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Informationen zum Dokument  BGer 1C_423/2012  Materielle Begründung
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BGer 1C_423/2012 vom 15.03.2013
 
{T 1/2}
 
1C_423/2012
 
 
Urteil vom 15. März 2013
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Merkli, Karlen, Eusebio, Chaix,
 
Gerichtsschreiber Stohner.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Grundhof Bözberg AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Dr. René Müller,
 
gegen
 
Regierungsrat des Kantons Aargau, Staatskanzlei, Regierungsgebäude, 5001 Aarau.
 
Gegenstand
 
Beschwerdeverfahren betreffend bau- und forstrechtliche Bewilligungen (Probebohrungen Effingen),
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 18. Juni 2012 des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 3. Kammer.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
Der Kanton Aargau will im Hinblick auf die langfristige Planung des Gesteinsabbaus Probebohrungen durchführen. Damit soll das Kalk- und Mergelvorkommen, das zur Zementproduktion benötigt wird, untersucht werden. Mit Beschluss vom 13. Dezember 2006 beauftragte der Regierungsrat des Kantons Aargau das Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau (BVU/AG), die für diese Probebohrungen erforderlichen enteignungsrechtlichen Verfahren einzuleiten.
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B.
 
Am 25. Januar 2011 stellte die Abteilung Raumentwicklung des BVU/AG bei der Abteilung für Baubewilligungen des BVU/AG das Gesuch, es sei festzustellen, dass die geplanten Probebohrungen nebst der (bereits erteilten) gewässerschutzrechtlichen Bohrbewilligung und der waldrechtlichen Ausnahmebewilligung gemäss § 22 Abs. 1 lit. e WaV/AG für die Benutzung der zu den Bohrstellen führenden Waldstrassen weder einer Baubewilligung nach RPG (SR 700) noch einer Rodungs- oder weiteren waldrechtlichen Ausnahmebewilligung im Sinne des Waldgesetzes des Kantons Aargau vom 1. Juli 1997 (WaG/AG; SAR 931.100) bedürften.
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I. Es wird festgestellt, dass die Probebohrung nicht baubewilligungspflichtig ist.
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II. Es wird festgestellt, dass gemäss langer kantonaler Praxis für die Probebohrung keine Ausnahmebewilligung für eine Rodung notwendig ist.
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III. Es wird festgestellt, dass es sich bei Probebohrungen, welche sich ausschliesslich auf das Areal von Waldstrassen beschränken, nicht um eine nachteilige Nutzung gemäss § 13 WaG/AG handelt. Es ist keine Ausnahmebewilligung notwendig.
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Der Entscheid wurde mit Hinweis auf die Einsichtsmöglichkeit in den begründeten Entscheid und die Gesuchsunterlagen sowie versehen mit einer Rechtsmittelbelehrung öffentlich publiziert.
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C.
 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht vom 5. September 2012 beantragt die Grundhof Bözberg AG, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben, und es sei festzustellen, dass für die geplanten Probebohrungen ein Baubewilligungsverfahren durch die zuständige Behörde durchgeführt werden müsse.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
Gegen den kantonal letztinstanzlichen Entscheid der Vorinstanz, mit welchem in Bestätigung des Beschlusses des Regierungsrats die bau- und waldrechtliche Bewilligungspflicht der geplanten Probebohrungen verneint wurde, steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 ff. BGG).
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Erwägung 2
 
2.1. Die Abteilung für Baubewilligungen des BVU/AG verfügte, wie dargelegt (vgl. Sachverhalt lit. B.), mit Feststellungsentscheid vom 23. Februar 2011, dass die Probebohrungen weder baubewilligungspflichtig seien noch einer waldrechtlichen (Ausnahme-) Bewilligung betreffend Rodung oder nachteiliger Nutzung bedürften. Der Entscheid wurde mit Hinweis auf die Einsichtsmöglichkeit in den begründeten Entscheid und die Gesuchsunterlagen sowie versehen mit einer Rechtsmittelbelehrung öffentlich publiziert.
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2.2. Die Beschwerdeführerin bringt wie bereits im kantonalen Verfahren vor, dieser Feststellungsentscheid der Abteilung für Baubewilligungen des BVU/AG vom 23. Februar 2011 sei infolge Unzuständigkeit der verfügenden Behörde nichtig. Für den Erlass des Feststellungsentscheids zuständig gewesen wäre der Gemeinderat Effingen und nicht die kantonale Behörde.
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2.3. Die Zuständigkeiten sind wie folgt geregelt:
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2.4. Die Vorinstanz hat erwogen, gemäss der kantonalgesetzlichen Zuständigkeitsregelung sei der Gemeinderat Baubewilligungsbehörde. Dies gelte auch für Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen, wobei der Gemeinderat bei solchen Bauvorhaben in Umsetzung von Art. 25 Abs. 2 RPG die Zustimmung der kantonalen Behörde einzuholen habe. Indem die Abteilung für Baubewilligungen des BVU/AG vorliegend die Feststellungsverfügung direkt erlassen habe, habe sie sich über diese Zuständigkeitsordnung hinweggesetzt. Damit liege ein formeller Mangel vor.
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2.5. Fehlerhafte Verwaltungsakte sind in der Regel nicht nichtig, sondern nur anfechtbar, und sie werden durch Nichtanfechtung rechtsgültig. Absolute Unwirksamkeit einer Verfügung wird nach der sogenannten Evidenztheorie nur angenommen, wenn die Verfügung mit einem tiefgreifenden und wesentlichen Mangel behaftet ist, wenn dieser schwerwiegende Mangel offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und wenn zudem die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird. Inhaltliche Mängel haben nur in seltenen Ausnahmefällen die Nichtigkeit einer Verfügung zur Folge; erforderlich ist hierzu ein ausserordentlich schwerwiegender Mangel. Als Nichtigkeitsgründe fallen hauptsächlich funktionelle und sachliche Unzuständigkeit einer Behörde sowie schwerwiegende Verfahrensfehler in Betracht (wie z.B. der Umstand, dass der Betroffene keine Gelegenheit hatte, am Verfahren teilzunehmen). Fehlt einer Verfügung in diesem Sinne jegliche Rechtsverbindlichkeit, so ist das durch jede Behörde, die mit der Sache befasst ist, jederzeit und von Amtes wegen zu beachten (BGE 137 I 273 E. 3.1 S. 275).
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2.6. Wie die Vorinstanz zu Recht erwogen hat, kommt der Abteilung für Baubewilligungen des BVU/AG auf dem Gebiet der Ausnahmebewilligungen für Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen allgemeine Entscheidungsgewalt zu. Die Abteilung für Baubewilligungen des BVU/AG hat ihren Feststellungsentscheid vom 23. Februar 2011 nicht einzig der Abteilung für Raumentwicklung des BVU/AG als Gesuchstellerin eröffnet, sondern ihn auch dem Gemeinderat Effingen übermittelt mit der Aufforderung, für die amtliche Publikation und die öffentliche Auflage der Gesuchsunterlagen sowie des kantonalen Entscheids zu sorgen. Dieser Aufforderung ist der Gemeinderat nachgekommen. Die Rüge der Beschwerdeführerin, das gesamte bei der Behandlung von Baugesuchen vorgeschriebene Prozedere sei nicht beachtet worden, ist daher nicht stichhaltig. Wenn kein Baugesuch vorlag und ein solches nach Auffassung der kantonalen Behörden mangels Baubewilligungspflicht auch nicht erforderlich war, so versteht es sich von selbst, dass keine Bauprofile aufzustellen waren, der Gemeinderat kein Baugesuch zu beurteilen hatte und auch ein allfälliges Einspracheverfahren entfiel. Aufgrund der öffentlichen Auflage war es der Beschwerdeführerin ohne Weiteres möglich, den Entscheid bei der zuständigen Rechtsmittelinstanz, d.h. beim Regierungsrat, anzufechten, was sie denn auch getan hat. Entgegen der Behauptung in der Beschwerde ist ihr dadurch keine Instanz verloren gegangen.
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Erwägung 3
 
3.1. In Bezug auf die geplanten Probebohrungen in Effingen geht die Vorinstanz von folgendem Sachverhalt bzw. Projekt aus:
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3.2. Die Beschwerdeführerin lastet der Vorinstanz eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung an. Es liege keine gewässerschutzrechtliche Bohrbewilligung vor und gemäss Baugesuch werde eine Bohrtiefe von 250 m und nicht - wie von der Vorinstanz behauptet - von 100 m beansprucht. Da gemäss Kernenergierecht Tiefenbohrungen von 200 m oder mehr bewilligungspflichtig seien, verstosse der angefochtene Entscheid zugleich gegen das Kernenergiegesetz vom 21. März 2003 (KEG; SR 732.1).
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3.3. Die Rüge der Beschwerdeführerin erweist sich als offensichtlich unbegründet. Wie dargelegt (vgl. Sachverhalt lit. A. hiervor), erteilte die Abteilung für Umwelt des BVU/AG der Abteilung für Raumentwicklung des BVU/AG am 22. März 2007 unter Auflagen und Bedingungen die gewässerschutzrechtliche Bewilligung für die beantragten Probebohrungen in Effingen, wobei die Bohrtiefe gemäss dem Bestandteil der Bewilligung bildenden Gesuchsformular 100 m beträgt. Die Vorinstanz hat den Sachverhalt folglich insoweit nicht willkürlich festgestellt. Damit erübrigt sich auch ein Eingehen auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, eine Bohrtiefe von 250 m verstosse gegen das Kernenergiegesetz.
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Erwägung 4
 
4.1. Die Beschwerdeführerin macht eine willkürliche Auslegung und Anwendung kantonalen Rechts und damit eine Verletzung des Willkürverbots gemäss Art. 9 BV geltend. Sie führt präzisierend aus, in der Bauverordnung des Kantons Aargau würden die Tatbestände, welche keiner baurechtlichen Bewilligung bedürften, abschliessend normiert. Da Probebohrungen nicht aufgeführt seien, ergebe sich e contrario, dass diese per se, d.h. unabhängig von ihren räumlichen Auswirkungen, baubewilligungspflichtig seien. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz komme einer willkürlichen Auslegung bzw. (Nicht-) Anwendung kantonalen Rechts gleich.
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Erwägung 4.2
 
4.2.1. In Bezug auf das anwendbare Recht hat die Vorinstanz festgehalten, am 1. September 2011 sei die Bauverordnung des Kantons Aargau vom 25. Mai 2011 (BauV/AG; SAR 713.121) in Kraft getreten, mit welcher die Allgemeine Verordnung zum Baugesetz des Kantons Aargau vom 23. Februar 1994 (ABauV/AG) aufgehoben worden sei (vgl. AGS/AG 2011/4-2, S. 33). Da die zu beurteilende Bausache im Zeitpunkt des Inkrafttretens der BauV/AG bereits hängig gewesen und die Beurteilung für die Bauherrschaft nach neuem Recht nicht günstiger sei, komme vorliegend noch die ABauV/AG zur Anwendung. Anwendbar sei damit Art. 30 ABauV/AG, welcher inhaltlich Art. 49 BauV/AG entspreche.
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4.2.2. Die Vorinstanz hat weiter erwogen, der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber könne nicht jeden erdenklichen Spezialfall regeln. Es gebe immer wieder in § 30 ABauV/AG nicht explizit geregelte Klein- bzw. Bagatellbauten, bei welchen die Frage der Baubewilligungspflicht anhand von allgemeinen Kriterien - nämlich aufgrund der rechtlichen Vorgaben von Art. 22 RPG, §§ 6 und 59 BauG/AG und der Rechtsprechung - zu entscheiden sei. Massgeblich sei, ob mit dem Bauvorhaben so wichtige räumliche Folgen verbunden seien, dass ein Interesse der Öffentlichkeit oder der Nachbarschaft an einer vorgängigen Kontrolle im Rahmen eines Baubewilligungsverfahrens bestehe. Dabei könnten die in § 30 ABauV/AG geregelten typologisierten Sachverhalte insofern eine Interpretationshilfe bieten, als sie einen Massstab dafür schaffen und die Grundwertung verdeutlichen würden, ab wann die Baubewilligungspflicht sicher gegeben sei. Probebohrungen seien sehr selten zu beurteilen, und die Frage der Baubewilligungspflicht solcher Bohrungen Iasse sich auch nicht auf generell-abstrakter Ebene beantworten. Insbesondere hingen die räumlichen Auswirkungen von Probebohrungen wesentlich von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (örtliche Gegebenheiten, Ausmass und zeitliche Dauer der Vorkehr, Erschliessung etc.).
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4.3. Nach der ständigen Praxis des Bundesgerichts liegt Willkür in der Rechtsanwendung vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5 mit Hinweisen).
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4.4. Die Auslegung von § 30 ABauV/AG im angefochtenen Urteil, wonach in der Bestimmung nicht aufgeführte Sachverhalte einzelfallbezogen zu beurteilen seien, weil nicht von einer generellen Bewilligungspflicht sämtlicher nicht explizit geregelter Bagatellbauten ausgegangen werden könne, ist sachlich ohne Weiteres haltbar.
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Erwägung 5
 
5.1. Die Baubewilligungspflicht betreffend hat die Vorinstanz erwogen, die geplanten Probebohrungen seien auf eine Fläche von unter 100 m2 und auf eine Zeitdauer von vier Wochen beschränkt und hinterliessen kaum Spuren, da die Bohrlöcher nach dem Abschluss der Untersuchungen wieder aufzufüllen seien. Die räumlichen Auswirkungen der Probebohrungen seien nicht erheblich und gingen nicht über das hinaus, was der kantonale Gesetzgeber als baubewilligungsfrei erachte. Keiner Baubewilligung bedürften namentlich Fahrnisbauten wie beispielsweise Festhütten oder Zelte bis zu einer Dauer von zwei Monaten (§ 30 Abs. 2 lit. d ABauV/AG); ebenso seien Erdsonden in der Regel baubewilligungsfrei, sofern die gewässerschutzrechtliche Bewilligung vorliege (§ 30 Abs. 2 lit. e ABauV/AG). Die aus den Probebohrungen resultierenden Immissionen und die sich daraus ergebende Beschränkung der Befahrbarkeit der Waldstrassen genügten nicht für die Bejahung der Baubewilligungspflicht. So führten beispielsweise auch Renovationsarbeiten im Gebäudeinnern regelmässig zu störenden Immissionen und Behinderungen durch abgestellte Handwerkerfahrzeuge oder durch temporär gelagertes Baumaterial, ohne dass sie deswegen bewilligungspflichtig wären. Nicht entscheidend ins Gewicht falle, dass die Probebohrungen im Perimeter des BLN-Objekts Nr. 1'108 (Aargauer Tafeljura) und im Wald geplant seien. Die Probebohrungen auf den Waldstrassen beeinträchtigten Natur und Landschaft nur unerheblich, und die Gesichtspunkte des Natur- und Landschaftsschutzes seien in einem späteren Zeitpunkt, nämlich beim Entscheid, ob die planerischen Grundlagen für den Abbau von Kalk und Mergel geschaffen werden sollten, vertieft zu würdigen.
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5.2. Die Probebohrungen sind im Waldgebiet geplant und dienen keinem forstwirtschaftlichen Zweck. In Frage steht daher die Erforderlichkeit einer Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG. Dem in Art. 24 RPG verwendeten Bauten- und Anlagenbegriff liegt das Verständnis von Art. 22 RPG zugrunde, d.h. die Anwendung von Art. 24 RPG setzt das Vorliegen einer baubewilligungspflichtigen Baute oder Anlage gemäss Art. 22 Abs. 1 RPG voraus.
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5.3. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung hängt die Bewilligungspflicht von Probebohrungen folglich von deren konkreten räumlichen Auswirkungen im Einzelfall ab (BGE 118 Ib 1 E. 2c S. 9; zur Kasuistik vgl. auch Bernhard Waldmann/Peter Hänni, Handkommentar RPG, 2006, Art. 22 N. 15; Christian Mäder, Das Baubewilligungsverfahren, Diss. 1991, S. 90 f.). Entscheidend ist nach dem Gesagten, ob die Probebohrungen so gewichtige Auswirkungen auf Raum und Umwelt haben, dass ein Interesse der Öffentlichkeit oder der Nachbarn an einer vorgängigen Kontrolle besteht; von massgeblicher Bedeutung für die Beurteilung der räumlichen Folgen sind insbesondere auch die Art und Empfindlichkeit der Umgebung.
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Erwägung 6
 
6.1. Die Abteilung für Baubewilligungen des BVU/AG stellte mit Entscheid vom 23. Februar 2011 fest (vgl. Sachverhalt lit. B. hiervor), für die Probebohrungen sei keine Aus nahmebewilligung für eine Rodung erforderlich (vgl. Art. 5 des Waldgesetzes vom 4. Oktober 1991 [WaG; SR 921.0] und Art. 4 der Waldverordnung vom 30. November 1992 [WaV; SR 921.01]), und bei den Probebohrungen handle es sich auch nicht um eine nachteilige Nutzung des Waldes, für welche eine Ausnahmebewilligung notwendig wäre (vgl. Art. 16 WaG). Die Vorinstanz hat diese Einschätzung im angefochtenen Urteil bestätigt und in ihrer Begründung unter Bezugnahme auf die Erwägungen des Regierungsrats ausgeführt, die Probebohrungen beschränkten sich auf das Gebiet von Waldstrassen. Deren Zweckentfremdung sei mit maximal vier Wochen kurz befristet. Die auf die Waldbewirtschaftung mit grossen und schweren Fahrzeugen ausgelegten Waldstrassen vermöchten die mit den Probebohrungen verbundenen Fahrten schadlos zu bewältigen, und die Funktion der Waldstrassen als forstliche Anlagen bleibe auf Dauer erhalten. Der Umstand, dass die Waldweggabelung während eines Monats nicht oder nur erschwert mit zweispurigen Fahrzeugen befahrbar sei, schränke die Produktionsfähigkeit des angrenzenden Waldbodens nicht ein. Auch das Wild werde durch die Bohrarbeiten samt den damit verbundenen Fahrten mutmasslich nicht stärker gestört als durch ordentliche Forstarbeiten. Insbesondere sei damit zu rechnen, dass das Wild die Umgebung der Bohrstelle nur vorübergehend meide und nicht dauerhaft vertrieben werde. Ebenfalls nur geringfügig beeinträchtigt sei schliesslich die Erholungsfunktion des Waldes.
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6.2. Das Waldgesetz bezweckt die Erhaltung und den Schutz des Waldes, soll dafür sorgen, dass der Wald seine Funktionen erfüllen kann, und die Waldwirtschaft fördern und erhalten (Art. 1 Abs. 1 WaG). Als Wald gelten auch Waldstrassen (Art. 2 Abs. 2 lit. b WaG). Bauvorhaben, die den Waldboden dauernd oder vorübergehend zweckentfremden, bedürfen einer Rodungsbewilligung (Art. 4 WaG). Rodungen sind grundsätzlich verboten (vgl. Art. 5 Abs. 1 WaG). Eine Ausnahmebewilligung darf gemäss Art. 5 Abs. 2 WaG erteilt werden, wenn der Gesuchsteller nachweist, dass für die Rodung wichtige Gründe bestehen, die das Interesse an der Walderhaltung überwiegen und zudem die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: das Werk, für das gerodet werden soll, muss auf den vorgesehenen Standort angewiesen sein (lit. a); das Werk muss die Voraussetzungen der Raumplanung sachlich erfüllen (lit. b); die Rodung darf zu keiner erheblichen Gefährdung der Umwelt führen (lit. c). Die Erteilung einer Rodungsbewilligung befreit nicht von der Einholung einer Baubewilligung nach Art. 22 oder Art. 24 RPG (vgl. Art. 11 Abs. 1 WaG). Die Beanspruchung von Waldboden für forstliche Bauten und Anlagen sowie für nichtforstliche Kleinbauten und -anlagen gilt nach Art. 4 lit. a WaV nicht als Rodung und stellt somit keine Zweckentfremdung des Waldes dar. Umgekehrt folgt daraus, dass nichtforstliche Bauvorhaben, ausgenommen Kleinbauten und -anlagen, als eine Zweckentfremdung des Waldes zu betrachten sind. Sie bedürfen deshalb einer Rodungsbewilligung und, wie die forstlichen Bauvorhaben, immer auch einer Baubewilligung nach RPG.
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6.3. Die geplanten Probebohrungen dienen keinem forstwirtschaftlichen Zweck und stellen damit eine Zweckentfremdung der Waldstrassen als Waldboden dar. Hiervon geht im Übrigen auch die Vorinstanz aus. Eine einmalige, kurzfristige und punktuelle Beanspruchung von Waldboden (wie etwa durch das Skifahren abseits der Piste) darf mit Blick auf den zeitlichen Faktor noch nicht als vorübergehende Zweckentfremdung angesehen werden (vgl. Jaissle, a.a.O., S. 115 Fn. 5). Bei einer Beanspruchung des Waldbodens während einer Zeitdauer von vier Wochen ist das Merkmal "vorübergehend" hingegen erfüllt. Damit liegt grundsätzlich eine vorübergehende Zweckentfremdung des Waldbodens im Sinne von Art. 4 WaG vor.
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Erwägung 7
 
Damit ist zusammenfassend festzuhalten, dass die geplanten Probebohrungen nebst der bereits erteilten gewässerschutzrechtlichen Bewilligung gemäss Art. 32 GSchV und § 7 GNG/AG zusätzlich eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG, eine waldrechtliche Ausnahmebewilligung für eine nachteilige Nutzung gemäss Art. 16 Abs. 2 WaG bzw. § 13 Abs. 2 WaG/AG sowie eine (in die Zuständigkeit des Gemeinderats fallende) waldrechtliche Ausnahmebewilligung für das Befahren der Waldstrassen gemäss § 22 Abs. 1 lit. e WaV/AG benötigen.
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Erwägung 8
 
Die Beschwerde ist folglich gutzuheissen, soweit darauf eingetreten werden kann, und das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts vom 18. Juni 2012 ist aufzuheben. Es ist festzustellen, dass die geplanten Probebohrungen eine Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 RPG und waldrechtliche Ausnahmebewilligungen für eine nachteilige Nutzung nach Art. 16 Abs. 2 WaG bzw. § 13 Abs. 2 WaG/AG sowie für das Befahren der Waldstrassen gemäss § 22 Abs. 1 lit. e WaV/AG erfordern.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 18. Juni 2012 wird aufgehoben.
 
2. Es wird festgestellt, dass die geplanten Probebohrungen eine Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 RPG und waldrechtliche Ausnahmebewilligungen für eine nachteilige Nutzung nach Art. 16 Abs. 2 WaG bzw. § 13 Abs. 2 WaG/AG sowie für das Befahren der Waldstrassen gemäss § 22 Abs. 1 lit. e WaV/AG erfordern.
 
3. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
4. Der Kanton Aargau hat der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen.
 
5. Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Regierungsrat des Kantons Aargau, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 3. Kammer, dem Bundesamt für Raumentwicklung und dem Bundesamt für Umwelt schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 15. März 2013
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Aemisegger
 
Der Gerichtsschreiber: Stohner
 
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