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Informationen zum Dokument  BGer K 1/2005  Materielle Begründung
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BGer K 1/2005 vom 16.08.2005
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
K 1/05
 
Urteil vom 16. August 2005
 
IV. Kammer
 
Besetzung
 
Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiberin Weber Peter
 
Parteien
 
B.________, 1961, Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
CSS Kranken-Versicherung AG, Rösslimattstrasse 40, 6002 Luzern, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen
 
(Entscheid vom 1. Dezember 2004)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die 1961 geborene B.________ war bei der CSS Versicherung (nachfolgend: CSS) obligatorisch krankenpflegeversichert. Am 8. Februar 2001 ersuchte Dr. med. G.________, Augenarzt FMH, die CSS um eine Kostengutsprache für eine beidseitige ambulante Oberlidkorrektur bei der Versicherten, die infolge einer beidseitigen Dermatochalasis (überschüssige Lidhaut) eine vertikale Gesichtsfeldeinschränkung von 40° aufwies. Mit Verfügung vom 22. Oktober 2001, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 7. Februar 2002, lehnte die Versicherung die Kostenübernahme der Dermatochalasis-Operation, welche am 26. Februar 2001 durchgeführt worden war, ab. Auf Beschwerde hin hob das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen am 25. September 2002 in teilweiser Gutheissung der Beschwerde den Einspracheentscheid der CSS auf und wies die Sache zur weiteren Abklärung und Neuverfügung an die Verwaltung zurück. Im Gerichtsentscheid wurde die CSS verpflichtet, durch einen Augenspezialisten abzuklären, wie gross ein normales Gesichtsfeld sei und ob eine Einschränkung des Gesichtsfeldes von 40° eine erhebliche körperliche Beeinträchtigung mit ausgeprägtem Krankheitswert zur Folge habe. Zur Klärung der Ursache der behaupteten Kopfschmerzen musste die einschlägige Krankengeschichte beim Hausarzt der Versicherten oder einem allenfalls aufgesuchten Spezialisten eingeholt werden.
 
In der Folge zog die CSS Berichte des Hausarztes Dr. med. E.________, Arzt für Allgemeine Medizin FMH, und des PD Dr. med. Z.________, Augenarzt, bei. Gestützt auf diese Abklärungsergebnisse lehnte die Versicherung mit Verfügung vom 27. November 2003 die Kostenübernahme aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung für den operativen Eingriff vom 26. Februar 2001 aufgrund mangelnden Krankheitswerts erneut ab. Auf Einsprache hin hielt sie an ihrem Standpunkt fest (Einspracheentscheid vom 19. April 2004).
 
B.
 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 1. Dezember 2004 ab.
 
C.
 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Versicherte sinngemäss die Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides und die Übernahme der Behandlungskosten.
 
Die CSS schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Das kantonale Gericht hat richtig erkannt, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 vorliegend anwendbar ist (BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1, 356 Erw. 1, je mit Hinweisen). Zutreffend dargelegt hat es zudem die massgebenden gesetzlichen Bestimmungen betreffend die Leistungspflicht des Krankenversicherers (Art. 25 KVG und Art. 32 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 25-31 KVG). Zu betonen ist, dass die Versicherer im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung keine andern Kosten als diejenigen für die Leistungen nach Art. 25-33 KVG übernehmen dürfen (Art. 34 KVG). Richtig wiedergegeben hat die Vorinstanz ferner den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (BGE 125 V 352 Erw. 3a, 122 V 160 f. Erw. 1c mit Hinweisen) sowie den im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen.
 
1.2 Wie die Vorinstanz richtig dargelegt hat, ist Krankheit nach Art. 3 Abs. 1 ATSG (in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung) jede Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalles ist und die eine medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Dieser Wortlaut ist identisch mit demjenigen von Art. 2 Abs. 1 KVG in der bis Ende 2002 gültig gewesenen Fassung (vgl. Eugster, ATSG und Krankenversicherung: Streifzug durch Art. 1-55 ATSG, in: SZS 2003 S. 216). Die zu den entsprechenden bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Bestimmungen entwickelte Rechtsprechung kann folglich übernommen und weitergeführt werden. Mit der Vorinstanz handelt es sich beim Begriff der Krankheit um einen Rechtsbegriff, der sich nicht notwendigerweise mit dem medizinischen Krankheitsbegriff deckt (BGE 116 V 240 Erw. 3a mit Hinweisen, vgl. auch BGE 124 V 120 f. Erw. 3b mit Hinweisen). Nicht jede Beeinträchtigung der Gesundheit stellt eine Krankheit dar; vielmehr muss diese den sog. Krankheitswert erreichen (vgl. Ueli Kieser, ATSG-Kommentar zu Art. 3 Rz 14; reichhaltige Rechtsprechung dazu vgl. Gebhard Eugster, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 82ff.). Erst wenn durch den Hinzutritt der in Art. 3 Abs. 1 ATSG genannten Kriterien der Krankheitswert erreicht ist, liegt Krankheit im Rechtssinne vor (vgl. Kieser, a.a.O. Rz 7). Mit der Vorinstanz muss die gesundheitliche Störung mithin eine gewisse Schwere aufweisen, um als Krankheit zu gelten. Eine Behandlungsbedürftigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 ATSG liegt vor, wenn die Beeinträchtigung der Gesundheit die körperlichen und geistigen Funktionen in so beträchtlichem Masse einschränken, dass der Patient ärztlicher Hilfe bedarf, die Gesundung ohne medizinische Hilfe wahrscheinlich nicht oder nicht mit Aussicht auf Erfolg innert angemessener Zeit zu erreichen wäre, oder wenn dem Patienten nicht zugemutet werden kann, ohne wenigstens den Versuch einer Behandlung zu leben (Eugster, a.a.O., Rz 78). Wie die Vorinstanz richtig festhält, sind natürliche Schönheitsfehler nicht Krankheiten im Sinne von Art. 3 Abs. 1 ATSG, soweit damit keine erheblichen Funktionsstörungen verbunden und zu erwarten sind (Eugster, a.a.O. Rz 85). Sie können jedoch Pflichtleistungen auslösen, wenn mit dem kosmetischen Defizit eine körperliche oder psychosomatische Beeinträchtigung mit ausgeprägtem Krankheitswert verbunden ist (Eugster, a.a.O., Rz 86 mit Hinweis auf RKUV 1996 K 974 S. 18 Erw. 4 und 1996 K 972 S. 3 Erw. 4).
 
2.
 
Streitig ist vorliegend, ob für die am 26. Februar 2001 durchgeführte Dermatochalasis-Operation eine Leistungspflicht der CSS gegenüber der Beschwerdeführerin aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung besteht.
 
3.
 
Nach sorgfältiger Würdigung der aufgrund des kantonalen Gerichtsentscheides vom 25. September 2002 von der CSS vervollständigten medizinischen Aktenlage hat die Vorinstanz mit überzeugender Begründung zu Recht erkannt, es sei gestützt auf die nachträglich eingeholten Stellungnahmen des Augenspezialisten Dr. med. Z.________ (vom 24. März 2003 und 20. November 2003) erstellt, dass die Gesichtsfeldeinschränkung der Beschwerdeführerin auf 40° keine erhebliche Funktionseinschränkung bewirkt und mithin keine erhebliche körperliche Beeinträchtigung mit ausgeprägtem Krankheitswert zur Folge hat. Die geltend gemachte Schwere der Lider, die nach Aussage von Dr. med. Z.________ nicht einfach definierbar und vom subjektiven Empfinden abhängig ist, stellt ebenfalls keine erhebliche Funktionseinschränkung dar.
 
Diese Beurteilung wird von der Beschwerdeführerin nicht mehr explizit in Abrede gestellt, vielmehr sieht sie nunmehr als Hauptproblem die beidseitigen starken Kopfschmerzen, welche nach der Operation verschwunden seien. Diesbezüglich vertritt sie erneut den Standpunkt, dass zwischen der Gesichtsfeldeinschränkung und den Kopfschmerzen ein Kausalzusammenhang bestehe, weshalb die CSS für die Operationskosten leistungspflichtig sei. Entgegen den Vorbringen der Versicherten hat sich die Vorinstanz mit dieser Problematik nicht nur beiläufig befasst, vielmehr hat sie im angefochtenen Entscheid einlässlich und überzeugend begründet, dass aufgrund der vervollständigten Aktenlage, insbesondere der beigezogenen Krankengeschichte des Hausarztes Dr. med. E.________, die Dermatochalasis nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit der Grund für die geltend gemachten Kopfschmerzen ist. Es kann auf die zutreffenden Erwägungen verwiesen werden. Von zusätzlichen medizinischen Abklärungen sind keine neuen Erkenntnisse zu erwarten, weshalb darauf verzichtet wird (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 124 V 94 Erw. 4b; SVR 2001 IV Nr. 10 S. 28 Erw. 4b).
 
Sämtliche Einwendungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vermögen nicht zu einem andern Ergebnis zu führen. Insbesondere war der beigezogene Augenspezialist Dr. med. Z.________ über die medizinische Situation vor dem operativen Eingriff umfassend informiert, waren ihm doch mit der schriftlichen Anfrage des Vertrauensarztes Dr. med. M.________ (vom 14. Januar 2003) das Patientendossier wie auch der Gerichtsentscheid (vom 25. September 2002), worin die Problematik der Kopfschmerzen Thema bildete, unterbreitet worden, wie die Beschwerdegegnerin zu Recht vorträgt. In Kenntnis dieser Akten hat er die Fragen nach dem Vorhandensein einer erheblichen körperlichen Beeinträchtigung mit ausgeprägtem Krankheitswert und nach einer allfälligen Funktionseinschränkung verneint. Entgegen der Beschwerdeführerin ist davon auszugehen, dass vom Spezialisten ein Zusammenhang mit den Kopfschmerzen (falls tatsächlich vorhanden) auch ohne entsprechende Nachfrage in diesem Fall erwähnt worden wäre. Zudem gilt festzustellen, dass die anlässlich der Hausarztkonsultation im Mai 1998 angegebenen Kopfschmerzen danach in den Akten nicht mehr erscheinen und auch im Rahmen der Lid-Operation nirgends aufgeführt werden. Schliesslich ist auch dem Schreiben des Hausarztes Dr. med. E.________ (vom 15. Februar 2003), auf Nachfrage der CSS betreffend Ursache der Kopfschmerzen hin, kein Hinweis auf eine wahrscheinliche Kausalität zur Dermatochalase zu entnehmen. Aus dem Umstand allein, dass die Kopfschmerzen nach der Operation nicht mehr aufgetreten sind, ergibt sich mit der Vorinstanz noch kein Kausalitätsnachweis, da hiefür auch eine Spontanheilung oder andere Gründe verantwortlich sein können.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
 
Luzern, 16. August 2005
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin:
 
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