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Informationen zum Dokument  BGer 6P.84/2004  Materielle Begründung
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BGer 6P.84/2004 vom 11.12.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6P.84/2004 /bri
 
6S.230/2004
 
Urteil vom 11. Dezember 2005
 
Kassationshof
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen,
 
Gerichtsschreiber Thommen.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
 
Flurin von Planta,
 
gegen
 
A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Eric Vultier,
 
B.________, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Werner Schmid,
 
C.________,
 
Beschwerdegegner,
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich,
 
Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, Postfach, 8023 Zürich.
 
Gegenstand
 
6S.230/2004
 
Einstellung der Untersuchung (versuchte Tötung, vorsätzliche schwere Körperverletzung)
 
6P.84/2004
 
Art. 9 BV (Einstellung der Untersuchung; willkürliche Beweiswürdigung),
 
Nichtigkeitsbeschwerde (6S.230/2004) und Staatsrechtliche Beschwerde (6P.84/2004) gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 12. Mai 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
X.________ wurde am 14. März 2002 kurz vor zwei Uhr morgens in einer Gasse ('Untere Zäune') hinter dem Zürcher Obergericht von einem Polizeibus angefahren. Im Polizeibus befanden sich die drei Polizeibeamten A.________ (am Steuer), B.________ (auf dem Beifahrersitz) und C.________. Wegen eines kurz zuvor gemeldeten Einbruchs beim nahe gelegenen 'Rindermarkt' mussten die drei Beamten eine 'Nahbereichsfahndung' durchführen. Als sie in die Gasse eingebogen waren, erblickten sie X.________, der ihnen entgegenrannte. A.________ hielt diesen fälschlicherweise für den flüchtigen Einbrecher. Er lenkte das Polizeifahrzeug nach links in Richtung einer Hausmauer, um dem vermeintlich flüchtenden X.________ den Weg zu versperren. Dabei wurde dessen linkes Bein derart stark zwischen dem Bus und der Wand eingeklemmt, dass es später amputiert werden musste.
 
B.
 
In der Folge wurde eine Untersuchung wegen Körperverletzung eingeleitet. Am 25. Juni 2003 verfügte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, dass die Untersuchung gegen A.________ in Bezug auf die Tatbestände der versuchten Tötung und der vorsätzlichen schweren Körperverletzung eingestellt und dass gegen B.________ und C.________ kein Strafverfahren anhand genommen werde.
 
Mit Rekurs vom 27. August 2003 beantragte X.________ die Aufhebung dieser Einstellungs- und Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft. Weiter verlangte er, dass A.________ wegen versuchter vorsätzlicher Tötung und B.________ wegen Mittäterschaft oder Anstiftung dazu anzuklagen seien.
 
Am 12. Mai 2004 wies das Obergericht des Kantons Zürich den Rekurs vollumfänglich ab.
 
C.
 
Gegen diesen Beschluss erhob X.________ am 1. Juni 2004 kantonale Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationsgericht des Kantons Zürich.
 
Mit Beschluss vom 9. Mai 2005 wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ab.
 
D.
 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde und eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt X.________ die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz.
 
Für die beiden bundesgerichtlichen Verfahren stellt X.________ überdies Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege und beantragt die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands.
 
E.
 
Das Obergericht des Kantons Zürich verzichtet auf Gegenbemerkungen. Vernehmlassungen wurden nicht eingeholt.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
I. Staatsrechtliche Beschwerde
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde ist nur gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide zulässig (Art.86 Abs.1 OG). Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den obergerichtlichen Beschluss vom 12.Mai 2004. Im Kanton Zürich können erstinstanzliche obergerichtliche Beschlüsse mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht weitergezogen werden (§428 StPO ZH). Mangels Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs ist deshalb auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht einzutreten.
 
II. Nichtigkeitsbeschwerde
 
2.
 
2.1 Das Opfer ist gemäss Art. 270 lit. e Ziff. 1 BStP zur Beschwerde legitimiert, wenn es sich bereits vorher am Verfahren beteiligt hat, soweit der Entscheid seine Zivilansprüche betrifft oder sich auf deren Beurteilung auswirken kann. Diese Voraussetzungen entsprechen denjenigen von Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG. Hinsichtlich der Auswirkungen auf die zivilrechtliche Beurteilung gelten als Zivilansprüche im Sinne des OHG nur solche, die ihren Grund im Zivilrecht haben und deshalb ordentlicherweise vor dem Zivilgericht durchgesetzt werden müssen. Primär handelt es sich um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung nach Art. 41 ff. OR. Keine Zivilansprüche im Sinne des OHG sind Ansprüche, die sich aus öffentlichem Recht ergeben (BGE 128 IV 188 E. 2; 127 IV 189 E. 2b; 125 IV 161 E. 2 b; Urteile 6P.109/2005, 6S.344/2005 vom 12. November 2005; 6P.178/2004, 6S.460/2004 vom 9. Oktober 2005 sowie 6P.33/2005, 6S.199/2005 vom 16. Mai 2005).
 
Der Kanton Zürich hat gestützt auf den Vorbehalt in Art. 61 OR ein Haftungsgesetz (LS ZH 170.1) erlassen. Dessen § 6 bestimmt, dass der Staat für den Schaden haftet, den ein Beamter in Ausübung amtlicher Verrichtungen einem Dritten widerrechtlich zufügt. Dem Geschädigten steht kein Anspruch gegen den Beamten zu (§ 6 Abs. 4 Haftungsgesetz/ZH). Der Beschwerdeführer hat somit keine Möglichkeit, die seiner Ansicht nach fehlbaren Polizeibeamten zivilrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Er muss seine Haftungsansprüche nach kantonal-öffentlichem Recht geltend machen. Mangels Zivilforderungen ist er deshalb nicht nach Art. 270 lit. e Ziff. 1 BStP zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert.
 
2.2 Das Opfer ist sodann nach Art. 270 lit. e Ziff. 2 BStP zur Beschwerde legitimiert soweit es eine Verletzung von Rechten geltend macht, die ihm das Opferhilfegesetz einräumt. Hierzu gehören insbesondere die dem Opfer eingeräumten Verfahrensrechte von Art. 8 OHG, wie etwa das Recht, Zivilansprüche geltend zu machen oder eine Einstellungsverfügung gerichtlich überprüfen zu lassen, sowie die Beschwerdebefugnisse und Informationsrechte des Opfers. Diese Verfahrensrechte wurden dem Beschwerdeführer jedoch gewährt und werden zu Recht nicht als verletzt gerügt. Mangels Legitimation ist deshalb auf die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde nicht einzutreten.
 
III. Kosten und Entschädigungsfolgen
 
3.
 
Der Beschwerdeführer ersucht in beiden Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege. Die staatsrechtliche Beschwerde war mangels gültigen Anfechtungsobjekts aussichtslos. Ebenso aussichtslos war die Nichtigkeitsbeschwerde angesichts der konstanten Rechtsprechung, wonach auf Beschwerden von Opfern, denen nur Entschädigungsforderungen nach kantonal-öffentlichem Recht zustehen, nicht eingetreten wird. Die Gesuche sind daher abzuweisen und der Beschwerdeführer hätte die Verfahrenskosten grundsätzlich zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG; Art. 278 Abs. 1 BStP). In Anbetracht seiner angespannten finanziellen Lage und der tragischen Umstände des vorliegenden Falls wird jedoch ausnahmsweise von der Gebührenerhebung abgesehen.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.
 
3.
 
Die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege werden abgewiesen.
 
4.
 
Es werden keine Kosten erhoben.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 11. Dezember 2005
 
Im Namen des Kassationshofes
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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