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Informationen zum Dokument  BGer I 161/2005  Materielle Begründung
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BGer I 161/2005 vom 13.05.2005
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
I 161/05
 
Urteil vom 13. Mai 2005
 
II. Kammer
 
Besetzung
 
Präsident Borella, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiber Flückiger
 
Parteien
 
M.________, 1964, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Vonesch, Sempacherstrasse 6, 6003 Luzern,
 
gegen
 
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern
 
(Entscheid vom 21. Januar 2005)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Der 1964 geborene M.________ war zuletzt seit 1. Juli 1998 als Bohrarbeiter bei der Firma E.________ AG angestellt. Wegen Rückenbeschwerden setzte er die Arbeit ab 14. Juni 2000 aus. Am 13. Juni 2001 meldete er sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Luzern holte unter anderem Auskünfte der erwähnten Arbeitgeberin vom 3. Juli 2001 und des Hausarztes Dr. med. G.________, Innere Medizin FMH, vom 3. Oktober 2001 ein (mit beigelegten Berichten der medizinischen Klinik des Spitals X.________ vom 10. und 28. Juli 2000 über eine Hospitalisation vom 26. Juni bis 18. Juli 2000, der chirurgischen Klinik A des Spitals X.________ vom 12. Januar 2001 sowie des Dr. med. Z.________, Innere Medizin FMH, vom 17. Mai 2001 über eine Kolonoskopie vom 17. Mai 2001). Im weiteren Verlauf wurden ausserdem ein der Krankenkasse Concordia erstattetes Gutachten des Dr. med. A.________, Innere Medizin FMH, vom 21. Mai 2001 sowie Berichte der medizinischen Klinik des Spitals X.________ vom 15. Juni 2001, des Dr. med. R.________, Radiologie FMH, vom 22. Juli 2002 und des Spitals Y.________, Abteilung Gastroenterologie, vom 17. Juli 2002 beigezogen. Ferner liess die Verwaltung vom 9. September bis 4. Oktober 2002 eine Abklärung in der Beruflichen Abklärungsstelle Stiftung (BEFAS) durchführen (Bericht vom 30. Oktober 2002). Anschliessend sprach sie dem Versicherten mit Verfügung vom 5. November 2002 berufliche Eingliederungsmassnahmen (Beratung und Unterstützung bei der Stellensuche) zu. Nachdem in den Folgemonaten keine Anstellung zustande gekommen war, lehnte es die IV-Stelle - nach weiteren Stellungnahmen des Dr. med. G.________ vom 11. Dezember 2002 und der BEFAS vom 9. Januar 2003 - mit Verfügung vom 16. Mai 2003 ab, eine Rente auszurichten. Daran hielt sie auf Einsprache hin mit Entscheid vom 26. November 2003 fest. Gleichzeitig wurde ein Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung verneint. Im Verlauf des Einspracheverfahrens hatte der Versicherte ein Schreiben des Dr. med. G.________ vom 20. Mai 2003 einreichen lassen.
 
B.
 
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern in Bezug auf die unentgeltliche Verbeiständung im Einspracheverfahren gut, während es sie im Übrigen abwies, soweit darauf einzutreten war (Entscheid vom 21. Januar 2005).
 
C.
 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt M.________ die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz beantragen. Eventualiter wird die Zusprechung einer ganzen Rente, eventuell einer Dreiviertelsrente bzw. einer halben Rente für die Zeit ab 1. Juni 2000 sowie aller weiteren gesetzlichen Leistungen verlangt. Ferner wird um unentgeltliche Verbeiständung ersucht. Mit der Beschwerdeschrift wurde ein Schreiben des Dr. med. G.________ vom 25. Februar 2005 eingereicht.
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Das kantonale Gericht ist auf die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 26. November 2003 nicht eingetreten, soweit der Versicherte über den Rentenanspruch hinaus die Zusprechung von "sämtlichen weiteren gesetzlichen Leistungen (wie z.B. Wartetaggelder, Umschulung, Hilfsmittel etc.)" verlangt hatte. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde enthält keine Auseinandersetzung mit diesem Aspekt des vorinstanzlichen Entscheids. Deshalb kann in diesem Punkt auf das Rechtsmittel nicht eingetreten werden (BGE 123 V 335).
 
2.
 
Das kantonale Gericht hat die ab 1. Januar 2003 (In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG]) geltenden Bestimmungen über den Begriff der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 4 IVG), die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG) und die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG) zutreffend dargelegt. Richtig ist auch, dass diese Normen inhaltlich mit dem früheren, für die Anspruchsbeurteilung bis Ende 2002 massgebenden Recht übereinstimmen, weshalb die dazu ergangene Rechtsprechung weiterhin zu beachten ist (BGE 130 V 348 f. Erw. 3.4), und dass die am 1. Januar 2004 (und damit nach dem Einspracheentscheid vom 26. November 2003) in Kraft getretenen Änderungen des IVG vom 21. März 2003 und der IVV vom 21. Mai 2003 (4. IV-Revision) sowie die damit einhergehenden Anpassungen des ATSG nicht anwendbar sind (vgl. BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1, 356 Erw. 1). Ebenfalls beizupflichten ist den vorinstanzlichen Erwägungen zur Aufgabe des Arztes oder der Ärztin im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen) sowie zum Beweiswert und zur Würdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 125 V 352 Erw. 3a).
 
3.
 
3.1 In medizinischer Hinsicht gelangten Verwaltung und Vorinstanz zum Ergebnis, der Beschwerdeführer könne eine leichte, angepasste Tätigkeit ganztags mit einer Gesamtleistung von 80 % ausüben. Dies wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde bestritten.
 
3.2 Aus den Akten geht hervor, dass der Beschwerdeführer an den Folgen eines lumboradikulären Schmerzsyndroms L5/S1 links leidet. Zudem bestehen leichte degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule (LWS) sowie verschiedenartige Beschwerden im Bauch-Darm-Bereich. Überdies werden Kopfschmerzen (als Folge der eingenommenen Medikamente) beklagt. Die Bericht erstattenden Ärzte sind sich darin einig, dass die Arbeitsfähigkeit in erster Linie durch die Rückenbeschwerden beeinträchtigt wird. Mit dem kantonalen Gericht ist davon auszugehen, dass die zuletzt und in den Vorjahren ausgeübten körperlich schweren Tätigkeiten nicht oder nur mit erheblichen Einschränkungen ausgeübt werden können. Dementsprechend ist die Verwertbarkeit der verbliebenen Arbeitsfähigkeit in Bezug auf eine andere Erwerbstätigkeit zu beurteilen. Im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Schadenminderungspflicht ist der Versicherte grundsätzlich gehalten, eine solche anzunehmen, sofern sich dadurch die verbleibende Restarbeitsfähigkeit finanziell besser verwerten lässt (BGE 130 V 99 Erw. 3.2 mit Hinweisen).
 
Bereits im Bericht der chirurgischen Klinik des Spitals X.________ vom 12. Januar 2001 wird eine leichtere Tätigkeit empfohlen, welche mit häufig wechselnder Körperhaltung verbunden ist. Dr. med. A.________ schloss in seinem Gutachten vom 21. Mai 2001 auf volle Arbeitsfähigkeit in einer derartigen Tätigkeit. Dr. med. G.________ erklärte am 3. Oktober 2001, jede Arbeit ohne Lastenheben sei zumutbar, wobei eine wechselnd sitzend und stehend auszuübende Tätigkeit ideal wäre. In Anbetracht der Beschwerdezunahme im Laufe des Tages erscheine eine Vollbeschäftigung allerdings nicht als realistisch. Um die tatsächlichen Möglichkeiten abschätzen zu können, sei eine BEFAS-Abklärung indiziert. Diese wurde vom 9. September bis 4. Oktober 2002 vorgenommen und führte zum Ergebnis, der Versicherte sei in einer körperlich leichten bis mittelschweren, rückenergonomischen Tätigkeit ganztags arbeitsfähig. Nach einer Einarbeitungszeit von drei bis sechs Monaten könne er eine Gesamtleistung von 80 % erbringen, wobei die Gesamtheit der allgemein-, internmedizinischen und rheumatologischen Beschwerden sowie die fehlende Verarbeitung der Krankheit des Klienten limitierend wirkten. Diese im Abklärungsbericht vom 30. Oktober 2002 enthaltene Einschätzung wurde auf Nachfrage der IV-Stelle hin - nachdem Dr. med. G.________ geltend gemacht hatte, die BEFAS habe den Versicherten verwechselt - mit Schreiben vom 9. Januar 2003 bestätigt. Angesichts dieser zusätzlichen Stellungnahme, aber auch der konkreten, spezifizierten Aussagen im Abklärungsbericht, welche mit den anderen medizinischen Unterlagen vereinbar sind, erscheint es als höchst unwahrscheinlich und kann daher mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass eine Verwechslung stattgefunden haben sollte, welche sich auf die Angaben zur Arbeitsfähigkeit ausgewirkt hat.
 
3.3 Der Beschwerdeführer bestreitet die Aussagekraft der erwähnten Dokumente auch unter Hinweis auf anders lautende Stellungnahmen in den übrigen medizinischen Akten. Soweit diesbezüglich der Bericht des Spitals Y.________ vom 17. Juli 2002 angerufen wird, ist darauf hinzuweisen, dass dieser vom Departement für Magen-, Darm-, Leber- und Lungenkrankheiten, Abteilung Gastroenterologie, stammt. Die Ärzte befassten sich denn auch nicht mit der Rückenproblematik, und die Aussage, der Versicherte sei aus diesem Grund zu 100 % arbeitsunfähig, beruht nicht auf entsprechenden Abklärungen. Dr. med. G.________ erachtete in seinen Stellungnahmen vom 3. Oktober 2001 wie auch vom 20. Mai 2003 die Ausübung einer leichten Tätigkeit grundsätzlich als möglich. Auf Grund der medizinischen Akten und der BEFAS-Abklärungen ist davon auszugehen, dass den verschiedenen gesundheitlichen Einschränkungen durch die Ausgestaltung der Arbeit (leicht mit wechselnder Körperhaltung) und die Annahme einer Leistungsreduktion auf 80 % angemessen Rechnung getragen werden kann. Die im letztinstanzlich aufgelegten Schreiben des Dr. med. G.________ vom 25. Februar 2005 angesprochene zwischenzeitliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes kann im vorliegenden Verfahren, welches sich auf den Sachverhalt beschränkt, wie er sich bis zum Einspracheentscheid vom 26. November 2003 entwickelt hat (BGE 130 V 446 Erw. 1.2 mit Hinweisen), nicht berücksichtigt werden. Dieser Umstand wäre gegebenenfalls im Rahmen eines neuen Leistungsbegehrens bei der IV-Stelle geltend zu machen.
 
4.
 
4.1 Die Vorinstanz hat das Einkommen, welches der Beschwerdeführer erzielen könnte, wenn er nicht invalid geworden wäre (Valideneinkommen; Art. 16 ATSG am Ende) auf Fr. 54'827.48 beziffert. Sie ging dabei aus vom Verdienst des Jahres 1999, welchen sie der Lohnentwicklung bis zum allfälligen Rentenbeginn im Juni 2001 (BGE 129 V 223 Erw. 4.1 mit Hinweisen) anpasste. Dieses Vorgehen ist korrekt und wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu Recht nicht beanstandet.
 
4.2 Zur Ermittlung des Erwerbseinkommens, das der Beschwerdeführer durch eine ihm zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, stellte das kantonale Gericht richtigerweise auf die Ergebnisse der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) ab (zu den Grundlagen dieses Vorgehens BGE 126 V 76 f. Erw. 3b/bb mit Hinweisen). Angesichts des aus den medizinischen Akten abzuleitenden Zumutbarkeitsprofils ist praxisgemäss - entgegen der vorinstanzlich vertretenen Ansicht des Beschwerdeführers - nicht auf den Tabellenwert für den Bereich Dienstleistungen, sondern auf die Lohnverhältnisse im gesamten privaten Sektor abzustellen (Urteile E. vom 15. Dezember 2003 [I 573/01] Erw. 3.2.4.2, G. vom 12. Februar 2003 [I 366/01] Erw. 4, L. vom 19. Oktober 2001 [I 289/01] Erw. 3c und K. vom 7. August 2001 [U 240/99], Erw. 3c/cc). Damit ergibt sich für mit einfachen und repetitiven Tätigkeiten beschäftigte Männer ein Wert von Fr. 4437.- (LSE 2000 S. 31 Tabelle A1, Anforderungsniveau 4). Diesen hat die Vorinstanz, der Verwaltung folgend, um 5 % reduziert, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Beschwerdeführer bereits als Gesunder einen Verdienst erzielte, welcher in diesem Ausmass unter dem statistischen Durchschnittslohn liegt. Ob die dafür verantwortlichen invaliditätsfremden Gründe stattdessen im Rahmen des prozentualen Abzugs vom Tabellenlohn (dazu BGE 126 V 79 f. Erw. 5b) zu berücksichtigen wären, muss vorliegend nicht geprüft werden. Denn der Verzicht auf eine vorgängige Korrektur des Ausgangswertes bei gleichzeitiger Erhöhung des (ansonsten angemessenen) Prozentabzugs von 15 % auf 20 % ergäbe - unter Berücksichtigung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 41,7 Stunden sowie der Nominallohnentwicklung von 2000 auf 2001 - bei einer Arbeitsfähigkeit von 80 % einen Betrag von Fr. 36'421.65 (Fr. 4437.- x 12 : 40 x 41,7 : 106,9 x 109,6 x 0,8 x 80 %). In Gegenüberstellung zum Validenlohn von Fr. 54'827.48 resultiert ein Invaliditätsgrad von 34 %, der - ebenso wie derjenige von 33 % nach der vorinstanzlichen Berechnung - keinen Rentenanspruch begründet.
 
5.
 
Die unentgeltliche Verbeiständung kann gewährt werden (Art. 135 in Verbindung mit Art. 152 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Daniel Vonesch, Luzern, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Abgaberechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des Schweizerischen Baumeisterverbandes und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 13. Mai 2005
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
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