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Informationen zum Dokument  BGer 6S.131/2004  Materielle Begründung
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BGer 6S.131/2004 vom 22.03.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6S.131/2004
 
6P.186/2004 /pai
 
Urteil vom 22. März 2005
 
Kassationshof
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen,
 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Till Gontersweiler,
 
gegen
 
6P.186/2004
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8023 Zürich,
 
Kassationsgericht des Kantons Zürich, Postfach,
 
8022 Zürich,
 
und
 
6S.131/2004
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach,
 
8023 Zürich,
 
Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, Postfach, 8023 Zürich.
 
Gegenstand
 
6P.186/2004
 
Art. 9 und 29 Abs. 2 BV (Strafverfahren; Willkür, Verletzung des rechtlichen Gehörs),
 
staatsrechtliche Beschwerde gegen den Sitzungsbeschluss des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 22. November 2004,
 
6S.131/2004
 
ambulante Massnahme (Art. 43 StGB),
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 30. Januar 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
X.________ absolvierte eine kaufmännische Lehre und arbeitete anschliessend als Autoverkäufer und Verkaufsleiter bei verschiedenen Garagen, zeitweise war er auch selbständig erwerbend. In den Jahren 1999 und 2000 verübte er im Zusammenhang mit dem Verkauf von Autos einen Betrug und eine Urkundenfälschung sowie mehrfach Veruntreuungen. Das Bezirksgericht Winterthur verurteilte ihn am 15. August 2003 wegen dieser Delikte zu einer Gefängnisstrafe von 16 Monaten unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs. Zugleich widerrief es den bedingten Vollzug für eine 16monatige Gefängnisstrafe gemäss Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 27. Oktober 1999 und für eine 45tägige Gefängnisstrafe gemäss Strafbefehl der Bezirksanwaltschaft Bülach vom 13. März 2001. Im Berufungsverfahren bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am 30. Januar 2004 das Urteil des Bezirksgerichts im Schuld- und Strafpunkt. Eine vom Verurteilten gegen den Entscheid des Obergerichts ergriffene Beschwerde wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 22. November 2004 ab, soweit es darauf eintrat.
 
B.
 
X.________ erhebt staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht mit dem Antrag um Aufhebung des Entscheids des Kassationsgerichts wegen Willkür gemäss Art. 9 BV und Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäss Art. 29 Abs. 2 BV. Überdies führt er eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, es sei das Urteil des Obergerichts aufzuheben, die ausgesprochene Gefängnisstrafe und die als vollziehbar erklärten früheren Freiheitsstrafen zugunsten einer ambulanten Massnahme gemäss Art. 43 StGB aufzuschieben und die Erstberufung der geschädigten A.________ AG abzuweisen.
 
Das Obergericht verzichtet auf Gegenbemerkungen zur Nichtigkeitsbeschwerde. Vernehmlassungen des Kassationsgerichts und der Staatsanwaltschaft wurden nicht eingeholt.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
I. Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Sitzungsbeschluss des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 22. November 2004
 
1.
 
Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss eine staatsrechtliche Beschwerde die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren prüft das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene Rügen. Auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (vgl. BGE 127 I 38 E. 3c).
 
Wird ein Urteil des Zürcher Kassationsgerichts angefochten, darf sich der Beschwerdeführer nicht auf eine reine Wiederholung der vor Kassationsgericht gegen das obergerichtliche Urteil erhobenen Rügen beschränken, sondern hat sich zugleich mit der Begründung des Kassationsgerichts auseinander zu setzen. Es genügt namentlich nicht, wenn der Beschwerdeführer mit pauschalen Vorbringen behauptet, der Entscheid des Obergerichts sei willkürlich und damit auch jener des Kassationsgerichts, der dies verneint. Er hat vielmehr im Einzelnen zu zeigen, inwiefern das Kassationsgericht zu Unrecht verneint haben soll, dass die Beweiswürdigung des Obergerichts offensichtlich unhaltbar sei, mit der tatsächlichen Situation in krassem und offensichtlichem Widerspruch stehe, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletze oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufe (BGE 125 I 492 E. 1a/cc und b).
 
2.
 
Der Beschwerdeführer rügt in verschiedener Hinsicht die ungenügende Berücksichtigung der Berichte von Dr. med. B.________, die dieser über ihn am 25. November 2002, 4. Juli 2003 und 23. Januar 2004 verfasst hat.
 
Zunächst wirft er dem Kassationsgericht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, da es auf seine Rüge, das Obergericht habe sich mit den genannten Berichten nicht genügend auseinandergesetzt, mangels Substanzierung nicht eintrat. Da das Obergericht die fraglichen Berichte ohne nähere Begründung ausser Acht gelassen habe, seien zu diesem Punkt vor Kassationsgericht keine näheren Ausführungen erforderlich gewesen. Dieser Vorwurf entbehrt der Grundlage, denn das obergerichtliche Urteil legt auf den Seiten 11/12 und 19/20 durchaus dar, wieso es den Schreiben von Dr. med. B.________ keine Beachtung schenkt. Der Beschwerdeführer hätte sich mit diesen Erwägungen vor Kassationsgericht auseinandersetzen müssen. Das Nichteintreten dieser Instanz auf diesen Punkt verletzt daher den verfassungsmässigen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht.
 
Ausserdem macht der Beschwerdeführer geltend, das Kassationsgericht missachte in willkürlicher Weise die Feststellungen, die sich aus den Berichten von Dr. med. B.________ ergäben. Er legt jedoch nicht dar, bei welchen der vor Kassationsgericht gerügten Punkten diese Befunde hätten in Betracht gezogen werden müssen. Vielmehr hat seine Argumentation rein appellatorischen Charakter, weshalb darauf nach der angeführten Rechtsprechung (vgl. E. 1) nicht einzutreten ist.
 
3.
 
Mit mehreren Rügen wendet sich der Beschwerdeführer auch gegen das Gutachten von Dr. med. C.________ und Dr. med. D.________ vom 20. Mai 2003.
 
Die bereits vor Kassationsgericht vorgebrachte Rüge, es hätte neben Dr. C.________ bei der Erstellung des Gutachtens keine zweite Person als Mitgutachterin beigezogen werden dürfen und - bejahendenfalls - zumindest die Aufgabenteilung der beiden Ärzte näher dargestellt werden müssen, wird im angefochtenen Entscheid eingehend erörtert und als unbegründet erachtet. Dabei wird unter anderem als entscheidend herausgestellt, dass am 10. April 2003 zwischen dem Beschwerdeführer und Dr. med. C.________ ein einlässliches Gespräch stattfand und sich dieser - als der vom Bezirksgericht bestellte Gutachter - damit einen ausreichenden persönlichen Eindruck vom Exploranden verschaffte. Wenn der Beschwerdeführer diese Feststellung nun als willkürlich rügt, weil das fragliche Gespräch nur wenige Minuten gedauert habe, widerspricht er diametral seinen Ausführungen, die er an der obergerichtlichen Berufungsverhandlung machte. Dort erklärte er ausdrücklich, das Gespräch am 10. April 2003 sei "einlässlich" gewesen, während er an der ersten Sitzung vom 28. Februar 2003 Dr. C.________ nur drei bis vier Minuten gesehen habe. Die vor Bundesgericht erhobene Rüge ist offensichtlich unbegründet und trölerisch.
 
Im Übrigen wiederholt der Beschwerdeführer lediglich Einwände gegen das Gutachten, die er bereits vor Kassationsgericht vortrug, ohne sich mit den entsprechenden Erwägungen dieser Instanz auseinanderzusetzen. Auf diese Rügen ist nicht einzutreten. Das Gleiche gilt, soweit der Beschwerdeführer die materiellen Erwägungen des Obergerichts kritisiert, die zur Ablehnung einer ambulanten Behandlung führten. Die Prüfung dieser Fragen hat im Rahmen der ebenfalls erhobenen eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde zu erfolgen.
 
Aus diesen Gründen ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
 
II. Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 30. Januar 2004
 
4.
 
Mit der erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde wird im Strafpunkt nicht nur die Aufhebung des angefochtenen Entscheids verlangt, sondern auch der Aufschub der von der Vorinstanz ausgesprochenen bzw. als vollziehbar erklärten Gefängnisstrafen. Das letztere Begehren ist unzulässig, da die Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt rein kassatorischer Natur ist (Art. 277ter BStP).
 
Der gestellte Antrag im Zivilpunkt wird mit keinem Wort begründet. Gemäss Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP ist darauf nicht einzutreten.
 
5.
 
Der Beschwerdeführer macht mit der Nichtigkeitsbeschwerde ausdrücklich allein die Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 9 und 29 Abs. 2 BV) geltend. Diese Rügen können mit diesem Rechtsmittel nicht vorgebracht werden, da das Gesetz dafür die staatsrechtliche Beschwerde vorbehält (Art. 269 Abs. 2 BStP). Auf das Rechtsmittel ist daher nur einzutreten, soweit darin sinngemäss auch die Anwendung von Bestimmungen des materiellen Strafrechts gerügt wird.
 
6.
 
Die Vorinstanz führt aus, dass das Bezirksgericht für die in diesem Verfahren ausgesprochene 16monatige Gefängnisstrafe den bedingten Strafvollzug nicht hätte gewähren dürfen. Denn es wären auch die früher ausgesprochenen teilweisen Zusatzstrafen zu berücksichtigen gewesen, so dass das Strafmass die Dauer von 18 Monaten bei weitem überschreite. Auf Grund des Verbots der reformatio in peius bestätigt sie indessen den bedingten Vollzug für die neu ausgesprochene Gefängnisstrafe von 16 Monaten, ordnet hingegen den Vollzug der beiden früheren Freiheitsstrafen von 16 Monaten und 45 Tagen Gefängnis an.
 
Den Antrag des Beschwerdeführers, die neu ausgesprochene und die als vollziehbar erklärten Gefängnisstrafen zugunsten einer ambulanten Behandlung aufzuschieben, lehnt die Vorinstanz ab. Sie verweist darauf, dass beim Beschwerdeführer nach dem eingeholten Gutachten von Dr. med. C.________ und Dr. med. D.________ vom 20. Mai 2003 keine Persönlichkeitsproblematik in forensisch relevantem Ausmass vorliege, ein kausaler Zusammenhang zwischen der Tat und einer Persönlichkeitsstörung damit zu verneinen sei und eine ambulante Behandlung nicht geeignet sei, weitere Straftaten zu verhindern oder zu vermindern. Allerdings räumt die Vorinstanz ein, dass die gegenwärtigen therapeutischen Bemühungen von Dr. B.________ hilfreich erschienen, doch gehe es dabei mehr um eine Art Lebenshilfe als um eine Heilung einer psychischen Beeinträchtigung von forensisch relevantem Krankheitswert. Im Übrigen komme ein Aufschub des Strafvollzugs zugunsten einer ambulanten Behandlung ohnehin nicht in Betracht, nur um einem Täter den Strafvollzug zu ersparen.
 
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass für die Anordnung einer ambulanten Massnahme geringe Erfolgsaussichten genügten und die Vorinstanz diese zu Unrecht verneine. Er verkennt jedoch, dass im angefochtenen Entscheid die therapeutischen Bemühungen von Dr. B.________ weder übersehen noch als nutzlos hingestellt werden. Die Vorinstanz geht hingegen davon aus, dass keine deliktsspezifische Persönlichkeitsproblematik vorhanden und deshalb die Anordnung einer ambulanten Massnahme nicht erforderlich sei. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern diese Beurteilung unzutreffend wäre, noch ist dies auf Grund der verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen ersichtlich. Er beschränkt sich darauf, auf seine Therapiebedürftigkeit und -willigkeit sowie auf die schlimmen Konsequenzen des Strafvollzugs hinzuweisen. Im Übrigen scheint der Beschwerdeführer ausser Acht zu lassen, dass selbst bei Anordnung einer ambulanten Behandlung nach der Rechtsprechung zu Art. 43 Ziff. 2 Abs. 2 StGB ein Aufschub des Strafvollzugs nicht ohne weiteres möglich wäre, sondern nur in Betracht käme, wenn eine sofortige Behandlung gute Resozialisierungschancen böte, die der Vollzug der Freiheitsstrafe verhindern oder zumindest wesentlich vermindern würde (BGE 129 IV 161 E. 4.2).
 
Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich damit als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
 
III. Kosten- und Entschädigungsfolgen
 
7.
 
Die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege sind abzuweisen, da beide Rechtsmittel als aussichtslos zu bezeichnen sind.
 
Entsprechend dem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 278 Abs. 1 BStP). Bei deren Festsetzung ist seinen angespannten finanziellen Verhältnissen Rechnung zu tragen (Art. 153a Abs. 1 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht
 
im Verfahren nach Art. 36a OG:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
3.
 
Die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege werden abgewiesen.
 
4.
 
Die Gerichtsgebühr von insgesamt Fr. 1'600.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
5.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, und dem Kassationsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 22. März 2005
 
Im Namen des Kassationshofes
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
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