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Informationen zum Dokument  BGer 8C_23/2007  Materielle Begründung
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BGer 8C_23/2007 vom 12.03.2008
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
8C_23/2007
 
Urteil vom 12. März 2008
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
 
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Lustenberger, Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
 
Gerichtsschreiber Flückiger.
 
Parteien
 
Schweizerische National-Versicherungs-Gesellschaft, Steinengraben 41, 4051 Basel, Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
A.________,
 
M.________,
 
T.________,
 
S.________,
 
Beschwerdegegner,
 
alle vier vertreten durch Rechtsanwalt Beat Gsell, Schanzeneggstrasse 1, 8002 Zürich.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 4. Januar 2007.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Der 1955 geborene V.________ erlitt am 27. Februar 1994 einen bei der Schweizerischen National-Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: National) nach UVG versicherten Unfall.
 
Am 13. September 2001 nahm sich V.________ das Leben.
 
Mit Schreiben vom 28. Januar 2002 liessen die Erben des V.________ einen Anspruch auf Hinterlassenenleistungen der National geltend machen. Der Versicherer verneinte nach einem kurzen Briefwechsel mit Schreiben vom 8. Mai 2002 seine Leistungspflicht.
 
Am 14. Juni 2005 erneuerten die Erben des V.________ ihr Gesuch um Ausrichtung von Hinterlassenenleistungen. Die National erklärte mit Brief vom 4. August 2005, sie betrachte den Fall als erledigt, da die Mitteilung vom 8. Mai 2002 als faktische Verfügung rechtskräftig geworden sei. Diesen Standpunkt bestätigte der Versicherer in weiteren Stellungnahmen vom 30. September 2005 und 16. Juni 2006.
 
B.
 
Die Erben des V.________ erhoben am 12. September 2006 Beschwerde wegen Rechtsverweigerung. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess diese gut und verpflichtete die National, betreffend Hinterlassenenleistungen eine schriftliche und begründete Verfügung mit Rechtsmittelbelehrung zu erlassen (Entscheid vom 4. Januar 2007).
 
C.
 
Die National führt Beschwerde mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben.
 
Die Erben des V.________ schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
D.
 
Mit Verfügung der Instruktionsrichterin vom 5. Juni 2007 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Gemäss Art. 56 Abs. 2 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG, auf die obligatorische Unfallversicherung anwendbar gemäss Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung, UVG) kann Beschwerde erhoben werden, wenn der Versicherungsträger entgegen dem Begehren der betroffenen Person keine Verfügung oder keinen Einspracheentscheid erlässt. Das mit einer derartigen Rechtsverweigerungsbeschwerde verfolgte rechtlich geschützte Interesse besteht darin, einen an eine gerichtliche Beschwerdeinstanz weiterziehbaren Entscheid zu erhalten. Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens ist deshalb allein die Prüfung der beanstandeten Rechtsverweigerung. Nicht zum Streitgegenstand gehören dagegen die zu regelnden materiellen Rechte und Pflichten (SVR 2005 IV Nr. 26 S. 102 E. 4.2 mit Hinweisen, I 328/03).
 
2.
 
2.1 Über Leistungen, Forderungen und Anordnungen, die erheblich sind oder mit denen die betroffene Person nicht einverstanden ist, hat der Versicherungsträger schriftlich Verfügungen zu erlassen (Art. 49 Abs. 1 ATSG). Im gleichen Sinn bestimmte Art. 99 Abs. 1 UVG in der bis Ende 2002 gültig gewesenen Fassung, der Versicherer habe über erhebliche Leistungen und Forderungen und über solche, mit denen der Betroffene nicht einverstanden ist, schriftliche Verfügungen zu erlassen.
 
2.2 Die Verfügungen werden mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen. Sie sind zu begründen, wenn sie den Begehren der Parteien nicht voll entsprechen. Aus einer mangelhaften Eröffnung einer Verfügung darf der betroffenen Person kein Nachteil erwachsen (Art. 49 Abs. 3 ATSG). Auch diese Grundsätze galten in der obligatorischen Unfallversicherung bereits unter dem früheren Recht (Alfred Maurer, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, 2. Auflage, Bern 1989, S. 604).
 
2.3 Leistungen, Forderungen und Anordnungen, die nicht unter Art. 49 Abs. 1 ATSG fallen, können in einem formlosen Verfahren behandelt werden (Art. 51 Abs. 1 ATSG). Die betroffene Person kann den Erlass einer Verfügung verlangen (Art. 51 Abs. 2 ATSG). Das damit geregelte formlose Verfahren, zu welchem das Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (VwVG) keine Bestimmung enthält, war insbesondere in Form des so genannten De-facto-Systems im Verfahren der obligatorischen Unfallversicherung bereits vor dem Inkrafttreten des ATSG weit verbreitet (Maurer, a.a.O., S. 603).
 
3.
 
3.1 Nach der zitierten Regelung unterscheidet das ATSG zwischen der Behandlung eines Gesuchs mittels Verfügung einerseits und im formlosen Verfahren andererseits. Die erste Variante ist vorgeschrieben, wenn es sich um eine erhebliche Leistung, Forderung oder Anordnung handelt sowie wenn die versicherte Person mit dem Entscheid nicht einverstanden ist. In den übrigen Fällen ist das formlose Verfahren nach Art. 51 ATSG zulässig. Es stellt sich zunächst die Frage, ob das Schreiben vom 8. Mai 2002 als Verfügung oder als formlose Erledigung zu gelten hat.
 
3.2 Im von der Vorinstanz zitierten, in BGE 132 V 412 ff. auszugsweise veröffentlichten Urteil U 62/06 vom 7. September 2006 hatte der Unfallversicherer in einem Schreiben an die versicherte Person erklärt, die bisher erbrachten Leistungen (Heilbehandlung und Taggeld) würden eingestellt, nachdem keine objektivierbaren pathologischen Befunde hätten erhoben werden können, welche als wahrscheinliche Folgen des Unfallereignisses zu werten seien. Der Brief enthielt keine Rechtsmittelbelehrung und war auch nicht als Verfügung bezeichnet. Das Eidgenössische Versicherungsgericht qualifizierte das Schreiben nicht als Verfügung, sondern ordnete es dem formlosen Verfahren zu. Die Abgrenzung zwischen diesen beiden Erledigungsformen hat somit in der Weise zu erfolgen, dass eine Verfügung - unter Umständen abweichend von der allgemeinen, an inhaltlichen Kriterien orientierten Definition gemäss Art. 5 VwVG - nur dann vorliegt, wenn das fragliche Schriftstück als solche bezeichnet ist oder zumindest eine Rechtsmittelbelehrung enthält. Weist eine in diesem Sinn verstandene Verfügung einen Mangel auf, bestimmen sich die Konsequenzen nach Art. 49 Abs. 3 Satz 3 ATSG, wonach der versicherten Person aus einer mangelhaften Eröffnung kein Nachteil entstehen darf. Die konkreten Rechtsfolgen ergeben sich aus der Art des Mangels (ausführlich zu den Auswirkungen verschiedener Eröffnungsmängel Michele Albertini, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staates, Diss. Bern 1999, S. 440 ff.). Eine falsche oder fehlende Rechtsmittelbelehrung führt regelmässig zur Verlängerung der Einsprachefrist (zum Ganzen Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Auflage, Zürich 1998, S. 130 ff., N 362 ff., sowie Ueli Kieser, Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG], in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 2. Auflage, Basel 2007, S. 217 ff., 289, N 164). Erfüllt dagegen der Brief, in welchem der Versicherer seinen Standpunkt äussert, die erwähnten Anforderungen nicht und hat er somit nicht als Verfügung zu gelten, kann das Verfahren nicht durch einen Einspracheentscheid fortgesetzt werden, sondern muss sich zunächst auf den Erlass einer Verfügung richten.
 
3.3 In ihrem Schreiben vom 8. Mai 2002 führte die National aus, aufgrund des Polizeirapports sei sie der Meinung, dass der Suizid nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 27. Februar 1994 zurückzuführen sei. Deshalb könne sie keine Leistungen ausrichten. Der Brief war nicht als Verfügung bezeichnet und enthielt keine Rechtsmittelbelehrung. Mit Blick auf die vorstehend dargelegten Grundsätze hat er nicht als formelle Verfügung zu gelten, sondern ist dem formlosen Verfahren zuzuordnen.
 
4.
 
Art. 51 Abs. 1 ATSG sieht die Behandlung eines Anspruchs im formlosen Verfahren ausdrücklich vor in Bezug auf Gegenstände, welche nicht unter Art. 49 Abs. 1 ATSG fallen. Diese bereits zitierte Bestimmung schreibt für erhebliche Leistungen sowie bei Nichteinverständnis der versicherten Person die Verfügungsform vor. Die formlose Erledigung ist diesfalls unzulässig. Der bereits vor dem Inkrafttreten des ATSG gültig gewesene, unverändert gebliebene Art. 124 UVV hält in lit. b fest, eine schriftliche Verfügung sei unter anderem zu erlassen über die Verweigerung von Versicherungsleistungen. Mit dem Inkrafttreten des ATSG hat sich in diesem Punkt gegenüber der Rechtslage nach Art. 99 Abs. 1 UVG (in der bis Ende 2002 gültig gewesenen Fassung) nichts geändert (vgl. BGE 132 V 412 E. 4 S. 417). Auch mit Bezug auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt, in welchem das einen Anspruch verneinende Schreiben aus dem Jahr 2002 datiert, ist demzufolge von einer Verfügungspflicht des Unfallversicherers auszugehen. Der Entscheid hätte in Form einer Verfügung ergehen müssen.
 
5.
 
5.1 Nach dem Gesagten war es unzulässig, dass die National über die beantragten Hinterlassenenleistungen durch das Schreiben vom 8. Mai 2002 formlos und nicht mittels Verfügung in ablehnendem Sinn entschieden hat. Art. 51 ATSG, welcher sich nur auf das zulässige formlose Verfahren bezieht, kann daher keine direkte Anwendung finden. Ebenso wenig kommt ein unmittelbares Abstellen auf Art. 49 Abs. 3 Satz 3 ATSG in Frage, da keine Verfügung - auch nicht eine mangelbehaftete - vorliegt. Das Gesetz enthält somit für den hier gegebenen Fall, in dem der Versicherer im formlosen Verfahren nach Art. 51 ATSG einen Entscheid gefällt hat, welcher laut Art. 49 Abs. 1 ATSG in Verfügungsform ergehen muss, keine ausdrückliche Regelung. Damit das Verfahren in die gesetzlich vorgesehenen Wege gelenkt und der versicherten Person der Rechtsweg eröffnet wird, ist jedoch der (bisher nicht erfolgte) Erlass einer formellen Verfügung notwendig. Dementsprechend drängt sich in Analogie zu Art. 51 Abs. 2 ATSG die Lösung auf, dass die versicherte Person einen Entscheid in Form einer Verfügung verlangen kann. In diesem Zusammenhang stellt sich insbesondere die Frage nach allfälligen zeitlichen Grenzen dieser Befugnis.
 
5.2 Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht in der nicht veröffentlichten E. 6 des bereits erwähnten, auszugsweise in BGE 132 V 412 publizierten Urteils U 62/06 vom 7. September 2006 erkannt hat, verhält sich die versicherte Person nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne der zweckwidrigen Verwendung eines Rechtsinstituts (vgl. zu dieser Form des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens Thomas Gächter, Rechtsmissbrauch im öffentlichen Recht, unter besonderer Berücksichtigung des Bundessozialversicherungsrechts, Zürich 2005, S. 312, mit weiteren Hinweisen), wenn sie erst mehrere Monate nach einem unzulässigerweise im formlosen Verfahren erfolgten Fallabschluss den Erlass einer formellen Verfügung verlangt. Im konkreten Fall wurde ein entsprechendes, 81/2 Monate nach dem als formlos qualifizierten Schreiben gestelltes Gesuch als nicht rechtsmissbräuchlich betrachtet und der Versicherer verpflichtet, die verlangte Verfügung zu erlassen. Es ginge nun allerdings zu weit anzunehmen, die versicherte Person könne in dieser Konstellation ohne jede zeitliche Beschränkung auf dem Erlass einer Verfügung bestehen. Ebenso wie sich die Umschreibung der Rechtsfolgen der mangelhaften Eröffnung einer Verfügung an einer Abwägung zu orientieren hat, welche einerseits dem Rechtsschutzinteresse der betroffenen Person und andererseits dem Gebot der Rechtssicherheit Rechnung trägt, wobei der Grundsatz von Treu und Glauben als Richtschnur dient (BGE 119 Ib 68 E. 3b S. 72; Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Auflage, Zürich 1998, S. 130 f. N 364; Michele Albertini, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staates, Diss. Bern 1999, S. 442), rechtfertigt es sich auch im hier zu beurteilenden Kontext nicht, den Interessen der versicherten Person uneingeschränkt den Vorrang einzuräumen. Vielmehr ist ihre Befugnis, einen formell korrekten Entscheid des Versicherers zu verlangen, insbesondere mit Blick auf das Gebot der Rechtssicherheit sowie den Verfassungsgrundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV), der auch Private in ihrem Verhältnis zu staatlichen Organen bindet (Beatrice Weber-Dürler, Neuere Entwicklungen des Vertrauensschutzes, ZBl 6/2002 S. 281 ff., 282 f.; Yvo Hangartner, in: Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender [Hrsg.], Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, Zürich 2002, S. 63, Art. 5 N 39; Susanne Leuzinger-Naef, Der Wegfall der Unfallkausalität, in: René Schaffhauser/Franz Schlauri [Hrsg.], Sozialversicherungsrechtstagung 2007, St. Gallen 2007, S. 9 ff., 28), zeitlich zu beschränken. Die vom kantonalen Gericht herangezogene und als massgeblich betrachtete Aussage im Urteil U 62/06 vom 7. September 2006, E. 6 (nicht veröffentlicht in BGE 132 V 412), ist deshalb insofern zu präzisieren, als die versicherte Person einen unzulässigerweise im formlosen Verfahren erlassenen Entscheid des Unfallversicherers, den Fall abzuschliessen, nicht zeitlich unbeschränkt in Frage stellen kann, sondern nur innerhalb einer Frist, deren Dauer nachfolgend zu definieren ist. Unterbleibt eine fristgerechte Intervention, entfaltet der im formlosen Verfahren ergangene Entscheid in gleicher Weise Rechtswirkungen, wie wenn er im durch Art. 51 Abs. 1 ATSG umschriebenen Rahmen erlassen worden wäre.
 
5.3 Zu prüfen bleibt, innerhalb welcher Frist die betroffene Person gegen den unzulässigerweise formlos mitgeteilten Fallabschluss durch den obligatorischen Unfallversicherer zu intervenieren hat.
 
5.3.1 Mit Bezug auf das zulässige formlose Verfahren nach Art. 51 ATSG, also den Bereich der nicht erheblichen Leistungen, Forderungen und Anordnungen, deren Beurteilung die versicherte Person nicht bereits vorgängig widersprochen hat, wurde im Verlauf der Gesetzgebungsarbeiten diskutiert, innerhalb welcher Frist die versicherte Person ihr Gesuch um Erlass einer Verfügung stellen müsse (zur Entstehungsgeschichte der Norm vgl. BGE 132 V 412 E. 2.2 S. 415 f. sowie Barbara Kupfer Bucher, Das nichtstreitige Verwaltungsverfahren nach dem ATSG und seine Auswirkungen auf das AVIG, Diss. Freiburg 2006, S. 207 f.). Der Bundesrat schlug in seiner vertieften Stellungnahme vom 17. August 1994 "Parlamentarische Initiative Sozialversicherungsrecht" (BBl 1994 V 921 ff.) eine Frist von einem Jahr seit Entstehen des Anspruchs vor. Zur Begründung wurde erklärt, die Aufnahme einer Frist sei im Interesse der Rechtssicherheit angezeigt (BBl 1994 V 949). Im weiteren Verlauf stand auch eine Frist von lediglich einem Monat zur Diskussion (Franz Schlauri, Grundstrukturen des nichtstreitigen Verwaltungsverfahrens in der Sozialversicherung, in: Schaffhauser/Schlauri [Hrsg.], Verfahrensfragen in der Sozialversicherung, St. Gallen 1996, S. 9 ff., S. 57 mit Fn. 87). Die Kommission des Nationalrates für soziale Sicherheit und Gesundheit lehnte in ihrem Bericht vom 26. März 1999 (BBl 1999 4523 ff.) die Aufnahme einer Frist in das Gesetz ab. Sie argumentierte, das formlose Verfahren beschlage sehr unterschiedliche Abläufe in der Sozialversicherung. Es sei daher falsch, eine Frist zu fixieren. Zwar gingen Praxis und Rechtsprechung in der Krankenversicherung davon aus, dass eine Verfügung während ca. eines Jahres verlangt werden könne. Es sei aber wohl unzweckmässig, dies einheitlich für alle möglichen Fälle vorzusehen (BBl 1999 4610). Dementsprechend regelt der nunmehrige Art. 51 Abs. 2 ATSG diesen Punkt nicht. In der Lehre wird davon ausgegangen, die Frist müsse auf jeden Fall länger sein als die 30-tägige Rechtsmittelfrist, könne aber wohl mehrere Monate nicht übersteigen, wobei die sachgerechte Dauer vom Einzelfall abhänge (Thomas Locher, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 3. Auflage, Bern 2003, S. 433, § 65 N 26; zu den zu berücksichtigenden Kriterien äussert sich Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, Zürich 2003, S. 513 f., Art. 51 N 13). In der Militärversicherung nimmt die Verwaltung im Regelfall eine sechsmonatige Frist an (Jürg Maeschi, Kommentar zum Bundesgesetz über die Militärversicherung, Bern 2000, S. 600, Art. 96 N 10; Franz Schlauri, a.a.O., S. 57 Fn. 87).
 
5.3.2 Die hier zu beurteilende Konstellation unterscheidet sich von der durch Art. 51 Abs. 2 ATSG geregelten dadurch, dass über Leistungen zu befinden ist, für deren Beurteilung das Gesetz (Art. 49 Abs. 1 ATSG respektive Art. 99 Abs. 1 UVG [in der bis Ende 2002 gültig gewesenen Fassung] in Verbindung mit Art. 124 UVV) die Verfügungsform vorschreibt. Es ist - auch im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten - von einem relativ hohen Grad an Betroffenheit der versicherten Person auszugehen, was sich verfahrensrechtlich insofern auswirkt, als dem Anspruch auf rechtliches Gehör und namentlich dem Begründungserfordernis besonderes Gewicht zukommt (Michele Albertini, a.a.O., S. 406, mit Hinweis auf BGE 124 V 180). Dieser Aspekt spricht im Vergleich zum gesetzlich vorgesehenen formlosen Verfahren nach Art. 51 ATSG für die Annahme einer längeren Frist. Ein weiteres, in dieselbe Richtung weisendes Argument ergibt sich aus dem Umstand, dass der Versicherer das formlose Verfahren entgegen der gesetzlichen Regelung zur Anwendung gebracht und somit die für ihn resultierende vorübergehende Rechtsunsicherheit selbst zu verantworten hat. Andererseits haben auch Dritte, welche nicht direkt am Verfahren beteiligt sind, im Hinblick auf allfällige Haftpflicht- und Regressansprüche ein berechtigtes Interesse an einer Klärung der Rechtslage. In Anbetracht der einander gegenüberstehenden Interessen sowie unter Berücksichtigung des Verfassungsgrundsatzes von Treu und Glauben erscheint es für den Regelfall als gerechtfertigt, von der betroffenen Person zu erwarten, dass sie innerhalb eines Jahres seit der unzulässigerweise im formlosen Verfahren erfolgten Mitteilung des Fallabschlusses an den Unfallversicherer gelangt, wenn sich dieser seither nicht mehr gemeldet hat. Eine längere Frist kommt allenfalls dann in Frage, wenn die Person - insbesondere wenn sie rechtsunkundig und nicht anwaltlich vertreten ist - in guten Treuen annehmen durfte, der Versicherer habe noch keinen abschliessenden Entscheid fällen wollen und sei mit weiteren Abklärungen befasst.
 
5.4 Aus dem Schreiben der National vom 8. Mai 2002 geht unmissverständlich hervor, dass es der Versicherer ablehnte, die beantragten Leistungen zu erbringen. Von weiteren Abklärungen war nicht die Rede. Die nach Lage der Akten bereits seit September 2001 anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner waren deshalb nach dem Gesagten gehalten, innerhalb eines Jahres seit Zugang des Schreibens zu reagieren und ihr Nichteinverständnis zu bekunden. Die erst am 14. Juni 2005, nach Ablauf von mehr als drei Jahren, erfolgte Intervention vermochte somit keine Verpflichtung des Unfallversicherers mehr auszulösen, in Verfügungsform über die streitigen Ansprüche zu entscheiden. Vielmehr hatte der im formlosen Verfahren ergangene Entscheid vom 8. Mai 2002 inzwischen Rechtswirksamkeit erlangt, wie wenn er im durch Art. 51 Abs. 1 ATSG umschriebenen Rahmen erlassen worden wäre. Die National beging demzufolge keine Rechtsverweigerung, als sie es ablehnte, eine Verfügung zu erlassen. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen und der kantonale Entscheid ist aufzuheben.
 
6.
 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 1 und Abs. 4 lit. a BGG). Die Gerichtskosten sind den Beschwerdegegnern als der unterliegenden Partei aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin als in ihrem amtlichen Wirkungskreis handelnde, mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraute Organisation hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 4. Januar 2007 aufgehoben.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden den Beschwerdegegnern auferlegt.
 
3.
 
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 12. März 2008
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Ursprung Flückiger
 
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