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Informationen zum Dokument  BGer 6B_725/2007  Materielle Begründung
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BGer 6B_725/2007 vom 15.04.2008
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_725/2007 /hum
 
Urteil vom 15. April 2008
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
 
Bundesrichter Favre, Mathys,
 
Gerichtsschreiberin Binz.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Beat Hess,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Strafzumessung; bedingter Strafvollzug, teilbedingter Strafvollzug,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, vom 30. Mai 2007.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Das Kriminalgericht des Kantons Luzern verurteilte X.________ am 30. Juni 2006 wegen mehrfachen Raubes und Diebstahls zu 1 Jahr und 11 Monaten Zuchthaus. Zudem widerrief es den bedingten Vollzug zweier früherer Strafen (3 Wochen Einschliessung und 14 Tage Haft).
 
B.
 
Auf Appellation des Verurteilten bestätigte das Obergericht des Kantons Luzern dieses Urteil am 30. Mai 2007, wobei es entsprechend dem neuen Recht auf 1 Jahr und 11 Monate Freiheitsstrafe erkannte.
 
C.
 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, er sei mit einer Freiheitsstrafe zu belegen, die den bedingten Strafvollzug zulässt. Eventuell sei eine Strafe auszufällen, die einen teilbedingten Vollzug ermöglicht, wobei 6 Monate zu vollziehen seien, während der andere Teil der Strafe bei einer Probzeit von 4 Jahren aufzuschieben sei. Im Übrigen sei auf den Widerruf früher bedingt aufgeschobener Strafen zu verzichten. Es sei eine Bewährungshilfe gemäss Art. 46 Abs. 2 StGB anzuordnen.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Die Vorinstanz verweist im Zusammenhang mit der Strafzumessung zunächst auf die Erwägungen im erstinstanzlichen Urteil, welchen sie uneingeschränkt beipflichtet. Ergänzend hält sie fest, dass zu den aufgeführten Vorstrafen eine weitere Verurteilung wegen Veruntreuung hinzugekommen sei. Auch wenn der Beschwerdeführer diese Tat gestanden und die Strafverfügung angenommen habe, könne nicht darüber hinweggesehen werden, dass er erneut - und dies sogar nach Anklageerhebung - gegen die Rechtsordnung verstossen und keine nachhaltigen Konsequenzen aus den zahlreichen früheren, bedingt ausgesprochenen Strafen gezogen habe. Es sei daher fraglich, ob ihm trotz seines jugendlichen Alters im Sinne von Art. 64 Abs. 9 aStGB eine eingeschränkte Einsichtsfähigkeit in das Unrecht der Tat zugesprochen werden könne. Dass beim Beschwerdeführer entgegen seinen anders lautenden Beteuerungen ausserdem keine tiefgreifende innere Umkehr festgestellt werden könne, sei auch daraus zu ersehen, dass er sich zu keinen Entschuldigungen gegenüber seinen Opfern habe durchringen können und auch die Abzahlung nicht selber leiste, sondern von seinem Vater bzw. seinen Familienangehörigen vornehmen lasse.
 
1.2 Was der Beschwerdeführer gegen diese Erwägungen vorbringt, überzeugt nicht. Selbst wenn er sich "gereifte Gedanken zu seinen Verfehlungen und zur Situation der Opfer" macht, lässt sich daraus nicht der Schluss ziehen, er habe sich tiefgreifend gewandelt. Der Einwand, er müsse sich gut überlegen, wann und wie er sich bei den Opfern entschuldigen könne, um nicht alte Wunden aufzureissen, ändert nichts. Er hätte es durchaus in der Hand gehabt, den Betroffenen gegenüber auf geeignete Art seine Reue auszudrücken. Dass die Abzahlungen an das Opfer durch seinen Vater geleistet werden, spricht nicht gegen ihn, kann aber auch nicht als Kriterium zu seinen Gunsten gewürdigt werden.
 
1.3 Die Vorinstanz hat dem Beschwerdeführer zugutegehalten, dass er sich um eine Arbeitsstelle bemüht. Wenn sie dabei erwähnt, seine berufliche Zukunft sei unklar, so ist dies nicht zu beanstanden. Damit wird nicht zulasten des Beschwerdeführers argumentiert, wie er geltend macht, sondern es wird einzig dargetan, dass sich aus der beruflichen Situation nichts zu seinen Gunsten ableiten lässt. Die entsprechende Rüge ist unberechtigt.
 
1.4 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe ihm bei der Verschuldensbewertung die psychischen Auswirkungen auf die Opfer, insbesondere den Verlust des subjektiven Sicherheitsgefühls, angelastet. Diese - nicht bestrittenen - Folgen würden aber notwendigerweise zum Grundtatbestand des Raubes gehören. Inwiefern er durch sein Verhalten den Opfern zusätzliche psychische Leiden zugefügt habe, sei nicht ersichtlich.
 
Der Einwand ist grundsätzlich berechtigt. Indessen ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Urteil, auf welches die Vorinstanz verweist, dass dem erwähnten Umstand keine wesentliche selbständige Bedeutung zukommt. Im Anschluss an die Feststellung, die beiden Raubtaten würden sich durch grosse Gewaltbereitschaft und Rücksichtslosigkeit auszeichnen, wird ausgeführt, es dürfe im Weiteren insbesondere der Verlust des subjektiven Sicherheitsgefühls nicht ausser Acht gelassen werden. Dass die angetönte Beeinträchtigung durch das konkrete Vorgehen eines Täters mehr oder weniger gross sein kann, liegt auf der Hand. Jedenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, die Vorinstanz habe einen wesentlichen Gesichtspunkt falsch gewichtet (vgl. dazu BGE 134 IV 17 E. 2.1 S. 20, mit Hinweisen). Die Rüge ist daher unbegründet.
 
2.
 
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe den Grenzwert, der noch den bedingten Vollzug nach Art. 42 Abs. 1 StGB erlaube, bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt. Die Rüge ist verfehlt. Ob die Gewährung des bedingten Strafvollzugs hinsichtlich einer Zusatzstrafe objektiv zulässig ist, richtet sich nach der gesamten Strafdauer der Grund- und Zusatzstrafe (BGE 109 IV 68 E. 1 S. 69 f., mit Hinweisen). Nach Auffassung der Vorinstanz wäre für alle zu beurteilenden Delikte eine hypothetische Gesamtstrafe von 30 Monaten angemessen gewesen, weshalb sie nach Abzug der Grundstrafe von 6 Monaten und 2 Wochen zur ausgefällten Freiheitsstrafe von 23 Monaten gelangte. Damit hat die Vorinstanz deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine (Zusatz-)Strafe, welche den bedingten Vollzug objektiv noch erlaubt, nicht mehr in Frage kommt (vgl. dazu BGE 134 IV 17). Diese Einschätzung ist nicht zu beanstanden. Von einer Überschreitung des Ermessens, wie vom Beschwerdeführer geltend gemacht, kann angesichts der konkreten Strafzumessungskriterien keine Rede sein.
 
3.
 
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe auch den teilbedingten Strafvollzug nicht erwogen. Es sei zu berücksichtigen, dass der Vollzug der gesamten Strafe nicht notwendig erscheine, um ihn von einer weiteren Straftat abzuhalten. Mit der Rechtswohltat einer teilbedingten Strafe würde sein wirtschaftliches Fortkommen und seine Absicht, bald wieder definitiv ins Erwerbsleben zurückzukehren, nicht in stossender Weise beschränkt. Trotz des zu vollziehenden Teils der Freiheitsstrafe könnte er sich somit der beruflichen Zukunft zuwenden. Eine zu vollziehende Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu einem Jahr könnte in der Halbgefangenschaft vollzogen werden.
 
3.1 Grundvoraussetzung für die teilbedingte Strafe im Sinne von Art. 43 StGB ist, dass eine begründete Aussicht auf Bewährung besteht. Zwar fehlt ein entsprechender Verweis auf Art. 42 StGB, doch ergibt sich dies aus Sinn und Zweck von Art. 43 StGB. Wenn und soweit die Legalprognose des Täters nicht schlecht ausfällt, verlangt die Bestimmung, dass zumindest ein Teil der Strafe auf Bewährung ausgesetzt wird. Umgekehrt gilt, dass bei einer Schlechtprognose auch ein bloss teilweiser Aufschub der Strafe nicht gerechtfertigt ist. Denn wo keinerlei Aussicht besteht, der Täter werde sich in irgendeiner Weise durch den - ganz oder teilweise - gewährten Strafaufschub beeinflussen lassen, muss die Strafe in voller Länge vollzogen werden. Die Auffassung, dass die subjektiven Voraussetzungen von Art. 42 StGB auch für die Anwendung von Art. 43 StGB gelten müssen, entspricht ganz überwiegender Lehrmeinung (BGE 134 IV 1 E. 5.3.1 S. 10 mit Hinweisen).
 
3.2 Im angefochtenen Urteil wird festgehalten, mangels günstiger Prognose könne dem Beschwerdeführer auch der teilbedingte Vollzug gemäss Art. 43 StGB nicht gewährt werden. Die mit den zahlreichen bedingt ausgesprochenen Vorstrafen verbundenen Warnungen hätten ihn nicht vor weiteren Straftaten abgehalten. Diese hätten sich in ihrer Intensität und Brutalität sogar noch gesteigert.
 
3.3 Die Vorinstanz hat ihr Ermessen nicht überschritten, wenn sie angesichts der 10 Vorstrafen eine schlechte Prognose stellt und damit davon ausgeht, eine unbedingte Strafe erscheine notwendig, um den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer Delikte abzuhalten. Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer mehrfach innerhalb ihm auferlegter Probezeiten in erheblicher Weise erneut straffällig wurde, worauf auch die Vorinstanz im Zusammenhang mit dem Widerruf hinweist. Dass der Beschwerdeführer durch den Strafvollzug in seinen beruflichen Absichten beeinträchtigt ist, kann - wovon auch die Vorinstanz sinngemäss ausgeht - am Ergebnis nichts ändern. Eine Verletzung von Art. 43 StGB liegt deshalb nicht vor. Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt abzuweisen.
 
3.4 Der Antrag des Beschwerdeführers, es sei auf den Widerruf früherer bedingt ausgesprochener Strafen zu verzichten und es sei eine Bewährungshilfe gemäss Art. 46 Abs. 2 StGB anzuordnen, wird nicht näher begründet. Die Erwägung der Vorinstanz, aufgrund der weiteren Verurteilungen und der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers könne ihm bei einer Gesamtbetrachtung keine günstige Prognose bescheinigt werden, ist nicht zu beanstanden. Die Rüge ist unberechtigt, soweit auf sie einzutreten ist.
 
4.
 
Zusammenfassend ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung, welchem infolge Aussichtslosigkeit der Begehren nicht stattgegeben werden kann (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Seinen finanziellen Verhältnissen ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Begehren um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 15. April 2008
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
Schneider Binz
 
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