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Informationen zum Dokument  BGer 5P.457/2004  Materielle Begründung
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BGer 5P.457/2004 vom 01.06.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
5P.457/2004 /blb
 
Urteil vom 1. Juni 2005
 
II. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Raselli, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher,
 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
 
Gerichtsschreiber Levante.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Fürsprecher Dr. Hans A. Schibli,
 
gegen
 
Y.________ SA,
 
Beschwerdegegnerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gerhard Stoessel,
 
Obergericht des Kantons Aargau, 1. Zivilkammer, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau.
 
Gegenstand
 
Art. 9 BV (Schadenersatz; Lebensversicherung),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 1. Zivilkammer,
 
vom 2. November 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
X.________, geboren 1930, war über seinen Arbeitgeber, dem Ingenieurbüro J.________ in K.________, bei der V.________ Kollektivversicherung (nachfolgend: V.________) für die obligatorische berufliche Vorsorge versichert. Vor Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters teilte ihm am 27. April 1995 die Versicherung mit, dass er ab 1. Juli 1995 eine jährliche Altersrente von Fr. 18'476.-- erhalte. An deren Stelle könne er einen einmaligen Kapitalbezug von Fr. 256'611.-- tätigen. Auf Empfehlung einer Arbeitskollegin wandte sich X.________ an A.________, der bei der Y.________ SA (nachfolgend: Y.________), als Hauptagent tätig war, um sich bezüglich seiner Vorsorge beraten zu lassen. Dabei war für ihn klar, dass er im Zeitpunkt seiner Pensionierung noch keine Rente beziehen wollte. A.________ erstellte am 17. November 1995 auf dem Briefpapier der Y.________ eine Offerte für den Abschluss einer Einzel-Lebensversicherung mit Einmalprämie sowie eine solche für eine sofort beginnende Altersrente auf ein Leben mit Rückgewähr, in welcher das Geburtsjahr von X.________ um fünf Jahre vorverschoben und als Vertragsbeginn der 1. September 1995 genannt wurde. In der Folge liess sich X.________ von der V.________ sein Kapital ausbezahlen und schloss mit der Y.________ per 1. Dezember 1995 für die Dauer von fünf Jahren einen Vertrag über eine Einzel-Lebensversicherung mit Einmalprämie ab (Police Nr. xxxx). Am 31. Oktober 2000 stellte die Y.________ X.________ eine Offerte über den Abschluss einer Kapital-Lebensversicherung mit Einmaleinlage über Fr. 90'000.-- zu. Zudem erhielt er von der Swiss Life Direct Time zwei Offerten vom 23./24. Oktober 2000 über eine lebenslängliche Rente mit Rückgewähr. Gemäss eigenen Angaben wurde X.________ nun klar, dass er im Jahre 1995 keine aufgeschobene Rente gekauft hatte. Die Y.________ zahlte ihm am 1. Dezember 2000 sein Guthaben aus der Police Nr. xxxx in der Höhe von Fr. 290'671.-- aus.
 
B.
 
X.________ reichte am 30. November 2001 gegen die Y.________ beim Bezirksgericht Brugg eine Forderungsklage über Fr. 106'664.-- nebst Zins zu 5 % ab Klageeinreichung ein. Er behielt sich eine Nachklage vor. Mit Urteil vom 10. Dezember 2002 wies das Gericht die Klage ab. Die von X.________ erhobene Appellation gegen das bezirksgerichtliche Urteil wurde vom Obergericht des Kantons Aargau am 2. November 2004 abgewiesen.
 
C.
 
Gegen das Urteil des Obergerichts ist X.________ mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht gelangt. Er beantragt dessen Aufhebung.
 
Die Y.________ schliesst auf Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Obergericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
D.
 
In der gleichen Sache ist X.________ mit Berufung an das Bundesgericht gelangt (Verfahren 5C.267/2004).
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Wird ein kantonales Urteil gleichzeitig mit staatsrechtlicher Beschwerde und mit Berufung angefochten, wird in der Regel der Entscheid über letztere bis zur Erledigung der staatsrechtlichen Beschwerde ausgesetzt (Art. 57 Abs. 5 OG). Vorliegend bestehen keine Gründe, von dieser Praxis abzuweichen.
 
2.
 
Die Vorbringen des Beschwerdeführers sind nur zu prüfen, soweit sie den Begründungsanforderungen des Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügen. Demnach ist klar darzulegen, welche verfassungsmässigen Rechte und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde prüft das Bundesgericht nur klar und einlässlich erhobene Rügen. Auf bloss appellatorische Kritik tritt es nicht ein (BGE 119 Ia 197 E. 1d S. 201). Ebenso wenig setzt sich das Bundesgericht mit Sachverhaltsvorbringen auseinander, die nicht an eine konkrete Willkürrüge geknüpft sind, wie die Beschwerdegegnerin zu Recht anführt. Damit braucht folgerichtig auch auf die Stellungnahme dazu nicht eingegangen zu werden. Eine allfällige Verletzung von Bundesrecht kann im vorliegenden Verfahren nicht geprüft werden (Art. 84 Abs. 2 OG), da der Handel aufgrund des Streitwertes berufungsfähig ist. Auf die diesbezüglichen Vorbringen beider Parteien wird somit nicht eingetreten.
 
3.
 
3.1 Der Beschwerdeführer macht die willkürliche Anwendung von kantonalem Prozessrecht geltend. Das Obergericht habe die Verhandlungsmaxime verletzt (§ 75 ZPO/AG), indem es bei seiner Entscheidfindung von der Gegenpartei nicht behauptete und nicht bestrittene Tatsachen berücksichtigt habe. So halte es fest, dass die öffentlichen Angebote zur Beratung im Allfinanzbereich aus der Zeit nach der Beratung des Beschwerdeführers stammen würden. Gerade dieser zeitliche Faktor sei von der Beschwerdegegnerin indes nie behauptet worden. Wie es sich damit verhält, kann offen bleiben. Das Obergericht hat nämlich an der entscheidenden Stelle festgehalten, dass der Beschwerdeführer sich auf Anraten einer Arbeitskollegin und nicht aufgrund der Werbung der Beschwerdegegnerin an A.________ gewandt habe. Dann fügt es noch bei, dass die hinterlegten Prospekte im Übrigen alle aus der Zeit nach 1995 stammen. Das Obergericht misst den Prospekten somit keine eigenständige Bedeutung zu. Der Beschwerdeführer seinerseits legt nicht dar, inwieweit dies nicht der Fall sein sollte und zu einem unhaltbaren Ergebnis führt.
 
3.2 Die Feststellung im angefochtenen Urteil, es bestünden keine Hinweise für die Einigung über eine umfassende Beratung, erachtet der Beschwerdeführer als willkürlich. Das Obergericht hat in diesem Zusammenhang noch beifügt, "ähnlich derjenigen eines Versicherungsbrokers, welcher den Bestimmungen über den Mäklervertrag und einer strengen Beratungshaftung für den best advice unterliegt, oder gar eines 'Allfinanzberaters'". Auf diese Ergänzung geht der Beschwerdeführer nicht ein. Stattdessen verweist er auf die beiden Offerten der Beschwerdegegnerin, die er im kantonalen Verfahren zu den Akten gegeben hat. Damit und mit der allgemeinen Behauptung, es gebe zahlreiche Hinweise auf eine Einigung über eine umfassende Beratung, genügt er seiner Begründungspflicht nicht. Soweit der Beschwerdeführer aus dem Umstand, dass die Beschwerdegegnerin dem Antrag für eine Kapitallebensversicherung mit Überschussbeteiligung einen Überweisungsauftrag für die V.________ beigelegt hat, eine umfassende Beratung ableitet, kann offen bleiben, ob dieses Vorbringen nicht neu und damit im Rahmen einer Willkürbeschwerde ohnehin unzulässig ist. Auf jeden Fall genügt er hier seiner Begründungspflicht nicht.
 
3.3 Weiter bringt der Beschwerdeführer vor, die Feststellung des Obergerichts, die Beschwerdegegnerin habe klar auf die Kompetenzen von A.________ hingewiesen, treffe nicht zu. Hier fehlt jede Begründung. Ebenso erweise sich die Bezeichnung von A.________ als Agent als willkürlich. Er sei Leiter der Geschäftsstelle K.________ (Hauptagent) gewesen. Das Obergericht verwendet für A.________ den Titel Agent und gebundener Hauptagent. Die Bedeutung dieser Bezeichnungen ist letztlich unerheblich, geht es doch dem Beschwerdeführer einzig um die Frage, ob das Verhalten von A.________ der Beschwerdegegnerin zuzurechnen ist, was als Rechtsfrage im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen ist.
 
3.4 Nach Ansicht des Beschwerdeführers ist es willkürlich, aus der Zusendung von zwei Offerten einer dritten Gesellschaft (Muttergesellschaft der Beschwerdegegnerin) am 23./24. Oktober 2000 und der Beschwerdegegnerin am 31. Oktober 2000 auf die Kenntnis der für den Verjährungsbeginn wesentlichen Schadenselemente bzw. des Umstandes, dass er 1995 keine aufgeschobene Rente erworben habe, zu schliessen. Er begründet diese Rüge mit der Komplexität der Schadensberechnung, was sich aus dem von ihm im kantonalen Verfahren eingereichten Gutachten ergebe. Zudem habe zwischen den Offerten und dem im Dezember 2000 ausbezahlten Kapital kein Zusammenhang bestanden. Soweit er in diesem Zusammenhang nicht ohnehin nur Rechtsfragen der Verjährung aufwirft, fehlt jede Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil.
 
3.5 Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht Willkür vor, da es ihn in einem bestimmten Punkt auf seine Klagedenkschrift behafte, welche von seinem Schreiben vom 27. November 2000 erheblich abweiche. Es geht hier um die Folgerung des Obergerichts, die Forderung wäre im Übrigen selbst dann verjährt, wenn wie der Kläger behauptet davon ausgegangen würde, dass ihm erst am 27. November 2000 bewusst geworden war, "dass ihm keine aufgeschobene Rente verkauft worden sei" (E. 2c, S. 21 des angefochtenen Urteils). Diese Aussage des Obergerichts stimmt praktisch wörtlich mit der Tatsachenbehauptung Nr. 7 der Klage überein. Weshalb es willkürlich sein soll, wenn das Gericht die Angaben einer Partei übernimmt, ist nicht nachvollziehbar und wird vom Beschwerdeführer auch nicht begründet. Die weiteren Vorbringen in diesem Zusammenhang beziehen sich auf Rechtsfragen der Verjährung, welche in der staatsrechtlichen Beschwerde nicht zu prüfen sind.
 
3.6 Schliesslich rügt der Beschwerdeführer, das Obergericht habe in willkürlicher Weise festgestellt, dass er aufgrund einer telefonischen Rückfrage seinen Irrtum erkannt habe. Das Gegenteil sei der Fall. Er habe sich seit diesem Anruf nur verunsichert gefühlt. Seinen Irrtum habe er erst mit dem Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 20. Dezember 2000 erkannt. Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich die beanstandete Feststellung keineswegs. Hingegen hält das Obergericht fest, dass der Beschwerdeführer nach Erhalt der Offerten Ende Oktober 2000 seine Versicherungsdeckung überprüfen musste und dabei ohne weiteres feststellen konnte, dass er keinen Anspruch auf die Ausrichtung einer Rente hatte. Zudem sei er daraufhin aktiv geworden, was darauf schliessen lasse, dass er bereits vor seinem Schreiben vom 27. November 2000 seinen Irrtum erkannt habe. Mit dieser Begründung setzt sich der Beschwerdeführer nicht rechtsgenüglich auseinander.
 
4.
 
Nach dem Gesagten ist der staatsrechtlichen Beschwerde kein Erfolg beschieden. Ausgangsgemäss trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 156 Abs. 1 OG). Zudem schuldet er der Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 1 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 4'000.-- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht, 1. Zivilkammer, des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 1. Juni 2005
 
Im Namen der II. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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