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Informationen zum Dokument  BGer 6B_653/2007  Materielle Begründung
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BGer 6B_653/2007 vom 29.03.2008
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_653/2007 /bri
 
Urteil vom 29. März 2008
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
 
Gerichtsschreiber Thommen.
 
Parteien
 
A.X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
 
Georg Sutter,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Vernachlässigung von Unterhaltspflichten (Art. 217 Abs. 1 StGB),
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 3. September 2007.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Mit Scheidungsurteil vom 15. September 1999 wurde A.X.________ verpflichtet, B.X.________ vom 1. August 1998 bis zum 31. Dezember 2009 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 1'300.-- zu bezahlen. Es wird ihm vorgeworfen, diese nachehelichen Unterhaltszahlungen im Zeitraum vom Mai 2005 bis Juli 2006 nicht geleistet zu haben. Insbesondere soll er seine Anstellung als Plattenleger aufgegeben haben mit dem alleinigen Ziel, sich seinen Unterhaltspflichten zu entziehen. Bis Ende April 2005 verdiente er als Angestellter der 'C.________ GmbH' monatlich Fr. 5'500.-- brutto. Nach seiner gemäss eigenen Angaben gesundheitsbedingten Kündigung verdiente er als selbständig Erwerbender noch zwischen Fr. 2'000.-- und 3'000.-- monatlich.
 
B.
 
Mit Urteil des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirks Winterthur vom 27. Februar 2007 wurde A.X.________ vollumfänglich freigesprochen.
 
C.
 
Auf Berufung der Staatsanwaltschaft befand ihn das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 3. September 2007 der Vernachlässigung von Unterhaltspflichten (Art. 217 Abs. 1 StGB) für schuldig. Es bestrafte ihn mit einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à Fr. 30.--. Anstelle der Geldstrafe wurde er zur Leistung von 480 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Der Vollzug der Strafe wurde nicht aufgeschoben.
 
D.
 
A.X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und seine Freisprechung. Eventualiter sei die Sache zur Durchführung eines Beweisverfahrens und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück zu weisen. Ferner ersucht er um aufschiebende Wirkung.
 
E.
 
Sowohl das Obergericht als auch die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich verzichten auf eine Vernehmlassung.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Die Beschwerde hat in der Regel keine aufschiebende Wirkung (Art. 103 Abs. 1 BGG). In Strafsachen hat sie im Umfang der Begehren aufschiebende Wirkung, wenn sie sich gegen einen Entscheid richtet, der eine unbedingte Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Massnahme ausspricht (Art. 103 Abs. 2 lit. b BGG). Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann über die aufschiebende Wirkung von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei eine andere Anordnung treffen (Art. 103 Abs. 3 BGG).
 
1.1 Nach Art. 103 Abs. 2 lit. b BGG tritt die Suspensivwirkung von Gesetzes wegen ein, wenn eine unbedingte Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Massnahme droht. Auf die Anordnung gemeinnütziger Arbeit (Art. 37 StGB) ist Art. 103 Abs. 2 lit. b nicht anwendbar. Diese Strafe beschränkt die Freiheit des Betroffenen zwar auch, doch ergibt sich aus der Gesetzessystematik und den Marginalien zu Art. 34-41 StGB klar, dass die gemeinnützige Arbeit nicht zu den Freiheitsstrafen gezählt wird (Marc Thommen, Basler Kommentar zum BGG, Art. 103 N 21).
 
1.2 Vorliegend tritt somit keine Suspensivwirkung ex lege ein. Mangels Nachweises einer bereits erfolgten Aufforderung zur Leistung der ausgefällten gemeinnützigen Arbeit drohen dem Beschwerdeführer (noch) keine unmittelbaren nicht wiedergutzumachenden Nachteile. Es besteht daher auch kein Anlass für eine abweichende instruktionsrichterliche Anordnung im Sinne von Art. 103 Abs. 3 BGG.
 
2.
 
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG).
 
2.1 Die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht sowie behauptete Mängel in der Sachverhaltsfeststellung prüft das Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und substantiiert begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 IV 286 E. 1).
 
2.2 Diesen Begründungsanforderungen genügen die rein appellatorischen Ausführungen des Beschwerdeführers zur Zahlungsunwilligkeit und zur "Arztphobie" (Beschwerde S. 10) ebenso wenig wie diejenigen zu den Aussagen des Beschwerdeführers anlässlich der Scheidungsverhandlung und bei seiner ersten Einvernahme. Darauf ist nicht einzugehen.
 
3.
 
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Verneinung seiner Gesundheitsprobleme sei willkürlich.
 
3.1 Art. 9 BV gewährleistet den Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür behandelt zu werden. Willkür in der Beweiswürdigung liegt vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen (BGE 127 I 38 E. 2a; 124 IV 86 E. 2a).
 
3.2 Die Beweiswürdigung der Vorinstanz ist nicht willkürlich. Sie kommt in tatsächlicher Hinsicht zum Schluss, dass die für die Aufgabe der unselbständigen Tätigkeit angeführten gesundheitlichen Probleme nachgeschoben wurden. In der Kündigung wurden die gesundheitlichen Probleme nicht erwähnt. Bei der Polizei habe der Beschwerdeführer lediglich ausgesagt, die Arbeit sei ihm zu "stressig" gewesen. Erst in der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme habe er erstmals gesundheitliche Probleme als Kündigungsgrund vorgebracht. Gegen gravierende Gesundheitsprobleme spricht ferner, dass er keinen Arzt aufsuchte und im Angestelltenverhältnis keine Arbeitserleichterungen verlangte. Auch bemühte er sich nicht um eine Abklärung durch die IV oder SUVA. Vor diesem Hintergrund konnte die Vorinstanz willkürfrei annehmen, die vorgebrachten Gesundheitsprobleme seien nachgeschobene Schutzbehauptungen. Wenn und soweit zur Kündigung führende Gesundheitsprobleme ohne Willkür ausgeschlossen werden können, braucht auch nicht entschieden zu werden, ob die diesbezüglichen Protokollzitate und die Zeugenaussage seines Arbeitgebers richtig wiedergegeben worden sind.
 
4.
 
Der Beschwerdeführer beanstandet, dass die Vorinstanz seine gesundheitlichen Probleme verneint habe, ohne das beantragte ärztliche Gutachten einzuholen. Damit seien sein Gehörsanspruch verletzt, Beweise verbotenerweise antizipiert gewürdigt und ihm die Beweislast auferlegt worden.
 
4.1 Der Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV umfasst unter anderem das Recht, mit entscheidrelevanten Beweisanträgen gehört zu werden. Dies verwehrt es dem Gericht indessen nicht, einen Beweisantrag abzulehnen, wenn es ohne Willkür in freier, antizipierter Würdigung der beantragten zusätzlichen Beweise zur Auffassung gelangen durfte, dass weitere Beweisvorkehren an der Würdigung der bereits abgenommenen Beweise voraussichtlich nichts ändern würden (BGE 131 I 153 E. 3; 124 I 208 E. 4a). Als Beweislastregel besagt der in Art. 32 Abs. 1 BV verankerte 'in dubio pro reo' - Grundsatz, dass es Sache des Staates ist, die Schuld des Angeklagten zu beweisen, und nicht dieser seine Unschuld nachweisen muss (BGE 127 I 38 E. 2a; 120 Ia 31 E. 2c).
 
4.2 Weder das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers noch noch der Grundsatz 'in dubio pro reo' wurden verletzt. Nachdem die Vorinstanz aufgrund seines Aussageverhaltens und der Würdigung von Beweisen (Kündigung) willkürfrei zum Schluss gelangen konnte, dass seine Gesundheitsprobleme bloss eine nachgeschobene Schutzbehauptung war, brauchte sie keine weiteren Beweise in Form (nachträglich retrospektiver) medizinischer Gutachten und Befragungen von Fachpersonen mehr zu erheben. Inwiefern ihm damit die Beweislast auferlegt worden sein soll, ist nicht nachvollziehbar.
 
5.
 
Zusammenfassend ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 29. März 2008
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Schneider Thommen
 
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