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Informationen zum Dokument  BGer 1A.37/2005  Materielle Begründung
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BGer 1A.37/2005 vom 09.05.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1A.37/2005 /ggs
 
Urteil vom 9. Mai 2005
 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Féraud, Präsident,
 
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio,
 
Gerichtsschreiber Härri.
 
Parteien
 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch
 
Advokat Dr. Georg Schürmann,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4001 Basel,
 
Strafgericht Basel-Stadt, Rekurskammer, Schützenmattstrasse 20, 4003 Basel.
 
Gegenstand
 
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Italien
 
- B 123039 BEG,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Strafgerichts Basel-Stadt, Rekurskammer, vom 4. Januar 2005.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Am 12. Juli 2000 ersuchte die Staatsanwaltschaft am Landgericht Rom die Schweiz um Rechtshilfe im Strafverfahren gegen X.________ und weitere Personen wegen des Verdachts der Zugehörigkeit zu einer kriminellen Organisation, der Nichtanmeldung archäologischer Funde, der rechtswidrigen Ausfuhr von Kulturgut und der Hehlerei.
 
Mit Eintretens- und Zwischenverfügung vom 1. Oktober 2001 bewilligte die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt die Rechtshilfe und ordnete verschiedene Hausdurchsuchungen an.
 
In der Folge wurden Hausdurchsuchungen durchgeführt:
 
- in den Geschäftsräumen der Firma "Z.,A.A.,Y.________" an der B.________-Strasse in Basel
 
- in den Lagerräumen der gleichen Firma an der F.________-Strasse in Basel;
 
- in den Lagerräumen an der N.________-Strasse in Basel;
 
- am Wohnort von Y.________ am E.________-Weg in Basel.
 
Mieterin der angeführten Geschäfts- und Lagerräume ist Y.________. Sie ist die getrennt lebende Ehefrau von X.________. Die Wohnung am E.________-Weg steht im Gesamteigentum der Ehegatten.
 
Anlässlich der Hausdurchsuchungen kam es zu verschiedenen Beschlagnahmen. An der F.________-Strasse wurden antike Kunstgegenstände örtlich beschlagnahmt und schriftliche Unterlagen erhoben.
 
Mit partieller Schlussverfügung vom 12. November 2002 ordnete die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt die Herausgabe zahlreicher, in Anhängen im Einzelnen bezeichneter Unterlagen an die ersuchende Behörde an.
 
Die von Y.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt (Rekurskammer) am 28. November 2003 ab. Hiergegen reichte Y.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht ein. Dieses wies die Beschwerde am 16. Juli 2004 ab, soweit es darauf eintrat (1A.59/2004).
 
Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt eröffnete die partielle Schlussverfügung vom 12. November 2002 X.________ nicht. Dieser verlangte am 5. Dezember 2002 Akteneinsicht und die Zustellung der bisher ergangenen Verfügungen. Am 19. Dezember 2002 gewährte die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Akteneinsicht, soweit es um das Rechtshilfeersuchen mitsamt Beilagen und um jene Akten ging, die sich auf die Durchsuchungen und Beschlagnahmen am E.________-Weg bezogen. Eine weiter gehende Akteneinsicht lehnte die Staatsanwaltschaft ab; ebenso die Zustellung der partiellen Schlussverfügung.
 
Dagegen reichte X.________ Beschwerde beim Strafgericht Basel-Stadt (Rekurskammer) ein. Am 5. Mai 2004 befand das Strafgericht, X.________ sei - unter Vorbehalt von Art. 80b Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG; SR 351.1) - Einsicht in sämtliche Akten zu gewähren, die sich aus den im Zusammenhang mit dem Rechtshilfeersuchen angeordneten Zwangsmassnahmen ergaben; ebenso sei ihm die partielle Schlussverfügung zu eröffnen.
 
Am 1. Juli 2004 eröffnete die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt X.________ die partielle Schlussverfügung. Am 21. und 28. Juli 2004 gewährte sie ihm umfassende Akteneinsicht.
 
Am 30. Juli 2004 erhob X.________ Beschwerde beim Strafgericht des Kantons Basel-Stadt (Rekurskammer) mit dem Antrag, die partielle Schlussverfügung vom 12. November 2002 aufzuheben.
 
Am 4. Januar 2005 trat das Strafgericht auf die Beschwerde nicht ein. Es befand, X.________ sei von den in Frage stehenden Zwangsmassnahmen nicht unmittelbar betroffen, weshalb es an der Beschwerdebefugnis fehle. Die Rechtshilfe wäre im Übrigen zu Recht geleistet worden. X.________ erhebe die gleichen Einwände wie bereits seine Ehefrau. Diese Vorbringen habe das Bundesgericht am 16. Juli 2004 allesamt als unbegründet beurteilt.
 
B.
 
X.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den Entscheid des Strafgerichtes vom 4. Januar 2005 aufzuheben; es sei festzustellen, dass er zur Anfechtung der partiellen Schlussverfügung vom 12. November 2002 berechtigt sei; die Sache sei in diesem Sinne zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
C.
 
Das Strafgericht und das Bundesamt für Justiz beantragen unter Verzicht auf Gegenbemerkungen die Abweisung der Beschwerde.
 
Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt hat sich vernehmen lassen. Sie beantragt ebenfalls die Abweisung der Beschwerde.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Nach der Rechtsprechung ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde befugt, wer der Vorinstanz vorwirft, sie sei zu Unrecht auf eine bei ihr erhobene Beschwerde nicht eingetreten (BGE 122 II 130 E. 1 mit Hinweis; Robert Zimmermann, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, 2. Aufl., Bern 2004, S. 351 N. 308).
 
Die Beschwerde ist somit zulässig. Die weiteren Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
 
2.
 
2.1 Gemäss Art. 80h lit. b IRSG ist zur Beschwerde berechtigt, wer persönlich und direkt von einer Rechtshilfemassnahme betroffen ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Personen, gegen die sich das ausländische Strafverfahren richtet, sind nach Art. 21 Abs. 3 IRSG unter den gleichen Voraussetzungen zur Beschwerde befugt.
 
Nach der Rechtsprechung liegt ein schutzwürdiges Interesse nicht schon dann vor, wenn jemand irgend eine Beziehung zum Streitobjekt zu haben behauptet. Vielmehr muss eine vom einschlägigen Bundesrecht erfasste spezifische Beziehungsnähe gegeben sein. Eine bloss mittelbare Betroffenheit genügt nicht (BGE 128 II 211 E. 2.3 S. 217 mit Hinweisen). Die Rechtsprechung erkennt die Beschwerdebefugnis demjenigen zu, der sich persönlich einer Durchsuchung oder Beschlagnahme unterziehen muss (BGE 130 II 162 E. 1.1 S. 164; 123 II 161 E. 1d/aa S. 164, mit Hinweisen). Wie Art. 9a lit. b der Verordnung vom 24. Februar 1982 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSV; SR 351.11) insoweit präzisiert, gelten bei Hausdurchsuchungen der Eigentümer oder der Mieter als persönlich und direkt betroffen. Nicht zur Beschwerde befugt ist nach der Rechtsprechung demgegenüber der Verfasser von Schriftstücken, die im Besitze eines Dritten beschlagnahmt werden (BGE 130 II 162 E. 1.1 S. 164; 123 II 161 E. 1d S. 164 f.; 116 Ib 106 E. 2a S. 109 ff.); ebenso wenig eine Drittperson, die in Kontounterlagen erwähnt ist, etwa als Empfänger einer vom Kontoinhaber vorgenommenen Überweisung (BGE 128 II 211 E. 2.3 S. 218 mit Hinweisen).
 
2.2 Nach der Feststellung im angefochtenen Entscheid stammen sämtliche Unterlagen, die von der partiellen Schlussverfügung erfasst werden, aus den Lagerräumen an der F.________-Strasse. Mieterin dieser Räume ist die Ehefrau des Beschwerdeführers. Er räumt das (Beschwerde S. 7 Ziff. 8) ausdrücklich ein. Persönlich und unmittelbar von der Rechtshilfemassnahme betroffen ist somit die Ehefrau. Diese hat, wie dargelegt, die partielle Schlussverfügung auch angefochten und die Sache bis ans Bundesgericht gezogen. Dieses hat im Urteil vom 16. Juli 2004 die Beschwerdelegitimation der Ehefrau bejaht (E. 2.2). Der Beschwerdeführer ist durch die in Frage stehende Rechtshilfemassnahme nicht persönlich und unmittelbar betroffen. Er ist weder Eigentümer noch Mieter der Räumlichkeiten an der F.________-Strasse. Eine persönliche und unmittelbare Betroffenheit ist umso weniger gegeben, als er ab dem 2. Oktober 1996 an keiner der Z.________-Firmen mehr beteiligt ist: Die Aktiven und Passiven der von ihm im Jahre 1982 gegründeten Einzelfirma "Z.,A.K.,X.________" wurden an jenem Tag auf die Einzelfirma der Ehefrau "Z.,A.K.,Y.________" übertragen und die Firma des Beschwerdeführers im Handelsregister gelöscht. Im Februar 2000 wurde die Einzelfirma der Ehefrau in "Z.,A.A.,Y.________" umbenannt. Am 14. September 2001 gründete die Ehefrau die Firma "Z.________ AG". Am 31. Dezember 2001 wurde die Einzelfirma "Z.,A.A.,Y.________" im Handelsregister gelöscht. Die Ehefrau war in allen nach dem 2. Oktober 1996 existierenden Firmen Inhaberin bzw. alleinige Geschäftsführerin.
 
Die Vorinstanz hat danach die Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführers zu Recht verneint.
 
2.3 Was er dagegen einwendet, ist unbehelflich.
 
2.3.1 Er bringt vor, die Dokumentation sei nicht ausschliesslich an der F.________-Strasse beschlagnahmt worden, sondern auch am E.________-Weg. Er sei Gesamteigentümer der Liegenschaft am E.________-Weg.
 
Die Staatsanwaltschaft bemerkt dazu (Vernehmlassung S. 8), sämtliche Unterlagen, die Gegenstand der partiellen Schlussverfügung bildeten, seien in den Lagerräumen an der F.________-Strasse erhoben worden. Wie der Beschwerdeführer dazu komme, erneut zu behaupten, die besagten Unterlagen seien am E.________-Weg beschlagnahmt worden, sei unerklärlich.
 
Bei der Vorinstanz handelt es sich um eine richterliche Behörde. Ihre Feststellung des Sachverhaltes bindet daher gemäss Art. 105 Abs. 2 OG das Bundesgericht, wenn sie den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt hat.
 
Der Beschwerdeführer beschränkt sich auf die Behauptung, die Unterlagen seien nicht nur an der F.________-Strasse, sondern auch am E.________-Weg beschlagnahmt worden. Er belegt dies in keiner Weise. Insbesondere verweist er auf keine Aktenstellen, die sein Vorbringen stützten. Die Feststellung der Vorinstanz ist damit nicht offensichtlich unrichtig, weshalb das Bundesgericht daran gebunden ist.
 
2.3.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei im Kanton Basel-Stadt angemeldet. Überdies bezahle er dort Steuern und erhalte seine AHV-Rente ausbezahlt.
 
Damit möchte er dartun, er habe Wohnsitz in Basel. Dem steht das Schreiben seines Anwalts an die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt vom 20. Dezember 2002 entgegen. Darin legt der Anwalt dar, gemäss Art. 80m Abs. 1 lit. b IRSG habe die ausführende Behörde ihre Verfügungen an den im Ausland ansässigen Berechtigten zuzustellen, sofern dieser ein Zustellungsdomizil in der Schweiz habe; der Beschwerdeführer habe unzweifelhaft ein Zustellungsdomizil am E.________-Weg in Basel. Dies kann als Eingeständnis dafür ausgelegt werden, dass der Beschwerdeführer Wohnsitz im Ausland hat. Wie es sich damit verhält, braucht jedoch nicht abschliessend entschieden zu werden. Denn selbst wenn der Beschwerdeführer Wohnsitz in Basel hätte, genügte dies nicht, um die persönliche und unmittelbare Betroffenheit zu begründen.
 
Ebenso ist belanglos, ob der Beschwerdeführer - wie er geltend macht - nach wie vor zusammen mit der Ehefrau im Kunsthandel tätig ist. Auch wenn dies zuträfe, änderte dies nichts daran, dass nicht er Mieter der Lagerräume an der F.________-Strasse ist, sondern die Ehefrau.
 
2.3.3 Der Beschwerdeführer wendet ein, nicht die rechtliche Nähe zum Beschlagnahmeort (als Mieter, Eigentümer etc.) sei massgebend, sondern die Nähe zu den beschlagnahmten Unterlagen in inhaltlicher Hinsicht. In den beschlagnahmten Unterlagen sei mehrheitlich der Beschwerdeführer erwähnt, weshalb seine Beschwerdelegitimation hätte bejaht werden müssen.
 
Der Einwand geht fehl. Nach der dargelegten Rechtsprechung ist für die Beschwerdeberechtigung nicht der Inhalt der beschlagnahmten Schriftstücke massgebend, sondern die Frage, in wessen Besitz sie sich befanden. Besitzerin der hier erhobenen Unterlagen war die Ehefrau.
 
Ob die Unterlagen in einem Zusammenhang mit den im italienischen Strafverfahren erhobenen Anschuldigungen stehen, betrifft die Zulässigkeit der Rechtshilfe. Da es hier um die Beschwerdelegitimation geht, ist die Frage nicht zu prüfen.
 
2.3.4 Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe Zugang zu sämtlichen von der Ehefrau gemieteten Geschäfts- und Lagerräumlichkeiten gehabt, auch zu jenen an der F.________-Strasse. Zumindest Mitgewahrsam an den beschlagnahmten Unterlagen sei daher zu bejahen.
 
Die Staatsanwaltschaft hält (Vernehmlassung S. 6 und 7) dafür, es handle sich insoweit um ein unzulässiges neues Vorbringen. Wie es sich damit verhält, kann offen bleiben. Die Vorinstanz geht (S. 9) davon aus, der Beschwerdeführer habe keinen Zugang zu den Räumlichkeiten an der F.________-Strasse gehabt. Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was diese Feststellung als offensichtlich unrichtig erscheinen lassen könnte. Das Bundesgericht ist deshalb daran gebunden (Art. 105 Abs. 2 OG).
 
Aus dem Urteil des Bundesgerichtes vom 16. Juli 2004 kann der Beschwerdeführer im vorliegenden Zusammenhang nichts herleiten. Das Bundesgericht hat dort Mitgewahrsam des Beschwerdeführers nicht bejaht. Es hat die Frage vielmehr offen gelassen (E. 3.4.2).
 
3.
 
Die Beschwerde ist abzuweisen.
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 156 Abs. 1 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt und dem Strafgericht Basel-Stadt, Rekurskammer, sowie dem Bundesamt für Justiz, Sektion internationale Rechtshilfe, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 9. Mai 2005
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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