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Informationen zum Dokument  BGer 4A_237/2013  Materielle Begründung
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BGer 4A_237/2013 vom 08.07.2013
 
{T 0/2}
 
4A_237/2013
 
 
Urteil vom 8. Juli 2013
 
 
I. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
 
Bundesrichter Corboz, Kolly,
 
Bundesrichterinnen Kiss, Niquille,
 
Gerichtsschreiber Kölz.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwälte
 
Guy Longchamp und Olivier Bastian,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Y.________ AG,
 
vertreten durch Rechtsanwälte
 
Thomas Klein und Isabella Gasser Szoltysek,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Kostenentscheid,
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 18. März 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
X.________ (Beschwerdeführer) reichte am 4. Juli 2012 beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage ein mit dem Antrag, die Y.________ AG (Beschwerdegegnerin) sei zu verpflichten, ihm EUR 1'212'100.-- nebst Zins zu 5% seit dem 1. März 2000 "sofort zu bezahlen".
1
 
B.
 
Der Beschwerdeführer beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen, den Beschluss des Handelsgerichts vom 18. März 2013 dahingehend zu ändern, dass keine Gerichtsgebühren zulasten des Beschwerdeführers erhoben werden und der Beschwerdegegnerin keine Parteientschädigung zugesprochen wird. Eventualiter seien die Gerichtskosten auf einen symbolischen Betrag, höchstens aber auf Fr. 500.-- festzusetzen. Subeventualiter sei der Beschluss aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
2
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
Das Verfahren wird in einer der Amtssprachen (Deutsch, Französisch, Italienisch, Rumantsch Grischun) geführt, in der Regel in der Sprache des angefochtenen Entscheids. Verwenden die Parteien eine andere Amtssprache, so kann das Verfahren in dieser Sprache geführt werden (Art. 54 Abs. 1 BGG). Vorliegend erging der angefochtene Beschluss auf Deutsch. Der Beschwerdeführer bedient sich der französischen, die Beschwerdegegnerin der deutschen Sprache. Bei dieser Sachlage ergeht das Urteil des Bundesgerichts in der Sprache des angefochtenen Entscheids.
3
 
Erwägung 2
 
Gegen Entscheide der als einzige kantonale Instanzen im Sinne von Art. 6 ZPO zuständigen Handelsgerichte ist die Beschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG streitwertunabhängig gegeben (BGE 139 III 67 E. 1.2). Damit erweist sich die vorliegende, einzig gegen den Kostenentscheid (Auferlegung von Kosten und Parteientschädigung) gerichtete Beschwerde ohne weiteres als zulässig. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
4
 
Erwägung 3
 
Der Beschwerdeführer beanstandet zunächst die Auferlegung der Gerichtskosten in der Höhe von Fr. 12'000.--.
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3.1. Er ist der Auffassung, für das Nichteintreten wegen Nichtleistung des Kostenvorschusses dürften überhaupt keine Kosten erhoben werden.
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3.2. Eventualiter richtet sich der Beschwerdeführer gegen die Höhe der vorinstanzlich festgesetzten Gerichtsgebühr von Fr. 12'000.--.
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3.2.1. Nach Art. 96 ZPO setzen die Kantone die Tarife für die Prozesskosten fest. Im Kanton Zürich gelangt die gestützt auf § 199 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Zürich vom 10. Mai 2010 über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess (GOG) erlassene Gebührenverordnung des Obergerichts vom 8. September 2010 (GebV OG) zur Anwendung. § 2 Abs. 1 GebV OG nennt als Grundlage für die Festsetzung der Gebühren im Zivilprozess den Streitwert bzw. das tatsächliche Streitinteresse, den Zeitaufwand des Gerichts und die Schwierigkeit des Falls (vgl. auch § 199 Abs. 3 GOG). § 4 GebV OG sieht für vermögensrechtliche Streitigkeiten ein nach Streitwert abgestuftes Raster für die Grundgebühr vor. Bei einem Streitwert über Fr. 1 Mio. bis Fr. 10 Mio. beträgt die Grundgebühr Fr. 30'750.-- zuzüglich 1% des Fr. 1 Mio. übersteigenden Streitwertes. Die Grundgebühr kann unter Berücksichtigung des Zeitaufwandes des Gerichts und der Schwierigkeit des Falls ermässigt oder um bis zu einem Drittel, in Ausnahmefällen bis auf das Doppelte, erhöht werden (§ 4 Abs. 2 GebV OG). Wird das Verfahren ohne Anspruchsprüfung oder nach Säumnis erledigt, kann die gemäss §§ 4-8 bestimmte Gebühr bis auf die Hälfte reduziert werden (§ 10 Abs. 1 GebV OG).
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3.2.2. Dass die Vorinstanz die Gerichtsgebühr auch zur Abgeltung des Aufwands für die Behandlung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege festgelegt hätte, geht aus dem angefochtenen Beschluss nicht hervor und ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht anzunehmen, nachdem die Vorinstanz im Beschluss vom 18. Dezember 2012 (E. 7) betreffend Abweisung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege ausdrücklich auf das Verbot der Kostenerhebung im Gesuchsverfahren hinwies. Mithin kann der Vorinstanz insofern kein fehlerhaftes Vorgehen vorgeworfen werden.
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3.2.3. Das Kostendeckungsprinzip besagt, dass der Gebührenertrag die gesamten Kosten des betreffenden Verwaltungszweigs nicht oder nur geringfügig übersteigen soll (vgl. BGE 126 I 180 E. 3a/aa mit Hinweisen). Es spielt im Allgemeinen für Gerichtsgebühren keine Rolle, decken doch erfahrungsgemäss die von den Gerichten eingenommenen Gebühren die entsprechenden Kosten bei Weitem nicht (BGE 120 Ia 171 E. 3 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer zeigt jedenfalls nicht auf, dass Letzteres für die Zürcher Justiz nicht zutreffen soll. Seine Ansicht, das Kostendeckungsprinzip sei verletzt, begründet er vielmehr mit dem unbehelflichen Hinweis, dass die vom Gericht vorgenommenen Handlungen konkret weniger gekostet hätten als die in Rechnung gestellte Gerichtsgebühr. Die Rüge erweist sich als unbegründet (vgl. Urteile 2C_404/2010 vom 20. Februar 2012 E. 6.5; 4P.315/2006 vom 22. Mai 2007 E. 2.2.2).
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3.2.4. Das Äquivalenzprinzip verlangt in Konkretisierung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes insbesondere, dass eine Gebühr nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum objektiven Wert der bezogenen Leistung stehen darf und sich in vernünftigen Grenzen bewegen muss (im Allgemeinen: BGE 132 II 47 E. 4.1; 130 III 225 E. 2.3 S. 228; 126 I 180 E. 3a/bb; je mit Hinweisen; im Speziellen für Gerichtsgebühren: BGE 120 Ia 171 E. 2a mit Hinweisen). Der Wert der Leistung bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Nutzen, den sie dem Pflichtigen bringt, oder nach dem Kostenaufwand der konkreten Inanspruchnahme im Verhältnis zum gesamten Aufwand des betreffenden Verwaltungszweigs, wobei schematische, auf Wahrscheinlichkeit und Durchschnittserfahrungen beruhende Massstäbe angelegt werden dürfen. Es ist nicht notwendig, dass die Gebühren in jedem Fall genau dem Verwaltungsaufwand entsprechen; sie sollen indessen nach sachlich vertretbaren Kriterien bemessen sein und nicht Unterscheidungen treffen, für die keine vernünftigen Gründe ersichtlich sind (BGE 128 I 46 E. 4a S. 52; 126 I 180 E. 3a/bb). Bei der Festsetzung von Verwaltungsgebühren darf deshalb innerhalb eines gewissen Rahmens auch der wirtschaftlichen Situation des Pflichtigen und dessen Interesse am abzugeltenden Akt Rechnung getragen werden, und bei Gerichtsgebühren darf namentlich der Streitwert eine massgebende Rolle spielen. Dem Gemeinwesen ist es nicht verwehrt, mit den Gebühren für bedeutende Geschäfte den Ausfall in weniger bedeutsamen Fällen auszugleichen. In Fällen mit hohem Streitwert und starrem Tarif, der die Berücksichtigung des Aufwandes nicht erlaubt, kann die Belastung allerdings unverhältnismässig werden, namentlich dann, wenn die Gebühr in Prozenten oder Promillen festgelegt wird und eine obere Begrenzung fehlt (BGE 130 III 225 E. 2.3 mit Hinweisen).
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3.2.5. Der Beschwerdeführer moniert, dass die Vorinstanz in Willkür verfallen sei, indem sie von der nach unten offenen Ermässigungsmöglichkeit gemäss § 4 Abs. 2 GebV OG völlig unzureichend Gebrauch gemacht habe.
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3.3. Die Dispositiv-Ziffer 2 des angefochtenen Beschlusses ist daher aufzuheben. Aus prozessökonomischen Gründen wird darauf verzichtet, die Sache zur Neufestsetzung der Gerichtsgebühr in Berücksichtigung der bundesgerichtlichen Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen, zumal diese auf eine Vernehmlassung zur Beschwerde verzichtet und damit ihr Desinteresse an einer Rückweisung und erneuten Ermessensausübung bekundet hat. Das Bundesgericht macht von seiner reformatorischen Kompetenz (Art. 107 Abs. 2 BGG) Gebrauch und setzt die Gerichtsgebühr auf Fr. 2'000.-- fest. Dieser Betrag scheint den vorliegenden Umständen angemessen. Er entspricht - in etwa - einer Ermässigung der ordentlichen Grundgebühr von Fr. 35'750.-- um neun Zehntel auf Fr. 3'575.-- nach § 4 Abs. 2 GebV OG und einer Reduktion dieser Gebühr auf die Hälfte, mithin auf Fr. 1'787.50, nach § 10 Abs. 1 GebV OG, aufgerundet auf Fr. 2'000.--.
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Erwägung 4
 
Der Beschwerdeführer rügt sodann, dass ihm zugunsten der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung von Fr. 9'000.-- auferlegt wurde.
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4.1. Betreffend Parteientschädigung erwog die Vorinstanz, dass sich die Beschwerdegegnerin lediglich zum Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege habe äussern müssen. Dabei habe sie sich auch zur Aussichtslosigkeit geäussert, was eine entsprechende Instruktion der Rechtsvertreter durch die Klientschaft vorausgesetzt habe. In Anwendung von § 10 Abs. 1 lit. a (betreffend Zwischenentscheide) und § 11 Abs. 4 (erfolgte Instruktion) der (kantonalen) Verordnung des Obergerichts über die Anwaltsgebühren vom 8. September 2010 (AnwGebV) sowie unter Berücksichtigung des hohen Streitwerts setzte sie die Parteientschädigung auf rund einen Viertel der ordentlichen Grundgebühr fest.
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4.2. Der Beschwerdeführer beanstandet, die Zusprechung einer Parteientschädigung komme vorliegend einer unzulässigen Entschädigung für die Stellungnahme zum Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gleich.
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4.3. Sodann rügt der Beschwerdeführer zu Recht, dass die Vorinstanz mit der Zusprechung einer Parteientschädigung auch die Dispositionsmaxime verletzt hat. Im Geltungsbereich der ZPO wird - anders als im Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht (BGE 111 Ia 154 E. 4 und 5; Bernard Corboz, Commentaire de la LTF, 2009, N. 53 zu Art. 68 BGG; Geiser, a.a.O., N. 3 zu Art. 68 BGG) - eine Parteientschädigung nicht von Amtes wegen, sondern nur auf Antrag festgesetzt. Die entsprechende Absicht des Gesetzgebers geht aus den Materialien hervor (Botschaft, a.a.O., 7296 zu Art. 102 und 103 ZPO) und wird durch den Wortlaut von Art. 105 ZPO zum Ausdruck gebracht, indem Absatz 2 im Gegensatz zu Absatz 1 über die Gerichtskosten gerade nicht vorschreibt, dass die Parteientschädigung von Amtes wegen zugesprochen wird. Die Doktrin ist sich denn auch einig in dieser Frage (Alexander Fischer, in: Baker & McKenzie [Hrsg.], Schweizerische Zivilprozessordnung, Bern 2010, N. 4 zu Art. 105 ZPO; Gasser/Rickli, Schweizerische Zivilprozessordnung, Kurzkommentar, 2010, N. 2 zu Art. 105 ZPO; David Jenny, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 6 zu Art. 105 ZPO; Rüegg, a.a.O., N. 2 zu Art. 105 ZPO; Martin H. Sterchi, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 6 zu Art. 105 ZPO; Tappy, a.a.O., N. 7 zu Art. 105 ZPO; Adrian Urwyler, in: Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], Schweizerische Zivilprozessordnung, Kommentar, 2011, N. 4 zu Art. 105 ZPO).
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Erwägung 5
 
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Beschwerde teilweise gutzuheissen ist. Da die Beschwerdegegnerin der Vorinstanz keinen Antrag auf Auferlegung der Kosten an den Beschwerdeführer oder Zusprechung einer Parteientschädigung stellte und sich nicht mit dem angefochtenen Beschluss identifizierte sowie im bundesgerichtlichen Verfahren auf eine Vernehmlassung und einen Antrag verzichtete, ist es nicht angebracht, ihr die Kosten und die Entschädigung zu auferlegen. Der Kanton Zürich darf nicht mit Gerichtskosten belastet werden (Art. 66 Abs. 4 BGG). Mithin erscheint es gerechtfertigt, auf die Erhebung von Kosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG) und den Kanton Zürich zu verpflichten, dem teilweise obsiegenden Beschwerdeführer eine reduzierte Parteientschädigung zu bezahlen.
18
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.
 
Die Dispositiv-Ziffern 2 und 4 des Beschlusses des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 18. März 2013 werden aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
 
"2. Die Gerichtsgebühr wird auf Fr. 2'000.-- festgesetzt."
 
"4. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen."
 
2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3. Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 8. Juli 2013
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Klett
 
Der Gerichtsschreiber: Kölz
 
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