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Informationen zum Dokument  BGer 6P.153/2004  Materielle Begründung
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BGer 6P.153/2004 vom 10.06.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6P.153/2004
 
6S.411/2004 /bri
 
Urteil vom 10. Juni 2005
 
Kassationshof
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd
 
Gerichtsschreiber Briw.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Werner Bodenmann,
 
gegen
 
A.________, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Mario Weber,
 
B.________, vertreten durch Rechtsanwalt Otmar Kurath, Beschwerdegegnerinnen,
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Staubeggstrasse 8, 8510 Frauenfeld,
 
Obergericht des Kantons Thurgau, Promenadenstrasse 12, 8500 Frauenfeld.
 
Gegenstand
 
6P.153/2004
 
Art. 9, 29 Abs. 2, 32 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 2 EMRK (Strafverfahren; willkürliche Beweiswürdigung, Grundsatz "in dubio pro reo"),
 
6S.411/2004
 
mehrfache, teils qualifizierte Vergewaltigung,
 
staatsrechtliche Beschwerde (6P.153/2004) und Nichtig-keitsbeschwerde (6S.411/2004) gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 8. Juli 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
In der Nacht vom 26. auf den 27. August 1997 sprach X.________ in einer öffentlichen Gartenanlage B.________ an und versuchte, mit ihr Kontakt zu knüpfen. Diese lehnte ab und suchte die öffentliche Toilettenanlage auf. Er folgte ihr. Nach dem Verlassen der Damenkabine bedrängte er sie erneut. Sie begann zu schreien, worauf er sie am Hals packte. Es gelang ihr, das Gebäude zu verlassen. Als sie zu flüchten versuchte, trat er ihr ins Gesäss und in der Folge kräftig ins Gesicht, worauf sie benommen zu Boden ging. Danach vollzog er mit ihr den Geschlechtsverkehr. Nach den ärztlichen Zeugnissen erlitt sie unter anderem eine Gehirnerschütterung mit kurzer Bewusstlosigkeit, Brüche des Augendachs und der Hinterwand der Oberkieferhöhle mit Einblutungen sowie einen Nasenbeinbruch und mehrere Zahnbrüche. Im Dezember 1999 erlitt sie einen psycho-physischen Zusammenbruch. Noch an ihrer Einvernahme vom 23. Mai 2003 sagte sie aus, sie leide an Zahn- und Kopfschmerzen, sei zeitweise depressiv, ertrage keine psychischen Belastungen mehr und leide unter Schlafstörungen und Angstzuständen, weshalb sie sich wöchentlich einer psychotherapeutischen Behandlung unterziehe.
 
Am Abend des 28. Mai 2002 versuchte X.________ in einer Bar mit A.________ Kontakte zu knüpfen, was diese ablehnte. Als ausser ihr gegen 02.30 Uhr alle Gäste das Lokal verlassen hatten, bat sie den Wirt nachzusehen, in welche Richtung X.________ gegangen sei. Als der Wirt meldete, er sei nach Osten weggegangen, machte sie sich in Richtung Westen auf den Nachhauseweg. Als sie die Eingangstüre öffnen wollte, trat X.________ zu ihr und packte sie am Arm. Sie schöpfte sofort Verdacht, er wolle mit ihr sexuelle Handlungen vornehmen. Um davon abzulenken, schlug sie ihm vor, gemeinsam in ihrer Wohnung Kaffee zu trinken. Er willigte ein, liess aber bis zum Eintritt in die Wohnung ihren Arm nicht los. In der Wohnung versetzte er ihr Ohrfeigen. Deshalb und angesichts der deutlichen körperlichen Überlegenheit sowie ihres alkoholisierten Zustands und ihres Be-wusstseins, dass er nötigenfalls den Geschlechtsverkehr mit ihr gewaltsam erzwingen würde, holte sie im Badezimmer Kondome und gab sich ihm schliesslich hin.
 
B.
 
Das Bezirksgericht Arbon sprach X.________ am 22. Dezember 2003 von zwei (weiteren) Anklagepunkten frei. Es verurteilte ihn wegen mehrfacher (in einem Fall qualifizierter) Vergewaltigung in zwei Fällen sowie mehrfacher vorsätzlicher schwerer Körperverletzung (einmal in der Form des vollendeten Versuchs) zu sieben Jahren Zuchthaus und verwies ihn für zehn Jahre des Landes.
 
Das Obergericht des Kantons Thurgau bestätigte am 8. Juli 2004 die Freisprüche sowie die Schuldsprüche wegen Vergewaltigung. Hingegen wies es die Sache bezüglich der Anklage wegen schwerer Körperverletzung zur Beweisergänzung an das Bezirksgericht zurück und fand diesbezüglich die Berufung von X.________ begründet.
 
C.
 
X.________ erhebt staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit den gleichlautenden Anträgen, das Urteil des Obergerichts sei insofern aufzuheben, als der Schuldspruch wegen mehrfacher Vergewaltigung von der Rückweisung an die Vorinstanz nicht erfasst worden sei, und die Sache sei diesbezüglich zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Im Übrigen sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.
 
Das Obergericht des Kantons Thurgau beantragt die Abweisung der Beschwerden.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
I. Staatsrechtliche Beschwerde
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde ist, von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen, kassatorischer Natur (BGE 124 I 327 E. 4a). Soweit der Beschwerdeführer mehr beantragt als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden (BGE 129 I 173 E. 5.1).
 
Die staatsrechtliche Beschwerde muss gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG die wesentlichen Tatsachen und eine kurzgefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Das Bundesgericht prüft im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen und wendet das Recht nicht von Amtes wegen an. Es tritt auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht ein (BGE 130 I 258 E. 1.3; 125 I 492 E. 1b)
 
2.
 
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 29 Abs. 2 und Art. 9 BV, weil das Obergericht hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Vergewaltigung von B.________ auf die Einholung der beantragten Beweismittel (die Einvernahme von Zeugen sowie die Einholung einer Expertise) verzichtet habe (Beschwerde S. 7).
 
2.1 Art. 29 Abs. 2 BV gewährleistet den Anspruch auf rechtliches Gehör. Aus dem Gehörsrecht ergibt sich der Anspruch der Parteien, mit rechtzeitig und formgültig angebotenen Beweisanträgen gehört zu werden, soweit diese erhebliche Tatsachen betreffen und nicht offensichtlich beweisuntauglich sind (vgl. BGE 120 Ib 379 E. 3b). Das Gericht kann indessen das Beweisverfahren schliessen, wenn die Beweisanträge eine nicht erhebliche Tatsache betreffen oder offensichtlich untauglich sind oder wenn es aufgrund bereits abgenommener Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geänderte würde (BGE 124 I 208 E. 4a; 119 Ib 492 E. 5b/bb). Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür behandelt zu werden. Willkür liegt vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen, auf einem offenkundigen Fehler beruhen oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufen. Dabei genügt es nicht, wenn das Urteil sich nur in der Begründung als unhaltbar erweist; eine Aufhebung rechtfertigt sich erst, wenn es im Ergebnis verfassungswidrig ist (BGE 129 I 49 E. 4, 173 E. 3.1; 128 I 81 E. 2).
 
2.2 Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, die beantragte Einvernahme verschiedener Zeugen hätten der Identifikation von C.________ dienen sollen. Dieser habe der Beschwerdegegnerin die Verletzungen zugefügt. Vorher habe er (der Beschwerdeführer) mit ihr einvernehmlich den Geschlechtsverkehr ausgeführt.
 
Das Obergericht gab diesen Beweisanträgen nicht statt. Es pflichtete der Beweiswürdigung des Bezirksgerichts bei, das die Behauptungen bezüglich des einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs sowie der Existenz von C.________ als völlig unglaubwürdig beurteilte. Selbst wenn die bezeichneten Zeugen bestätigen würden, dass tatsächlich eine Person namens C.________ existiere, bestünden keine bloss mehr als theoretischen Zweifel daran, dass der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfenen Handlungen ausgeführt habe. Und selbst wenn die beantragten Beweisergänzungen ergäben, dass C.________ sich im fraglichen Zeitpunkt in der Umgebung aufgehalten haben sollte (was allerdings bereits auf Grund der Aussagen des Beschwerdeführers praktisch ausgeschlossen werden könne), vermöchte dies keine erheblichen Zweifel an der Täterschaft des Beschwerdeführers zu begründen (angefochtenes Urteil S. 9/10).
 
Der Beschwerdeführer macht vor Bundesgericht geltend, seine Aussagen seien keinesfalls so unglaubwürdig, wie es von den kantonalen Instanzen dargestellt werde. Es sei deshalb nicht nachvollziehbar, weshalb diese die beantragten Zeugeneinvernahmen zur Identitätsfeststellung von C.________ abgelehnt hätten. Zur Begründung setzt er sich insbesondere mit dem Aussageverhalten der Beschwerdegegnerin auseinander. Deren Aussagen wiesen zwar eine grosse Zahl von so genannten Glaubwürdigkeitskriterien und Realkennzeichen auf. Es gebe aber auch klare Kennzeichen dafür, dass der Ablauf, wie er von ihr geschildert werde, nicht so gewesen sei (Beschwerde S. 12 - 17).
 
Die Vorbringen des Beschwerdeführers erschöpfen sich in einer appellatorischen Kritik am angefochtenen Urteil. Er beschränkt sich im Wesentlichen darauf, den Nachweis des Sachverhalts zu bestreiten und auszugsweise aus den Untersuchungsakten zu zitieren. Die blosse Darlegung der eigenen Sichtweise des Geschehens ist jedoch nicht geeignet, offensichtlich erhebliche und schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel daran darzutun, dass sich der Anklagesachverhalt verwirklicht hat. Der Beschwerdeführer hätte darlegen müssen, inwiefern die Feststellungen des Obergerichts schlechterdings unhaltbar sind oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen und die vorhandenen Beweise andere Schlussfolgerungen geradezu aufdrängen. Mit den Ausführungen beispielsweise, dass seine Aussagen keinesfalls so unglaubwürdig seien, wie es von den kantonalen Instanzen dargestellt werde, oder dass sich seine Aussagen besser mit den objektiv feststellbaren Umständen vereinbaren liessen (Beschwerde S. 17), wird keine Willkür dargetan. Was den Zeitpunkt der automatischen Abschaltung des Lichtes der Toilettenanlage anbelangt, setzt sich der Beschwerdeführer mit der Begründung der kantonalen Instanzen, die Angaben der städtischen Werke zur automatischen Lichtsteuerungen könnten für den besagten Abend nicht zutreffen, nicht auseinander und behauptet auch nicht, diese seien willkürlich (Beschwerde S. 15). So wird etwa auch hinsichtlich des Zeitpunktes des Verlassens des Arbeitsorts durch die Beschwerdegegnerin Willkür nicht dargetan (Beschwerde S. 15). Auf diese Vorbringen ist nicht einzutreten.
 
2.3 Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht sodann vor, auf die Einholung einer Expertise zur Frage, ob ein Geschlechtsverkehr mit einer bewusstlosen Person möglich sei, verzichtet zu haben. Es könne (zumindest theoretisch) nicht ausgeschlossen werden, dass für den Gutachter lediglich entscheidend gewesen sei, ob der letzte Geschlechtsverkehr vor der angeblichen Vergewaltigung mehr als fünf Tage zurückgelegen habe. Es sei aber sehr wahrscheinlich, dass die Empfindlichkeit im Genitalbereich doch ungleich höher sei, wenn der letzte Geschlechtsverkehr über fünf Jahre zurückgelegen habe, als wenn er lediglich fünf Tage zurückliege. Es sei demzufolge auch äusserst wahrscheinlich, dass die Beurteilung des Gutachters im Wissen um die jahrelange sexuelle Abstinenz anders ausgefallen wäre beziehungsweise zumindest hätte anders ausfallen können, als sie es tatsächlich getan habe (Beschwerde S. 11 f.).
 
Das Obergericht führt unter Hinweis auf die bezirksgerichtlichen Darlegungen aus, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb Verletzungen hätten resultieren müssen. Dem Gutachter sei die Bewusstlosigkeit des Opfers während der Vergewaltigung bekannt gewesen. Trotzdem sei er zum Schluss gelangt, dass die Untersuchungsbefunde nicht im Widerspruch zu den Angaben des Opfers stünden. Es könne keine Rede davon sein, dass aus der Tatsache nicht vorhandener Verletzungen im Genitalbereich hergeleitet werden könnte, es habe sich nicht um einen erzwungenen Geschlechtsverkehr gehandelt. Daran ändere auch nichts, dass das Opfer selbst angegeben habe, seit Frühling 1992 keinen Geschlechtsverkehr mehr gehabt zu haben, während der Gutachter offenbar aufgrund von Angaben des Opfers davon ausgegangen sei, der letzte Geschlechtsverkehr sei vor dem 21./22. August 1997 erfolgt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass für den Gutachter nur entscheidend gewesen sei, ob der letzte Geschlechtsverkehr vor dem fraglichen Ereignis entweder mehr als fünf Tage oder weniger als fünf Tage zurückgelegen habe. Es möge zwar zutreffen, dass bei langjähriger Abstinenz Empfindlichkeiten bestehen könnten. Solche müssten aber nicht zwingend zu Verletzungen führen. Zu diesen Schlussfolgerungen könne und dürfe das Gericht auch ohne entsprechende Ausführungen des Gutachters gelangen (angefochtenes Urteil S. 10/11).
 
Auch in diesem Punkt ist auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht einzutreten. Der Beschwerdeführer setzt sich mit den beiden Hauptbegründungen des Obergerichts - es sei nicht nachvollziehbar, weshalb aufgrund der Vergewaltigung Verletzungen im Genitalbereich hätten resultieren müssen und dass nach langjähriger Absenz von Geschlechtsverkehr zwar Empfindlichkeiten bestehen könnten, diese aber nicht zwingend zu Verletzungen führen müssten -, nicht auseinander und zeigt keine Verfassungsverletzung auf. Vielmehr stellt er diesen Ausführungen lediglich seine Sichtweise gegenüber.
 
3.
 
Weiter rügt der Beschwerdeführer, das Obergericht habe bezüglich der vorgeworfenen Vergewaltigung von A.________ Art. 32 Abs. 1 BV beziehungsweise Art. 6 Ziff. 2 EMRK verletzt, indem es entgegen dem Grundsatz "in dubio pro reo" seine Schuld als erstellt erachtet habe, obwohl bei objektiver Betrachtung erhebliche und unüberwindbare Zweifel am Sachverhalt bestanden hätten (Beschwerde S. 7).
 
Auch hier genügt die Beschwerde den Begründungsanforderungen nicht. So legt der Beschwerdeführer den zeitlichen Ablauf des Vergewaltigungsvorgangs auf zwei Stunden fest (Beschwerde S. 20), während das Obergericht von einer Stunde ausgeht (zwischen 02.00 und 03.00 Uhr, angefochtenes Urteil S. 33). Er macht lediglich geltend, aufgrund der gesamten Umstände, die in der Wohnung der Beschwerdegegnerin festzustellen gewesen seien, müsse es "anders abgelaufen sein" als von dieser ursprünglich dargelegt worden sei. Er räumt indessen selber ein, dass es durchaus "gewisse Er-klärungsmuster" dafür gebe, die den von ihr geschilderten zeitlichen Ablauf "ein wenig verschieben könnten". Der Beschwerdeführer setzt sich nicht mit den Ausführungen des Obergerichtes auseinander, sondern legt seine Auffassung des Geschehens dar, führt einzelne Aussagen der Beschwerdegegnerin aus dem Untersuchungsverfahren an und würdigt diese. In dieser Weise kommt er auch zum Ergebnis, es könne nicht zutreffen, dass er die Beschwerdegegnerin unmittelbar nach dem Eintritt in die Wohnung geschlagen habe, denn diese habe ausgesagt, sie sei sehr gastfreundlich und habe ihn in die Stube aufgenommen und ihn gefragt, was er eigentlich wolle (Beschwerde S. 20/21 mit Hinweis auf act. 536). Er zeigt nicht auf, welche Widersprüche im Einzelnen das Obergericht hätte "kritisch" würdigen müssen, inwiefern das Aussageverhalten der Beschwerdegegnerin widersprüchlich gewesen sein soll und inwiefern die vom Obergericht vorgenommene Würdigung ihres Verhaltens willkürlich sein sollte (angefochtenes Urteil S. 34). Zur Auffassung des Obergerichtes, es sei durchaus nachvollziehbar, dass die Beschwerdegegnerin die Haustüre automatisch abgeschlossen habe, nimmt der Beschwerdeführer nicht Stellung, sondern bringt vor, dass sie - wenn sie tatsächlich bedrängt worden wäre - die Türe wohl nicht abgeschlossen und dazu auch gar keine Zeit gehabt hätte (Beschwerde S. 22). Das Obergericht führt nachvollziehbar aus, warum die Tatsache, dass die Beschwerde-gegnerin dem Beschwerdeführer ein Kondom übergestreift hatte, nicht gegen eine Vergewaltigung spricht (angefochtenes Urteil S. 34). Der Beschwerdeführer macht lediglich geltend, auch dieser Umstand spreche klar gegen eine Vergewaltigung (Beschwerde S. 23). Somit ist auch in diesem Punkt auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht einzutreten.
 
II. Nichtigkeitsbeschwerde
 
4.
 
Die Vorinstanz bestätigte das bezirksgerichtliche Urteil im Wesentlichen, wies aber die Sache zur Durchführung eines Beweisverfahrens bezüglich des Vorwurfs der schweren Körperverletzung an das Bezirksgericht zurück (angefochtenes Urteil S. 2 und 49). Bei einer Rückweisung der Strafsache ist das untere Gericht nach dem kantonalen Recht an die Rechtsauffassung der oberen Instanz gebunden (Thomas Zweidler, Die Praxis zur thurgauischen Strafprozessordnung, Bern 2005, § 210 N. 20). Beim angefochtenen Rückweisungsentscheid handelt es sich insoweit um ein Urteil im Sinne von Art. 268 Ziff. 1 BStP. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher zulässig.
 
5.
 
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz hätte im Fall B.________ nicht eine Vergewaltigung gemäss Art. 190 StGB annehmen dürfen. Vielmehr liege eine Schändung im Sinne von Art. 191 StGB vor. Der Beschwerdeführer bringt diesen Einwand vor Bundesgericht erstmals vor (vgl. auch angefochtenes Urteil S. 5).
 
Als nicht letztinstanzlich gilt ein Entscheid auch in Bezug auf Rechtsfragen, die nach dem kantonalen Prozessrecht von der letzten kantonalen Instanz mangels Geltendmachung nicht zu prüfen waren und deshalb offen geblieben sind. In solchen Fällen kann sich der Kassationshof mit der nicht behandelnden Rechtsfrage nicht mehr befassen. Durfte oder musste die letzte kantonale Instanz nach dem kantonalen Prozessrecht aber auch Rechtsfragen prüfen, die ihr nicht ausdrücklich unterbreitet worden waren, so können diese Rechtsfragen mit der Nichtigkeitsbeschwerde neu vorgetragen werden, auch wenn sie der Beschwerdeführer vor der kantonalen Instanz nicht aufgeworfen hat (BGE 122 IV 285 E. 1c). Die thurgauische Berufung ist ein vollkommenes Rechtsmittel und führt zur Überprüfung des angefoch-tenen Entscheides in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einschliesslich des Ermessens. Dabei ist das Obergericht grundsätzlich nicht an die Berufungsanträge gebunden (Zweidler, a.a.O., § 199 N. 1und § 209 N. 17 und 18). Das Vorbringen ist daher zulässig.
 
Der Beschwerdeführer begründet diese Rüge damit, dass die Widerstandsunfähigkeit der Beschwerdegegnerin zwar auf seinen Fusstritt zurückzuführen sei. Dieser Fusstritt sei aber nicht erfolgt, um sexuelle Handlungen vorzunehmen, sondern einzig in der Absicht, ihr Schmerzen zuzufügen, weil er durch ihre Abweisungen gekränkt worden sei (Beschwerde S. 12 und 13).
 
Damit wendet sich der Beschwerdeführer in unzulässiger Weise gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Die Vorinstanz führt nämlich bei der Beurteilung des subjektiven Tatbestands aus, es sei für den Beschwerdeführer offensichtlich gewesen, dass die Beschwerdegegnerin den Geschlechtsverkehr nicht wollte. Ziel der massiven Gewaltanwendung sei es gewesen, sie widerstandsunfähig zu machen, um anschliessend mit ihr den Geschlechtsverkehr vollziehen zu können (angefochtenes Urteil S. 38). Damit fällt eine Schändung ausser Betracht (vgl. Jörg Rehberg/Niklaus Schmid/Andreas Donatsch, Strafrecht III, 8. Auflage, Zürich 2003, S. 435; Philipp Maier, Strafgesetzbuch II, Basler Kommentar, Basel 2003, Art. 191 N 17). Auf die Beschwerde ist in diesem Punkt nicht weiter einzutreten.
 
6.
 
Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, die Vorinstanz habe zu Unrecht den qualifizierten Tatbestand von Art. 190 Abs. 3 StGB angenommen. Die Beschwerdegegnerin sei durch den Fusstritt offenbar direkt in Ohnmacht gefallen und habe vom darauffolgenden Vollzug des Geschlechtsverkehrs somit nichts mitbekommen. Sie habe infolge der Ohnmacht weder eine Todesangst noch sonstige unnötige psychische Leiden ausstehen müssen (Beschwerde S. 8).
 
Wer eine Person weiblichen Geschlechts zur Duldung des Beischlafs nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, erfüllt den Grundtatbestand der Vergewaltigung im Sinne von Art. 190 Abs. 1 StGB. Eine qualifizierte Vergewaltigung im Sinne von Art. 190 Abs. 3 StGB ist gegeben, wenn der Täter grausam handelt, namentlich wenn er eine gefährliche Waffe oder einen andern gefährlichen Gegenstand verwendet. Die Vergewaltigung erfüllt den qualifizierten Tatbestand, wenn der Täter unverhältnismässige oder gefährliche Tatmittel einsetzt und dadurch besondere Leiden zufügt, d.h. andere Leiden, als diejenigen, die die Frau schon deswegen erleidet, weil sie vergewaltigt wird. Dies sind Leiden, die mit der Begehung nicht notwendigerweise verknüpft sind, sondern die durch Sadismus oder zumindest durch die Absicht, Schmerzen zuzufügen, oder durch Rücksichtslosigkeit (Rohheit) und gegen fremde Leiden unbarmherzige Gesinnung (Gefühllosigkeit) bestimmt sind (BGE 119 IV 49 E. 3d).
 
Der mit Anlauf ausgeführte Fusstritt gegen den Kopf der Beschwerdegegnerin (einem Kick-Boxer ähnlich, wie in der Anklageschrift ausgeführt wird) stellt eine massive und gefährliche Gewalteinwirkung dar. Mit dieser brutalen Handlungsweise fügte der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin über das mit einer Vergewaltigung verbundene Leid hinausgehende erhebliche zusätzliche und weiter nachwirkende Schmerzen und Verletzungen zu. Die Vorinstanz qualifiziert die Tat zu Recht gemäss Art. 190 Abs. 3 StGB. Es kann auf ihre Erwägungen verwiesen werden (angefochtenes Urteil S. 36 ff.).
 
Weiter ist darauf hinzuweisen, dass die Bewusstlosigkeit entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers nicht eine vollständige, sondern eine zeitweise war (angefochtenes Urteil S. 25 Ziff. 4 mit Hinweis auf S. 4 der Anklageschrift; oben Bst. A). Seit der Revision des Sexualstrafrechts ist nicht mehr Widerstandsunfähigkeit, sondern die Grau-samkeit objektives qualifizierendes Tatbestandsmerkmal. Eine herab-gesetzte Empfindungsfähigkeit des Opfers (z. B. Halbohnmacht) schliesst daher das Merkmal nicht aus (BGE 119 IV 49 E. 3d). Es wäre auch nicht einzusehen, weshalb der Täter, der sein Opfer derart brutal behandelt, dass es bewusstlos wird, milder bestraft werden sollte.
 
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
 
III. Kosten
 
7.
 
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem Be-schwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG; Art. 278 Abs. 1 BStP). Die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege sind abzuweisen, weil die Rechtsbegehren aussichtslos erschienen (Art. 152 Abs. 1 und 2 OG). Den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers kann mit herabgesetzten Gerichtsgebühren Rechnung getragen werden.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
3.
 
Die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege werden abgewiesen.
 
4.
 
Die Gerichtsgebühren von insgesamt Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 10. Juni 2005
 
Im Namen des Kassationshofes
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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