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Informationen zum Dokument  BGer 9C_110/2008  Materielle Begründung
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BGer 9C_110/2008 vom 07.04.2008
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
9C_110/2008
 
Urteil vom 7. April 2008
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
 
Bundesrichter Borella, Seiler,
 
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.
 
Parteien
 
Dr. med. X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. German Grüniger, Bahnhofplatz 9, Postfach 1867, 8021 Zürich, und dieser vertreten durch Rechtsanwältin Ricarda Tuffli Wiedemann, Bahnhofplatz 9, Postfach 1867, 8021 Zürich,
 
gegen
 
Ärztegesellschaft des Kantons Bern, Gutenberg-strasse 9, 3011 Bern,
 
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecherin Heidi Bürgi, Kapellenstrasse 14, 3001 Bern.
 
Gegenstand
 
Krankenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Schiedsgerichts
 
in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Bern
 
vom 17. Dezember 2007.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Am 12. Oktober 2005 reichte die Ärztegesellschaft des Kantons Bern beim Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Bern eine Klage gegen Dr. med. X.________ ein mit dem Rechtsbegehren, der Beklagte sei schriftlich zu ermahnen und aufzufordern, Art. 11 des kantonalen Anschlussvertrages zum Rahmenvertrag TARMED zwischen der santésuisse und der Ärztegesellschaft des Kantons Bern (in der Fassung vom 1. Januar 2004) inskünftig einzuhalten und ausschliesslich im System des tiers garant abzurechnen (vgl. Art. 11 Abs. 1 Anschlussvertrag), soweit er sich nicht auf altrechtliche Vereinbarungen über Direktzahlungen berufen könne (vgl. Art. 11 Abs. 2 Anschlussvertrag), die er dem Schiedsgericht zuhanden der Ärztegesellschaft lückenlos zu eröffnen habe. Dem Beklagten sei für den Fall der Widerhandlung gegen die unter Ziff. 1 erwähnte Aufforderung der Ausschluss vom Vertrag anzudrohen. Im Verlaufe des Verfahrens wurde der am 1. Juli 2006 in Kraft getretene Anschlussvertrag zu den Akten genommen.
 
Mit Verfügung vom 30. März 2006 wies das Schiedsgericht ein Sistierungsbegehren des Dr. med. X.________ ab und gab die Zusammensetzung des Schiedsgerichtes bekannt. Dr. med. X.________ erhob am 12. April 2006 Einwände gegen die Einsetzung des vorgesehenen Vertreters der Ärztegesellschaft als Schiedsrichter und schloss mit Klageantwort vom 8. Mai 2006 auf Abweisung der Klage. Da die Amtsdauer des vorgesehenen Ärztevertreters als Schiedsrichter Ende 2006 abgelaufen war, schrieb die Instruktionsrichterin den Antrag auf Ablehnung des Schiedsrichters als gegenstandslos geworden ab und gab den Parteien die als Schiedsrichter gewählten Vertreter der Leistungserbringer Ärzte bekannt (Verfügung vom 30. März 2007), gegen welche keine Ablehnungsgründe vorgebracht wurden.
 
Mit Verfügung vom 9. Mai 2007 eröffnete die Instruktionsrichterin den Parteien die neue Zusammensetzung des Schiedsgerichts. Nachdem die Ärztegesellschaft auf eine Replik verzichtet hatte, schloss die Instruktionsrichterin am 12. Juni 2007 den Schriftenwechsel. Innert der ihm gleichzeitig gesetzten Frist liess sich Dr. med. X.________ vernehmen. Des Weitern reichte er den zwischenzeitlich am 22. Juni 2007 zwischen der santésuisse und der Ärztegesellschaft des Kantons Bern geschlossenen Anschlussvertrag (Datum des Inkrafttretens: 1. Januar 2008) ein, welcher eine neue Regelung betreffend Rechnungsstellung und Vergütung enthält. Von der ihr hierauf eingeräumten Gelegenheit, sich zu ihrem Rechtsschutzinteresse zu äussern, machte die Ärztegesellschaft mit Eingabe vom 8. November 2007 Gebrauch.
 
Mit Entscheid vom 17. Dezember 2007 wies das Schiedsgericht die Klage als gegenstandslos geworden ab. Die Verfahrenskosten von Fr. 2'000.- überband es den Parteien je zur Hälfte. Es wurde keine Parteientschädigung zugesprochen.
 
B.
 
Dr. med. X.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei insoweit aufzuheben, als er darin verpflichtet werde, die Hälfte der Verfahrenskosten zu tragen. Die Ärztegesellschaft habe sämtliche Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu übernehmen. Des Weitern sei der kantonale Entscheid insoweit abzuändern, als die Ärztegesellschaft zu verpflichten sei, ihm eine vom Gericht festzusetzende Parteientschädigung zu entrichten.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ist einzig streitig, ob das kantonale Gericht Dr. med. X.________ zu Recht die Hälfte der Gerichtskosten auferlegt und von der Zusprechung einer Parteientschädigung abgesehen hat. Unangefochten ist demgegenüber die Abschreibung des Verfahrens zufolge Gegenstandslosigkeit.
 
1.2 Da das Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) in Verfahren vor dem kantonalen Schiedsgericht keine Anwendung findet (Art. 1 Abs. 2 lit. e KVG), richtet sich die Beantwortung dieser Frage nach kantonalem Recht (Art. 89 KVG). Das anwendbare bernische Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG; BSG 155.21) regelt in Art. 110 die Kostenverlegung bei Rückzug, Abstand und Gegenstandslosigkeit wie folgt: Wer ein Gesuch, eine Klage oder ein Rechtsmittel zurückzieht, den Abstand erklärt oder auf andere Weise dafür sorgt, dass das Verfahren gegenstandslos wird, gilt als unterliegende Partei (Abs. 1). Wird ein Verfahren ohne Zutun einer Partei gegenstandslos, so sind die Verfahrens- und Parteikosten nach den abgeschätzten Prozessaussichten zu verlegen. Die Verfahrens- und Parteikosten können aus Billigkeitsgründen dem Gemeinwesen auferlegt werden (Abs. 2). Mit Zustimmung der instruierenden Behörde können die Parteien Abweichendes vereinbaren (Abs. 3).
 
1.3 Die Anwendung kantonalen Rechts prüft das Bundesgericht einzig auf Willkür hin (Art. 9 BV). Willkürlich ist ein Entscheid nicht schon dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkür liegt nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 133 I 149 E. 3.1 S. 153; 132 I 13 E. 5.1 S. 17 f.; 131 I 467 E. 3.1 S. 473 f., je mit Hinweisen).
 
2.
 
2.1 Ihren Entscheid, die Gerichtskosten den Parteien je zur Hälfte zu überbinden und keine Parteientschädigung zuzusprechen, begründete die Vorinstanz damit, dass auf der einen Seite die Beschwerdegegnerin mit dem Abschluss des neuen Anschlussvertrages die Gegenstandslosigkeit des Verfahrens, wenn auch indirekt und nicht beabsichtigt, zumindest mitverursacht habe und auf der anderen Seite der Beschwerdeführer mit dem pauschal begründeten Ablehnungsbegehren gegen den zuerst eingesetzten Fachrichter den Aufwand vergrössert und der Beschwerdegegnerin durch seinen Verstoss gegen den Wortlaut des alten Anschlussvertrages Anlass zur Klage gegeben habe.
 
Der Beschwerdeführer stellt sich demgegenüber auf den Standpunkt, die Beschwerdegegnerin habe die Gegenstandslosigkeit des Verfahrens nicht nur mit-, sondern alleinverursacht und gelte damit als unterliegende Partei, welche nach Art. 110 VRPG die Kosten zu tragen habe. Des Weitern könne es ihm nicht zum Nachteil gereichen, wenn er mit der Stellung eines Ablehnungsbegehrens von einem verfassungsmässigen Recht Gebrauch gemacht habe.
 
2.2 Beizupflichten ist dem Beschwerdeführer insoweit, als Auslöser für das Gegenstandsloswerden der neue Anschlussvertrag war, welchen die Beschwerdegegnerin mit der santésuisse am 22. Juni 2007 schloss. Gegenstandslos wurde das Verfahren allerdings auch durch den langen Zeitablauf seit Klageeinreichung; denn wäre der Prozess zügiger durchgeführt worden, hätte das Rechtsschutzinteresse noch bestanden. Die Annahme, die Beschwerdegegnerin habe die Gegenstandslosigkeit (nur) teilweise verursacht, ist somit nicht willkürlich; ebenso verhält es sich mit der gestützt darauf nach Massgabe des Art. 110 Abs. 1 VRPG vorgenommenen teilweisen Kostenauflage an die Beschwerdegegnerin. Nicht willkürlich ist demnach auch, dass die Vorinstanz die restlichen Kosten nach Art. 110 Abs. 2 VRPG verlegt hat.
 
Des Weitern hat das Gericht mit seiner wenn auch sehr kurzen Aussage, der Beschwerdeführer habe der Beschwerdegegnerin durch seinen Verstoss gegen den alten Anschlussvertrag Anlass zur Klage gegeben, zum Ausdruck gebracht, dass es die Klage als begründet betrachtet hätte, wenn sie nicht gegenstandslos geworden wäre; es hat damit den Prozessaussichten - wie in Art. 110 Abs. 2 VRPG vorgeschrieben - Rechnung getragen. Auch diese Beurteilung ist nicht willkürlich.
 
2.3 Soweit die Vorinstanz die Kostenauferlegung indessen auch damit begründet hat, dass der Beschwerdeführer mit dem pauschal begründeten Ablehnungsbegehren gegen den zuerst eingesetzten Fachrichter den Aufwand vergrössert habe, hält dies einer genaueren Betrachtung nicht stand. Denn aufgrund der Akten steht fest, dass das Gericht vom Eingang des Ablehnungsgesuchs im April 2006 bis zur Verfügung vom 30. März 2007, mit welcher es den Parteien das Ausscheiden des abgelehnten Richters eröffnete (welche Mitteilung unabhängig vom Ablehnungsgesuch zu erfolgen hatte) und das Ablehnungsbegehren als gegenstandslos geworden abschrieb, nichts unternommen hat. Es gab mithin gar keine durch das Ablehnungsgesuch veranlassten Kosten, die allenfalls nach dem Verursacherprinzip in analoger Anwendung von Art. 109 Abs. 2 VRPG (nach welcher Bestimmung unter anderem im Falle, dass die obsiegende Partei den Prozessaufwand durch unnötige Weitläufigkeiten vermehrt hat, je nach den Umständen auf eine verhältnismässige Teilung der Verfahrens- und Parteikosten erkannt werden kann) hätten verlegt werden können.
 
Selbst wenn man indessen für das Ablehnungsgesuch keine zusätzlichen Kosten veranschlagt, ist das kantonale Gericht, indem es die Parteien verpflichtet hat, die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 2'000.- je hälftig zu tragen, und von der Zusprechung einer Parteientschädigung abgesehen hat, nicht in Willkür verfallen. Da somit das Ergebnis nicht willkürlich ist, hält der angefochtene Entscheid vor Bundesrecht stand.
 
3.
 
Der Beschwerdeführer ist kostenpflichtig. Eine Parteientschädigung (Art. 68 BGG) ist nicht geschuldet, da keine Vernehmlassung eingeholt worden ist.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 600.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Bern und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 7. April 2008
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
Meyer i.V. Riedi Hunold
 
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