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Informationen zum Dokument  BGer 4A_418/2008  Materielle Begründung
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BGer 4A_418/2008 vom 11.02.2009
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
4A_418/2008 /len
 
Urteil vom 11. Februar 2009
 
I. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
 
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
 
Gerichtsschreiberin Sommer.
 
Parteien
 
A.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Max Sidler,
 
gegen
 
X.________ Versicherungs-Gesellschaft,
 
Beschwerdegegnerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marc-Antoine Kämpfen.
 
Gegenstand
 
Ablehnung von Richtern,
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts
 
des Kantons Zürich, Verwaltungskommission,
 
vom 4. Juli 2007.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
A.a A.________ (Beschwerdeführerin) erlitt Ende Oktober 1998 einen Verkehrsunfall. Am 6. September 2004 reichte sie beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen die X.________ Versicherungs-Gesellschaft (Beschwerdegegnerin), bei welcher der Unfallverursacher obligatorisch haftpflichtversichert war, Klage ein und verlangte Schadenersatz und Genugtuung.
 
A.b Am 9. März 2007 erstattete Handelsrichter E.________ ein Fachrichtervotum. Darauf stellte die Beschwerdeführerin am 24. April 2007 ein Ablehnungsbegehren gegen Handelsrichter E.________. Mit Eingabe vom 3. Mai 2007 erstreckte sie das Ablehnungsbegehren auf die Handelsrichter F.________ und G.________. Sie warf ihnen Befangenheit vor. Die drei abgelehnten Handelsrichter gaben die gewissenhafte Erklärung ab, nicht befangen zu sein.
 
Das Ablehnungsbegehren wurde am 25. Mai 2007 an die zu dessen Behandlung zuständige Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich überwiesen. Mit Beschluss vom 4. Juli 2007 wies die Verwaltungskommission das Ablehnungsbegehren ab.
 
A.c Mit Beschluss und Teilurteil vom 18. Juni 2007 schrieb das Handelsgericht das Verfahren im Betrag von Fr. 12'200.95 nebst Zins als durch Rückzug der Klage erledigt ab (Beschluss) und wies die Klage auf Bezahlung von Schadenersatz ab (Teilurteil).
 
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht des Kantons Zürich. Dieses hob mit Zirkulationsbeschluss vom 5. August 2008 in Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde das Teilurteil des Handelsgerichts vom 18. Juni 2007 auf und wies die Sache im Sinne der Erwägungen zur Neubeurteilung an das Handelsgericht zurück (Dispositivziffer 2).
 
Die Beschwerdeführerin hat gegen den Beschluss und das Teilurteil des Handelsgerichts vom 18. Juni 2007 und den Zirkulationsbeschluss des Kassationsgerichts vom 5. August 2008 Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht erhoben, die Gegenstand des separaten Verfahrens 4A_426/2008 bildet.
 
A.d Mit selbem Zirkulationsbeschluss vom 5. August 2008 wies das Kassationsgericht die in der gleichen Eingabe erhobene Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Beschluss der Verwaltungskommission des Obergerichts vom 4. Juli 2007 (betreffend die Ablehnung von Richtern) ab, soweit es darauf eintrat (Dispositivziffer 1).
 
B.
 
Zusammen mit der Verunfallten klagten auch ihr Ehemann, B.________, und ihre beiden Kinder, C.________ und D.________, auf Bezahlung einer Genugtuung von Fr. 80'000.-- für den Ehemann und je Fr. 40'000.-- für die beiden Kinder. Mit Teilurteil vom 9. März 2007 wies das Handelsgericht deren Klagen ab. Auf eine dagegen erhobene Beschwerde trat das Bundesgericht am 13. August 2007 nicht ein (Verfahren 4A_112/2007).
 
Im vorliegenden Verfahren, in dem es um ein Ablehnungsbegehren geht, das die Beschwerdeführerin im Rahmen des Klageverfahrens betreffend die von ihr erhobenen Ansprüche gestellt hat, sind ihr Ehemann und die beiden Kinder nicht Partei und folglich nicht im Rubrum zu erwähnen.
 
C.
 
Die Beschwerdeführerin stellt mit Beschwerde in Zivilsachen folgendes Rechtsbegehren:
 
"Es sei in Aufhebung des Beschlusses der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich vom 4. Juli 2007 festzustellen,
 
a) dass das Handelsgericht des Kantons Zürich zumindest im Prozess gemäss § 63 Abs. 1 Ziff. 1 GVG (Klagen von nicht im Handelsregister eingetragenen Personen) kein unabhängiges und unparteiisches Gericht im Sinne von Art. 30 Abs. 1 BV sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK ist;
 
b) dass die Handelsrichter F.________, E.________ und G.________ befangene und parteiische Richter im Sinne von Art. 30 Abs. 1 BV sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK sind."
 
Mit Eingabe vom 14. Januar 2009 reichte sie ein Urteil des EGMR vom 22. Juni 1989 zu den Akten.
 
Die Beschwerdegegnerin beantragt, in Bestätigung des Beschlusses der Verwaltungskommission vom 4. Juli 2007 die Beschwerde abzuweisen. Die Verwaltungskommission verzichtete auf eine Vernehmlassung.
 
Am 5. Februar 2009 reichte die Beschwerdeführerin eine Replik samt Beilagen ein.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung hat die Partei, der eine Vernehmlassung oder eine Beschwerdeantwort zur blossen Kenntnisnahme übermittelt worden ist, umgehend zu reagieren, wenn sie sich nochmals zur Sache äussern will (BGE 133 I 98 E. 2.2, 100 E. 4.8). Eine Replik kann jedoch nicht dazu dienen, die Beschwerdeschrift zu ergänzen oder unzulässige Noven einzureichen (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG).
 
Die Eingabe der Beschwerdeführerin vom 5. Februar 2009, in der sie sich zur Praxis der Auswahl der Handelsrichter äussert und zu diesem Thema drei Zeitungsartikel sowie die Zusammenfassung eines Aufsatzes einreicht, erscheint vielmehr als Ergänzung der Beschwerde denn als Antwort auf die Ausführungen in der Vernehmlassung der Beschwerdegegnerin, weshalb ihre Zulässigkeit fraglich ist. Die Replik ändert indessen ohnehin nichts daran, dass auf das Rechtsbegehren, auf das sich die Ausführungen in der Replik beziehen, wegen Neuheit nicht eingetreten werden kann (vgl. Erwägung 2.1).
 
2.
 
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein Rechtsmittel zulässig ist (BGE 134 III 115 E. 1 S. 117, 379 E. 1 S. 381, 520 E. 1).
 
2.1 Zunächst ist festzuhalten, dass das unter lit. a) gestellte Rechtsbegehren neu ist und daher von vornherein darauf nicht eingetreten werden kann (Art. 99 Abs. 2 BGG).
 
2.2 Der angefochtene Beschluss der Verwaltungskommission des Obergerichts bildet einen selbständig eröffneten Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren. Gegen einen solchen Zwischenentscheid ist die Beschwerde in Zivilsachen grundsätzlich zulässig (Art. 92 BGG). Sie wurde vorliegend rechtzeitig erhoben (Art. 100 Abs. 6 BGG).
 
2.3 Die Beschwerde in Zivilsachen ist indessen nur gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen zulässig (Art. 75 Abs. 1 BGG). Gegen den angefochtenen Beschluss der obergerichtlichen Verwaltungskommission über ein Ablehnungsbegehren in einem Zivilprozess kann die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht nach § 281 des Gesetzes über den Zivilprozess des Kantons Zürich vom 13. Juni 1976 (ZPO; LS 271) erhoben werden. Mit der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde kann namentlich die Rüge der Verletzung eines wesentlichen Verfahrensgrundsatzes geltend gemacht werden (§ 281 Ziff. 1 ZPO/ZH). Dazu gehört auch die Befangenheit eines Richters (Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 1997, N. 22 zu § 281 Ziff. 1 ZPO/ZH). § 285 Abs. 2 ZPO/ZH stellt zudem klar, dass mit Bezug auf Rügen einer Verletzung von Art. 29 und 30 BV oder Art. 6 EMRK die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde unabhängig von der Weiterzugsmöglichkeit an das Bundesgericht gegeben ist (vgl. Urteil 4A_112/2007 vom 13. August 2007 E. 2.3 mit Hinweisen).
 
Die Beschwerdeführerin hat denn auch kantonale Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Beschluss der obergerichtlichen Verwaltungskommission an das Kassationsgericht erhoben. Ihre nunmehr dem Bundesgericht vorgetragenen Rügen hätte sie mit Beschwerde gegen den diesbezüglich letztinstanzlichen Zirkulationsbeschluss des Kassationsgerichts erheben und sich mit den Erwägungen des Kassationsgerichts auseinandersetzen müssen (BGE 125 I 492 E. 1 a/cc S. 495; Urteil 4A_414/2008 vom 29. Januar 2009 E. 1.2). Den Zirkulationsbeschluss des Kassationsgerichts vom 5. August 2008 ficht sie aber mit der vorliegenden Beschwerde nicht an, sondern verlangt nur die Aufhebung des Beschlusses der Verwaltungskommission des Obergerichts und richtet ihre Rügen direkt gegen denselben, ohne aufzuzeigen, dass sie diesbezüglich den Instanzenzug eingehalten hätte. Die Beschwerdeführerin unterlässt es, mit ihrem Rechtsbegehren die Aufhebung des Zirkulationsbeschlusses des Kassationsgerichts zu verlangen und setzt sich dementsprechend auch nicht mit der eingehenden Begründung des Kassationsgerichts betreffend die Ablehnung von Richtern auseinander.
 
Demnach kann auf die Beschwerde mit ihren ausschliesslich direkt gegen den Beschluss der Verwaltungskommission des Obergerichts gerichteten Rügen mangels Letztinstanzlichkeit nicht eingetreten werden.
 
3.
 
Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, Verwaltungskommission, schriftlich mitgeteilt, der Beschwerdegegnerin und dem Obergericht, Verwaltungskommission, mit Kopie der Replik der Beschwerdeführerin vom 5. Februar 2009 samt Beilagen zur Kenntnisnahme.
 
Lausanne, 11. Februar 2009
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Die Gerichtsschreiberin:
 
Klett Sommer
 
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