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Informationen zum Dokument  BGer I 5/2005  Materielle Begründung
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BGer I 5/2005 vom 12.05.2005
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
I 5/05
 
Urteil vom 12. Mai 2005
 
III. Kammer
 
Besetzung
 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiberin Polla
 
Parteien
 
H.________, 1974, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Giusto, Sonneggstrasse 55, 8006 Zürich,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
 
(Entscheid vom 9. November 2004)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Der 1974 geborene H.________ war von April 1999 bis März 2002 als Büroangestellter bei der Bank X.________ tätig. Am 26. Juni 2001 meldete er sich unter Hinweis auf Arthrosebeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug (Umschulung auf eine neue Tätigkeit) an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich sprach ihm nach Abklärungen in medizinischer und beruflicher Hinsicht mit Wirkung ab 1. April bis 30. Juni 2001 eine ganze Invalidenrente und mit Wirkung ab 1. Juli 2001 eine halbe Rente der Invalidenversicherung zu (Verfügungen vom 25. Juni 2003). Daran hielt sie auf Einsprache hin - nach Einholung einer Stellungnahme ihres internen medizinischen Dienstes vom 28. November 2003 - mit Entscheid vom 16. Dezember 2003 fest. Seit 1. August 2003 arbeitet H.________ im Ausmass von 50 % als kaufmännischer Angestellter/Kundenberater bei der Bank Y.________, wobei auf Grund der gesundheitsbedingten Leistungsminderung ein Verdienst auf der Basis eines 40%igen Arbeitspensums vereinbart wurde.
 
B.
 
Die dagegen erhobene Beschwerde mit dem Antrag auf Zusprechung einer ganzen Rente ab 1. April 2002 hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich insoweit gut, als es die Sache zu näheren Abklärungen im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle zurückwies (Entscheid vom 9. November 2004).
 
C.
 
H.________ lässt in Erneuerung des vorinstanzlich gestellten Rechtsbegehrens Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen.
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Nach der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts stellt der Rückweisungsentscheid einer kantonalen Rekursinstanz eine im Sinne von Art. 128 OG in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 OG und Art. 5 VwVG mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht anfechtbare Endverfügung dar. Anfechtbar ist grundsätzlich nur das Dispositiv, nicht aber die Begründung eines Entscheides. Verweist indessen das Dispositiv eines Rückweisungsentscheides ausdrücklich auf die Erwägungen, werden diese zu dessen Bestandteil und haben, soweit sie zum Streitgegenstand gehören, an der formellen Rechtskraft teil. Dementsprechend sind die Motive, auf die das Dispositiv verweist, für die Behörde, an die die Sache zurückgewiesen wird, bei Nichtanfechtung verbindlich. Beziehen sich diese Erwägungen auf den Streitgegenstand, ist somit auch deren Anfechtbarkeit zu bejahen (BGE 120 V 237 Erw. 1a mit Hinweis).
 
2.
 
Die IV-Stelle hat im Einspracheentscheid die Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG; Art. 8 ATSG), den Anspruch auf eine Invalidenrente und die Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 1 IVG in der bis Ende 2003 gültig gewesenen Fassung; Art. 16 ATSG) sowie zur Aufgabe des Arztes und der Ärztin bei der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass gemäss Art. 29 Abs. 1 IVG (in der bis Ende 2002 gültig gewesenen und durch das ATSG inhaltlich nicht veränderten Fassung) der Rentenanspruch nach Art. 28 IVG frühestens in dem Zeitpunkt entsteht, in dem der Versicherte mindestens zu 40 % bleibend erwerbsunfähig geworden ist (lit. a) oder während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens zu 40 % arbeitsunfähig gewesen war (lit. b). Für den Beginn des Wartejahres genügt, wenn eine Arbeitsunfähigkeit von 20 % vorliegt, sofern am Ende dieses Jahres eine Arbeitsunfähigkeit von durchschnittlich mindestens 40 % und ohne wesentlichen Unterbruch von 30 aufeinander folgenden Tagen mit voller Arbeitsfähigkeit (Art. 29ter IVV) sowie eine Erwerbsunfähigkeit von ebenfalls mindestens 40 % - oder in einem für die betreffende Rentenabstufung erforderlichen höheren Ausmass - vorliegt (BGE 121 IV 274 Erw. 6b/cc).
 
Anzufügen ist sodann, dass die am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Änderungen des IVG (4. IV-Revision, AS 2003 3837) keine Anwendung finden, weil nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheides (hier: vom 16. Dezember 2003) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 129 V 4 Erw. 1.2), und dass die von der Rechtsprechung zu den Begriffen der Arbeitsunfähigkeit, der Erwerbsunfähigkeit und der Invalidität sowie zur Bestimmung des Invaliditätsgrades herausgebildeten Grundsätze unter der Herrschaft des ATSG prinzipiell weiterhin Geltung haben und somit hier zur Anwendung gelangen (BGE 130 V 352 Erw. 3.6).
 
3.
 
3.1 Es steht fest, dass der Versicherte aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung hat. Umstritten und zu prüfen ist nebst der Rentenhöhe zunächst der Zeitpunkt der Entstehung des Leistungsanspruchs, wobei die Verwaltung in ihrer Verfügung vom 25. Juni 2003 davon ausging, dass der Beschwerdeführer ab April 2000 - was dem Beginn des Wartejahres entspreche - vollständig arbeitsunfähig gewesen sei, wobei ab 22. April 2001 für eine leichte, sitzende Tätigkeit als Sachbearbeiter ein Arbeitspensum von 50 % zumutbar wäre.
 
3.2 Den vorliegenden Berichten ist mit der Vorinstanz zu entnehmen, dass die seit Kindheit bestehenden multiplen Arthrosebeschwerden erstmals im März 2000 zu einer Arbeitsunfähigkeit führten, sodass im April 2000 eine erste Ellenbogenoperation durchgeführt worden ist. Ab 6. April bis 18. September 2000 bestand denn auch gemäss den Angaben des Dr. med. S.________, Oberarzt an der Klinik C.________ vom 19. Juni 2002 eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit. Wie das kantonale Gericht in einlässlicher Würdigung der Aktenlage zutreffend festhielt, können aber - entgegen der beschwerdeführerischen Ansicht - die medizinischen Berichte keinen lückenlosen Aufschluss über die seit März 2000 bestehende Arbeitsunfähigkeit bezüglich des zu erfüllenden Wartejahres geben, wobei insbesondere für die Zeit vom 19. September 2000 bis 21. April 2001 zuverlässige Angaben über den Grad einer allfälligen Arbeitsunfähigkeit fehlen, nachdem der Versicherte gemäss Bericht des Spitals A.________, Rheumaklinik und Institut für physikalische Medizin, vom 28. März 2002 rückwirkend ab 22. April 2001 bei einer leidensangepassten Tätigkeit im Umfang von 50 % arbeitsfähig ist. Das nicht näher begründete und ungenaue Zeugnis des ehemaligen Hausarztes Dr. med. D.________ vom 20. August 2001 reicht hiezu nicht aus. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass Dr. med. D.________ anhand seiner echtzeitlichen Aufzeichnungen (Krankengeschichte) substantiierte Angaben über den Gesundheitszustand des Versicherten in der fraglichen Zeit machen kann, die eine genauere Beurteilung der damaligen Arbeitsunfähigkeit ermöglichen. Obwohl der Beschwerdeführer am 2. Juli 2002 angab, Dr. med. D.________ habe altershalber Ende 2001 seine Praxis aufgegeben und sei wahrscheinlich in sein Heimatland gezogen, ist dennoch möglich, dass die Patientenakten einsichtig sind, zumal sich Dr. med. D.________ laut aktuellem Telefonbucheintrag immer noch unter gleicher Adresse in der Schweiz befindet.
 
4.
 
4.1 Mit Blick auf die Invaliditätsbemessung ist die Verwaltung zu Recht bei der Festsetzung des Invalideneinkommens vom mit der Behinderung tatsächlich erzielten Verdienst des Beschwerdeführers als Kundenberater ausgegangen, sind doch die entsprechenden Voraussetzungen (BGE 129 V 475 Erw. 4.2.1) erfüllt. Dabei hat sie zu Gunsten des Beschwerdeführers angenommen, dass er mit dem faktisch ausgeübten Arbeitspensum von 40 % (trotz höherer medizinischer Einschätzung der zumutbaren Restarbeitsfähigkeit) voll eingegliedert ist. Dies ist nicht zu beanstanden. Betreffend das Jahr 2003 ist daher aufgrund der entsprechenden Angaben des Arbeitgebers (vom 6. April 2004) von einem Invalideneinkommen von Fr. 24'000.- jährlich auszugehen, welches allerdings auf die massgebenden Verhältnisse im Jahr 2001 (BGE 129 V 222) anzupassen sein wird.
 
4.2 Bezüglich des Valideneinkommens ist zu beachten, dass dieses hypothetisch auf Grund der beim Rentenbeginn bestehenden Verhältnisse festzusetzen ist, wobei allfällige rentenwirksame Änderungen der Vergleichseinkommen bis zum Einspracheentscheid zu berücksichtigen sind (BGE 129 V 222). Entscheidend ist daher nicht, was der Beschwerdeführer in den Jahren bis 2001 verdient hat, sondern das Einkommen, welches er als Gesunder im Jahre 2001 (allfälliger Rentenbeginn) erzielt hätte. Das Valideneinkommen ist nicht eine vergangene, sondern eine hypothetische Grösse. Da die Einkommensermittlung so konkret wie möglich zu erfolgen hat und somit die individuellen, persönlichen und beruflichen Verhältnisse massgebend sind, rechtfertigt es sich anzunehmen, der Versicherte würde als Gesunder weiterhin bei der Bank X.________ tätig sein, sodass grundsätzlich dieser Verdienst heranzuziehen sein wird. Der Vorinstanz ist insofern beizupflichten, dass verlässliche Angaben der Bank X.________ hiezu aber fehlen, zumal sie sich im Schreiben vom 6. November 2002 nicht zum mutmasslichen Lohn im massgeblichen Jahr des allfälligen Rentenbeginns äussert. Ebenso wenig ist ersichtlich, wie hoch der eigentliche Bruttoverdienst war und ob die Bonuszahlungen jährlich in gleicher Höhe ausbezahlt werden sowie ob überhaupt ein genereller Anspruch auf Boni bestand.
 
5.
 
5.1 Zusammenfassend ergibt sich, dass das kantonale Gericht den Einspracheentscheid vom 16. Dezember 2003 zu Recht aufgehoben und die Sache an die IV-Stelle zurückgewiesen hat, da nicht nur der Gesundheitszustand in der fraglichen Periode abgeklärt werden muss, sondern da es auch zur Ermittlung des Valideneinkommens weiterer Erhebungen der IV-Stelle bedarf.
 
5.2 Was allerdings den in Erw. 6.2 des vorinstanzlichen Entscheids festgestellten Abklärungsbedarf hinsichtlich beruflicher Massnahmen angeht, hat die IV-Stelle zwar die Frage der beruflichen Eingliederung in der Tat nicht näher geprüft und das Leistungsbegehren ausschliesslich unter dem Aspekt des Rentenanspruchs beurteilt. Sie ist damit aber (stillschweigend) davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer als Büroangestellter hinreichend eingegliedert ist, was mit Blick auf die Schätzung der noch verbleibenden Arbeitsfähigkeit und Angaben zu zumutbaren Verweisungstätigkeiten im Gutachten des Spitals A.________, Rheumaklinik und Institut für Physikalische Medizin, vom 28. März 2002 nicht zu beanstanden ist.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse der Aarg. Industrie- und Handelskammer und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 12. Mai 2005
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Die Präsidentin der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin:
 
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