VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 6B_51/2008  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 6B_51/2008 vom 02.05.2008
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_51/2008 /hum
 
Urteil vom 2. Mai 2008
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
 
Gerichtsschreiberin Binz.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Yves Abelin,
 
gegen
 
A.________,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Nichtzulassung einer Anklage (Ehrverletzungen),
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 30. November 2007.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Am 1. März 2007 reichte X.________ beim Bezirksgericht Zürich gegen A.________ Privatstrafklage wegen Ehrverletzung ein. Dabei ging es um einen Leserbrief in einer international erscheinenden galizischen Zeitung. Darin wurde die Arbeitsqualität von X.________ kritisiert, die bei der Vereinigung "Y.________" angestellt war.
 
B.
 
Mit Verfügung vom 11. Mai 2007 liess der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Zürich die Anklage betreffend Ehrverletzung nicht zu. Ein von X.________ dagegen erhobener Rekurs wurde vom Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, am 30. November 2007 abgewiesen.
 
C.
 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, der Beschluss des Obergerichtes sei aufzuheben und die Anklage vom 1. März 2007 sei zuzulassen. Im Eventualfall sei die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Im Kanton Zürich sind Ehrverletzungsklagen auf dem Weg der Privatstrafklage zu betreiben (§ 287 StPO/ZH). Das Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass der Verletzte anstelle der sonst mit dieser Aufgabe betrauten staatlichen Organe die Rolle des Anklägers übernimmt und eine Verurteilung des Beschuldigten anstrebt (Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 4. Auflage 2004, N. 871 S. 339). Die Beschwerdeführerin ist somit, weil sie nach dem kantonalen Recht die Anklage ohne Beteiligung der Staatsanwaltschaft zu vertreten hat, zur Beschwerde berechtigt (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 BGG).
 
2.
 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, folgende Passagen des inkriminierten Leserbriefes seien im Sinne von Art. 173 ff. StGB ehrverletzend:
 
"(...) Ich habe nur 10 Minuten, um Ihnen zu helfen, nehmen Sie also Platz (sie geht drei Stunden früher als vorgesehen und ohne vorher Bescheid zu geben) und Sie kann ich nicht mehr bedienen."
 
"Wenn man versucht, ihr zu widersprechen, ist es einfach zu sagen, ich bin ausreichend informiert, ich habe ein Lizentiat, einen Master und arbeite beim SECO oder wenn wir hier fertig sind, geht ihr alle in die Bar und habt garantiert überhaupt nichts von dem kapiert, was ich euch gesagt habe. Wenn sie aus irgendeinem Grund sich bei einem Verein entschuldigen muss, dann gibt sie letztendlich diesem die Schuld. Kurz, die Bescheidenheit und gute Kinderstube dieses Mädchens ist klar."
 
"Und dann verletzt sie den Arbeitsvertrag und geht drei Stunden früher, ohne zuvor Bescheid zu sagen, und lässt die Leute verblüfft sitzen, ohne sich in irgendeiner Weise zu entschuldigen."
 
"Das Schlimmste dabei ist, dass sie sich selbst niemals die Schuld gibt. Immer ist es die Ignoranz der Leute, sind es Missverständnisse oder der Tratsch in der Bar, schliesslich gibt es nichts Schriftliches."
 
2.1 Gemäss den Ausführungen im erstinstanzlichen Entscheid, auf den die Vorinstanz verweist, war die Beschwerdeführerin von der Vereinigung "Y.________" auf Teilzeitbasis als Mitarbeiterin und Betreuerin von in der Schweiz wohnhaften galizischen Immigranten angestellt. Die Vereinigung untersteht dem Patronat der galizischen Regierung und bezweckt unter anderem, den Zusammenhalt und den Informationsaustausch zwischen Ausland-Galiziern zu erhalten und zu stärken. Aufgabe der Beschwerdeführerin war es, den regionalen Vereinen für Referate und individuelle Beratung im Zusammenhang mit der Organisation der Rückkehr zur Verfügung zu stehen.
 
2.2 Die Vorinstanz erachtet die eingeklagten Textstellen im Leserbrief einzig als Angriff auf die Berufsehre und nicht zugleich auf die sittliche Ehre der Beschwerdeführerin. So werde der Beschwerdeführerin zunächst Unerfahrenheit und "Mangel an ausreichenden Informationen" vorgeworfen und in der Folge ausdrücklich auf ihre angeblich mangelnde berufliche Qualifikation hingewiesen. Dies werde anhand von Beispielen ausgeführt, die sich - auch wenn in einem relativ persönlichen Ton gehalten - wie die übrigen Vorwürfe ausschliesslich auf die berufliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin beziehen würden. Im Kontext werde ihre sittliche Ehre nicht tangiert. Im erstinstanzlichen Entscheid wird zudem darauf hingewiesen, dass es nicht von Belang sei, ob die Beschwerdeführerin die im Leserbrief aufgeführten Antworten in den Beratungen tatsächlich so oder anders gegeben habe und ob tatsächlich häufig entsprechende Beschwerden laut geworden seien. Auch die Vorwürfe der fehlenden Bescheidenheit und guten Kinderstube wie auch der Überwälzung der Schuld an andere hätten bei der gebotenen objektiven Leseart einen klaren Bezug zur beruflichen Aufgabenerfüllung. Sie würden allenfalls die subjektiven Eindrücke aufgrund des Verhaltens bei der Beratungstätigkeit wiedergeben, was bei der Frage, ob dadurch die sittliche Ehre massgeblich mitbeeinträchtigt werde, mitzubedenken sei. Unbescheiden zu sein, die Schuld bei anderen zu suchen und über keine gute Kinderstube zu verfügen seien nun aber - zumal in Verbindung mit beruflichem Verhalten geäussert - keine Kritiken, welche in relevanter Weise geeignet seien, die Beschwerdeführerin als auch allgemein unanständigen und verachtenswürdigen Menschen abzuqualifizieren und insofern die sittliche Ehre mit zu beeinträchtigen. Unbescheidenheit, Unfähigkeit zur Schuldanerkennung und fehlende gute Erziehung würden den Menschen - soweit es nicht ohnehin vom Betreffenden persönlich nicht zu verantwortende Eigenschaften seien und daher keine moralisch verwerfliche Tat darstellten - unter dem Gesichtswinkel der "Durchschnittsmoral" nicht generell zu einem unehrbaren, charakterlich unanständigen Menschen machen.
 
3.
 
3.1 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung umfasst die Ehre im strafrechtlichen Sinne insbesondere die Wertschätzung eines Menschen, die er bei seinen Mitmenschen tatsächlich geniesst, bzw. seinen Ruf, ein ehrbarer Mensch zu sein. Der strafrechtliche Schutz beschränkt sich damit grundsätzlich auf den menschlich-sittlichen Bereich (BGE 119 IV 44 E. 2a S. 46 f. mit Hinweisen). Äusserungen, die sich lediglich eignen, jemanden in anderer Hinsicht, zum Beispiel als Geschäfts- oder Berufsmann, als Politiker oder Künstler in der gesellschaftlichen Geltung herabzusetzen, gelten nicht als ehrverletzend. Voraussetzung ist aber, dass die Kritik an den strafrechtlich nicht geschützten Seiten des Ansehens nicht zugleich die Geltung der Person als ehrbarer Mensch trifft (BGE 117 IV 27 E. 2c S. 28 f. mit Hinweisen). Für die Beurteilung der Frage, ob eine Äusserung ehrverletzend sei, ist massgebend, welchen Sinn ihr der unbefangene Hörer oder Leser nach den Umständen beilegen musste (BGE 118 IV 248 E. 2b S. 251 mit Hinweisen).
 
3.2 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat sich die Vorinstanz an diese Rechtsprechung gehalten, wenn sie zum Schluss gelangt, die eingeklagten Äusserungen im Leserbrief seien nicht ehrverletzend. Die Einwände in der Beschwerdeschrift sind nicht geeignet, die durchaus überzeugenden Erwägungen der kantonalen Instanzen in Frage zu stellen. Weshalb die Vorinstanz den Sachverhalt unvollständig festgestellt haben soll, wie geltend gemacht wird, ist nicht einsichtig. Dass die Zeitung "Galicia en el Mundo" wöchentlich erscheint und von galizischen Immigranten mit starkem Heimatgefühl gelesen wird, welche von einer eigens für sie ausgewählten Beraterin ein verstärktes Mass an Verständnis erwarten, kann an der vorinstanzlichen Beurteilung nichts ändern. Selbst wenn die Leserschaft als Empfänger des in Frage stehenden Leserbriefes für Angriffe auf Eigenschaften der persönlichen Ehre besonders sensibel sein sollte, bleibt es dabei, dass sich die Kritik im Einzelnen wie auch gesamthaft auf die berufliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin bezieht. Es liegt in der Natur der Sache, dass entsprechende herabsetzende Äusserungen nicht völlig losgelöst von der persönlichen Wertschätzung in Erscheinung treten. Darauf kann es jedoch noch nicht ankommen. Entscheidend ist, ob eine Äusserung für den unbefangenen Leser oder Hörer eindeutig über die Kritik an den beruflichen Fähigkeiten und Leistungen hinausgeht, um als Angriff auf die persönliche Ehre angesehen zu werden. Nur dann lässt sich sagen, es werde zugleich die Geltung der Person als ehrbarer Mensch getroffen. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von den BGE 92 IV 94 und BGE 99 IV 148 zugrunde liegenden Sachverhalten. Es ging dort einerseits um einen Apotheker, von dem gesagt wurde, er sei unzuverlässig und man gebe den Leuten gerade was man wolle. Anderseits betraf es einen Rechtsanwalt, den der Vorwurf traf, er bringe einen Prozess nur deshalb in Gang, weil er allein daraus einen Nutzen ziehen werde. In beiden Fällen war nicht nur das berufliche Ansehen, sondern auch die Geltung als ehrbarer Mensch beeinträchtigt worden. Massgebend war letztlich, dass mit den eingeklagten Äusserungen beiden Betroffenen das für ihren Beruf wesentliche Vertrauen abgesprochen und ihnen gleichzeitig eine Verletzung ihrer Standespflichten vorgeworfen wurde. Dies ging über die blosse Beeinträchtigung des Ansehens als Apotheker bzw. Anwalt hinaus. Solches lässt sich im vorliegenden Fall nicht sagen. Im beanstandeten Leserbrief wird die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Angestellte der erwähnten Vereinigung kritisiert. Es werden ihr dabei Eigenschaften abgesprochen, die für die spezifische Ausübung ihrer Tätigkeit unabdingbar sind. Die Beschwerdeführerin weist selbst darauf hin, dass von ihr Unterstützungsbereitschaft, Einfühlungsvermögen und Verständnis erwartet wurde. Wenn sie im Leserbrief gerade in diesem Zusammenhang kritisiert wird, so wird damit für den Aussenstehenden ihre berufliche Qualifikation und nicht ihre Stellung als ehrbarer Mensch angesprochen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin lässt sich nicht sagen, die Äusserungen würden beim Durchschnittsleser der Zeitung das Gesamtbild einer unzuverlässigen und verantwortungslosen Person vermitteln, welche sich über alle und alles in einer charakterlosen Weise hinwegsetzt.
 
4.
 
Die Vorinstanz hat somit kein Bundesrecht verletzt, was zur Abweisung der Beschwerde führt. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 2. Mai 2008
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
Schneider Binz
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).