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Informationen zum Dokument  BGer U 427/2004  Materielle Begründung
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BGer U 427/2004 vom 02.12.2005
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
U 427/04
 
U 431/04
 
Urteil vom 2. Dezember 2005
 
I. Kammer
 
Besetzung
 
Präsident Borella, Bundesrichter Meyer, Lustenberger, Kernen und Seiler; Gerichtsschreiber Widmer
 
Parteien
 
U 427/04
 
Winterthur Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft, Generaldirektion, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Reto Zanotelli, Weinbergstrasse 43, 8006 Zürich,
 
gegen
 
B.________, 1951, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwältin Cordula Spörri, St. Urbangasse 2, 8001 Zürich,
 
und
 
U 431/04
 
B.________, 1951, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwältin Cordula Spörri, St. Urbangasse 2, 8001 Zürich,
 
gegen
 
Winterthur Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft, Generaldirektion, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Reto Zanotelli, Weinbergstrasse 43, 8006 Zürich
 
Vorinstanz
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
 
(Entscheid vom 28. Oktober 2004)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die 1951 geborene B.________ war neben ihrer Arbeit als Hausfrau teilzeitlich im Büro und im Verkauf des Unternehmens ihres Ehemannes beschäftigt und für diese Tätigkeit bei der Winterthur Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft (im Folgenden: Winterthur) obligatorisch gegen Unfälle versichert. Am 30. September 1994 erlitt B.________ bei einem Verkehrsunfall ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule. Die Winterthur erbrachte die gesetzlichen Leistungen.
 
Mit Verfügung vom 16. März 1998 sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich B.________ bei einem nach der gemischten Bemessungsmethode ermittelten Invaliditätsgrad von 85 % ab 1. September 1996 eine ganze Invalidenrente zu. Nachdem die Winterthur ihre Heilbehandlungs- und Taggeldleistungen auf den 31. März 2001 eingestellt hatte, sprach sie der Versicherten auf der Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 100 % ab 1. April 2001 eine Komplementärrente zur Rente der Invalidenversicherung in der Höhe von Fr. 579.- im Monat zu (Verfügung vom 19. April 2001), woran sie mit Einspracheentscheid vom 15. Mai 2002 festhielt.
 
B.
 
In teilweiser Gutheissung der von B.________ hiegegen eingereichten Beschwerde erhöhte das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Komplementärrente auf Fr. 7467.- im Jahr, entsprechend Fr. 622.25 im Monat (Entscheid vom 28. Oktober 2004).
 
C.
 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt die Winterthur beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Komplementärrente der Versicherten auf Fr. 6942.- im Jahr festzusetzen.
 
Während B.________ zur Hauptsache auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen lässt, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf eine Vernehmlassung.
 
D.
 
B.________ lässt ebenfalls Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen. Sie stellt das Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid und der Einspracheentscheid seien aufzuheben und die Winterthur sei zu verpflichten, ihr eine Komplementärrente von Fr. 13'608.- im Jahr (Fr. 1134.- im Monat) zuzusprechen; eventuell sei die ihr zustehende Komplementärrente auf Fr. 9713.- (Fr. 809.40 im Monat) festzulegen.
 
Während die Winterthur auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Versicherten schliesst und zusätzlich beantragt, die ab 1. April 2001 geschuldete Komplementärrente sei auf Fr. 2984.- im Jahr herabzusetzen, verzichtet das BAG auf eine Vernehmlassung.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Da den beiden Verwaltungsgerichtsbeschwerden derselbe Sachverhalt zu Grunde liegt, sich die gleichen Rechtsfragen stellen und die Rechtsmittel den nämlichen vorinstanzlichen Entscheid betreffen, rechtfertigt es sich, die beiden Verfahren zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu erledigen (BGE 128 V 126 Erw. 1 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 128 V 194 Erw. 1).
 
2.
 
Wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, sind mit Blick darauf, dass sich der zu Rechtsfolgen führende Sachverhalt vor dem 1. Januar 2003 ereignet hat und die streitige Komplementärrente am 19. April 2001 verfügt wurde, die auf den 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar.
 
3.
 
Gemäss Art. 20 UVG in der bis Ende 2002 gültig gewesen Fassung beträgt die Invalidenrente bei Vollinvalidität 80 % des versicherten Verdienstes (Abs. 1 erster Teilsatz). Hat der Versicherte Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung oder auf eine Rente der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), so wird ihm eine Komplementärrente gewährt; diese entspricht der Differenz zwischen 90 % des versicherten Verdienstes und der Rente der Invalidenversicherung oder der AHV, höchstens aber dem für Voll- oder Teilinvalidität vorgesehenen Betrag. Die Komplementärrente wird beim erstmaligen Zusammentreffen der erwähnten Renten festgesetzt und lediglich späteren Änderungen der für Familienangehörige bestimmten Teile der Renten der Invalidenversicherung oder der AHV angepasst (Abs. 2). Gestützt auf die ihm in Art. 20 Abs. 3 UVG eingeräumte Befugnis hat der Bundesrat in Art. 32 UVV Bestimmungen zur Berechnung der Komplementärrenten in Sonderfällen erlassen. Entschädigt eine Rente der Invalidenversicherung auch eine nicht nach UVG versicherte Invalidität, wird laut Art. 32 Abs. 1 UVV bei der Berechnung der Komplementärrente nur jener Teil der Rente der Invalidenversicherung berücksichtigt, welcher die obligatorisch versicherte Tätigkeit abgilt.
 
4.
 
Streitig und zu prüfen ist die Höhe der Komplementärrente, auf welche die Versicherte ab 1. April 2001 Anspruch hat. Da die Rente der Invalidenversicherung nebst der Einschränkung der Erwerbsfähigkeit auch die invaliditätsbedingte Beeinträchtigung bei der Besorgung der Haushaltarbeiten entschädigt, ist für die Berechnung der Komplementärrente von Art. 32 Abs. 1 UVV auszugehen. Dies bedeutet, dass die Komplementärrente der Differenz zwischen 90 % des versicherten Verdienstes und dem die erwerbliche Komponente der Invalidität entschädigenden Anteil der Rente der Invalidenversicherung zu entsprechen hat.
 
4.1 Wie die Winterthur ging auch die Vorinstanz von einem versicherten Verdienst von Fr. 24'930.-, entsprechend dem Lohn für das Arbeitspensum der Versicherten vor dem Unfall von 34 %, aus. Weiter stellte sie fest, dass die jährliche Invalidenrente von Fr. 25'968.- (12 x Fr. 2164.-) auf Grund des von der IV-Stelle mit 49 % gewichteten Erwerbsanteils und unter Berücksichtigung der Gesamtinvalidität von 85 % im Umfang von 49/85 eine nach UVG obligatorisch versicherte Tätigkeit abgelte. Somit seien von 90 % des versicherten Verdienstes (Fr. 22'437.-) 49/85 der ausgerichteten Rente der Invalidenversicherung (einschliesslich Kinderrenten; Art. 31 Abs. 1 UVV), das heisst ein Betrag von Fr. 14'970.- (Fr. 25'968 x 49/85), in Abzug zu bringen. Daraus resultiere eine Komplementärrente in der Höhe von Fr. 7467.- im Jahr (Fr. 622.25 im Monat).
 
4.2 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Versicherten wird gegen die Berechnungsweise des kantonalen Gerichts zunächst eingewendet, obligatorisch unfallversichert sei ein Arbeitspensum von 34 %, weshalb es unstatthaft sei, bei der Berechnung des anrechenbaren Invalidenrentenanteils ein hypothetisches Arbeitspensum von 49 % zu Grunde zu legen. Wäre dieses massgebend, müsste auch der versicherte Verdienst entsprechend erhöht werden.
 
4.3 Diese Einwendungen sind nicht stichhaltig. Auszugehen ist davon, dass nach Art. 32 Abs. 1 UVV bei der Berechnung der Komplementärrente nur jener Teil der Rente der Invalidenversicherung berücksichtigt wird, welcher die obligatorisch versicherte Tätigkeit abgilt, wenn eine Rente der Invalidenversicherung auch eine nicht nach UVG versicherte Invalidität entschädigt. Bei der Bemessung der Invalidenrente nach der gemischten Methode (Art. 28 Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 27bis Abs. 1 und 2 IVV [in der bis Ende 2000 gültig gewesenen Fassung]) wird für die Festlegung der Anteile Erwerbstätigkeit und Haushalt darauf abgestellt, was die versicherte Person täte, wenn keine gesundheitliche Beeinträchtigung bestünde (BGE 125 V 150 Erw. 2c, 117 V 194 Erw. 3b). Entscheidend für die prozentuale Aufteilung der Aufgabenbereiche ist somit die hypothetische Tätigkeit im Gesundheitsfall, welche nicht mit den früheren Verhältnissen übereinzustimmen braucht. Insoweit entschädigt die Rente der Invalidenversicherung nebst der Einschränkung in der Haushaltführung zu einem Teil den zu erwartenden hypothetischen Erwerbsausfall, wogegen die Invalidenrente der Unfallversicherung den Ausfall des bisherigen Erwerbseinkommens ausgleicht, wie dies in den Bestimmungen über den versicherten Verdienst als Grundlage für die Festsetzung der Renten nach Art. 15 Abs. 2 UVG (vgl. ferner die Sonderfälle nach Art. 24 UVV) zum Ausdruck kommt. Die für die Belange der Invaliditätsbemessung vorzunehmende Festlegung der Anteile Erwerbstätigkeit und Haushalt durch die Invalidenversicherung stellt keinen Grund dar, um von der Regelung des versicherten Verdienstes gemäss UVG abzuweichen.
 
5.
 
Zu prüfen bleibt, auf welche Weise der nach Art. 32 Abs. 1 UVV zu berücksichtigende Teil der Rente der Invalidenversicherung, welcher die obligatorisch versicherte Tätigkeit abgilt, zu ermitteln ist.
 
5.1 Während die Vorinstanz 49/85 der Invalidenrente - entsprechend dem Anteil der Invalidität im Erwerbsbereich von 49 % an der Gesamtinvalidität von 85 % - in Abzug brachte (Erw. 4.1 hievor), wird von der Versicherten eine andere Berechnungsmethode vorgeschlagen, auf welche im Hinblick auf die nachstehenden Erwägungen jedoch nicht näher einzugehen ist, wogegen sich die Winterthur zu diesem Punkt nicht äussert.
 
5.2 Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat sich in BGE 124 V 279 zur Konkurrenz zwischen einer nach der gemischten Methode der Invaliditätsbemessung berechneten Rente der Invalidenversicherung und einer Invalidenrente der beruflichen Vorsorge geäussert und festgestellt, dass bei der Überentschädigungsberechnung nach Art. 34 Abs. 2 BVG in Verbindung mit Art. 24 BVV2, je in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung, die von der Invalidenversicherung ausgerichtete Rente nach dem Grundsatz der Kongruenz der Leistungen anzurechnen ist, wenn eine Rente der Invalidenversicherung auch eine Invalidität im bisherigen Aufgabenbereich im Sinne von Art. 5 Abs. 1 IVG ausgleicht. Damit hat es im Verhältnis zusammentreffender Invalidenrenten gemäss IVG und BVG dieselbe rechtliche Ausgangslage geschaffen, wie sie in dem seit 1. Januar 1997 in Kraft stehenden Art. 32 Abs. 1 UVV für die Unfallversicherung verwirklicht wurde (RKUV 2004 Nr. U 516 S. 425 f. Erw. 3.1). In Bezug auf die Ermittlung des anrechenbaren Anteils hat das Gericht dargelegt, dass derjenige Teil der Rente der Invalidenversicherung, der dazu bestimmt ist, die Erwerbsunfähigkeit der Versicherten zu entschädigen, nach einem rein mathematischen Verhältnis festzulegen ist (BGE 124 V 283 Erw. 2b aa).
 
5.3 Ausgehend von vollständiger Invalidität der Versicherten in der mit 50 % gewichteten Erwerbstätigkeit und einer Einschränkung von 63 % im Aufgabenbereich als Hausfrau hatte die Invalidenversicherung in jenem Fall einen Invaliditätsgrad von 81,5 % ermittelt. Für die Bestimmung des in die Überentschädigungsberechnung einfliessenden Teils der Rente der Invalidenversicherung, der die Erwerbsunfähigkeit abgilt, war folgende Formel massgebend:
 
50 (Anteil der Erwerbstätigkeit) x 100 (Invaliditätsgrad im erwerblichen Bereich) / 81.5 (Invalidität allgemein) = 61,35. Damit machte der die Erwerbsunfähigkeit abgeltende Teil der Invalidenrente 61,35 % aus (BGE 124 V 284 Erw. 2b cc).
 
5.4 In der gleichen Weise ist auch bei der Festlegung des prozentualen Anteils der nach der gemischten Methode ermittelten Rente der Invalidenversicherung, der bei der Berechnung der Komplementärrente der Unfallversicherung zu berücksichtigen ist, zu verfahren. Mit dieser Berechnungsweise ergeben sich im Übrigen auch in den von der Versicherten dargestellten Fallbeispielen mathematisch korrekte Lösungen.
 
Bei vollständiger Invalidität im erwerblichen Bereich, der 49 % an der gesamten Tätigkeit ausmacht, und einer gesamten Invalidität von 85 % ergibt sich ein Anteil von 57,647 % (49 x 100/85), der bei der Berechnung der Komplementärrente zu berücksichtigen ist. Zu beachten ist im vorliegenden Fall sodann, dass die im Jahre 2001 - zum Zeitpunkt des erstmaligen Zusammentreffens der Renten aus IVG und UVG - ausgerichtete Rente der Invalidenversicherung von Fr. 26'880.- zu Grunde zu legen ist, wie die Winterthur in ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter Hinweis auf Art. 20 Abs. 2 UVG zutreffend geltend macht.
 
Ausgehend von einem versicherten Verdienst von Fr. 24'930.- resultiert demnach eine Komplementärrente von Fr. 6'954.- im Jahr, entsprechend Fr. 579.- im Monat (Fr. 22'437.- [90 % des versicherten Verdienstes von Fr. 24'930.-] - Fr. 15'495.- [57,647 % der Invalidenrente von Fr. 26'880.-]).
 
6.
 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Die im Wesentlichen obsiegende Winterthur hat als mit öffentlichrechtlichen Aufgaben betraute Organisation keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 2 OG; BGE 112 V 49 Erw. 3).
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verfahren U 427/04 und U 431/04 werden vereinigt.
 
2.
 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Winterthur wird der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. Oktober 2004 aufgehoben.
 
3.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Versicherten wird abgewiesen.
 
4.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben, und es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
 
Luzern, 2. Dezember 2005
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der I. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
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