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Informationen zum Dokument  BGer 5P.206/2005  Materielle Begründung
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BGer 5P.206/2005 vom 08.07.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
5P.206/2005 /bnm
 
Urteil vom 8. Juli 2005
 
II. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Raselli, Präsident,
 
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Meyer,
 
Gerichtsschreiber Möckli.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Reto Bernhard,
 
gegen
 
Y.________,
 
Beschwerdegegner,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Guido Hensch,
 
Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, Postfach, 8023 Zürich.
 
Gegenstand
 
Art. 9 BV etc. (Prozessentschädigung; Abänderung vorsorglicher Massnahmen; Rückzug),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 23. Mai 2005.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Y.________ (Ehemann) und Z.________ (Ehefrau) stehen seit dem 26. Januar 2005 auf gemeinsames Begehren in Scheidung. Im Rahmen vorsorglicher Massnahmen verlangte Y.________ die Aufhebung bzw. Herabsetzung der Kinderalimente. Mit Entscheid vom 18. März 2005 wies die Einzelrichterin des Bezirksgerichts Uster dieses Begehren ab.
 
B.
 
Gegen diesen Entscheid erhob der Rechtsvertreter von Y.________ Rekurs. Nachdem er diesen am 18. Mai 2005 wiederum zurückgezogen hatte, schrieb das Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, das Verfahren mit Beschluss vom 23. Mai 2005 als erledigt ab und verurteilte Y.________, dem Anwalt der Rekursgegnerin, X.________, für das Rekursverfahren eine Prozessentschädigung von Fr. 600.-- zuzüglich Mehrwertsteuer zu bezahlen.
 
C.
 
Gegen die betreffende Kostenziffer hat Rechtsanwalt X.________ am 30. März 2005 in eigenem Namen staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit den Begehren um deren Aufhebung. Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Das Obergericht hat die Parteientschädigung aufgrund von § 89 Abs. 1 ZPO/ZH dem Beschwerdeführer selbst und nicht seiner Mandantin zugesprochen. Insofern ist dieser nicht nur in seinen eigenen Interessen betroffen, sondern auch direkt beschwert und damit zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (Art. 88 OG).
 
2.
 
Der Beschwerdeführer macht in verschiedener Hinsicht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend. Wegen dessen formeller Natur führt eine Gehörsverletzung ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids, weshalb die Gehörsrügen vorweg zu prüfen sind (BGE 121 I 230 E. 2a S. 232; 122 II 464 E. 4a S. 469).
 
2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe im Rekursverfahren weder Veranlassung noch Gelegenheit gehabt, seine Bemühungen darzutun: keine Veranlassung, weil in Anbetracht seiner prozessualen Ersuchen mit einem Fortgang des Verfahrens zu rechnen gewesen sei, und keine Gelegenheit, weil ihn das Obergericht entgegen dessen Verpflichtung nicht zur Einreichung einer Kostennote aufgefordert habe.
 
2.1.1 Der Umfang des rechtlichen Gehörs wird zunächst durch die kantonalen Verfahrensvorschriften umschrieben, deren Auslegung und Anwendung das Bundesgericht unter dem Gesichtspunkt der Willkür prüft; erst wo sich dieser Rechtsschutz als ungenügend erweist, greifen die unmittelbar aus Art. 29 Abs. 3 BV folgenden bundesrechtlichen Minimalgarantien Platz (BGE 113 Ia 81 E. 3a S. 82 f.; 118 Ia 17 E. 1b S. 18).
 
2.1.2 Der Beschwerdeführer verweist auf § 15 Abs. 3 der zürcherischen Verordnung über die Anwaltsgebühren, wonach die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsvertreters festgesetzt wird, wenn der Anwalt eine spezifizierte Aufstellung über seine Tätigkeit und seine Barauslagen vorgelegt hat, mit welcher er einen Antrag bezüglich der Höhe des beanspruchten Honorars verbinden kann.
 
Bei seinem Verweis übersieht der Beschwerdeführer, dass vorliegend die Gegenpartei zu den Parteikosten verurteilt und demnach nicht eine Entschädigung im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege, sondern eine solche nach § 68 ZPO/ZH, auf welche Bestimmung das Obergericht denn auch verwiesen hat, festgesetzt worden ist. Für die Bemessung kommt folglich § 69 ZPO/ZH zum Tragen, wonach die Prozessentschädigung nach Ermessen festgesetzt wird und die Parteien dem Gericht bis zur Fällung des Entscheides ihre Rechnung vorlegen können. Dass das Obergericht diese Bestimmungen willkürlich angewandt hätte, macht der Beschwerdeführer nicht geltend. Es bleibt demnach zu prüfen, ob die unmittelbar aus Art. 29 Abs. 3 BV fliessenden Ansprüche verletzt sind.
 
2.1.3 Der Beschwerdeführer hat seine Rekursantwort auf verschiedene prozessuale Begehren beschränkt und dabei u.a. den Antrag gestellt, dem Rechtsvertreter des Rekurrenten sei aufzugeben, eine Vollmacht einzureichen, aus welcher sich einwandfrei ergebe, dass die Einleitung des Rekursverfahrens mit Wissen und Willen des Rekurrenten erfolgt sei (Ziff. 1); sodann hat er darum gebeten, dass ihm nach der Entscheidfindung über seine prozessualen Anträge gegebenenfalls erneut Frist (zur materiellen Begründung) anzusetzen sei (Ziff. 4).
 
Der Beschwerdeführer ist demnach selbst davon ausgegangen, dass das Verfahren je nachdem bereits aufgrund seiner prozessualen Anträge zum Abschluss kommen würde. Zur Begründung seiner Anträge hat er im Übrigen auch ausgeführt, dass der Rechtsvertreter der Gegenpartei den Rekurs ohne Einwilligung des Rekurrenten, ja sogar ohne dessen Orientierung eingereicht habe und es nicht angehe, das Verfahren ohne nähere Prüfung dieser Fragen weiterzuführen.
 
Vor diesem Hintergrund stellte die Abschreibung des Verfahrens und die Festsetzung einer Parteientschädigung keinen unvorhersehbaren Verfahrensausgang dar. Entsprechend hätte der Beschwerdeführer von sich aus eine Kostennote einreichen können und sind die unmittelbar aus Art. 29 Abs. 3 BV fliessenden Minimalgarantien nicht verletzt, wenn das Obergericht die Parteientschädigung ohne Einforderung einer Kostennote festgesetzt hat.
 
2.2 Der Beschwerdeführer rügt weiter eine Verletzung der Begründungspflicht als Teilgehalt des rechtlichen Gehörs und macht geltend, mangels näherer Angaben könne er die wesentlichen Überlegungen des Gerichts nicht nachvollziehen.
 
Mit seinem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer die Tragweite der Begründungspflicht hinsichtlich des Kostenpunkts. Nach der publizierten Rechtsprechung des Bundesgerichts muss der Entscheid über die Höhe der Parteientschädigung in der Regel nicht begründet werden. Insbesondere bei Vorliegen von Tarifen und Reglementen hat der Richter seinen Kosten- und Entschädigungsentscheid nur dann zu begründen, wenn er den Tarifrahmen nicht einhält oder die anspruchsberechtigte Partei ausserordentliche Umstände ins Feld führt (BGE 111 Ia 1). Der Beschwerdeführer geht selbst von einer vermögensrechtlichen Streitigkeit aus, womit der Tarifrahmen der zürcherischen Verordnung über die Anwaltsgebühren zum Tragen kommt. Wie die folgenden Erwägungen zeigen, hält sich die zugesprochene Parteientschädigung in diesem Rahmen. Entsprechend stösst die Rüge der Gehörsverletzung ins Leere.
 
3.
 
Mit Bezug auf die Höhe der Entschädigung rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Willkürverbots.
 
3.1 Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, mit der Begründung, er habe nur prozessuale Anträge gestellt, blende das Obergericht aus, dass er in diesem Zusammenhang dennoch bereits materiell habe instruiert werden müssen. Entgegen seiner aus Art. 90 Abs. 1 lit. b OG fliessenden Rügepflicht legt der Beschwerdeführer jedoch nicht dar, inwiefern im Einzelnen eine solche Instruktion nötig war, hat er doch seine Mandantin bereits vor erster Instanz vertreten und waren ihm demnach sowohl der Sachverhalt als auch die rechtliche Seite des Falles bekannt. Insoweit bleibt die Willkürrüge unsubstanziiert.
 
3.2 Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, streitig seien die Kinderalimente von Fr. 850.-- pro Monat gewesen. Weil die Dauer der Unterhaltspflicht nicht bestimmbar sei, sei - auch mit Blick auf die präjudizierende Wirkung für das Scheidungsurteil - vertretbar, dass § 21 ZPO/ZH zur Anwendung gelange, wonach bei periodisch wiederkehrenden Leistungen mit ungewisser oder unbeschränkter Dauer der Kapitalwert als Streitwert gilt, welcher dem 20-fachen Betrag der einjährigen Leistung entspricht. Demnach betrage der Streitwert Fr. 204'000.--, was nach § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Anwaltsgebühren eine Grundgebühr von Fr. 13'000.-- ergebe. Gemäss § 2 Abs. 3 der Verordnung könne dieser Ansatz bei Unterhaltsbeiträgen bis auf die Hälfte, also auf Fr. 6'500.--, ermässigt werden. Hiervon sei gemäss § 7 Abs. 1 der Verordnung für das Rekursverfahren von einem bis zwei Drittel auszugehen. Werde von einer maximalen Reduktion ausgegangen, ergebe sich eine Anwaltsgebühr von wenigstens Fr. 2'167.--, die vorliegend massiv unterschritten worden sei.
 
Der Beschwerdeführer bezeichnet die Anwendung von § 21 ZPO/ZH selbst als "vertretbar". Damit ist keine Willkür dargetan, wenn das Obergericht offensichtlich nicht von dieser Norm ausgegangen ist. Die Begehren um Aufhebung bzw. Herabsetzung der Kinderalimente wurden im Rahmen vorsorglicher Massnahmen gemäss Art. 137 ZGB und damit für die Dauer des Scheidungsverfahrens gestellt, welches seinerseits auf gemeinsames Begehren hin eingeleitet worden ist. Es kann demnach nicht willkürlich sein, wenn das Obergericht den Streitwert nicht auf einer Grundlage von 20 Jahren berechnet hat, umso weniger als es sich dabei um mehr als die Zeitspanne zwischen Geburt und Mündigkeit des Kindes handeln würde.
 
Wird von einer durchschnittlichen Verfahrensdauer einer Scheidung auf gemeinsames Begehren ausgegangen, die ungefähr ein Jahr betragen dürfte, ergibt sich gemäss § 2 Abs. 1 der zürcherischen Verordnung über die Anwaltsgebühren bei einem Streitwert von rund Fr. 10'000.-- ein Grundhonorar von Fr. 2'000.--, das nach § 5 Abs. 2 der Verordnung in summarischen Verfahren auf die Hälfte bis einen Fünftel bzw. in Eheschutzsachen auf drei bis einen Viertel herabzusetzen ist. Die sich hieraus ergebende Entschädigung ist sodann im Rekursverfahren gemäss § 7 Abs. 1 i.V.m. § 8 der Verordnung auf einen bis zwei Drittel zu reduzieren. Die zugesprochene Entschädigung von Fr. 600.-- liegt folglich innerhalb des sich aus den genannten Bestimmungen ergebenden Tarifrahmens, womit sich die Rüge, dieser sei willkürlich angewandt worden, als unbegründet erweist.
 
3.3 Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die zugesprochene Parteientschädigung stehe in keinem Verhältnis zum geleisteten Aufwand. Bei den erbrachten 4,25 Stunden und den Auslagen von Fr. 66.-- ergebe sich ein Stundenansatz von Fr. 125.--, mit dem sich nicht einmal die Fixkosten decken liessen.
 
Nach konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts kann sich die Festsetzung eines Anwaltshonorars als willkürlich erweisen, wenn es ausserhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu der vom Anwalt geleisteten Arbeit steht und in krasser Weise gegen das Gerechtigkeitsgefühl verstösst (BGE 118 Ia 133 E. 2b). Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, sind diese Voraussetzungen hinsichtlich der auf prozessuale Fragen beschränkten Rekursschrift nicht gegeben. Die möglicherweise abweichende Schätzung des Aufwandes kann umso weniger willkürlich sein, als es der Beschwerdeführer unterlassen hat, diesen im kantonalen Verfahren mit einer Kostennote zu dokumentieren (vgl. E. 2.1.3).
 
3.4 Der Beschwerdeführer macht schliesslich geltend, die Unerhältlichkeit der Parteikosten bei der Gegenpartei sei offensichtlich. Es widerspreche jeder Fairness und sei willkürlich, dass ihm zugemutet werde, vorab Inkassobemühungen gegen die Gegenpartei zu unternehmen, und er entgegen der bisherigen Praxis nicht sogleich als Offizialanwalt durch den Staat entschädigt worden sei.
 
Ungeachtet seiner Rügepflicht gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, welche Norm des kantonalen Rechts willkürlich angewandt worden sein soll. Aus § 89 Abs. 1 ZPO/ZH ergibt sich im Übrigen, dass bei Obsiegen der unentgeltlich vertretenen Partei die Prozessentschädigung deren Rechtsvertreter zuzusprechen ist. Dies folgt aus dem Umstand, dass die unterliegende Partei nicht von der Leistung einer Prozessentschädigung befreit ist, wenn die obsiegende im Genuss der unentgeltlichen Rechtspflege steht (Frank/ Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Zürich 1997, N. 1 zu §§ 88/89 ZPO/ZH). Erst wenn die Prozesskosten von der Gegenpartei nicht erhältlich sind, werden dem Rechtsvertreter nach Erledigung des Prozesses aus der Gerichtskasse die Barauslagen ersetzt und wird ihm eine Entschädigung für seine Bemühungen entrichtet (§ 89 Abs. 2 ZPO/ZH). Ob in Abweichung von dieser gesetzlichen Konzeption eine - was an sich vernünftig wäre - Praxis besteht, bei offensichtlicher Uneinbringlichkeit bei der Gegenpartei die Kosten sogleich aus der Gerichtskasse zu zahlen, kann dahingestellt bleiben, zumal der Beschwerdeführer hierfür entgegen seiner Substanziierungspflicht nicht einmal einschlägige Belegstellen nennt.
 
4.
 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann. Demzufolge ist die Gerichtsgebühr dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 750.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 8. Juli 2005
 
Im Namen der II. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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