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Informationen zum Dokument  BGer 8C_424/2007  Materielle Begründung
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BGer 8C_424/2007 vom 04.01.2008
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
8C_424/2007
 
Urteil vom 4. Januar 2008
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
 
Bundesrichter Frésard, nebenamtlicher Bundesrichter Weber,
 
Gerichtsschreiberin Fleischanderl.
 
Parteien
 
K.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Frank Th. Petermann, Falkensteinstrasse 1, 9006 St. Gallen,
 
gegen
 
Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen, Davidstrasse 21, 9000 St. Gallen,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Arbeitslosenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 27. Juni 2007.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
K.________ (geb. 1968) meldete sich am 6. Oktober 2004 bei der Arbeitslosenversicherung zum Leistungsbezug rückwirkend ab 1. Oktober 2004 an. Zuvor war er vom 1. Oktober 2003 bis 30. September 2004 als Geschäftsführer (mit Einzelzeichnungsberechtigung) bei der Firma X.________ AG (ab November 2004: E.________ AG) tätig gewesen, bis die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit Hinweis auf Umstrukturierungsmassnahmen gekündigt hatte. Mit Verfügung vom 28. Januar 2005 eröffnete die Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen ihm, sein Antrag auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. Oktober 2004 müsse abgelehnt werden. Mit den von ihm eingereichten Unterlagen sei der Lohnfluss für das Arbeitsverhältnis nicht glaubhaft nachgewiesen. Die dagegen erhobene Einsprache wies die Arbeitslosenkasse mit Entscheid vom 1. April 2005 ab. Die von K.________ ergriffene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen am 24. November 2005 teilweise gut und wies die Sache zur Vornahme weiterer Abklärungen und zu neuer Verfügung an die Verwaltung zurück.
 
Nach Einholung ergänzender Auskünfte beschied die Arbeitslosenkasse das Ersuchen um Arbeitslosenentschädigung erneut abschlägig (Verfügung vom 15. Juni 2005). Als Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, der Lohnfluss sei in Folge zahlreicher Unstimmigkeiten nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, weshalb die Voraussetzung der beitragspflichtigen Beschäftigung als nicht gegeben anzusehen und die erforderliche Beitragszeit von zwölf Monaten nicht erfüllt sei. Daran wurde auf Einsprache hin mit Entscheid vom 26. Oktober 2006 festgehalten.
 
B.
 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, nachdem es zusätzlich Akten beim Steueramt des Kantons St. Gallen sowie bei der Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen eingeholt hatte, ab (Entscheid vom 27. Juni 2007).
 
C.
 
K.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Arbeitslosenkasse zu verpflichten, ihm mit Wirkung ab 1. Oktober 2004 Arbeitslosenentschädigung auszuzahlen.
 
Während die Arbeitslosenkasse auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Vernehmlassung.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Weil die angefochtene Entscheidung nach dem Datum des Inkrafttretens des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG; SR 173.110), dem 1. Januar 2007 (AS 2006 1243), ergangen ist, untersteht die Beschwerde dem neuen Recht (Art. 132 Abs. 1 BGG).
 
1.2
 
1.2.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
 
1.2.2 Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist auf Grund der Vorbringen in der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der angefochtene kantonale Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht, Völkerrecht oder kantonale verfassungsmässige Rechte verletzt (Art. 95 lit. a-c BGG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). Hingegen hat unter der Herrschaft des BGG eine freie Überprüfung des vorinstanzlichen Entscheides in tatsächlicher Hinsicht zu unterbleiben (ausser wenn sich die Beschwerde gegen einen - im hier zu beurteilenden Fall indessen nicht anfechtungsgegenständlichen - Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung richtet; Art. 97 Abs. 2 BGG). Ebenso entfällt eine Prüfung der Ermessensbetätigung nach den Grundsätzen zur Angemessenheitskontrolle (BGE 126 V 75 E. 6 S. 81 zu Art. 132 lit. a OG [in der bis 30. Juni 2006 gültig gewesenen Fassung]).
 
2.
 
Im kantonalen Entscheid sind die gesetzlichen Vorschriften zur Mindestbeitragsdauer (Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung während mindestens zwölf Monaten [Art. 13 Abs. 1 AVIG]) innerhalb der entsprechenden Rahmenfrist (Art. 9 Abs. 1 bis 3 AVIG) als Voraussetzung für den Leistungsbezug (Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG) und zur Anrechnung (Art. 13 Abs. 2 AVIG) bzw. Befreiung (Art. 14 Abs. 1 AVIG) von der Beitragszeit sowie die Rechtsprechung zu den beweismässigen Anforderungen an den Nachweis der tatsächlichen Lohnauszahlung (BGE 131 V 444; vgl. auch Urteil C 196/06 vom 5. September 2007, E. 2.2; Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Ulrich Meyer [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Band XIV, Soziale Sicherheit, 2. Aufl., Basel 2007, S. 2239 Rz. 207 mit Hinweise) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
 
3.
 
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. Oktober 2004.
 
3.1 Die Vorinstanz hat nach eingehender Auseinandersetzung mit den von der Beschwerdegegnerin als Folge des früheren Rückweisungsentscheides (vom 24. November 2005) zusätzlich beschafften Unterlagen sowie nach Konsultation der von ihr selber beigezogenen Akten des Steueramtes des Kantons St. Gallen und der Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen in für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlicher Weise (vgl. E. 1.2.1 und 1.2.2 hievor) festgestellt, dass eine während der Rahmenfrist für die Beitragszeit während mindestens zwölf Monaten ausgeübte beitragspflichtige Beschäftigung nicht rechtsgenüglich dargetan sei, indem namentlich der Nachweis einer effektiven Lohnzahlung während dieses Zeitraums fehle. Mangels Erfüllens der Beitragszeit (gemäss Art. 13 Abs. 1 AVIG) sei deshalb der Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. Oktober 2004 zu verneinen.
 
3.2 Was letztinstanzlich vorgebracht wird, ist nicht geeignet, die Erkenntnisse des kantonalen Gerichts als offensichtlich unrichtig oder als Ergebnis qualifiziert unrichtiger Beweiswürdigung erscheinen zu lassen. Werden insbesondere die Steuerakten der Firma E.________ AG in Liquidation (vormals X.________ AG) konsultiert, so fällt beim Konto 2500 "Gesellschafterdarlehen" auf, dass der Beschwerdeführer laut diesem Kontoauszug die jeweiligen Lohnbetreffnisse gar nicht bar ausbezahlt erhielt, sondern diese jeweils - jedenfalls im Jahr 2004 - dem Gesellschafterdarlehenskonto gutgeschrieben wurden. Vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wurde am 16. Mai 2007 zuhanden der Vorinstanz denn auch explizit bestätigt, dass es sich um das Konto des Beschwerdeführers handelt, auf welches die Verbuchungen erfolgten. Aus den einzelnen Transaktionen ist ersichtlich, dass der Bestand des Darlehens durch die entsprechenden Lohnbuchungen zunahm, sich durch die Verbuchungen des Lohnes also nicht etwa ein dem Beschwerdeführer durch die X.________ AG gewährtes Darlehen in seinem Bestand verringerte. Es sind sodann auch keine Auszahlungen an den Beschwerdeführer direkt verbucht. Im Gegenteil verhielt es sich sogar so, dass der Beschwerdeführer zusätzlich noch beträchtliche Einlagen leistete (17. März 2004: Fr. 6'000.-; 18. März 2004: Fr. 20'000.-; 17. Juni 2004: Fr. 10'000.-) und nur einmal am 5. April 2004 eine Auszahlung an "Dr. P.________ i. S. Glaskonzept" in Höhe Fr. 29'000.- vorgenommen worden war, welche aber nicht einmal die Höhe der Einlagen von insgesamt Fr. 36'000.- erreichte. Auf Grund dieses Kontoauszuges, dessen Richtigkeit vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit Eingabe vom 16. Mai 2007 nicht bestritten wurde, müssen die der Beschwerdegegnerin eingereichten Quittungen bezüglich bar entrichteter Gehaltszahlungen zumindest für die Monate Januar bis September 2004 als inhaltlich falsch bezeichnet werden. Bei einer blossen Gutschrift der Lohnansprüche auf das Konto "Gesellschafterdarlehen" im Sinne eines "Stehenlassens" der Lohnforderungen kann keine Auszahlung des Verdienstes angenommen werden, wie die Bestätigungen mit dem Vermerk "Betrag dankend erhalten" suggerieren sollen. Vielmehr sind die Beträge in der Gesellschaft verblieben mit entsprechender Erhöhung der Darlehensforderung des Beschwerdeführers gegenüber der AG. Die Vorinstanz hatte gerade auch unter Berücksichtigung der Buchhaltungsunterlagen der E.________ AG in Liquidation in zutreffender Weise keine effektiven Lohnzahlungen an den Beschwerdeführer während der massgebenden Beitragszeit von zwölf Monaten vom 1. Oktober 2003 bis 30. September 2004 angenommen. Insbesondere für die Monate Januar bis September 2004 ist im Lichte der betreffenden Akten erstellt, dass nicht von einer effektiven Lohnzahlung (vgl. dazu Barbara Kupfer Bucher, Der Nachweis des Lohnflusses als Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung: eine zusammengefasste Darstellung der Grundlagen und der Praxis mit einer kritischen Würdigung, in: SZS 2005 S. 125 ff., insbes. S. 132 f.) ausgegangen werden kann. An diesem Ergebnis würde auch die Befragung des vom Beschwerdeführer angeführten Zeugen S.________ in dessen Funktion als ehemaliges Verwaltungsratsmitglied der X.________ AG nichts ändern, da auch diese den Widerspruch zwischen dem Kontoauszug "Gesellschafterdarlehen" und den auf Barauszahlungen hindeutenden Quittungen nicht zu beseitigen vermöchte. Das kantonale Gericht durfte daher in antizipierter Beweiswürdigung (BGE 124 V 90 E. 4b [mit Hinweisen] S. 94) von einer entsprechenden Anhörung absehen.
 
Nach dem Gesagten ist ein wenigstens zwölf Monate währender Lohnfluss in der massgebenden Rahmenfrist nicht rechtsgenüglich belegt. Rechtsprechungsgemäss ist der Nachweis tatsächlicher Lohnzahlung zwar keine selbstständige Anspruchsvoraussetzung, wohl aber ein bedeutsames, gerade in kritischen Fällen wie dem vorliegenden ausschlaggebendes Indiz für die Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung (BGE 131 V 344 E. 3.3 S. 453; ARV 2007 S. 44, C 83/06, und S. 46, C 284/05; Urteil C 289/06 vom 10. Mai 2007, E. 3). Die Verneinung des Anspruchs auf Arbeitslosentschädigung für die Zeit ab 1. Oktober 2004 infolge Nichterfüllens der Beitragszeit erweist sich daher als rechtens.
 
4.
 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG). Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, dem Amt für Arbeit des Kantons St. Gallen und dem Staatssekretariat für Wirtschaft schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 4. Januar 2008
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
Ursprung Fleischanderl
 
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