VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 6S.346/2004  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 6S.346/2004 vom 01.02.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6S.346/2004 /bri
 
Urteil vom 1. Februar 2005
 
Kassationshof
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen,
 
Gerichtsschreiber Garré.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau.
 
Gegenstand
 
Widerruf des bedingten Strafvollzugs,
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Ober-gerichts des Kantons Aargau, 1. Strafkammer, vom 19. August 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Am 9. Dezember 1999 wurde X.________ vom Bezirksgericht Bremgarten (AG) der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz wegen Verkaufs von 40 Gramm Kokain sowie wegen Eigenkonsums von Kokain und Haschisch schuldig gesprochen. Das Gericht bestrafte ihn mit 6 Monaten Gefängnis, unter Anrechnung von 5 Tagen Untersuchungshaft, und mit Fr. 2000.-- Busse. Für die Freiheitsstrafe wurde ihm der bedingte Strafvollzug mit einer Probezeit von 2 Jahren gewährt.
 
Am 9. April 2001 sprach der Amtsgerichtsstatthalter von Thal-Gäu in Balsthal (SO) X.________ der mehrfachen groben Verletzung der Verkehrsregeln (Überschreiten der signalisierten Höchst-geschwindigkeit innerorts von 50 km/h um 25 km/h, begangen am 24. September 1998 in Winznau/SO; Überschreiten der gesetzlichen Höchstgeschwindigkeit auf Autobahn von 120 km/h um 51 km/h, begangen am 4. Januar 2000 in Neuendorf/SO) und der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln (Überschreiten der gesetzlichen Höchstgeschwindigkeit auf Autobahn von 120 km/h um 27 km/h, begangen am 11. Februar 2000 in Oberbuchsiten/SO) schuldig. Er wurde deswegen mit 4 Wochen Gefängnis und Fr. 1000.-- Busse bestraft. Für die Freiheitsstrafe wurde ihm der bedingte Strafvollzug mit einer Probezeit von 2 Jahren gewährt.
 
Auf den Widerruf des am 9. Dezember 1999 vom Bezirksgericht Bremgarten gewährten bedingten Strafvollzuges wurde verzichtet. Der Verurteilte wurde verwarnt und die Probezeit wurde um 2 Jahre ver-längert.
 
Am 10. September 2002 verurteilte das Obergericht des Kantons Luzern X.________ wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln (Überschreiten der signalisierten Höchstgeschwindigkeit ausserorts von 80 km/h um 35 km/h, begangen am 25. August 2001 in Malters/LU) zu 10 Tagen Gefängnis (unbedingt) und Fr. 1500.-- Busse. Es verzichtete auf den Widerruf des bedingten Strafvollzuges sowohl im Zusammenhang mit dem Urteil vom 9. Dezember 1999 des Bezirksgerichts Bremgarten als auch im Zusammenhang mit dem Urteil vom 9. April 2001 des Amtsgerichtsstatthalters Thal-Gäu, verwarnte aber X.________ in beiden Fällen. In Bezug auf das zweite Urteil wurde die Probezeit um 1 Jahr verlängert.
 
B.
 
Mit Strafbefehl vom 23. April 2003 bestrafte das Bezirksamt Zofingen (AG) X.________ wegen Irreführung der Rechtspflege mit einer Busse von Fr. 1200.--, weil er am 2. und 3. Januar 2003 den Ermittlungsbehörden Falschangaben im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall gemacht hatte, um den effektiven Fahrzeuglenker zu decken.
 
Aufgrund dieser in der Zwischenzeit rechtskräftigen Verurteilung ordnete das Bezirksgericht Zofingen mit Urteil vom 16. April 2004 die Vollstreckung der am 9. April 2001 und am 9. Dezember 1999 bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafen an.
 
Mit Urteil vom 19. August 2004 bestätigte das Obergericht des Kantons Aargau im Berufungsverfahren den erstinstanzlichen Entscheid.
 
C.
 
X.________ erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das obergerichtliche Urteil "noch einmal gründlich zu überdenken", "das harte Strafausmass zu prüfen " und ihm "die faire Chance auf Bewährung zu geben".
 
D.
 
Das Obergericht verzichtet auf Gegenbemerkungen. Eine Vernehm-lassung der Staatsanwaltschaft wurde nicht eingeholt.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist rein kassatorischer Natur (Art. 277ter Abs. 1 BStP). Soweit der Beschwerdeführer mehr verlangt als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids, ist auf sein Rechtsmittel nicht einzutreten (BGE 129 IV 276 E. 1.2 S. 279 mit Hinweis).
 
2.
 
Der Beschwerdeführer macht sinngemäss geltend, die Voraus-setzungen für einen Widerruf seien nicht erfüllt. Bei seinen Verfeh-lungen habe er "keine Personen oder Sachen gefährdet, sondern lediglich die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten". Dabei gebe er sich "hiermit geläutert und zutiefst einsichtig ", und habe sich "nun schon seit längerer Zeit strikt an die jeweiligen Geschwindig-keitsbegrenzungen" gehalten. Er habe nämlich begriffen, "dass es keinen Sinn macht, gegen Verordnungen und Gesetze zu verstossen, die ja im Grunde zum Schutze der Bürger erlassen wurden". Zudem sei er ein tief religiöser Mensch sowie ein routinierter und gewissen-hafter Fahrzeuglenker, und im Falle einer Strafvollstreckung würde auf ihn und auf seine Familie "eine Katastrophe bisher nicht abzusehen-den Ausmasses zukommen". Er verweist schliesslich auf die Folgen des Strafvollzuges für seine beiden Firmen "A.________" und "B.________".
 
3.
 
3.1 Begeht der Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen, handelt er trotz förmlicher Mahnung des Richters einer ihm erteilten Weisung zuwider, entzieht er sich beharrlich der Schutz-aufsicht oder täuscht er in anderer Weise das auf ihn gesetzte Vertrauen, so lässt der Richter die Strafe vollziehen (Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB). Wenn begründete Aussicht auf Bewährung besteht, kann der Richter in leichten Fällen stattdessen, je nach den Um-ständen, den Verurteilten verwarnen, zusätzliche Massnahmen nach Art. 41 Ziff. 2 StGB anordnen und die im Urteil bestimmte Probezeit um höchstens die Hälfte verlängern (Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB).
 
3.2 Die Vorinstanz setzt sich mit den einschlägigen rechtlichen Bestimmungen ausführlich auseinander. Auf Grund einer Gesamt-würdigung aller entscheidenden Kriterien kommt sie zum Schluss, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf der Freiheitsstrafen gegeben sind. Auf die Erwägungen kann verwiesen werden (Art. 36a Abs. 3 OG). Der Widerrufsgrund erneuter Straffälligkeit während der Probezeit ist gegeben, was vom Beschwerdeführer nicht bestritten wird. Die neue Straftat ist zwar noch als leichter Fall im Sinne von Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB zu qualifizieren, hingegen verneint die Vorinstanz zu Recht die begründete Aussicht auf Bewährung. Der Beschwerdeführer liess sich nämlich von den bisherigen Sanktionen keineswegs beeindrucken. Trotz des ihm mehrmals gewährten be-dingten Strafvollzuges hat er ständig weiter delinquiert. Die Behaup-tungen in der Nichtigkeitsbeschwerde, er habe "keine Personen oder Sachen gefährdet, sondern lediglich die zulässige Höchstge-schwindigkeit überschritten", bestätigen seine fehlende Einsicht. Er versucht, seine Straftaten zu bagatellisieren, als ob seine wiederholten Verfehlungen entschuldbar wären, nur weil er keine Personen verletzt und keine Sachen beschädigt hat. Dabei übersieht er, dass er durch sein rücksichtsloses Verhalten ernstliche Gefahren für die Sicherheit anderer in Kauf nimmt. Weder die bedingten Freiheitsstrafen, einschliesslich der kurzen U-Haft, noch die Bussen, die Verwar-nungen, die Verlängerungen der Probezeit und die Verbüssung einer Freiheitsstrafe von 10 Tagen Gefängnis haben bei ihm Wirkung gezeigt. Unter diesen Bedingungen kann eine gute Prognose im Sinne von Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB nicht mehr gestellt werden. Daran ändern auch die behaupteten beruflichen Schwierigkeiten nichts. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
 
3.3 Der Beschwerdeführer bestreitet auch die Höhe der Sanktion. Dabei verkennt er, dass im Rahmen eines Widerrufsverfahrens die Strafzumessung im Sinne von Art. 63 StGB nicht mehr angefochten werden kann, zumal der Widerrufsrichter das Urteil, welches die bedingt vollziehbare Strafe verhängte, nicht auf seine materielle Richtigkeit hin überprüfen kann (BGE 74 IV 12 E. 3; R. Schneider, Basler Kommentar, N. 195 zu Art. 41, mit Hinweisen; ebenso, aber im Zusammenhang mit Art. 38 Ziff. 4 StGB, Urteil 6A.100/2002 vom 7. April 2003, E. 4.2).
 
4. Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten zu tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau und dem Obergericht des Kantons Aargau, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 1. Februar 2005
 
Im Namen des Kassationshofes
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).