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Informationen zum Dokument  BGer 2P.56/2005  Materielle Begründung
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BGer 2P.56/2005 vom 20.09.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2P.56/2005 /vje
 
Urteil vom 20. September 2005
 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Merkli, Präsident,
 
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
 
Gerichtsschreiber Küng.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
 
Dr. Christoph Kradolfer,
 
gegen
 
Regierungsrat des Kantons Thurgau, Regierungsgebäude, 8510 Frauenfeld.
 
Gegenstand
 
Beendigung des Arbeitsverhältnisses,
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Regierungsrats des Kantons Thurgau vom 11. Januar 2005.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
X.________ war am 11. Juni 2003 an der Pädagogischen Maturitätsschule am Seminar A.________ (im Folgenden: Maturitätsschule) als Lehrbeauftragter 1 für das Herbstsemester 2003/2004 angestellt worden. Im Zusammenhang mit Vorkommnissen anlässlich eines Klassenfestes in der Seminarcafeteria (mit Cannabis und Alkoholkonsum) eröffnete der Rektor der Maturitätsschule am 14. November 2003 gegen X.________ ein Disziplinarverfahren. Mit Schreiben vom gleichen Tag bestätigte der Rektor X.________ schriftlich dessen sofortige Freistellung per 10. November 2003; zugleich wurde darauf hingewiesen, dass er als Lehrbeauftragter 1 nur bis Ende Semester angestellt sei, seine Anstellung also auf Ende Januar 2004 auslaufe. Am 15. Dezember 2003 erteilte der Rektor X.________ wegen Verletzung der Dienstpflicht einen Verweis und verweigerte ihm einen Anstieg in der Lohnposition ab 1. Januar 2004. Mit Entscheid vom 7. Januar 2004 wurden die Freistellung ab dem 10. November 2003 und die Lohnzahlung nach bisherigem Pensum förmlich bestätigt.
 
Gegen die beiden Entscheide des Rektors vom 15. Dezember 2003 und 7. Januar 2004 wandte sich X.________ an das Departement für Erziehung und Kultur des Kantons Thurgau, das die Verfahren vereinigte und beide Rekurse am 29. April 2004 abwies.
 
Die dagegen gerichtete Beschwerde von X.________ "betreffend Feststellung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses" vom 21. Mai 2004 wies der Regierungsrat des Kantons Thurgau am 11. Januar 2005 ab.
 
B.
 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 8. Februar 2005 beantragt X.________ dem Bundesgericht, den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Thurgau vom 11. Januar 2005 aufzuheben.
 
Die Staatskanzlei des Kantons Thurgau beantragt namens des Regierungsrates, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werde.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Angefochten ist ein in Anwendung von kantonalem Recht (Thurgauer Gesetz vom 23. Februar 1981 über die Verwaltungsrechtspflege [VRG/TG] und die bis 31. Mai 2004 gültig gewesene Verordnung des Regierungsrates des Kantons Thurgau vom 24. Juni 1997 über die Rechtsstellung der Lehrkräfte an den Thurgauer Kantonsschulen und Seminarien [im Folgenden: Verordnung]) ergangener letztinstanzlicher kantonaler Entscheid, der auf Bundesebene nur mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden kann.
 
1.2 Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss eine staatsrechtliche Beschwerde die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde prüft das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene Rügen. Auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 125 I 492, E. 1b).
 
1.3 Die Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechts - wenn wie hier kein schwerer Eingriff in ein spezielles Grundrecht in Frage steht - überprüft das Bundesgericht auf entsprechende Rüge hin nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür (BGE 123 I 313 E. 2b S. 317).
 
2.
 
2.1 Der Beschwerdeführer beanstandet zunächst, dem Regierungsrat habe bis zum 31. Mai 2004 die Kompetenz gefehlt, das Dienstverhältnis des Staatspersonals zu regeln. Die bisher aus § 46 Abs. 1 KV/TG abgeleitete Regelungsbefugnis erscheine "(mindestens) problematisch". Der Regierungsrat entscheide auf Grund von Normen, die er selber erlassen habe. Damit werde der materielle Gesetzesbegriff und der nach Art. 59 BV für die Kantone verbindliche Grundsatz der organisatorischen Gewaltenteilung durchbrochen; missachtet werde dadurch ferner der Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung (Art. 29 Abs. 1 BV; § 14 KV/TG), die Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) und die Garantie der Unbefangenheit (Art. 29 Abs. 1 BV in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 BV).
 
2.2 Die Ausführungen des Beschwerdeführers erschöpfen sich insoweit in einer appellatorischen Kritik, die den Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. a OG nicht genügt. Es kommt hinzu, dass er diese Rügen erstmals im vorliegenden Beschwerdeverfahren erhebt, was nicht zulässig ist, denn mit staatsrechtlicher Beschwerde können grundsätzlich keine Tatsachen und Beweismittel sowie keine rechtlichen Argumente vorgebracht werden, welche nicht bereits im kantonalen Verfahren geltend gemacht wurden (vgl. BGE 129 I 49 E. 3 S. 57, mit Hinweisen). Auf die Rüge ist daher nicht einzutreten.
 
Im Übrigen ist es verfassungsrechtlich zulässig, Rechte und Pflichten der Beamten auf untergesetzlicher Stufe zu konkretisieren (BGE 129 I 161 E. 2.1 S. 163; 123 I 1 E. 4c S. 6, mit Hinweisen). Der Regierungsrat weist in seiner Vernehmlassung zudem (zu Recht) darauf hin, dass neben § 46 Abs. 1 KV/TG (vgl. dazu Evi Schwarzenbach Heusser, Das Personalrecht des Kantons Thurgau, Diss. ZH 1998, S. 54; Philipp Stähelin, Wegweiser durch die Thurgauer Verfassung, Schriftenreihe der Staatskanzlei des Kantons Thurgau, Weinfelden 1991, N 4 zu § 49 KV/TG) mit § 57 des thurgauischen Gesetzes vom 15. November 1978 über das Unterrichtswesen (Unterrichtsgesetz), wonach der Regierungsrat die Arbeits- und Anstellungsbedingungen der Lehrer festlegt, eine ausdrückliche formellgesetzliche Ermächtigung zur Regelung der Anstellungsbedingungen auf Verordnungsstufe besteht.
 
3.
 
3.1 Strittig war vor dem Regierungsrat einzig die Frage, ob das Anstellungsverhältnis des Beschwerdeführers am 31. Januar 2004 (Ende des Wintersemesters) beendet war oder - auf Grund mündlicher Vereinbarung bzw. Zusagen - bis Ende des Sommersemesters 2004 gedauert hat.
 
3.2 Gemäss § 5 Abs. 1 (Marginale: "Einsetzung") der im vorliegenden Fall unbestrittenermassen noch anwendbaren Verordnung werden Lehrbeauftragte 1 durch den Rektor semesterweise angestellt; die Anstellung kann um höchstens drei Semester verlängert werden. Nach § 41 Abs. 1 der Verordnung (Marginale: "Ende des Lehrauftrages") endet das Dienstverhältnis von Lehrbeauftragten 1 mit dem Semester, für das sie angestellt worden sind; vorbehalten bleibt die Anstellung für ein weiteres Semester.
 
3.3 Der Regierungsrat hat diese Bestimmung dahingehend ausgelegt, dass die in Frage stehende Anstellung des Beschwerdeführers als öffentlichrechtliches Dienstverhältnis zu qualifizieren sei, welche durch schriftlichen (§ 20 VRG/TG) Entscheid im Sinne von § 4 VRG/TG erfolge, der die Begründung von Rechten und Pflichten zum Gegenstand habe. Da das Verwaltungsrechtspflegegesetz gemäss dessen § 1 auch für öffentlichrechtliche Anstalten und damit ebenfalls für die pädagogische Maturitätsschule gelte, seien Anstellungsentscheide und Entscheide betreffend die Verlängerung von Anstellungsverhältnissen schriftlich zu treffen. Da im vorliegenden Fall weder ein neuer schriftlicher Anstellungsentscheid getroffen, noch ein solcher schriftlich zugesichert worden sei, habe das in Frage stehende Anstellungsverhältnis nicht mündlich verlängert werden können.
 
3.4 Der Beschwerdeführer rügt diese Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechts als willkürlich (Art. 9 BV).
 
3.4.1 Das allgemeine Willkürverbot verschafft, soweit Mängel in der Rechtsanwendung geltend gemacht werden, für sich allein noch keine geschützte Rechtsstellung im Sinne von Art. 88 OG. Die Legitimation zur Willkürbeschwerde ist nur gegeben, wenn das kantonale Recht, dessen willkürliche Anwendung gerügt wird, dem Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch einräumt oder den Schutz seiner Interessen bezweckt (BGE 121 I 267 E. 2 S. 268 f., mit Hinweisen).
 
Der Beschwerdeführer hat, weil seine von vornherein auf die Dauer des Wintersemesters befristete öffentlichrechtliche Anstellung durch (blossen) Zeitablauf am 31. Januar 2004 beendet war (vgl. dazu auch Art. 334 Abs. 1 OR), grundsätzlich keinen Anspruch auf Verlängerung derselben (vgl. Urteile 2P.262/2003 vom 10. Mai 2004 E. 7.1 und 2P.233/1996 vom 16. Dezember 1996 E. 1b; Minh Son Nguyen, La fin des rapports de service, in: Personalrecht des öffentlichen Dienstes, Hrsg. Peter Helbling/Tomas Poledna, Bern 1999, S. 425 und 429). Er macht jedoch geltend, seine Anstellung sei in zulässiger Weise mündlich verlängert worden. Sollte diese Auffassung zutreffen, so befände sich der Beschwerdeführer in einer geschützten Rechtsposition, weshalb unter diesem Gesichtspunkt auf die Willkürrüge einzutreten ist.
 
3.4.2 Die Begründung eines öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses stellt nach herrschender Lehre und Rechtsprechung eine zustimmungs- bzw. mitwirkungsbedürftige Verfügung dar. Dies gilt grundsätzlich auch für das öffentlichrechtliche Angestelltenverhältnis im Kanton Thurgau (Philipp Stähelin, a.a.O., N 2 zu § 49 KV/TG; Evi Schwarzenbach Heusser, a.a.O., S. 74 und 77). Der Verfügungscharakter ergibt sich zudem schon aus dem Randtitel ("Einsetzung") zu § 5 der Verordnung. Gemäss § 8 Abs. 1 der Verordnung wird die Pflichtstundenzahl "durch Angabe" der Anzahl Lektionen "festgesetzt", was ebenfalls Schriftlichkeit impliziert.
 
Durfte der Regierungsrat damit ohne Willkür davon ausgehen, dass Lehrbeauftragte 1 nur durch schriftlichen Entscheid im Sinne von § 4 VRG/TG angestellt bzw. eingesetzt werden können, braucht nicht geprüft zu werden, ob allenfalls besondere Umstände vorliegen, die nach Treu und Glauben die Annahme nahelegen müssten, mit dem Beschwerdeführer sei mündlich eine Verlängerung seines Angestelltenverhältnisses vereinbart worden, da dies nach dem Ausgeführten rechtlich unbeachtlich wäre, jedenfalls soweit nicht Schadenersatzansprüche zur Diskussion stehen. Dass ihm nach der klaren schriftlichen Mitteilung vom 14. November 2003, seine Anstellung laufe auf Ende Januar 2004 aus, eine Verlängerung der Anstellung schriftlich zugesichert worden wäre, behauptet der Beschwerdeführer nicht.
 
3.5 Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ebenfalls ein Eintreten auf die einzig im Zusammenhang mit der mündlichen Verlängerung des Angestelltenverhältnisses erhobenen, weitgehend appellatorischen Rügen, der Regierungsrat habe die Beweise unhaltbar gewürdigt bzw. willkürlich solche nicht abgenommen und damit eine formelle Rechtsverweigerung begangen bzw. seinen Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt.
 
4.
 
4.1 Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
 
4.2 Da die Rechtsbegehren als von vornherein aussichtslos zu bezeichnen sind, kann dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung nicht gewährt werden (Art. 152 OG). Er hat demzufolge die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Regierungsrat des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 20. September 2005
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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