VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 6B_752/2008  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 6B_752/2008 vom 28.11.2008
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_752/2008/bri
 
Urteil vom 28. November 2008
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
 
Gerichtsschreiber Stohner.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Konrad Jeker,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, 4502 Solothurn,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Parteientschädigung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn, Strafkammer, vom 17. Juli 2008.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Am 17. Januar 2007 befand der Amtsgerichtspräsident von Dorneck-Thierstein X.________ der Veruntreuung schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à Fr. 30.--, unter Gewährung des bedingten Vollzugs bei einer Probezeit von zwei Jahren. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten auferlegte das Gericht dem Verurteilten.
 
B.
 
Auf Appellation von X.________ hin sprach das Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, diesen mit Urteil vom 17. Juli 2008 vom Vorwurf der Veruntreuung, eventuell der ungetreuen Geschäftsbesorgung, frei (Urteilsdispositiv-Ziffer 2). Es sprach X.________ eine Genugtuung von Fr. 900.-- (Urteilsdispositiv-Ziffer 3) und eine Parteientschädigung für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren von pauschal Fr. 9'161.50 (Urteilsdispositiv-Ziffer 4) zu.
 
C.
 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, Dispositivziffer 4 des Urteils des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 17. Juli 2008 sei aufzuheben, und ihm sei für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 12'191.55 zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache insoweit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
Das Obergericht beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Staatsanwaltschaft hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Die Voraussetzungen zur Ausrichtung einer Parteientschädigung werden durch das kantonale Prozessrecht geregelt. Verletzungen kantonalen Verfahrensrechts überprüft das Bundesgericht lediglich auf Willkür (vgl. Art. 95 BGG).
 
1.2 Die Vorinstanz hat erwogen, der Beschwerdeführer sei freigesprochen worden, weshalb ihm eine Parteientschädigung zuzusprechen sei. Vorliegend erscheine eine pauschale Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 9'161.50 (25 Stunden für das erstinstanzliche und 12 Stunden für das obergerichtliche Verfahren à praxisgemäss Fr. 220.--, Fr. 374.40 Auslagen und Fr. 647.10 Mehrwertsteuer) dem gebotenen Aufwand als angemessen.
 
1.3 Der Beschwerdeführer bringt vor, indem die Vorinstanz ihn trotz Freispruchs nicht für die gesamten ihm entstandenen Anwaltskosten entschädigt habe, habe sie gegen die Unschuldsvermutung verstossen und das kantonale Prozessrecht willkürlich angewendet. Des Weiteren sei die Vorinstanz der ihr obliegenden Begründungspflicht nicht nachgekommen und habe dadurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
 
Der Beschwerdeführer präzisiert, der Aufwand seines privat bestellten Verteidigers habe im kantonalen Verfahren insgesamt 47,75 Stunden betragen. Ausgehend von einem Stundenansatz von Fr. 230.-- seien ihm daher Kosten in der Höhe von Fr. 12'191.55 (inkl. Fr. 834.65 Mehrwertsteuer und Auslagen von Fr. 374.40) entstanden. Die eingereichte Kostennote weise weder sachfremde noch übermässige Aufwendungen aus. Die Vorinstanz habe jedoch - nota bene ohne Begründung - die angefallenen anwaltlichen Arbeitsstunden um knapp 11 Stunden auf 37 Stunden und den Stundenansatz auf Fr. 220.-- gekürzt, so dass ihm trotz vollumfänglichen Freispruchs ein Schaden von Fr. 3'030.05 erwachsen sei.
 
1.4 Gemäss § 36 StPO/SO (BGS 321.1) mit dem Randtitel "Entschädigung für Nachteile" ist dem Beschuldigten im Falle eines Freispruchs oder einer Einstellung des Verfahrens auf sein Begehren eine durch den Staat auszurichtende Entschädigung für Nachteile (Schadenersatz, Genugtuung) zuzusprechen, die er durch Untersuchungsmassnahmen erlitten hat. Die Entschädigung kann verweigert oder herabgesetzt werden, wenn er durch verwerfliches oder leichtfertiges Verhalten die Untersuchung schuldhaft veranlasst oder erschwert hat. § 37 Abs. 1 StPO/SO mit der Marginalie "Parteientschädigung" statuiert, dass dem Beschuldigten auf sein Begehren unter den Voraussetzungen des § 36 StPO/SO eine durch den Staat auszurichtende Parteientschädigung zuzusprechen ist.
 
Gestützt auf § 178 Gebührentarif/SO (BGS 615.11) setzt das Gericht im Strafverfahren die Parteientschädigung bei Freispruch oder Einstellung des Verfahrens nach dem Zeit- und Arbeitsaufwand des Beschuldigten und des Verteidigers fest.
 
1.5
 
1.5.1 Gemäss § 37 Abs. 1 i.V.m. § 36 StPO/SO kann die Parteientschädigung somit namentlich herabgesetzt werden, wenn der Beschuldigte die Untersuchung durch verwerfliches oder leichtfertiges Verhalten schuldhaft veranlasst oder erschwert hat. Es ist jedoch nicht ersichtlich und wird von der Vorinstanz auch nicht behauptet, dass diese Konstellation erfüllt wäre. Dementsprechend rechtfertigt sich insoweit keine Kürzung der Parteientschädigung. Auf der anderen Seite liegt jedoch entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch kein Verstoss gegen die Unschuldsvermutung vor, da sich aus dem angefochtenen Urteil weder ein direkter noch ein indirekter Vorwurf einer strafrechtlichen Schuld ableiten lässt.
 
1.5.2 Die Vorinstanz begründet die Herabsetzung der eingereichten Kostennote vielmehr damit, dass diese übersetzt sei.
 
Zwar hat der Freigesprochene grundsätzlich Anspruch auf volle Entschädigung. Eine Kürzung ist jedoch insbesondere zulässig, wenn sachfremde oder übermässige Aufwendungen geltend gemacht werden. Die vom privaten Verteidiger des Beschwerdeführers eingereichte Honorarnote ist mithin im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1P.228/2001 vom 19. Juni 2001 E. 4b; Robert Hauser und andere, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl. 2005, § 109 N. 5; Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 4. Aufl. 2004, N. 1221 Fn. 99).
 
Dabei gebietet die aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs gemäss Art. 29 Abs. 2 BV abgeleitete Begründungspflicht, dass das urteilende Gericht seinen Entscheid begründet (vgl. BGE 126 I 97 E. 2b). Hat, wie vorliegend der Fall, die freigesprochene Person gestützt auf das kantonale Prozessrecht grundsätzlich einen Anspruch auf volle Entschädigung, so hat das Gericht mithin in den Urteilserwägungen zumindest kurz die Gründe zu nennen, weshalb es die geltend gemachten Aufwendungen als zu hoch und damit als nicht angemessen einstuft (Urteil des Bundesgerichts 1P.360/2001 vom 27. September 2001 E. 2; Niklaus Oberholzer, Grundzüge des Strafprozessrechts, 2. Aufl. 2005, N. 1841).
 
Vorliegend hat die Vorinstanz die Kostennote des Vertreters des Beschwerdeführers ohne Begründung deutlich um rund 25% bzw. über Fr. 3'000.-- gekürzt. Die Vorinstanz hat weder ausgeführt, weshalb sie einen Stundenansatz von Fr. 230.-- als übersetzt erachtet, noch hat sie erläutert, weshalb sie einen Verteidigungsaufwand von 47,75 Stunden für das kantonale Verfahren als unangemessen einstuft. Es lässt sich daher mangels hinreichender Begründung nicht abschliessend überprüfen, ob die Vorinstanz die Parteientschädigung im Ergebnis willkürfrei um den entsprechenden Betrag herabsetzen konnte.
 
2.
 
Die Vorinstanz ist ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen und hat den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör missachtet. Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen, Dispositivziffer 4 des angefochtenen Urteils aufzuheben und die Sache in diesem Punkt zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Solothurn hat den Beschwerdeführer angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, Dispositivziffer 4 des Urteils des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 17. Juli 2008 aufgehoben und die Sache insoweit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Kosten erhoben.
 
3.
 
Der Kanton Solothurn hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- auszurichten.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 28. November 2008
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Schneider Stohner
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).