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Informationen zum Dokument  BGer I 716/2005  Materielle Begründung
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BGer I 716/2005 vom 16.12.2005
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
I 716/05
 
Urteil vom 16. Dezember 2005
 
II. Kammer
 
Besetzung
 
Präsident Borella, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiber Hadorn
 
Parteien
 
H.________, 1960, Beschwerdeführerin, vertreten
 
durch Fürsprecher Michele Naef, Spitalgasse 14,
 
3011 Bern,
 
gegen
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern
 
(Entscheid vom 2. September 2005)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Mit Verfügung vom 24. November 2000 sprach die Kantonale IV-Stelle Wallis H.________ (geb. 1960) eine ganze IV-Rente ab 1. August 1999 zu.
 
Mit Verfügung vom 19. April 2004 hob die nunmehr zuständige IV-Stelle Bern diese Rente revisionsweise auf den 31. Mai 2004 auf. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 11. August 2004 fest. Einer allfälligen Beschwerde entzog sie die aufschiebende Wirkung.
 
B.
 
Hiegegen liess H.________ Beschwerde erheben und unter anderem die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragen. Mit unangefochten gebliebenem Entscheid vom 18. Oktober 2004 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern das Gesuch betreffend die aufschiebende Wirkung ab. Mit Entscheid vom 2. September 2005 wies es sodann die Beschwerde auch materiell ab.
 
C.
 
H.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei ihr weiterhin eine ganze, eventuell eine Dreiviertelrente auszurichten. Subeventuell seien die Akten zu näheren Abklärungen an die Verwaltung zurückzuweisen. Sodann sei die aufschiebende Wirkung der kantonalen Beschwerde vom 13. September 2004 wieder herzustellen. Ferner ersucht H.________ um unentgeltliche Verbeiständung.
 
Die IV-Stelle verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Soweit die Beschwerdeführerin die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung für die kantonale Beschwerde verlangt, kann auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht eingetreten werden. Die Versicherte hätte dieses Begehren mittels Anfechtung des Zwischenentscheides vom 18. Oktober 2004 vor das Eidgenössische Versicherungsgericht bringen müssen. Nachdem dies trotz korrekten Hinweisen in den Erwägungen und im Dispositiv des Zwischenentscheides nicht geschah, erwuchs dieser in Rechtskraft und kann hier nicht mehr überprüft werden. Was die Beschwerdeführerin dagegen einwendet, ist nicht stichhaltig. Mit dem vorliegenden, letztinstanzlichen Urteil wird ein derartiges Gesuch im Übrigen obsolet.
 
2.
 
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen zu den Begriffen der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG) und der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), zum Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und Abs. 1bis IVG in der bis Ende Dezember 2003 gültig gewesenen bzw. Art. 28 Abs. 1 IVG in der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung), zur Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der Methode des Einkommens- (Art. 16 ATSG; altArt. 28 Abs. 2 IVG) und des Betätigungsvergleichs sowie nach der gemischten Methode (altArt. 28 Abs. 3 IVG in Verbindung mit alt Art. 27 IVV; Art. 28 Abs. 2bis und 2ter IVG) und zur Revision (Art. 17 Abs. 1 ATSG) sowie die Rechtsprechung zur Bedeutung ärztlicher Auskünfte im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4) und zur Frage der jeweils anwendbaren Methode (BGE 125 V 150 Erw. 2c, 117 V 195 Erw. 3b) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.
 
3.
 
Streitig und zu prüfen ist der Invaliditätsgrad.
 
3.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, ohne ihre gesundheitlichen Einschränkungen würde sie entgegen den Angaben in den beiden Haushaltsabklärungen vom 10. Juli 2001 und 26. März 2004 ganztags arbeiten.
 
Dem kann nicht gefolgt werden. Zunächst beruhen die Angaben in den Abklärungsfragebögen, wonach die Versicherte nach der Geburt des dritten Kindes und der Scheidung noch halbtags erwerbstätig wäre, auf den Aussagen der Beschwerdeführerin selbst. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Sachbearbeiterin der IV-Stelle zweimal hintereinander die selben falschen Angaben zum gleichen Thema notiert haben sollte. Sodann hat die Vorinstanz richtig erwogen, dass die Versicherte vor der Scheidung und dem Umzug in den Kanton Bern im Betrieb ihres Ehemannes und auch dort nicht durchgehend zu 100 % gearbeitet hat. Dort konnte sie die Arbeitszeiteinteilung flexibler gestalten als auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, auf welchem sie die verbliebene Restarbeitsfähigkeit nunmehr verwerten müsste. Die Versicherte gab denn auch an, dass sie zu 50 % als Kleiderverkäuferin arbeiten würde, "seit sie im Kanton Bern wohne" (Abklärung vom 26. März 2004). Darauf ist abzustellen.
 
3.2 Unbestritten und durch das Gutachten des Zentrums für Medizinische Begutachtung (ZMB) vom 23. September 2003 bestätigt ist eine Restarbeitsfähigkeit im Erwerbsbereich von 30 %. Auch darauf ist abzustellen.
 
3.3 Näher zu prüfen ist hingegen der Einkommensvergleich.
 
3.3.1 Die IV-Stelle zog die Tabellenlöhne der Schweizerischen. Lohnstrukturerhebung (LSE) von 2002 bei und ermittelte bei einer Teilzeitbeschäftigung von 50 % ein hypothetisches Valideneinkommen von Fr. 24'069.-. Dem stellte sie ein hypothetisches Invalideneinkommen von Fr. 14'336.- gegenüber, das einem Pensum von 30 % in einer zumutbaren Verweisungstätigkeit entspricht. Diese Zahlen sind insoweit nicht zu beanstanden. Hieraus ergab sich eine behinderungsbedingte Erwerbseinbusse von 40 %. Diesen Wert berücksichtigte die IV-Stelle in der Schlussabrechnung zur Hälfte, d.h. zu 20 %. Ein solches Vorgehen entspricht der ständigen Rechtsprechung (nicht publizierte Erw. 5 von BGE 130 V 393; BGE 125 V 161f. Erw. 6).
 
3.3.2 Indessen fällt auf, dass die IV-Stelle beim hypothetischen Invalideneinkommen keinen Abzug von den Tabellenlöhnen mehr gewährt hat, während sie anlässlich des bei der Abklärung vom 20. Juli 2001 vorgenommenen Einkommensvergleichs noch eine Leistungsverminderung von 10 % in Abzug gebracht hatte. Da sich der Gesundheitszustand der Versicherten seit 2001 jedenfalls nicht verbessert hat, ist der Abzug von 10 % vom hypothetischen Invalideneinkommen unter Berücksichtigung aller Umstände nach wie vor gerechtfertigt. Von dem in Erw. 3.3.1 hievor herangezogenen Wert von Fr. 14'336.- sind somit 10 % zu subtrahieren, was Fr. 12'902.- ergibt. Verglichen mit dem hypothetischen Valideneinkommen von Fr. 24'069.- beträgt die Einschränkung im erwerblichen Bereich somit 23,2 %.
 
3.4 Im Haushalt ermittelte die IV-Stelle im ersten Betätigungsvergleich eine Einschränkung von 35 %, wovon die Hälfte 17,5 % ausmacht. Das ZMB bezeichnete diesen Wert im Bericht vom 24. Februar 2004 als zu hoch und setzte ihn auf 33 1/3 % an (wovon die Hälfte 16,66 %, aufgerundet 17 % betrüge). Gestützt auf diesen Bericht des ZMB führte die IV-Stelle die zweite Haushaltabklärung durch. Im neuen Betätigungsvergleich ergab sich eine Invalidität von 27 %, zur Hälfte gewichtet somit 13,5 %, was nach der erwähnten Einschätzung des ZMB zu niedrig ist. Im Falle solcher Widersprüche zwischen den Ergebnissen der Abklärung vor Ort und den fachmedizinischen Feststellungen zur Fähigkeit der versicherten Person, ihre gewohnten Aufgaben zu erfüllen, ist den ärztlichen Stellungnahmen in der Regel mehr Gewicht einzuräumen als dem Bericht über die Haushaltabklärung (AHI 2004 S. 139 Erw. 5.3; Urteil C. vom 16. August 2005, I 356/05). Diese prinzipielle Rangordnung ist darin begründet, dass es für die Abklärungsperson im Allgemeinen nur beschränkt möglich ist, das Ausmass des psychischen Leidens und der damit verbundenen Einschränkungen zu erkennen. Hinzu kommt, dass die dem Bericht zugrunde liegende Abklärung in erster Linie auf die Ermittlung des Ausmasses physisch bedingter Beeinträchtigungen zugeschnitten ist (AHI 2001 S. 162 Erw. 3d; erwähntes Urteil C. mit Hinweisen). Da die Versicherte gemäss dem Gutachten des ZMB an die Arbeitsfähigkeit erheblich einschränkenden psychischen Problemen leidet, rechtfertigt es sich, den von den Ärzten genannten Wert von 33 1/3 % beizuziehen. Die Hälfte davon macht 16,66 % aus. Addiert zur Einschränkung aus dem Erwerbsbereich von 23,2 % (Erw. 3.3.2 hievor) ergibt dies einen Gesamtinvaliditätsgrad von 40 % (zur Rundung vgl. BGE 130 V 121), womit die Beschwerdeführerin noch Anspruch auf eine Viertelsrente hat. Diese ist ab 1. Juni 2004 auszurichten (Art. 88a Abs. 1 IVV).
 
4.
 
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 134 OG). Da die Beschwerdeführerin insofern obsiegt, als sie weiterhin eine Rente beziehen kann, wird ihr Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung gegenstandslos.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf einzutreten ist, werden der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 2. September 2005 und der Einspracheentscheid der IV-Stelle Bern vom 11. August 2004 aufgehoben, und es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin ab 1. Juni 2004 noch Anspruch auf eine Viertelsrente hat.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Die IV-Stelle Bern hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
 
4.
 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wird über eine Neuverlegung der Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse Verom und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 16. Dezember 2005
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
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