. Ausschaffungsgefängnis Witzwil, Postfach, Gampelen, Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Regierungssstatthalteramt von Thun, Haftgericht III Bern-Mittelland,
 
betreffend
 
Ausschaffungshaft, hat sich ergeben:
 
A.-B.________ stellte im Jahr 1992 unter dem Namen A.________, Palästinenser, ein Asylgesuch, welches im Januar 1994, unter gleichzeitiger Anordnung der Wegweisung, abgewiesen wurde. Von September bis Dezember 1995 war er in Ausschaffungshaft.
 
Nachdem B.________ bereits im März 1997 im Kanton Freiburg zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt worden war, verurteilte ihn der Gerichtspräsident 5 des Gerichtskreises X Thun am 9. November 1998 (noch unter dem Namen A.________) wegen Diebstahls, Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142. 20) zu sechs Wochen Gefängnis und zu fünf Jahren Landesverweisung.
 
Das Regierungsstatthalteramt Thun ordnete am 30. November 1998 den Vollzug der Landesverweisung an und beauftragte den Ausländer- und Bürgerrechtsdienst der Kantonspolizei Bern mit dem Vollzug der Ausschaffung. Am 6. Dezember 1999 verurteilte der Gerichtspräsident 14 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen B.________ (nach wie vor als A.________) wegen Diebstahls zu eineinhalb Monaten Gefängnis.
 
Nachforschungen des Bundesamtes für Flüchtlinge in Deutschland ergaben, dass B.________ wohl algerischer Staatsangehöriger ist. Am 2. August 2001 stellte das algerische Konsulat in der Schweiz für ihn einen Laissez-Passer in Aussicht.
 
Der Ausländer- und Bürgerrechtsdienst der Kantonspolizei Bern reservierte auf den 13. September 2001 einen Rückflug, welcher wegen vorerst noch fehlender Reisepapiere allerdings nicht angetreten wurde.
 
Am 21. August 2001 wurde B.________ in Haft genommen, und der Ausländer- und Bürgerrechtsdienst stellte dem Haftgericht III Bern-Mittelland den Antrag zur Prüfung der Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Haft (Ausschaffungshaft), um den Vollzug der Landesverweisung sicherzustellen.
 
Am 23. August 2001 prüfte und bestätigte die Haftrichterin 2 des Haftgerichts III Bern-Mittelland die Haft.
 
Gegen diesen Haftrichterentscheid gelangte B.________ am 30. August 2001 mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht (Verfahren 2A.370/2001).
 
Da für die Anordnung von Ausschaffungshaft im Kanton Bern abschliessend entweder der Regierungsstatthalter (Sicherstellung des Vollzugs einer strafrechtlichen Landesverweisung) oder das Amt für Migration und Personenstand (Sicherstellung von Weg- oder Ausweisung) zuständig ist, im konkreten Fall aber keine dieser Behörden die Haft angeordnet hatte, fehlte es an einer gesetzmässigen erstinstanzlichen Haftverfügung; das Bundesgericht hiess daher die Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit Urteil vom 19. September 2001 gut, hob den Haftbestätigungsentscheid auf und ordnete die unverzügliche Entlassung von B.________ aus der Ausschaffungshaft an.
 
B.-Gestützt auf die dem Bundesgericht im Verfahren 2A.370/2001 eingereichte Rechtsschrift von B.________ eröffnete das Bundesamt ein (neues) Asylverfahren. Mit Verfügung vom 11. September 2001 trat es darauf nicht ein, wies B.________ mit sofortiger Wirkung aus der Schweiz weg, beauftragte den Kanton Bern mit dem Wegweisungsvollzug und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung.
 
Diese Verfügung wurde B.________ am 12. September 2001 eröffnet.
 
Mit Verfügung vom 2. November 2001 ordnete das Regierungsstatthalteramt Thun an, die Landesverweisung gegen B.________ sei, sobald die Modalitäten für die Ausreise geregelt seien, zu vollziehen; mit der Überwachung der Ausreise oder der Überführung des Verurteilten an die Grenze bzw. in seine Heimat beauftragte es den Ausländer- und Bürgerrechtsdienst der Kantonspolizei Bern; für den Fall, dass die Ausschaffung nicht sofort ohne längerdauernde Abklärungen erfolgen könne, wurde die Versetzung in Ausschaffungshaft angeordnet.
 
Nachdem B.________ von der Fremdenpolizei der Stadt Bern bei Wohnungskontrollen am 21. und 22. November 2001 nicht angetroffen werden konnte, wurde er am 5. Dezember 2001 festgenommen. Am 7. Dezember 2001 ordnete das Regierungsstatthalteramt Thun in Ergänzung seiner Verfügung vom 2. November 2001 nochmals Ausschaffungshaft an. Gleichentags bestätigte der Haftrichter 1 des Haftgerichts III BernMittelland nach mündlicher Verhandlung die Rechtsmässigkeit und Angemessenheit der Haft (vollständige Ausfertigung des Haftbestätigungsentscheids mit Begründung vom 12. Dezember 2001).
 
C.-Mit in französischer Sprache verfasstem Schreiben vom 10. Dezember 2001 ersucht B.________ das Bundesgericht um "libération". Gestützt auf diese Eingabe ist ein Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde eröffnet worden. Der Haftrichter und das Regierungsstatthalteramt Thun beantragen Abweisung der Beschwerde.
 
Das Bundesamt für Ausländerfragen hat sich nicht vernehmen lassen. Der Beschwerdeführer hat von der Möglichkeit einer weiteren Stellungnahme innert der ihm dazu eingeräumten Frist (21. Dezember 2001) keinen Gebrauch gemacht.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.-Der Beschwerdeführer hat an der Verhandlung vor dem Haftrichter zu Protokoll gegeben, dass er einen Anwalt "wirklich nötig" habe. In der Eingabe an das Bundesgericht vom 10. Dezember 2001 führt er aus, er habe kein Geld, um einen Anwalt zu bezahlen, und er habe nach dem Entscheid des Richters keinen Anspruch auf einen "avocat d'office".
 
a) Ob der Beschwerdeführer damit förmlich die Rüge erheben will, es hätte ihm im Verfahren vor dem Haftrichter ein Anwalt beigegeben werden müssen, ist nicht klar, braucht aber nicht geklärt zu werden. Einen Anspruch auf Beigabe eines Anwaltes von Amtes wegen gibt es im Verfahren der Ausschaffungshaft nicht. Auch auf ausdrückliches Gesuch hin muss nach feststehender Rechtsprechung einem in Ausschaffungshaft genommenen mittellosen Ausländer im gerichtlichen Verfahren zur Prüfung der Rechtmässigkeit der Haftanordnung, anders als im richterlichen Verfahren betreffend die Verlängerung der Ausschaffungshaft, in der Regel kein unentgeltlicher Rechtsanwalt beigegeben werden (BGE 121 I 49). Vorliegend geht es um die Anordnung von Ausschaffungshaft; der Umstand, dass der Beschwerdeführer bereits von August bis September 2001 während etwas weniger als einem Monat in Ausschaffungshaft war, lässt den angefochtenen Entscheid nicht zu einem solchen über die Verlängerung der Ausschaffungshaft werden. Nach der beschriebenen Regel hatte der Beschwerdeführer daher im kantonalen Verfahren keinen Anspruch auf Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsanwalts; ein Grund, vorliegend von dieser Regel abzuweichen (vgl. BGE 122 I 275 E. 3 S. 276 ff.), ist nicht erkennbar.
 
b) Soweit der Beschwerdeführer mit seinen Ausführungen über die anwaltliche Verbeiständung sinngemäss die Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsanwalts für das vorliegende bundesgerichtliche Verfahren beantragen will, ist das Gesuch abzuweisen, weil die Beschwerde aussichtslos ist (Art. 152 OG), wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt.
 
2.-a) Die zuständige Behörde kann einen Ausländer in Ausschaffungshaft nehmen, sofern die Voraussetzungen von Art. 13b ANAG erfüllt sind. Danach ist im Einzelnen unter anderem erforderlich, dass ein erstinstanzlicher, nicht notwendigerweise auch rechtskräftiger Weg- oder Ausweisungsentscheid vorliegt (vgl. BGE 121 II 59 E. 2 S. 61; 125 II 369 E. 3a S. 374; 122 II 148 E. 1 S. 150), dessen Vollzug (z.B. wegen fehlender Reisepapiere) noch nicht möglich, jedoch absehbar ist (BGE 125 II 369 E. 3a S. 374, 377 E. 2a S. 379). Sodann muss einer der in Art. 13b Abs. 1 ANAG genannten Haftgründe bestehen (BGE 125 II 369 E. 3a S. 374, 377 E. 3a S. 381; 124 II 1 E. 1 S. 3) und die Ausschaffung rechtlich und tatsächlich möglich sein (vgl. Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG; dazu BGE 125 II 217 E. 2 S. 220, 377 E. 5 S. 384). Auf Seiten der Behörden sind die für den Vollzug der Wegweisung notwendigen Vorkehrungen (wie Identitäts- und Herkunftsabklärungen, Papierbeschaffung) umgehend zu treffen (Art. 13b Abs. 3 ANAG, Beschleunigungsgebot; vgl. BGE 124 II 49 ff.).
 
b) Das vorliegend zur Anordnung von Ausschaffungshaft zuständige Regierungsstatthalteramt Thun (vgl. dazu das den Beschwerdeführer betreffende Urteil des Bundesgerichts vom 19. September 2001 [2A. 370/2001], E. 2a S. 4) hat erstmals am 2. November 2001 die Ausschaffungshaft angeordnet, wobei die Haftanordnung an die Voraussetzung geknüpft wurde, dass die Ausschaffung nicht sofort ohne längerdauernde Abklärungen erfolgen könne. Die Zulässigkeit einer derartigen bedingten Haftanordnung ist zweifelhaft. Entweder sind sämtliche Voraussetzungen der Ausschaffungshaft erfüllt, was - ausgehend von Sinn und Zweck der ausländerrechtlichen Haft - insbesondere gerade auch dann zutrifft, wenn der Ausländer nicht auffindbar ist oder wenn nötige Angaben zur Identität oder Reisepapiere fehlen, und die Haft ist dann - ohne Bedingung - anzuordnen; sind hingegen nicht alle gesetzlichen Haftvoraussetzungen erfüllt, soll und kann Haft nicht verfügt werden, auch nicht bedingt.
 
Nun hat vorliegend das Regierungsstatthalteramt seine Verfügung vom 2. November 2001 noch im Verlauf der Haftrichterverhandlung, also vor dem Entscheid über die Haftgenehmigung, mündlich (telefonisch) dahingehend präzisiert, dass der Beschwerdeführer in Haft versetzt werde; es hat damit klargestellt, dass nunmehr eine unbedingte Haftanordnung vorliege. Eine dies bestätigende schriftliche Verfügung vom 7. Dezember 2001 liegt vor, und es steht damit fest, dass der Haftrichter - anders als im Verfahren 2A.370/2001 - eine von der zuständigen Behörde verfügte Haftanordnung geprüft und bestätigt hat.
 
c) Mit der Ausschaffungshaft soll vorliegend der Vollzug der strafrechtlichen Landesverweisung sichergestellt werden. Der Entscheid über eine strafrechtliche Landesverweisung ist einem Weg- oder Ausweisungsentscheid i.S. von Art. 13b ANAG gleichgestellt (nicht veröffentlichte Urteile des Bundesgerichts vom 29. August 1996 i.S. Malushaj, vom 23. Januar 1998 i.S. Simic und vom 28. Januar 1999 i.S.
 
Sara). Die gegen den Beschwerdeführer angeordnete Haft dient damit einem vom Gesetz vorgesehenen und damit zulässigen Zweck. Der Vollzug der Landesverweisung ist grundsätzlich möglich, konnte doch ein Laissez-Passer beschafft werden und liesse sich die Rückreise nach Algerien per Flugzeug bewerkstelligen, sofern der Beschwerdeführer sich dem nicht widersetzen würde. Damit ist auch gesagt, dass die Behörden die für den Vollzug der Landesverweisung notwendigen Vorkehrungen ohne Verzögerungen getroffen haben. Es bleibt noch zu prüfen, ob ein gesetzlicher Haftgrund gegeben ist.
 
Das Regierungsstatthalteramt und der Haftrichter stützen die Haft auf den Haftgrund von Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG. Danach ist Ausschaffungshaft dann zulässig, wenn konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass der Ausländer sich der Ausschaffung entziehen will, insbesondere weil sein bisheriges Verhalten darauf schliessen lässt, dass er sich behördlichen Anordnungen widersetzt. Aus den für das Bundesgericht verbindlichen (vgl. Art. 105 Abs. 2 OG) tatsächlichen Feststellungen des Haftrichters, welche vom Beschwerdeführer nicht bestritten werden, und ergänzend aus den Akten ergibt sich Folgendes: Der Beschwerdeführer hielt sich während Jahren unter falscher Identität in der Schweiz auf. Nachdem seine algerische Herkunft bekannt geworden war, stellte er ein jeder Grundlage entbehrendes zweites Asylgesuch.
 
Nach Vorliegen des diesbezüglichen Nichteintretensentscheids blieb er untergetaucht. Er gibt auch nach negativem Ausgang des zweiten Asylverfahrens klar zu erkennen, dass er nicht nach Algerien auszureisen bereit ist. Im Übrigen ist er mehrmals straffällig geworden. Bei einem solchen Verhalten kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Beschwerdeführer, sollte er aus der Haft entlassen werden, für den Vollzug der Landesverweisung zur Verfügung halten würde. Das Bild wird durch das Verhalten des Beschwerdeführers nach dem Haftrichterentscheid vom 7./12. Dezember 2001 abgerundet; er hat es verstanden, seinen auf den 15. Dezember 2001 organiserten Rückflug zu vereiteln (Weigerung, das Flugzeug zu besteigen). Der Haftgrund von Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG ist erfüllt.
 
d) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich damit in jeder Hinsicht als offensichtlich unbegründet, und sie ist im vereinfachten Verfahren (Art. 36a OG) abzuweisen.
 
3.-Entsprechend dem Verfahrensausgang würde der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 OG). In Fällen der vorliegenden Art (unter anderem scheinen dem Beschwerdeführer weitgehend die finanziellen Mittel zu fehlen) rechtfertigt es sich jedoch, von der Erhebung einer Gerichtsgebühr abzusehen (vgl. Art. 154 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht
 
im Verfahren nach Art. 36a OG:
 
1.-Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.-Es werden keine Kosten erhoben.
 
3.-Das Gesuch um Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsanwalts wird abgewiesen.
 
4.-Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Regierungsstatthalteramt von Thun, dem Haftgericht III BernMittelland und dem Bundesamt für Ausländerfragen schriftlich mitgeteilt.
 
______________
 
Lausanne, 28. Dezember 2001
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
 
Das präsidierende Mitglied:
 
Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).