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Informationen zum Dokument  BGer 2C_494/2013  Materielle Begründung
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BGer 2C_494/2013 vom 02.06.2013
 
{T 0/2}
 
2C_494/2013
 
 
Urteil vom 2. Juni 2013
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Seiler, Kneubühler,
 
Gerichtsschreiber Hugi Yar.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roger Groner,
 
gegen
 
Migrationsamt des Kantons Zürich,
 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.
 
Gegenstand
 
Aufenthaltsbewilligung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Kammer, vom 27. März 2013.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
X.________ (geb. 1983) stammt aus dem Kosovo. Er heiratete dort am 31. Mai 2007 eine in der Schweiz niederlassungsberechtigte französische Staatsangehörige (geb. 1987). Am 24. Dezember 2008 kam er im Familiennachzug in die Schweiz, wo ihm eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei seiner Gattin erteilt wurde. Die Ehegatten trennten sich im September 2010, worauf das Migrationsamt des Kantons Zürich am 22. September 2011 es ablehnte, seine Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Die von X.________ hiergegen eingereichten kantonalen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg. Er beantragt vor Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 27. März 2013 aufzuheben und ihm die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren.
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Erwägung 2
 
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann diesen bloss berichtigen oder ergänzen, wenn er offensichtlich unrichtig oder in Verletzung wesentlicher Verfahrensrechte ermittelt worden ist (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die betroffene Person muss rechtsgenügend dartun, dass und inwiefern der Sachverhalt bzw. die Beweiswürdigung in einem entscheidwesentlichen Punkt klar und eindeutig mangelhaft - mit anderen Worten willkürlich -erscheint (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3; 133 III 350 E. 1.3). Soweit der Beschwerdeführer sich darauf beschränkt, bloss die bereits vor der Vorinstanz erhobenen Einwände zu wiederholen und seine eigene Würdigung jener des Verwaltungsgerichts entgegenzustellen, ohne in Auseinandersetzung mit deren Überlegungen darzulegen, inwiefern diese verfassungswidrig wären, genügt seine Eingabe den gesetzlichen Begründungsanforderungen nicht; es ist auf die entsprechenden Ausführungen nicht weiter einzugehen.
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Erwägung 3
 
3.1. Der Beschwerdeführer hat als Ehegatte einer EU-Bürgerin gestützt auf das Freizügigkeitsrecht Anspruch auf eine aus deren Anwesenheit abgeleitete Bewilligung, solange die Ehe formell andauert (Art. 7 lit. d des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit [FZA; SR 0.142.112.681] i.V.m. Art. 3 Anhang I FZA; Urteil des EuGH vom 13. Februar 1985 C-267/83 Diatta, Rec. 1985 S. 567; BGE 130 II 113 E. 8 S. 127 ff.). Dieses Recht steht indessen unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs (BGE 130 II 113 E. 9 S. 129 ff.). Fehlt der Wille zur Gemeinschaft und dient das formelle Eheband ausschliesslich noch dazu, die ausländerrechtlichen Zulassungsvorschriften zu umgehen, fällt der entsprechende aus dem Familiennachzug abgeleitete Anspruch dahin (Urteile 2C_886/2011 vom 28. Februar 2012 E. 3.1, 2A.557/2002 vom 3. Juni 2004 E. 5; vgl. auch Art. 35 RL 2004/38/EG [Unionsbürgerrichtlinie]; ABl. L 229 vom 29. Juni 2004 S. 35 ff.). Art. 3 des Anhangs I FZA spricht ausdrücklich davon, dass die Familienangehörigen eines Bürgers der Vertragsparteien das Recht haben, "bei ihr Wohnung zu nehmen", was ein minimales Zusammenleben bzw. eine minimale eheliche Verbundenheit voraussetzt. Die vom originär anwesenheitsberechtigten EU-Bürger abgeleitete Bewilligung des Drittstaatsangehörigen kann bei deren Fehlen mangels Fortbestehens der Bewilligungsvoraussetzungen gestützt auf Art. 23 Abs. 1 VEP (SR 142.203) in Verbindung mit Art. 62 lit. d AuG (Nichteinhalten einer mit der Verfügung verbundenen Bedingung) widerrufen oder nicht mehr verlängert werden, da das Freizügigkeitsabkommen diesbezüglich keine eigenen abweichenden Bestimmungen enthält (vgl. Art. 2 Abs. 2 AuG). Nur wenn die Voraussetzungen eines Verbleiberechts (vgl. Art. 4 Anhang I FZA und die Verordnung EWG Nr. 1251/70 vom 29. Juni 1970 [ABl. Nr. L 142 vom 30. Juni 1970 S. 24 ff.] sowie die Richtlinie 75/34/EWG vom 17. Dezember 1974 [ABl. Nr. L 014 vom 20. Januar 1975 S. 10 ff.]) oder eines eigenständigen Anwesenheitsrechts erfüllt sind, gilt freizügigkeitsrechtlich ein Aufenthaltsanspruch fort (vgl. die Urteile 2C_13/2012 vom 8. Januar 2013 E. 2.2 und 2C_65/2012 vom 22. März 2013 E. 2); dass dies hier der Fall wäre, wird nicht geltend gemacht.
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3.2. Der Beschwerdeführer und seine Gattin haben übereinstimmend erklärt, dass der gemeinsame Haushalt im September 2010 aufgehoben wurde. Seine Gattin hat sich mit einem vormaligen Freund versöhnt, mit dem sie wieder zusammenwohnt und inzwischen ein gemeinsames Kind hat. Die eheliche Gemeinschaft hat in der Schweiz somit rund 18 Monate gedauert und die Anrufung des formellen Ehebands nach fast drei Jahren faktischer Trennung durfte willkürfrei als missbräuchlich im Sinne der Rechtsprechung eingeschätzt werden. Daran ändert die Kritik des Beschwerdeführers nichts, dass er nach wie vor darauf hoffe, mit seiner Gattin wieder zusammenzufinden. Objektiv betrachtet besteht die eheliche Verbundenheit in seelischer, emotionaler, sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht längst nicht mehr; es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, dass diese in absehbarer Zeit wieder aufleben könnte, selbst wenn zwischen den Ehepartnern noch freundschaftliche Beziehungen bestehen sollten, wie der Beschwerdeführer einwendet.
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Erwägung 4
 
4.1. Ausländische Ehegatten von Niedergelassenen haben unter Vorbehalt von Art. 51 Abs. 1 AuG Anspruch auf Erteilung und Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit ihrem Partner zusammenwohnen. Der Bewilligungsanspruch besteht trotz Auflösens bzw. definitiven Scheiterns der Ehegemeinschaft fort, wenn diese mindestens drei Jahre gedauert und die betroffene ausländische Person sich hier erfolgreich integriert hat (Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG; BGE 136 II 113 E. 3.3.3). Da die Ehe des Beschwerdeführers nur 18 Monate in der Schweiz gelebt wurde, kann er aus dieser Bestimmung nichts zu seinen Gunsten ableiten, auch wenn er als erfolgreich integriert gelten könnte; die erforderliche Ehedauer von drei Jahren im Inland gilt kumulativ hierzu. Zwar hat der Beschwerdeführer seine Gattin bereits am 31. Mai 2007 geheiratet und ist es zu Verzögerungen bei seiner Einreiseerlaubnis gekommen, da ursprünglich von einer "Umgehungsehe" ausgegangen wurde; dies ändert indessen nichts an der Tatsache, dass die Rechtsprechung einen gemeinsamen Aufenthalt der Ehepartner von drei Jahren in der Schweiz selber voraussetzt, da es dabei um die Integration und deren Kontrolle über eine längere Zeitdauer hinweg in den hiesigen Verhältnissen geht (BGE 136 II 113 E. 3.3).
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4.2. Ein Härtefall im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Abs. 2 AuG liegt ebenfalls nicht vor: Danach besteht der Bewilligungsanspruch fort, falls wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweizerforderlich machen (vgl. BGE 137 II 345 E. 3.2 S. 348 ff.). Bei der Anwendung von Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG ist entscheidend, ob die persönliche, berufliche und familiäre Wiedereingliederung der betroffenen ausländischen Person bei einer Rückkehr in ihre Heimat als stark gefährdet zu gelten hätte und nicht, ob ein Leben in der Schweiz einfacher wäre und vorgezogen würde (vgl. BGE 137 II 345 E. 3.2.3 S. 350 und die Urteile 2C_489/2011 vom 16. Juni 2011 E. 2.2 sowie 2C_216/2009 vom 20. August 2009 E. 3). Ein persönlicher, nachehelicher Härtefall setzt aufgrund der gesamten Umstände eineerhebliche Intensität der Konsequenzen für das Privat- und Familienleben voraus, die mit der Lebenssituation nach dem Dahinfallen der abgeleiteten Anwesenheitsberechtigung verbunden sein muss (vgl. BGE 137 II 345 E. 3.2.3 S. 350 und das Urteil 2C_781/2010 vom 16. Februar 2011 E. 2.2).
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4.3. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern seine Rückkehr in den Kosovo besondere Probleme stellen würde, die in einem hinreichend engen Zusammenhang zur ursprünglich anspruchsbegründenden Ehe und dem damit verbundenen bisherigen (bewilligten) Aufenthalt im Land stünden (vgl. BGE 137 II 345 E. 3.2.3 S. 350). War der (legale) Aufenthalt nur von kurzer Dauer, besteht kein Anspruch auf einen weiteren Verbleib, auch wenn die betroffene Person hier nicht straffällig geworden ist, gearbeitet hat und sich inzwischen in einer Landessprache auszudrücken vermag. Der Beschwerdeführer hat einen Grossteil seines Lebens in der Heimat verbracht. Es ist nicht ersichtlich, weshalb eine erneute Integration in den dortigen Verhältnissen unzumutbar wäre (vgl. BGE 137 II 345 E. 3.2.3 S. 350), selbst wenn seine Eltern und gewisse Geschwister hier leben. Da der Beschwerdeführer volljährig ist und kein - über die normalen familiären Beziehungen hinausgehendes - Abhängigkeitsverhältnis von der in der Schweiz anwesenden Familie dargetan wird, verletzt der angefochtene Entscheid auch Art. 8 EMRK nicht (Schutz des Familienlebens; EGMR-Urteil Shala gegen die Schweiz vom 15. November 2012 [Nr. 52873/09], Ziff. 40). Die Integration des Beschwerdeführers entspricht - schon von der Dauer seiner Anwesenheit her - auch nicht den Voraussetzungen, welche ihm einen Aufenthaltsanspruch aus dem Schutz seines Privatlebens verschaffen könnten (vgl. BGE 130 II 281 E. 3.2.1 S. 286; 126 II 377 E. 2c S. 384 ff.; vgl. das EGMR-Urteil Gezginci gegen die Schweiz vom 9. Dezember 2010 [Nr. 16327/05], Ziff. 60 ff. [keine Verletzung von Art. 8 EMRK durch die Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung bei einer Anwesenheit von 30 Jahren]).
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Erwägung 5
 
5.1. Die Eingabe kann ohne Schriftenwechsel oder Beizug der Akten im Verfahren nach Art. 109 BGG erledigt werden. Für alles Weitere wird ergänzend auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG).
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5.2. Da die vorliegende Eingabe aufgrund der bundesgerichtlichen Praxis zum Vornherein aussichtslos war, ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abzuweisen (vgl. Art. 64 BGG). Der Beschwerdeführer hat die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (vgl. Art. 68 Abs. 3 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. 
 
2.1. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
2.2. Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Kammer, und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 2. Juni 2013
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar
 
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