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Informationen zum Dokument  BGer 2A.73/2005  Materielle Begründung
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BGer 2A.73/2005 vom 02.08.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2A.73/2005/grl
 
Urteil vom 2. August 2005
 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Merkli, Präsident,
 
Bundesrichter Müller, Bundesrichterin Yersin,
 
Gerichtsschreiber Hatzinger.
 
Parteien
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Fürsprecher Dr. Toni Amonn,
 
gegen
 
Steuerverwaltung des Kantons Bern, Münstergasse 3, 3011 Bern,
 
Steuerrekurskommission des Kantons Bern, Sägemattstrasse 2, Postfach 54, 3097 Liebefeld.
 
Gegenstand
 
direkte Bundessteuer 1999/2000,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Bern vom
 
14. Dezember 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die Steuerverwaltung des Kantons Bern veranlagte A.________ am 1. März 2000 bei der direkten Bundessteuer für die Periode 1999/2000 mangels Einreichen der Steuererklärung nach Ermessen auf ein Einkommen von Fr. 105'000.--. Hiergegen erhob A.________ Einsprache und reichte der Steuerverwaltung gleichzeitig die fehlende Steuererklärung ein; bei der direkten Bundessteuer deklarierte er ein steuerbares Einkommen von Fr. 14'023.--. Mit Einspracheverfügung vom 22. September 2003 erhöhte die Steuerverwaltung das steuerbare Einkommen von A.________ indes um Fr. 658'560.-- mit der Begründung, die D.________ AG habe der A.________ AG die Liegenschaft X.________strasse unterpreislich verkauft. Dagegen erhob A.________ am 6. Oktober 2003 erneut Einsprache an die Steuerverwaltung, welche die Eingabe am 12. Februar 2004 als Beschwerde an die Steuerrekurskommission des Kantons Bern weiterleitete. Am 8. März 2004 ergänzte A.________ seine Eingabe.
 
B.
 
Die Steuerrekurskommission wies am 14. Dezember 2004 (Eröffnung: 3. Januar 2005) die Beschwerde hinsichtlich der Staats- und der Bundessteuer ab. Sie gelangte zum Ergebnis, infolge der unterpreislichen Veräusserung der Liegenschaft sei von einer Vorteilszuwendung zwischen Schwestergesellschaften auszugehen; die Wertzunahme sei beim Aktionär bzw. in A.________s Einkommen als steuerbare geldwerte Leistung zu erfassen. Diese und der Verkehrswert der Liegenschaft seien im Übrigen bereits rechtskräftig festgelegt worden.
 
C.
 
Gegen diesen Entscheid hat A.________ am 2. Februar 2005 beim Bundesgericht bezüglich der direkten Bundessteuer 1999/2000 Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben. Die Vorinstanz oder die Steuerverwaltung sei anzuweisen, ihn gemäss Selbstschatzung zu veranlagen. Eventuell sei die Sache zurückzuweisen zur Sachverhaltsabklärung und Neubeurteilung. Im Übrigen seien ihm die unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung zu gewähren.
 
Die Kantonale und die Eidgenössische Steuerverwaltung beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Die Steuerrekurskommission beantragt deren Gutheissung.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Der angefochtene Entscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Bern ist hinsichtlich der Bundessteuer ein letztinstanzliches kantonales Urteil, das sich auf Steuerrecht des Bundes stützt und mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden kann (Art. 97 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG und Art. 98 lit. g OG sowie Art. 146 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG; SR 642.11]; vgl. BGE 130 II 65 ff.; Urteil 2A.193/2004 vom 9. November 2004, E. 1.1). Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 103 lit. a OG).
 
1.2 Das Bundesgericht überprüft den angefochtenen Entscheid auf Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich einer Überschreitung oder eines Missbrauchs des Ermessens, sowie auf unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 104 OG). An diesen ist es gebunden, wenn ihn - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt hat (Art. 105 Abs. 2 OG). Damit wird die Möglichkeit, vor Bundesgericht neue Tatsachen vorzubringen und neue Beweismittel einzureichen, weitgehend eingeschränkt. Das Bundesgericht lässt diesfalls nur solche neuen Tatsachen und Beweismittel zu, welche die Vorinstanz von Amtes wegen hätte berücksichtigen müssen und deren Nichtbeachtung eine Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften darstellt (BGE 128 II 145 E. 1.2.1 S. 150; 125 II 217 E. 3a S. 221).
 
2.
 
2.1 Nach Art. 20 Abs. 1 lit. c DBG sind als Erträge aus beweglichen Vermögen unter anderem geldwerte Vorteile aus Beteiligungen aller Art steuerbar. Zu solchen steuerbaren Vorteilen zählen auch die in Art. 58 Abs. 1 lit. b DBG genannten verdeckten Gewinnausschüttungen, mithin Leistungen der Gesellschaft an den Inhaber von Beteiligungsrechten, denen keine oder keine genügenden Gegenleistungen gegenüberstehen und die einem Dritten, der an der Gesellschaft nicht beteiligt ist, nicht oder nur in wesentlich geringerem Umfang erbracht worden wären (StE 2002 B 24.4 Nr. 67, 2P.280/2001, E. 2.2; Urteil 2P.129/2003 vom 13. August 2004, E. 3.1, je mit Hinweisen).
 
2.2
 
2.2.1 Ebenfalls als geldwerte Vorteile, die als steuerbares Einkommen dem Beteiligungsinhaber anzurechnen sind (Art. 20 Abs. 1 lit. c DBG), gelten Zuwendungen der Gesellschaft an einen diesem nahe stehenden Dritten (StE 2002 B 24.4 Nr. 67, 2P.280/2001, E. 2.3; Urteile 2P.129/2003 vom 13. August 2004, E. 3.2; 2A.160/1999 vom 22. März 2000, E. 3b, je mit Hinweisen). Nach der in der Lehre vertretenen so genannten Dreieckstheorie, der sich das Bundesgericht in bestimmten Fällen angeschlossen hat, kann im Einkommenssteuerrecht eine geldwerte Leistung an einen solchen Dritten prinzipiell nur über den Gesellschafter fliessen. Damit ist eine derartige Leistung an eine nahe stehende natürliche Person ebenso mit der Einkommensteuer beim Gesellschafter zu erfassen (ASA 66 458 E. 4a u. 7b; 63 145 E. 4a; Urteile 2A.288/1998 vom 31. März 1999, E. 4a; 2P.129/2003 vom 13. August 2004, E. 5.1; Peter Locher, Kommentar zum DBG, II. Teil, Therwil/Basel 2004, N. 129 zu Art. 58 DBG; vgl. im Übrigen ASA 65 397 E. 2a, aber betr. Verrechnungssteuer).
 
2.2.2 Die Dreieckstheorie gilt dem Grundsatz nach auch bei verdeckten Vorteilszuwendungen zwischen Schwestergesellschaften. Der Vorteil fliesst hier unmittelbar von einer Gesellschaft zur andern, während die an ihnen beteiligten Aktionäre nur mittelbar betroffen werden. Zuwendungen an solche Gesellschaften sind verdeckte Gewinnausschüttungen an die Aktionäre und verdeckte Kapitalanlagen der Aktionäre an die empfangende Gesellschaft (Urteil 2P.152/1998 vom 28. Juni 2000, E. 5d mit Hinweis; Locher, a.a.O., N. 128 zu Art. 58; siehe auch ASA 72 736 E. 2.1 [betr. Verrechnungssteuer]).
 
3.
 
3.1 Die Vorinstanz hat die Dreieckstheorie angewendet und geht davon aus, dass die D.________ AG ihrer Schwestergesellschaft A.________ AG ein Grundstück zu einem um 1,3 Mio. Franken zu tiefen Preis verkauft habe. Darin liege eine entsprechende geldwerte Leistung, die beim Beschwerdeführer als Aktionär und in beiden Gesellschaften zeichnungsberechtigte Person zu besteuern sei. Der Beschwerdeführer hat im kantonalen Verfahren unter Hinweis auf die Marktlage und den Druck der Bank bestritten, dass die Liegenschaft unter dem Verkehrswert verkauft worden sei. Bei dieser Sachlage hätte es an den Steuerbehörden gelegen, das offensichtliche Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bzw. die Gewinnvorwegnahme zu beweisen; denn es geht dabei um eine steuerbegründende Tatsache (vgl. Peter Brülisauer/Stephan Kuhn, in: Martin Zweifel/Peter Athanas [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2a, Basel/Genf/München 2000, N. 101 zu Art. 58 DBG).
 
3.2 Die Vorinstanz leitet ihre Annahme, die Liegenschaft sei unterpreislich veräussert worden, daraus ab, dass der Verkaufspreis den Werkpreis um 1,3 Mio. Franken unterschritten habe und dass bei der Festsetzung der Grundstückgewinnsteuer von einem entsprechenden Wert ausgegangen worden sei; dagegen habe weder die Gesellschaft noch der einzelzeichnungsberechtigte Beschwerdeführer rekurriert.
 
3.2.1 Eine tatsächliche Feststellung, die das Bundesgericht im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG bindet, kann in dieser Annahme, die nicht auf einem eigentlichen Beweisverfahren beruht, indessen nicht erblickt werden. Dass eine Liegenschaft unter den Erstellungskosten und insofern mit Verlust verkauft wird, kommt nicht selten vor und bildet keinen Beweis dafür, dass der Marktpreis unterschritten wurde.
 
3.2.2 Wenn gegen die Veranlagung der Grundstückgewinnsteuer nicht rekurriert wurde, lässt sich dies dadurch erklären, dass mangels eines Gewinns keine Steuer erhoben wurde; es fragt sich, ob die Gesellschaft überhaupt legitimiert gewesen wäre, die betreffende Verfügung anzufechten. Im Übrigen könnte diese die Gesellschaft betreffende Veranlagung dem Beschwerdeführer ohnehin nicht entgegengehalten werden. Zwar mag der Verdacht auf eine unlautere Vermögensverschiebung entstehen, wenn der Verkaufspreis angeblich gerade der hypothekarischen Belastung entsprach - wobei gemäss dem mit der Beschwerde eingereichten Kaufvertrag die Belastung höher war - und wenn über die Gesellschaft in der Folge der Konkurs eröffnet werden musste; diese Umstände reichen aber nicht aus, eine Umkehr der Beweislast zu rechtfertigen.
 
3.3 Bereits aus diesen Gründen erweist sich die Beschwerde als begründet; sie ist gutzuheissen und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 114 Abs. 2 OG). Diese wird anhand geeigneter Beweismittel - in Frage kommt wohl nur eine Expertise - abzuklären haben, welches der Marktwert der Liegenschaft war; zudem wird zu prüfen sein, ob ein für die Gesellschaftsorgane erkennbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestand, das sich nur durch die Beteiligungsverhältnisse erklären lässt (vgl. Locher, a.a.O., N. 101 ff. zu Art. 58 DBG).
 
4.
 
4.1 Weiter setzt die Vorinstanz als selbstverständlich voraus, dass es sich bei den Vertragsparteien um Schwestergesellschaften handelte, die der Beschwerdeführer massgeblich beherrschte; weder sie noch die Steuerverwaltung hat dies jedoch näher abgeklärt. Nach der - freilich neuen und daher grundsätzlich nicht zu berücksichtigenden - Darstellung des Beschwerdeführers war die Verkäuferin die hundertprozentige Tochter der E.________ AG, an welcher der Beschwerdeführer lediglich mit 24 % beteiligt war; seine Beteiligung an der Käuferin betrug nur 3 %, wobei sich der Aktionärskreis auch sonst nicht deckte. Dieser Frage wird die Vorinstanz ebenso nachzugehen haben.
 
4.2 Ob es sich rechtfertigen lässt, die Dreieckstheorie bei den vom Beschwerdeführer behaupteten Beteiligungsverhältnissen anzuwenden, erscheint fraglich. Dass dieser in beiden Gesellschaften Organstellung hatte, reicht noch nicht aus, ihn allein als Begünstigten der Transaktion erscheinen zu lassen. Soweit die Steuerverwaltung die Dreieckstheorie anwendet, muss sie aufzeigen, wann und unter welchen Annahmen sie dies tut; und sie hat die Tatsachen festzulegen, aufgrund deren die Voraussetzungen der Dreieckstheorie erfüllt sind. Die Sachverhaltsfeststellung ist hier unvollständig.
 
5.
 
5.1 Demnach ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gutzuheissen, der Entscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Bern vom 14. Dezember 2004 betreffend die direkte Bundessteuer aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
5.2 Bei diesem Verfahrenausgang wird der unterliegende Kanton Bern, der Vermögensinteressen wahrnimmt, kostenpflichtig (Art. 153, 153a und 156 Abs. 1 sowie 2 OG). Zudem hat er dem obsiegenden Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 159 und 160 OG); dadurch wird dessen Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege bzw. Rechtsverbeiständung gegenstandslos und ist abzuschreiben.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Bern vom 14. Dezember 2004 betreffend die direkte Bundessteuer aufgehoben und die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Kanton Bern auferlegt.
 
3.
 
Der Kanton Bern hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 5'000.-- auszurichten.
 
4.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung wird als gegenstandslos abgeschrieben.
 
5.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Steuerverwaltung und der Steuerrekurskommission des Kantons Bern sowie der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 2. August 2005
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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