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Informationen zum Dokument  BGer 4P.134/2005  Materielle Begründung
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BGer 4P.134/2005 vom 29.08.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
4P.134/2005 /ruo
 
Urteil vom 29. August 2005
 
I. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Corboz, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch,
 
Gerichtsschreiber Huguenin.
 
Parteien
 
A.________,
 
Beschwerdeführerin, vertreten durch
 
Rechtsanwalt Guy Reich,
 
gegen
 
B.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Atilay Ileri,
 
C.________, vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Aschwanden-Lichti,
 
D.________, Beschwerdegegner,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans Schraner,
 
Kassationsgericht des Kantons Zürich, Postfach,
 
8022 Zürich.
 
Gegenstand
 
Art. 9 und 29 Abs. 2 BV (Zivilprozess; Kaution),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Zirkulationsbeschluss des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 5. April 2005.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Im Rahmen eines von B.________ (Beschwerdegegner 1) gegen die C.________ und die D.________ (Beschwerdegegnerinnen 2 und 3) im Jahre 1997 anhängig gemachten Haftpflichtprozesses bewilligte das Handelsgericht des Kantons Zürich dem Kläger mit Beschluss vom 7. Januar 2002 rückwirkend ab 20. März 2000 die unentgeltliche Prozessführung, und es ernannte Rechtsanwalt Dr. iur. Atilay Ileri zum unentgeltlichen Rechtsbeistand, allerdings nur in dem Umfang, als die von der Rechtsschutzversicherung des Klägers, der A.________ (Beschwerdeführerin), geleisteten Kautions- und Vorschusszahlungen von total Fr. 213'900.-- nach Begleichung der den Kläger treffenden Gerichtskosten und Prozessentschädigungen nicht ausreichen. Mit Verfügung vom 31. August 2004 schrieb der Vizepräsident des Handelsgerichts Zürich den Prozess als durch Vergleich erledigt ab, und er auferlegte die Kosten zur Hälfte dem Beschwerdegegner 1 und je zu einem Viertel den Beschwerdegegnerinnen 2 und 3. Dabei verfügte er unter Hinweis auf den Beschluss vom 7. Janaur 2002, dass die dem Beschwerdegegner 1 auferlegten Gerichtskosten aus den von ihm geleisteten Kautionen und Barvorschüssen im Gesamtbetrag von Fr. 213'900.-- bezogen und der verbleibende Restbetrag der Kaution dem Rechtsvertreter des Beschwerdegegners 1, Rechtsanwalt Dr. Atilay Ileri, herausgegeben werde. Mit Verfügung vom 20. Oktober 2004 setzte der Vizepräsident des Handelsgerichts die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsvertreters für dessen Bemühungen seit dem 20. März 2000 auf Fr. 26'640.-- zuzüglich Mehrwertsteuer und Barauslagen fest, verfügte, dass diese Entschädigung aus den vom Kläger geleisteten Kautionen zu beziehen seien und erliess eine entsprechende Anweisung an die Obergerichtskasse.
 
B.
 
Am 22. November 2004 reichte die Beschwerdeführerin als Dritte im Sinne von § 283 ZPO/ZH kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ein. Sie beantragte, die Verfügung vom 20. Oktober 2004 sei in dem Fr. 6'183.60 übersteigenden Betrag betreffend Zahlung gemäss Dispositiv Ziff. 1 und 2 aus der geleisteten Kaution aufzuheben. Am 1. Dezember 2004 führte sie auch Beschwerde gegen den Beschluss des Handelsgerichts vom 7. Januar 2002 mit gleichlautendem Rechtsbegehren. Das Kassationsgericht des Kantons Zürich gab am 5. April 2005 dem Begehren der Beschwerdeführerin, die beiden Nichtigkeitsbeschwerden zu vereinigen, statt, trat aber auf die beiden Beschwerden nicht ein.
 
C.
 
Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht mit staatsrechtlicher Beschwerde, den Zirkulationsbeschluss des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 5. April 2005 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Der Beschwerdegegner 1 schliesst auf Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde. Die Beschwerdegegnerin 2 sowie das Kassationsgericht des Kantons Zürich haben ausdrücklich auf Vernehmlassung verzichtet, während sich die Beschwerdegegnerin 3 nicht geäussert hat.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Nach ständiger Rechtssprechung ist die staatsrechtliche Beschwerde, von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen, rein kassatorischer Natur (BGE 127 II 1 E. 2c). Soweit die Beschwerdeführerin Rückweisung verlangt ist auf ihr Rechtsbegehren nicht einzutreten.
 
2.
 
2.1
 
Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG hat die Beschwerdeschrift eine kurz gefasste Darlegung darüber zu enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte und inwiefern sie der angefochtene Entscheid verletzt. Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde prüft das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen. Der Grundsatz der richterlichen Rechtsanwendung findet somit im Bereich der Verfassungsgerichtsbarkeit keine Anwendung, sondern es gilt das Rügeprinzip: der Richter untersucht den angefochtenen Entscheid nicht von sich aus umfassend auf seine Verfassungsmässigkeit, sondern beschränkt sich auf die Prüfung der in der Beschwerde rechtsgenüglich vorgebrachten Rügen (BGE 129 I 113 E. 2.1 S. 120; 185 E. 1.6 S. 189; 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c; 119 Ia 197 E. 1d). Beruht der angefochtene Entscheid auf zwei selbständigen Begründungen, müssen beide angefochten werden, und zwar mit dem jeweils richtigen Rechtsmittel (BGE 105 Ib 221 E. 2c S. 224; 107 Ib 264 E. 3b S. 268; 113 Ia 94 E. 1a/bb S. 95 f.; analog für die Berufung: BGE 111 II 397 E. 2b; 115 II 300 E. 2a S. 302). Ficht der Beschwerdeführer nur eine von zwei selbständigen Begründungen an, bleibt der angefochtene Entscheid gestützt auf die unangefochtene Begründung im Ergebnis auch dann bestehen, wenn die in der Beschwerde erhobenen Einwände begründet sind. Die Berufung läuft in diesem Fall auf einen blossen Streit über Entscheidungsgründe hinaus, wofür kein Rechtsschutzinteresse besteht (vgl. 122 III 43 E. 3 S. 45 mit Hinweis).
 
2.2 Das Kassationsgericht ist mit doppelter Begründung auf die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie sich gegen die Verfügung des Vizepräsidenten des Handelsgerichts vom 20. Oktober 2004 richtete, nicht eingetreten. Es erwog zunächst unter Hinweis auf die kantonale Rechtsprechung, dass die Einsprache gegen eine Präsidialverfügung immer zulässig sei, nicht nur in den in § 122 GVG/ZH genannten Fällen, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde gegen solche Verfügungen, zu welchen die angefochtene gehöre, ausgeschlossen sei. Aus diesem Grunde könne auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
 
Gegen diese Begründung wird in der staatsrechtlichen Beschwerde nichts vorgebracht. Der angefochtene Beschluss hat daher Bestand, soweit damit auf die Nichtigkeitsbeschwerde gegen die Verfügung des Vizepräsidenten des Handelsgerichts vom 20. Oktober 2004 nicht eingetreten wurde. Auf die dagegen in der staatsrechtlichen Beschwerde erhobenen Rügen ist demnach mangels Rechtsschutzinteresses nicht einzutreten.
 
3.
 
3.1 Nach der Rechtsprechung zu Art. 88 OG muss der Beschwerdeführer ein aktuelles praktisches Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheides beziehungsweise an der Überprüfung der von ihm erhobenen Rügen haben, damit auf die Beschwerde eingetreten werden kann. An diesem fehlt es insbesondere, wenn der Nachteil auch bei Gutheissung der Beschwerde nicht mehr behoben werden kann (BGE 127 III 41 E. 2b S. 42 mit Hinweisen).
 
3.2 Auf die gegen den Beschluss des Handelsgerichts vom 7. Januar 2002 erhobene Beschwerde ist das Kassationsgericht ebenfalls nicht eingetreten, und zwar weil es in der beanstandeten Verwendung der Kaution bzw. der Bankgarantie, in deren vollumfänglicher Inanspruchnahme und in der verweigerten Rückgabe einen Akt der Justizverwaltung erblickte, gegen den das ergriffene Rechtsmittel nicht zur Verfügung stehe.
 
Auch wenn den gegen diesen Nichteintretensentscheid erhobenen Rügen Erfolg beschieden und der angefochtene Beschluss insoweit aufgehoben würde, wäre damit im Ergebnis für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen, kommt doch dem Zwischenentscheid vom 7. Januar 2002 keine selbständige Bedeutung zu. Darin wurde lediglich die Begründung für den in der Erledigungsverfügung enthaltenen Entscheid über die Verwendung der bei der Gerichtskasse hinterlegten Beträge vorgespurt. Darauf hätte im Endentscheid zurückgekommen werden können. Inwiefern der Zwischenentscheid vom 7. Januar 2002 einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 87 Abs. 2 OG bewirken konnte, legt die Beschwerdeführerin nicht dar und ist nicht ersichtlich. Es war erst die das Verfahren abschliessende Verfügung vom 20. Oktober 2004, welche den behaupteten Eingriff in die verfassungsmässigen Rechte bewirken konnte, und dieser Entscheid hat nach dem Gesagten nach wie vor Bestand (E. 2.2 hiervor). Somit fehlt es der Beschwerdeführerin von vornherein an einem aktuellen praktischen Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheides, soweit das Kassationsgericht darin auf die Kritik am Beschluss des Handelsgerichts vom 7. Januar 2002 nicht eingetreten ist.
 
4.
 
Aus den dargelegten Gründen ist insgesamt auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin für das Verfahren vor Bundesgericht kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG), und sie hat den Beschwerdegegner 1 für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 2 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht im Verfahren nach Art. 36 lit. a OG:
 
1.
 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner 1 für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kassationsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 29. August 2005
 
Im Namen der I. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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