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Informationen zum Dokument  BGer 4P.300/2005  Materielle Begründung
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BGer 4P.300/2005 vom 15.12.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
4P.300/2005 /bie
 
Urteil vom 15. Dezember 2005
 
I. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Corboz, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Klett, Kiss,
 
Gerichtsschreiber Huguenin.
 
Parteien
 
X.________, Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Franz Hollinger,
 
gegen
 
Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht,
 
4. Kammer, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau.
 
Gegenstand
 
Art. 9 sowie 29 Abs. 2 und 3 BV
 
(Zivilprozess; unentgeltliche Rechtspflege),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid
 
des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht,
 
4. Kammer, vom 12. September 2005.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
X.________ (Beschwerdeführerin) war seit 1. Juli 1994 Mieterin einer 4 1/2-Zimmer-Wohnung der Baugenossenschaft P.Y.________.
 
A.a Mit Beschluss der Baugenossenschaft vom 24. Juni 1999 wurde sie aus der Genossenschaft ausgeschlossen. Ihre Klage gegen den Ausschluss wurde am 27. November 2002 vom Bezirksgericht Y.________ und auf Appellation der Beschwerdeführerin vom Obergericht des Kantons Aargau am 25. Mai 2004 abgewiesen. Dieses Urteil ist rechtskräftig.
 
A.b Die Baugenossenschaft P.Y.________ hatte der Beschwerdeführerin am 23. August 1999 auch den Mietvertrag auf den 31. Januar 2000 gekündigt. Das Bezirksamt Y.________ als Schlichtungsbehörde für das Mietwesen schützte die Kündigung am 23. Januar 2001, worauf die Beschwerdeführerin mit Klage auf Aufhebung der Kündigung an das Bezirksgericht Y.________ gelangte. Nachdem das Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung der Anfechtung des Ausschlusses aus der Genossenschaft sistiert worden war, führte das Bezirksgericht am 12. November 2004 die Hauptverhandlung durch. Es wies die Klage ab und stellte fest, dass das Mietverhältnis per 31. Januar 2000 aufgelöst sowie die Ausweisung der Beschwerdeführerin zulässig sei. Diese wurde angewiesen, die Wohnung innert 30 Tagen nach Rechtskraft dieses Entscheides zu räumen. Die Verfahrenskosten wurden von der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die gewährte unentgeltliche Rechtspflege vorläufig nicht erhoben.
 
A.c Die Beschwerdeführerin reichte gegen den ihr am 15. Juni 2005 zugestellten begründeten Entscheid am 27. Juni 2005 Beschwerde beim Obergericht des Kantons Aargau ein mit den Anträgen, das Urteil des Gerichtspräsidiums Y.________ vom 12. November 2004 sei aufzuheben (Ziff.1), die Kündigung vom 23. August 1999 sei aufzuheben (Ziff. 2), das Ausweisungsbegehren vom 4. Mai 2001 sei abzuweisen (Ziff. 3) und die Vorinstanz sei anzuweisen, das Protokoll ins Reine zu schreiben und der Beschwerdeführerin anschliessend Gelegenheit zur Beschwerdeergänzung zu geben (Ziff.4).
 
B.
 
Mit Entscheid vom 12. September 2005 wies das Obergericht des Kantons Aargau die Beschwerde ab. Es qualifizierte die Beschwerde als mutwillig und erklärte die Beschwerdeführerin für die durch die mutwillige Beschwerdeführung verursachten Verfahrens- und Prozesskosten unter Verweis auf § 112 Abs. 1 ZPO AG kostenpflichtig (E. 4 S. 8 f.). Ausserdem kam das Gericht zum Schluss, der Beschwerdeführerin sei für ihre mutwillige Beschwerdeführung keine staatliche Kostenhilfe in unentgeltlicher Rechtspflege zu gewähren (E. 5 S. 9 ff.). Das Obergericht auferlegte daher der Beschwerdeführerin die Kosten des obergerichtlichen Verfahrens (Dispositiv-Ziffer 3.1) sowie ihre eigenen obergerichtlichen Parteikosten (Dispositiv-Ziffer 3.2) und stellte fest, es werde ihr wegen mutwilliger Beschwerdeführung keine Kostenhilfe für die auf sie entfallenden obergerichtlichen Verfahrens- und eigenen Parteikosten in unentgeltlicher Rechtspflege gewährt (Dispositiv-Ziffer 4).
 
C.
 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 7. November 2005 stellt die Beschwerdeführerin die Anträge, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 12. September 2005 sei in den Dispositiv-Ziffern 3.1., 3.2 und 4 aufzuheben. Ausserdem ersucht sie für das Verfahren vor Bundesgericht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege samt Rechtsbeistand.
 
Das Obergericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde gegen den angefochtenen, letztinstanzlichen Entscheid ist zulässig wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG). Die Beschwerdeführerin beantragt allein die Aufhebung des Kostenentscheides und beanstandet, dass ihr die unentgeltliche Rechtspflege für die Beschwerde an das Obergericht nicht gewährt bzw. entzogen worden sei. Soweit sie das Rechtsmittel auch gegen die Baugenossenschaft P.Y.________ richtet, ist die Parteibezeichnung im Rubrum von Amtes wegen zu streichen (BGE 90 I 8 E. 2). Gegenpartei ist ausschliesslich der Kanton Aargau bzw. dessen Obergericht.
 
2.
 
Die Beschwerdeführerin rügt zunächst, es sei ihr das rechtliche Gehör verweigert worden, da sie vor dem Widerruf der unentgeltlichen Rechtspflege nicht angehört worden sei.
 
2.1 Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 29 Abs. 2 BV gewährleistet dem Betroffenen das Recht, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Entscheides zu äussern, erhebliche Beweise vorzulegen, und das Recht, mit seinen Beweisofferten zu erheblichen Tatsachen zugelassen zu werden, der Beweisabnahme beizuwohnen oder mindestens sich zum Beweisergebnis zu äussern (BGE 129 II 497 E. 2.2 mit Verweisen). Das Recht auf Anhörung bezieht sich dabei in erster Linie auf Tatsachen; nur ausnahmsweise auf Rechtsfragen (BGE 130 III 35 E. 5). Der Anspruch auf rechtliches Gehör und dessen Umfang bestimmt sich zunächst nach den kantonalen Verfahrensvorschriften, deren Auslegung und Anwendung das Bundesgericht unter dem Gesichtswinkel der Willkür prüft; die unmittelbar aus der Bundesverfassung fliessenden Minimalgarantien beurteilt das Bundesgericht dagegen mit freier Kognition (BGE 126 I 19 E. 2a).
 
2.2 Die Beschwerdeführerin beruft sich zunächst auf § 78 Abs. 1 ZPO AG. Danach haben die Parteien gleichmässig Anspruch auf volles Gehör. Der Beschwerde ist nicht zu entnehmen, inwiefern dieser Anspruch über die bundesverfassungsmässige Minimalgarantie hinausgehen soll. Die Folgerung, der Anspruch auf rechtliches Gehör bedeute im Falle des Widerrufs der unentgeltlichen Rechtspflege, dass die betroffene Partei vorher anzuhören sei, vermag diese Begründung nicht zu ersetzen. Die Kommentarstellen, die in der Beschwerde zitiert werden, betreffen § 132 ZPO AG. Danach widerruft der Richter die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege, wenn sich im Laufe des Prozesses ergibt, dass ihre Voraussetzungen nie gegeben waren oder nicht mehr gegeben sind. Wie die Beschwerdeführerin in ihrer Rechtsschrift selbst darlegt, geht auch das Obergericht im angefochtenen Entscheid davon aus, dass im Falle eines Widerrufs im Sinne von § 132 ZPO AG die betroffene Partei zuvor angehört werden muss.
 
2.3 Das Obergericht des Kantons Aargau hat im angefochtenen Entscheid jedoch angenommen, ein Entzug des generell erteilten Kostenerlasses sei im Falle mutwilliger Prozessführung nicht erforderlich, da die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege mutwillige Rechtsbegehren zum Vornherein nicht umfasse. Nach Ansicht des Obergerichts bedarf es daher in diesem Fall keines Widerrufs der unentgeltlichen Rechtspflege, was auch die Beschwerdeführerin so versteht. Inwiefern das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin verletzt sein sollte, wenn im Sinne der Ansicht des Obergerichts ein Entzug der unentgeltlichen Rechtspflege und damit ein Eingriff in die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin gar nicht vorliegt, ist der Beschwerde jedoch nicht zu entnehmen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Sofern sich die Ansicht des Obergerichts als verfassungskonform erweisen sollte, dass die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege mutwillige Begehren zum Vornherein nicht umfasst, ist die Rüge der Verweigerung des rechtlichen Gehörs unbegründet.
 
3.
 
Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird in erster Linie durch das kantonale Prozessrecht geregelt, dessen Anwendung und Auslegung das Bundesgericht unter dem Gesichtspunkt der Willkür prüft (BGE 129 I 129 E. 2.1). Unabhängig davon besteht ein solcher Anspruch unmittelbar aufgrund von Art. 29 Abs. 3 BV. Danach hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand. Die Voraussetzungen dieses durch die Bundesverfassung garantierten Anspruchs untersucht das Bundesgericht in rechtlicher Hinsicht frei, tatsächliche Feststellungen der kantonalen Instanzen prüft es dagegen nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür (BGE 130 I 180 E. 2.1 S. 182 mit Verweisen).
 
3.1 Die Garantie gemäss Art. 29 Abs. 3 BV gewährleistet der bedürftigen Partei den Zugang zum Gericht und die zweckdienliche Wahrung ihrer Parteirechte (BGE 120 Ia 14 E. 3d S. 16). Sie dient aber nicht dazu, die bedürftige Partei im Sinne einer allgemeinen Sozialhilfe von entstandenen Prozesskosten zu entlasten (BGE 122 I 203 E. 2e S. 207 f.). In der Praxis wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege oftmals erst nach dem Entscheid in der Hauptsache im Rahmen der Kostenregelung beurteilt. Dies ist in denjenigen Fällen nicht zu beanstanden, in denen das Gesuch mit der Eingabe in der Hauptsache verbunden wird und keine weiteren Vorkehren des Rechtsvertreters erforderlich sind, während die Behörden über das Gesuch um Verbeiständung umgehend entscheiden müssen, wenn nach der Einreichung des Gesuchs weitere Verfahrensschritte zu unternehmen sind (Urteil des Bundesgerichts 1P.345/2004 vom 1. Oktober 2004 E. 4.3 mit Hinweisen). Die Minimalgarantie von Art. 29 Abs. 3 BV lässt zu, das Gesuch um Kostenerlass für Rechtsvorkehren im Nachhinein abzuweisen, wenn es nicht beurteilt werden konnte, bevor der rechtssuchenden Partei bzw. derem Vertreter Aufwand entstanden ist. Die einmal erteilte unentgeltliche Rechtspflege darf anderseits nur für künftige Prozesshandlungen entzogen werden, weil die bedürftige Partei und ihr Vertreter in guten Treuen davon ausgehen dürfen, dass bis zur Anordnung des Gegenteils die Unentgeltlichkeit Geltung hat. Soweit diese Annahme jedoch nicht mehr berechtigt ist, kommt ein Entzug auch rückwirkend für Rechtsvorkehren in Betracht, welche nicht im Vertrauen auf das gewährte Armenrecht vorgenommen werden konnten. In diesem Sinne hat das im angefochtenen Urteil zitierte Kassationsgericht des Kantons Zürich entschieden, dass es jedenfalls in einem prozessual neuen (Beschwerde-) Verfahren zulässig ist, mit dem Beschwerdeentscheid rückwirkend das Armenrecht für das Beschwerdeverfahren wegen Aussichtslosigkeit zu entziehen (Entscheid vom 30. Dezember 1996 in ZR 1998 Nr. 28 E. 10b).
 
3.2 Die Beschwerdeführerin rügt in erster Linie, das Obergericht habe im angefochtenen Entscheid die §§ 125 und 132 ZPO AG willkürlich ausgelegt. Diese lauten:
 
§ 125 ZPO:
 
1. Natürlichen Personen wird auf Gesuch die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt, wenn sie ohne erhebliche Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie notwendigen Unterhalts die Prozesskosten nicht bestreiten können.
 
2. Einem Gesuch ist nur zu entsprechen, wenn der Prozess nicht als offensichtlich aussichtslos oder mutwillig erscheint."
 
§ 132 ZPO:
 
1. Der Richter widerruft die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege, wenn sich im Laufe des Prozesses ergibt, dass ihre Voraussetzungen nie gegeben waren oder nicht mehr gegeben sind."
 
3.2.1 Das Obergericht hat im angefochtenen Entscheid dargelegt, dass die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege bei Bedürftigkeit gemäss § 125 Abs. 1 ZPO AG in gefestigter Rechtsprechung aus prozessökonomischen Gründen unbeschränkt für das kantonale Verfahren erteilt wird, so dass der Partei die Erneuerung ihres Gesuchs bei in aller Regel unveränderten Bewilligungsvoraussetzungen erspart bleibt (E. 5.1). Nach den Erwägungen im angefochtenen Entscheid ist dagegen einer mittellosen Partei die unentgeltliche Rechtspflege für jedes zu Beginn oder im Verlaufe des kantonalen Verfahrens in erster oder zweiter Instanz eingereichte offenbar aussichtslose oder mutwillige Rechtsbegehren gemäss § 125 Abs. 2 ZPO AG zu versagen, ohne dass etwas darauf ankommt, ob sie ihr zuvor bewilligt wurde. Ein Widerruf im Sinne von § 132 ZPO AG ist dafür nach den Erwägungen des Obergerichts nicht erforderlich, weil der Entzug der unentgeltlichen Rechtspflege - mit Wirkung ex nunc - unmöglich vor einem offenbar aussichtslosen oder mutwilligen Rechtsbegehren erfolgen kann, obwohl für ein solches die staatliche Kostenhilfe gemäss § 125 Abs. 2 ZPO AG ausgeschlossen ist (E. 5.2). Für ein im Verlaufe des kantonalen Verfahrens gestelltes offenbar aussichtsloses oder mutwilliges Rechtsbegehren verhält es sich nach dem angefochtenen Entscheid nicht so, dass die Voraussetzungen der Bewilligung im Sinne von § 132 ZPO AG nie gegeben waren, sondern so, dass dafür die unentgeltliche Rechtspflege zum Vornherein ausgeschlossen ist.
 
3.2.2 Die Beschwerdeführerin bringt dagegen vor, allein der Widerruf einer einmal erteilten Bewilligung beim Dahinfallen der Voraussetzungen entspreche einem rechtsstaatlich korrekten Verfahren und dem in § 77 ZPO AG statuierten Gebot aller Prozessbeteiligter, nach Treu und Glauben zu handeln. In Praxis und Literatur herrsche Einigkeit, dass es eines ausdrücklichen Widerrufs bedürfe, wobei lediglich die Frage einer allfälligen Rückwirkung diskutiert werde. Sie hält die Ansicht des Obergerichts für unhaltbar, dass im Einzelfall für ein aussichtsloses oder mutwilliges Rechtsbegehren die unentgeltliche Rechtspflege trotz umfassender Bewilligung gestützt auf § 125 Abs. 2 ZPO AG versagt werden könne. Dies hätte nach ihrer Ansicht zur Folge, dass jeder Richter trotz umfassend bewilligter unentgeltlicher Rechtspflege bei jeder Parteivorkehr prüfen dürfte und müsste, ob sie mutwillig sei, und die Partei trotz umfassend bewilligter unentgeltlicher Rechtspflege bei jedem Verfahrensschritt ein Einzelgesuch einreichen müsste, was zu absurden Ergebnissen führte und der gesetzlichen Regelung widerspräche, welche allein den Widerruf vorsehe. Die Beschwerdeführerin gesteht zu, dass "an der Schnittstelle zwischen 1. und 2. Instanz Probleme entstehen könnten". Diese liessen sich jedoch dadurch lösen, dass der erstinstanzliche Richter gleichzeitig mit dem Sachentscheid einen Widerrufsentscheid erlasse.
 
3.2.3 Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung nicht schon vor, wenn eine andere Lösung vertretbar oder gar vorzuziehen wäre; das Bundesgericht hebt einen Entscheid vielmehr nur auf, wenn dieser mit der tatsächlichen Situation in offensichtlichem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Dabei rechtfertigt sich die Aufhebung des angefochtenen Entscheides nur, wenn er auch im Ergebnis verfassungswidrig ist (BGE 129 I 49 E. 4 S. 58 mit Verweis). Die Ausführungen der Beschwerdeführerin vermögen in diesem Sinne Willkür in der Anwendung der kantonalen Bestimmungen nicht auszuweisen. Zunächst ergibt sich aus den gesetzlichen Bestimmungen nicht, dass die unentgeltliche Rechtspflege für das ganze kantonale Verfahren bewilligt werden müsste und nicht für jede Rechtsvorkehr einzeln erteilt werden könnte. Dass bei der nach den unbestrittenen Feststellungen des Obergerichts auf ständiger Rechtsprechung beruhenden Bewilligungspraxis allenfalls im Zweifel einzelfallweise die Aussicht bzw. die fehlende Mutwilligkeit von Rechtsbegehren oder -vorkehren abgeklärt werden muss, führt daher entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht zu Ergebnissen, die vor der gesetzlichen Regelung als unhaltbar erscheinen könnten. Die Lehre - und wie aus dem angefochtenen Entscheid hervorgeht (E. 5.2.3) auch die Praxis - zieht zudem einen rückwirkenden Entzug der unentgeltlichen Rechtspflege in bestimmtem Rahmen in Betracht, wie sich aus den in der Beschwerde angeführten Zitaten ergibt (Bühler/ Edelmann/Killer, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, N. 6b zu § 132; Beat Ries, Die unentgeltliche Rechtspflege nach der aargauischen Zivilprozessordnung vom 18. Dezember 1984, Diss. Zürich 1990, S. 268). Von einer einhelligen Lehrmeinung in dem Sinne, dass nach dem aargauischen Recht die einmal erteilte unentgeltliche Rechtspflege sich bedingungslos auf sämtliche danach erfolgenden Rechtsvorkehren beziehen müsste, kann entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin nicht gesprochen werden. Den massgebenden Bestimmungen der aargauischen Zivilprozessordnung lässt sich keine eindeutige Regelung in dem Sinne entnehmen, dass das Gesetz willkürfrei nur im Sinne der Ansicht der Beschwerdeführerin verstanden werden könnte. Es ist vielmehr vertretbar und führt auch nicht zu unhaltbaren Ergebnissen, mutwillige Prozessführung im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege zu verhindern, indem für mutwillige Rechtsbegehren oder -vorkehren auch nach grundsätzlicher Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege die Kostenpflicht vorbehalten wird. In der Beschwerde wird nicht aufgezeigt, inwiefern die Auslegung der massgebenden Bestimmungen im angefochtenen Entscheid schlechterdings nicht vertretbar sein sollte (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
 
3.3 Der Beschwerdeführerin kann auch nicht gefolgt werden, wenn sie vorbringt, die unmittelbar aus Art. 29 Abs. 3 BV sich ergebende Minimalgarantie sei verletzt, indem ihr im Ergebnis die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege rückwirkend entzogen worden sei. Da nach dieser verfassungsrechtlichen Minimalgarantie ein rückwirkender Entzug nur für Rechtsvorkehren ausgeschlossen ist, welche im Vertrauen auf das gewährte Armenrecht vorgenommen werden konnten (oben E. 3.1), hält der Vorbehalt, dass die unentgeltliche Rechtspflege für mutwillige Rechtsbegehren nicht gewährt wird, vor Art. 29 Abs. 3 BV stand. Der Zugang zum Gericht soll nicht für mutwillige Begehren gewährt werden, sondern es soll auch den unbemittelten Rechtssuchenden für die Verfolgung ihrer schutzwürdigen Interessen Rechtsschutz vermittelt werden; der Vorbehalt der Kostenpflicht für mutwillige Rechtsvorkehren ist nicht nur mit diesem Zwecke vereinbar, sondern entspricht ihm im Gegenteil. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sie das kantonale Rechtsmittel an das Obergericht gegen den Ausweisungsbefehl mutwillig ergriffen hat. Steht aber fest, dass die Beschwerde mutwillig war, durften die Beschwerdeführerin und ihr Vertreter nicht in guten Treuen davon ausgehen, dass die Bewilligung der Unentgeltlichkeit auch für diese Rechtsvorkehr gelte.
 
4.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin nach Art. 156 Abs. 1 OG grundsätzlich kostenpflichtig. Sie hat jedoch für das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde die unentgeltliche Rechtspflege beantragt. Diese kann ihr bewilligt werden, da die gemäss Art. 152 OG erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind. Zum einen ist die Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin ausgewiesen. Zum andern kann die Beschwerde nicht als zum Vorneherein aussichtslos qualifiziert werden, da sich die Beschwerdeführerin für die von ihr vertretene Auslegung der massgebenden kantonalen Bestimmungen auf Literaturmeinungen zu stützen vermag. Unter diesen Umständen ist ihr Gesuch um Gewährung unentgeltlicher Rechtspflege samt Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren gutzuheissen.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt und es wird ihr Rechtsanwalt lic. iur. Franz Hollinger, Brugg, als Rechtsvertreter beigegeben.
 
2.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird zufolge Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege auf die Gerichtskasse genommen.
 
4.
 
Rechtsanwalt Hollinger wird aus der Gerichtskasse ein Honorar von Fr. 1'500.-- ausgerichtet.
 
5.
 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 4. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 15. Dezember 2005
 
Im Namen der I. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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