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Informationen zum Dokument  BGer K 99/2004  Materielle Begründung
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BGer K 99/2004 vom 21.01.2005
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
K 99/04
 
Urteil vom 21. Januar 2005
 
I. Kammer
 
Besetzung
 
Präsident Borella, Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi, Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiberin Fleischanderl
 
Parteien
 
B.________, 1963, Beschwerdeführerin, vertreten
 
durch die Treuhand P.________ GmbH,
 
gegen
 
Helsana Versicherungen AG, Schadenrecht, Zürichstrasse 130, 8600 Dübendorf, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
 
(Entscheid vom 22. Juni 2004)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
A.a Mit Zahlungsbefehl vom 5. März 1996 betrieb die Artisana Kranken- und Unfallversicherung (seit 1. Januar 1997: Helsana Versicherungen AG, nachfolgend: Helsana) die 1963 geborene B.________, Mutter zweier 1990 und 1991 geborener Kinder, für in der Zeit von Januar bis November 1994 angefallene Prämienausstände im Betrag von Fr. 4197.60 (zuzüglich Verzugszins von 5 % seit 20. Januar 1994, Mahn- und Inkassospesen von Fr. 40.- sowie Betreibungskosten in Höhe von Fr. 75.-). An ihrer Forderung festhaltend beseitigte die Helsana den in der Folge durch die Versicherte erhobenen Rechtsvorschlag (Verfügung vom 1. Mai 1996, Einspracheentscheid vom 15. August 1996). Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die hiegegen eingereichte Beschwerde mit Entscheid vom 28. September 1999 insofern gut, als es den angefochtenen Einspracheentscheid, soweit die geforderten Verzugszinsen und Mahnspesen betreffend, aufhob; im Übrigen wies es die Rechtsvorkehr ab, indem es B.________ zur Bezahlung von Fr. 4197.60 zuzüglich Betreibungskosten von Fr. 75.- verpflichtete und den Rechtsvorschlag in diesem Umfang beseitigte. Auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin bestätigte das Eidgenössische Versicherungsgericht den kantonalen Entscheid (Urteil vom 25. Juli 2000).
 
A.b Am 21. Oktober 2002 stellte die Helsana in Bezug auf die geschuldeten Prämien sowie Gläubigerkosten in Höhe von Fr. 75.- erneut ein Betreibungsbegehren, woraufhin der Zahlungsbefehl vom 24. Oktober 2002 erlassen wurde. Den am 5. November 2002 erklärten Rechtsvorschlag hob sie am 2. Dezember 2002 hinsichtlich des Prämienbetrags, der Gläubigerkosten sowie der Betreibungskosten von Fr. 70.- verfügungsweise auf. An diesem Ergebnis hielt die Helsana mit Einspracheentscheid vom 16. September 2003 unter Hinweis darauf fest, dass die Betreibungskosten bereits von Gesetzes wegen der Gläubigerin zustünden.
 
B.
 
Die dagegen eingelegte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab und hob den Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. ... des Betreibungsamtes X.________ (Zahlungsbefehl vom 24. Oktober 2002) für den Betrag von Fr. 4197.60 zuzüglich Gläubigerkosten in Höhe von Fr. 75.- auf (Entscheid vom 22. Juni 2004).
 
C.
 
B.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides, des Einspracheentscheides vom 16. September 2003 sowie der Rechtsöffnungsverfügung vom 2. Dezember 2002 sei der am 28. Oktober 2002 (recte: 5. November 2002) erhobene Rechtsvorschlag als begründet zu bestätigen.
 
Während die Helsana auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf eine Vernehmlassung.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Streitig und zu prüfen ist, ob die Helsana die von der Beschwerdeführerin für sich und ihre Kinder für die Zeit von Januar bis November 1994 geschuldeten Prämien (samt Akzessorien), deren Rechtmässigkeit das Eidgenössische Versicherungsgericht mit Urteil vom 25. Juli 2000 in grundsätzlicher Hinsicht festgestellt hat und die im vorliegenden Verfahren nicht mehr zu prüfen ist, noch einfordern kann.
 
1.2 Der zu beurteilende Rechtsstreit hat demnach nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen zum Gegenstand, weshalb das Eidgenössische Versicherungsgericht lediglich prüft, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
 
2.
 
2.1 Die Vorinstanz hat unter Verweis auf die massgebliche, in BGE 122 V 331 dargelegte Rechtsprechung richtig erkannt, dass, da weder das bis Ende 1995 gültig gewesene KUVG noch das seither geltende KVG eine entsprechende Bestimmung enthält (vgl. nunmehr aber Art. 24 Abs. 1 des am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG] vom 6. Oktober 2000), und - wie im kantonalen Entscheid in für das Eidgenössische Versicherungsgericht verbindlicher Weise (vgl. Erw. 1.2 hievor) implizit festgestellt wurde - auch keine entsprechenden statutarischen Vorschriften der Beschwerdegegnerin bestehen, Art. 16 AHVG analog anzuwenden ist, wenn es um die Verwirkung des Forderungsanspruchs von Krankenkassen für nicht entrichtete Versicherungsprämien geht. Gemäss Art. 16 Abs. 1 Satz 1 AHVG können Beiträge, die nicht innert fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, für welches sie geschuldet sind, durch Verfügung geltend gemacht werden, nicht mehr eingefordert oder entrichtet werden. Art. 16 Abs. 2 Satz 1 AHVG bestimmt, dass die nach Abs. 1 geltend gemachte Beitragsforderung drei Jahre - gemäss der bis 31. Dezember 1996 in Kraft gestandenen Fassung - bzw., seit 1. Januar 1997, fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres erlischt, in welchem sie rechtskräftig wurde.
 
2.1.1 Die Beschwerdegegnerin hat am 1. Mai 1996, bestätigt durch Einspracheentscheid vom 15. August 1996, gegenüber der Versicherten die Prämienforderung für die Monate Januar bis November 1994 im Gesamtbetrag von Fr. 4197.60 (zuzüglich Akzessorien) verfügt und den im Betreibungsverfahren erhobenen Rechtsvorschlag beseitigt. Damit hat sie die Forderung für ausstehende Versicherungsprämien rechtsgenüglich im Sinne von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 AHVG geltend gemacht. Rechtskräftig festgesetzt wurde die Prämienforderung mit Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 25. Juli 2000, sodass sie am 1. Januar 1997, d.h. bei In-Kraft-Treten der Gesetzesänderung vom 7. Oktober 1994 (10. AHV-Revision), noch nicht erloschen war. Nach Massgabe von lit. b Abs. 2 der Schlussbestimmungen zur 10. AHV-Revision gelangt folglich Art. 16 Abs. 2 Satz 1 AHVG in der seit 1. Januar 1997 geltenden Fassung zur Anwendung (fünfjährige Verwirkungsfrist), weshalb die Forderung erst Ende 2005 untergeht.
 
2.1.2 Daran ändert der auf den 1. Januar 2003 in Kraft getretene Art. 24 Abs. 1 ATSG, wonach der Anspruch auf ausstehende Beiträge fünf Jahre nach dem Ende des Kalenderjahres erlischt, für welches der Beitrag geschuldet war, nichts. Obgleich der Wortlaut der Bestimmung - insbesondere die Verwendung des Begriffs "ausstehend" - die Auffassung zuliesse, dass Beiträge innert der fünfjährigen Frist sowohl festgesetzt als auch erbracht bzw. entrichtet werden müssten, wofür im Übrigen auch die Gesetzesmaterialien gewisse Hinweise enthalten (unveröffentlichter Bericht des altNationalrats Allenspach an die nationalrätliche Kommission über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 11. August 1996, in welchem auf S. 53 festgehalten wird, "dass die Fünfjahresfrist für die Festsetzung der Forderung und deren Vollstreckung gilt"), stehen dieser Lesart gewichtige Gründe entgegen. Zunächst wurde im bisherigen Recht, welches diesbezüglich grundsätzlich nicht verändert werden sollte (BBl 1999 V 4575), zwischen Festsetzung und Vollstreckung eine klare Zweiteilung vorgenommen (vgl. Art. 16 Abs. 1 und 2 AHVG). Des Weitern wäre - würde Art. 24 Abs. 1 ATSG derart ausgelegt - in Art. 16 Abs. 2 AHVG eine Abweichung von der genannten Bestimmung aufzunehmen gewesen, worauf der Gesetzgeber aber trotz sorgfältiger Prüfung verzichtet hat (vgl. BBl 1999 V 4757). Schliesslich würde es zu nicht hinnehmbaren Unbilligkeiten führen, wenn die Entrichtung (und nicht nur die Festsetzung) der ausstehenden Beiträge innert fünf Jahren zu erfolgen hätte, da damit zufällige Momente einbezogen würden, die zudem eine wesentliche Erschwerung der Vollstreckung gegenüber dem bisherigen Recht mit sich brächten. Vor diesem Hintergrund ist Art. 24 Abs. 1 ATSG in dem Sinne zu verstehen, dass damit ausschliesslich die Geltendmachung der Beitragsforderung, d.h. die Festsetzungsverwirkung, nicht aber deren Vollstreckung geregelt werden sollte (vgl. zum Ganzen: Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, Kommentar zum Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000, Zürich 2003, Rz 4, 18 und 21 zu Art. 24). Enthält das ATSG somit keine Bestimmung zur Frage der Vollstreckungsverjährung und -verwirkung, ist diesbezüglich, soweit vorhanden, auf die einzelgesetzliche Regelung zurückzugreifen. Diese findet sich für die vorliegend zu prüfende Prämienforderung im Krankenversicherungsbereich weiterhin - unter analoger Anwendung (vgl. Erw. 2.1 hievor) - in Art. 16 Abs. 2 Satz 1 AHVG (vgl. auch Kieser, a.a.O., Rz 5 und 6 zu Art. 24 [für den Krankenversicherungsbereich: insbesondere Rz 28 zu Art. 24]).
 
2.2 Entgegen den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde steht diesem Ergebnis - wie das kantonale Gericht bereits in seinem letztinstanzlich vollumfänglich bestätigten Entscheid vom 28. September 1999 zutreffend erkannt hat - weder der Umstand, dass die Helsana die Prämien für die Monate Januar bis Juni 1994 zuvor bereits im Jahre 1994 betreibungsrechtlich geltend gemacht hatte, noch der Hinweis entgegen, wonach "der 1993 mit der ELVIA Versicherung/Grütli eingegangene Versicherungsvertrag (...) nach VVG abgeschlossen" worden sei. Soweit die Versicherte in der beschriebenen Verjährungs- und Verwirkungsregelung für Beitragsforderungen sodann eine Ungleichbehandlung gegenüber dem Rückerstattungsanspruch der versicherten Person ihrerseits auf zu viel bezahlte Beiträge gemäss Art. 16 Abs. 3 Satz 1 AHVG bzw. Art. 25 Abs. 3 ATSG sieht (einjährige Frist ab Kenntnisnahme; fünfjährige Frist nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge bezahlt worden sind), verkennt sie den unterschiedlichen Bedeutungsgehalt der beiden Anspruchsarten. Während es bei der Einforderung der Beiträge seitens der Verwaltung um die Durchsetzung der Beitragspflichten - und damit die Wahrnehmung öffentlicher Interessen - an sich geht, bestehen Sinn und Zweck des (Beitrags-)Rückerstattungsanspruchs der versicherten Person einzig darin, aus Gründen der Rechtssicherheit und aus verwaltungstechnischen Erwägungen (...) nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes in einem bestimmten Schuldverhältnis zwischen AHV (oder - analog - der sozialen Krankenversicherung) und beitragspflichtiger Person Ruhe einkehren zu lassen (BGE 119 V 300 Erw. 4a mit Hinweis). Demgegenüber unterliegen die - in der Sache eher vergleichbaren - Rückerstattungsansprüche von Krankenversicherern (auf bereits erbrachte aber nicht geschuldete Leistungen) und Versicherten (auf zu viel bezahlte Beiträge) derselben Verwirkungsordnung (Art. 16 Abs. 3 Satz 1 [Beiträge] und Art. 47 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 AHVG [Leistungen; in Kraft gestanden bis 31. Dezember 2002]; Art. 25 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 [Leistungen] und Abs. 3 ATSG [Beiträge]; BGE 119 V 301 Erw. 4c mit Hinweisen). Gleiches gilt ferner für den Anspruch auf noch ausstehende Leistungen oder Beiträge (Beiträge: Art. 16 Abs. 1 Satz 1 sowie Abs. 2 Satz 1 AHVG, Art. 24 Abs. 1 ATSG; Leistungen: Art. 46 Abs. 1 AHVG [in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung]; Art. 46 Abs. 1 AHVG [in der seit 1. Januar 2003 geltenden Fassung] in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 ATSG).
 
Der vorinstanzliche Entscheid ist damit rechtens.
 
3.
 
Es stehen keine Versicherungsleistungen im Streit (vgl. Erw. 1.2 hievor), weshalb das Verfahren kostenpflichtig ist (Art. 134 OG e contrario). Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG).
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 700.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.
 
Luzern, 21. Januar 2005
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der I. Kammer: Die Gerichtsschreiberin:
 
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