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Informationen zum Dokument  BGer 2A.595/2005  Materielle Begründung
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BGer 2A.595/2005 vom 27.10.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2A.595/2005 /leb
 
Urteil vom 27. Oktober 2005
 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Merkli, Präsident,
 
Bundesrichter Betschart, Hungerbühler,
 
Gerichtsschreiber Hugi Yar.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch
 
Rechtsanwältin Claudia Zumtaugwald,
 
gegen
 
Amt für Migration des Kantons Luzern,
 
Hallwilerweg 7, 6002 Luzern,
 
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
 
Obergrundstrasse 46, 6002 Luzern.
 
Gegenstand
 
Verlängerung der Ausschaffungshaft
 
(Art. 13b Abs. 2 ANAG),
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil
 
des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom
 
13. September 2005.
 
Das Bundesgericht stellt fest und zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 X.________ (geb. 1970) stammt aus dem Sudan. Das Amt für Migration des Kantons Luzern nahm ihn am 16. Juni 2005 in Ausschaffungshaft, nachdem seine Aufenthaltsbewilligung am 21. Juli 2003 nicht erneuert und er aus dem Kanton weggewiesen worden war. Der Haftrichter am Verwaltungsgericht des Kantons Luzern prüfte die Haft tags darauf und bestätigte sie bis zum 14. September 2005. Am 9. August 2005 wies er ein Haftentlassungsgesuch von X.________ ab. Am 13. September 2005 verlängerte er die Haft für vier Monate bis zum 14. Januar 2006.
 
1.2 X.________ beantragt vor Bundesgericht, diesen Entscheid aufzuheben und ihn aus der Haft zu entlassen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern widersetzt sich dem Antrag. Das Amt für Migration hat unter Hinweis darauf, dass es die Frist wegen eines internen Übermittlungsfehlers verpasst habe, auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesamt für Migration liess sich nicht vernehmen. X.________ hat von der Möglichkeit, abschliessend Stellung zu nehmen, keinen Gebrauch gemacht.
 
2.
 
Nach Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG (in der Fassung des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 2003 über das Entlastungsprogramm 2003 [AS 2004 S. 1633 ff.]) kann ein erstinstanzlich weggewiesener Ausländer in Ausschaffungshaft genommen bzw. in dieser belassen werden, wenn konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass er sich der Ausschaffung entziehen will, insbesondere weil er seinen Mitwirkungspflichten im Sinne von Art. 13f ANAG nicht nachkommt ("Untertauchensgefahr"). Danach muss der Betroffene "Ausweispapiere beschaffen oder bei deren Beschaffung durch die Behörden mitwirken" (Art. 13f lit. c ANAG). Für den Haftgrund genügt, dass sich der Ausreisepflichtige diesbezüglich passiv verhält (BGE 130 II 377 E. 3.2.2 S. 283 mit Hinweisen; Urteil 2A.649/2004 vom 16. November 2004, E. 2.1.2). Daneben besteht - wie bisher - Untertauchensgefahr, wenn der Betroffene bereits einmal untergetaucht bzw. hier straffällig geworden ist, durch erkennbar unglaubwürdige und widersprüchliche Angaben die Vollziehungsbemühungen zu erschweren versucht oder sonst klar zu erkennen gibt, dass er nicht bereit ist, in sein Heimatland zurückzukehren (BGE 130 II 377 E. 3.3.3, 56 E. 3.1 S. 58 f.; 128 II 241 E. 2.1 S. 243; 125 II 369 E. 3b/aa S. 375). Der Vollzug der Wegweisung muss rechtlich wie tatsächlich möglich sein (vgl. Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG) und die Papierbeschaffung mit dem nötigen Nachdruck verfolgt werden (Art. 13b Abs. 3 ANAG; "Beschleunigungsgebot"); schliesslich hat die Haft als Ganzes verhältnismässig zu sein (vgl. BGE130 II 56 E. 1 S. 58 mit weiteren Hinweisen).
 
3.
 
3.1
 
3.1.1 Der Beschwerdeführer verfügt in der Schweiz zurzeit über keine Anwesenheitsberechtigung: Das Gesuch um Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung wurde am 21. Juli 2003 abgewiesen, da er sich in rechtsmissbräuchlicher Weise auf die inhaltsleer gewordene Ehe mit seiner früheren britischen Gattin berief. Das Bundesgericht bestätigte diesen Entscheid letztinstanzlich am 7. Oktober 2004 (2A.569/2004). Das kantonale Migrationsamt hat es abgelehnt, ihm im Rahmen des freien Ermessens (Art. 4 ANAG) eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen; dieser Entscheid ist rechtskräftig und inzwischen ebenfalls vollstreckbar, nachdem am 1. Februar 2005 die staatsrechtliche Beschwerde gegen den diesbezüglichen Nichteintretensentscheid des Justiz- und Sicherheitsdepartements abgewiesen wurde (2P.9/2005). Das Bundesamt für Migration hat die kantonale Wegweisung, welche praxisgemäss bereits als solche mit einer Ausschaffungshaft sichergestellt werden kann (vgl. BGE 129 II 1 E. 3 S. 6 ff.), am 17. Dezember 2004 auf die ganze Schweiz ausgedehnt. Der Beschwerdeführer ist damit gültig weggewiesen.
 
3.1.2 Hieran ändern die von ihm angestrengten Wiedererwägungs- und zum Teil noch hängigen Rechtsmittelverfahren, in denen offenbar keine vorsorglichen Massnahmen ergingen, nichts: Für die Ausschaffungshaft nach Art. 13b Abs. 1 ANAG genügt im Gegensatz zur alt-rechtlichen Regelung, dass ein erstinstanzlicher Weg- oder Ausweisungsentscheid vorliegt. Dieser braucht nicht rechtskräftig zu sein; es genügt, dass dessen Vollzug (z.B. wegen fehlender Papiere) noch nicht möglich, jedoch absehbar ist (vgl. BGE 130 II 56 E. 1 S. 58; 129 II 1 E. 3.2; Urteile 2A.567/2005 vom 28. September 2005, E. 2.3, und 2A.714/2004 vom 3. Januar 2005, E. 2.1; Hugi Yar, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, in: Uebersax/Münch/Geiser/Arnold, Ausländerrecht, Basel/Genf/München 2002, Rz. 7.61 mit Hinweisen). Ob der Beschwerdeführer gestützt auf die Beziehung zu seiner Landsmännin Y.________ (geb. 1975), mit der er seit dem 28. Februar 2003 nach islamischem Ritus verheiratet ist und eine gemeinsame Tochter (geb. 2004) hat, über einen Bewilligungsanspruch verfügt, bildet ebenso wenig Gegenstand der Haftprüfung wie die Frage, ob ihm wiedererwägungsweise eine Härtefallbewilligung zu erteilen ist; seine diesbezüglichen Ausführungen sind im Bewilligungsverfahren zu behandeln bzw. wurden vom Verwaltungsgericht des Kantons Luzern bereits rechtskräftig verworfen (Urteil V 05 131 vom 31. Mai 2005). Nachdem sich Y.________ zurzeit nur gestützt auf die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde gegen den negativen Asylentscheid hier aufhält und auch die gemeinsame Tochter Z.________ über kein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügt (vgl. BGE 130 II 281 E. 3.1 mit Hinweisen; Urteil 2A.8/2005 vom 30. Juni 2005, E. 3.2), kann nicht gesagt werden, dass der Wegweisungsentscheid mit Blick auf Art. 8 EMRK offensichtlich unzulässig wäre; nur in diesem Fall hätte der Haftrichter praxisgemäss aber die Haftgenehmigung verweigern müssen (vgl. BGE 128 II 193 E. 2; 125 II 377 E. 3b S. 382, 217 E. 2 S. 220; Urteil 2A.365/2005 vom 15. Juni 2005, E. 3.2). Es ist dem Beschwerdeführer trotz der Beziehung zu seiner Tochter zuzumuten, den Ausgang der weiteren Verfahren im Ausland abzuwarten, zumal er seine Lebensgefährtin (zumindest zurzeit) nicht zivilrechtlich heiraten will (zur Verhältnismässigkeit der Ausschaffungshaft trotz beabsichtigter Heirat: Urteil 2A.236/2004 vom 21. April 2005, E. 2.3 mit zahlreichen weiteren Hinweisen).
 
3.2 Der Beschwerdeführer hat wiederholt erklärt, nicht bereit zu sein, in seine Heimat zurückzukehren. Er hat sich trotz entsprechender Aufforderungen keine Reisepapiere beschafft und den Behörden gegenüber widersprüchliche Angaben zum Verbleib seines Passes gemacht. Zudem wurde er hier straffällig (illegale Einreise [Strafverfügung vom 9. Juli 1999]; Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und Drohung [Strafverfügung vom 26. September 2001], Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz [Strafverfügung vom 10. September 2002], Tätlichkeiten [Strafverfügung vom 27. April 2005]). Anlässlich einer Hausdurchsuchung bei einem Kollegen von ihm konnten ein abgelaufener Pass und weitere Dokumente sichergestellt werden. Seinen gültigen Pass will er einem Dritten zur Übermittlung an die sudanesische Botschaft anvertraut haben. Abklärungen bei dieser haben jedoch ergeben, dass der Ausweis dort nie eingegangen ist. Der Beschwerdeführer weigerte sich vor dem Haftrichter, den Namen der Person bekannt zu geben, der er seinen Reisepass anvertraut hat, da er sonst ausgeschafft werden könne ("[...] ich geben den Namen nicht bekannt. Er ist ein Sudanese, aber wenn ich den Namen sage, dann werden sie dort den Pass beschlagnahmen und mich ausschaffen"). Es besteht bei ihm somit Untertauchensgefahr im Sinne der Rechtsprechung zu Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG. Es ist davon auszugehen, dass er sich ohne Haft den Behörden für den Vollzug der Wegweisung trotz bzw. gerade wegen der Beziehung zu seiner Lebenspartnerin nicht zur Verfügung halten, sondern versuchen wird, sich diesem mit allen Mitteln zu entziehen. Die von ihm angeregte regelmässige Meldepflicht vermöchte den Vollzug seiner Wegweisung unter diesen Umständen nicht hinreichend sicherzustellen (vgl. Hugi Yar, a.a.O., Rz. 7.86). Der Beschwerdeführer hält sich illegal in der Schweiz auf und will nicht in seine Heimat zurückkehren; gestützt auf sein unkooperatives Verhalten besteht nach wie vor ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, den Vollzug seiner Wegweisung mit einer Zwangsmassnahme sicherzustellen.
 
3.3
 
3.3.1 Dass die Ausreise des Beschwerdeführers nur schwer organisiert werden kann, lässt seine Ausschaffung praxisgemäss nicht bereits als undurchführbar und die Haftverlängerung im Rahmen von Art. 13b Abs. 2 ANAG als unverhältnismässig erscheinen. Gerade wegen solcher Schwierigkeiten und Ungewissheiten hat der Gesetzgeber die Haftdauer erhöht und die Möglichkeit der Haftverlängerung geschaffen (vgl. BGE 130 II 56 E. 4.1.2 u. 4.1.3; 127 II 168 E. 2c S. 172 mit Hinweisen; BBl 1994 I 305 ff. S. 316). Für die Undurchführbarkeit müssen triftige Gründe sprechen, d.h. es muss praktisch feststehen, dass sich die Ausschaffung innert vernünftiger Frist nicht realisieren lässt. Dies ist nur der Fall, wenn sie mit grosser Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen bzw. ihr Vollzug nicht mehr absehbar erscheint, obwohl die Identität und Nationalität des Ausländers belegt ist oder doch wenigstens kein Anlass besteht, an der von ihm behaupteten Herkunft zu zweifeln (vgl. BGE 130 II 56 E. 4.1.2 u. 4.1.3; 127 II 168 E. 2c S. 172; 125 II 217 E. 2 S. 220).
 
3.3.2 Das Bundesamt für Migration hat am 4. Juli 2005 gestützt auf die vorliegenden Passkopien die sudanesische Botschaft ersucht, dem Beschwerdeführer ein Ersatzreisepapier auszustellen. Die entsprechende Anfrage blieb bisher unbeantwortet. Es kann damit zurzeit nicht gesagt werden, dass die Ausschaffung des Beschwerdeführers in seine Heimat rechtlich oder tatsächlich unmöglich wäre (Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG; BGE 130 II 56 E. 4.1.3 mit Hinweisen). Es ist geplant, ihn am 7. November 2005 dem sudanesischen Botschafter vorzuführen, nachdem ein erster Termin (19. Oktober 2005) auf Wunsch der Botschaft verschoben werden musste. Sollten die entsprechenden Abklärungen innert vernünftiger Frist zu keinen greifbaren Resultaten bzw. zu keiner Kooperation der sudanesischen Behörden führen, wäre die Situation durch die kantonalen Behörden - von Amtes wegen (vgl. BGE 124 II 1 E. 3a S. 5 f.) oder im Rahmen eines Haftentlassungsgesuchs - zu überdenken. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Behörden bis dahin nicht weiter im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit dem nötigen Nachdruck um die Papierbeschaffung bemühen würden, bestehen nicht (zum Beschleunigungsgebot [Art. 13b Abs. 3 ANAG]: BGE 124 II 49 ff.). Die bisher eingetretenen Verzögerungen gehen in erster Linie auf das unkooperative Verhalten des Beschwerdeführers zurück, der versucht, durch das Verheimlichen seines Passes die Ausschaffung zu vereiteln. Der Beschwerdeführer kann seine Haft verkürzen, indem er mit den Behörden zusammenarbeitet; je schneller seine Papiere beschafft werden können bzw. er diese selber besorgt, desto eher kann die Ausschaffung vollzogen werden und desto kürzer fällt die restliche Haft aus.
 
3.4 Soweit der Beschwerdeführer kritisiert, im Ausschaffungsgefängnis mit anderen Afrikanern statt mit Arabern untergebracht zu sein, ist auf seine Ausführungen im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter einzugehen: Vom Haftrichter ist die Einhaltung jener Haftbedingungen zu prüfen, welche die Zumutbarkeit des Freiheitsentzugs als solche und damit dessen Rechtmässigkeit betreffen (vgl. Art. 13d Abs. 2 ANAG); diese nicht berührende Detailfragen des Vollzugs bilden nicht Gegenstand der Haftprüfung. Solche Mängel sind im dafür vorgesehenen Verwaltungsbeschwerde- oder Aufsichtsverfahren vorzubringen (BGE 122 II 299 E. 3d S. 305; Hugi Yar, a.a.O., Rz. 7.103). Die beanstandete Zimmerzuteilung beeinträchtigt den Anspruch des Beschwerdeführers auf minimale soziale Kontakte nicht; dass er solche mit anderen Personen vorzöge, macht seine Ausschaffungshaft nicht bundesrechtswidrig.
 
4.
 
4.1 Die vorliegende Beschwerde war gestützt auf die publizierte und über Internet zugängliche Rechtsprechung offensichtlich aussichtslos bzw. unzulässig, weshalb sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 36a OG erledigt werden kann. Für alles Weitere wird auf die Ausführungen des Haftrichters in seinen Entscheiden vom 17. Juni, 9. August und 13. September 2005 verwiesen (Art. 36a Abs. 3 OG).
 
4.2 Da die Begehren des Beschwerdeführers zum Vornherein keine ernsthaften Aussichten auf Erfolg hatten, ist sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abzuweisen (Art. 152 OG). Es rechtfertigt sich indessen, praxisgemäss von der Erhebung einer Gerichtsgebühr abzusehen (vgl. Art. 153a und Art. 154 OG; Urteil 2A.86/2001 vom 6. März 2001, E. 3). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (vgl. Art. 159 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht
 
im Verfahren nach Art. 36a OG:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
3.
 
Es werden keine Kosten erhoben.
 
4.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Migration und dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 27. Oktober 2005
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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