VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 2C_191/2013  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 2C_191/2013 vom 29.07.2013
 
{T 0/2}
 
2C_191/2013
 
2C_192/2013
 
 
Urteil vom 29. Juli 2013
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Seiler, Kneubühler,
 
Gerichtsschreiber Wyssmann.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. A.X.________,
 
2. B.X.________,
 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Silvio A. Dreier,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Steueramt des Kantons Solothurn,
 
Schanzmühle, Werkhofstrasse 29c, 4509 Solothurn.
 
Gegenstand
 
Staatssteuer 2000 (ordentliche Veranlagung) und Jahressteuer 2000 (2001A), direkte Bundessteuer
 
1999 und 2000 (Jahressteuern),
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 14. Januar 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die vorliegende Sache betrifft einerseits die direkte Bundessteuer 1999 und 2000 (Jahressteuern), andererseits die ordentliche Veranlagung für die Staatssteuer 2000 (Bemessungsjahr 1999) und die kantonale Jahressteuer 2000 (Bemessungslückenjahr 1999). Das kantonale Steuergericht hat die Staats- und direkte Bundessteuer im nämlichen Urteil behandelt, und auch die Beschwerdeführer haben nur eine Beschwerdeschrift eingereicht. Es rechtfertigt sich, die beiden Verfahren zu vereinigen (vgl. Art. 71 BGG i.V.m. Art. 24 BZP; BGE 131 V 461 E. 1.2 S. 465, 59 E. 1 S. 60 f.; Urteile 2C_711/2012, 2C_712/2012 vom 20. Dezember 2012 E. 1.2, in: StE 2013 B 26.21 Nr. 7).
1
1.2. Die Beschwerde wurde unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG) eingereicht und richtet sich gegen einen Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten, oberen kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG) in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG). Die Beschwerdeführer sind durch die Entscheidung besonders berührt und haben ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung (Art. 89 Abs. 1 BGG).
2
1.3. Mit der Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es im Rahmen der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2, Art. 106 Abs. 2 BGG) grundsätzlich nur die geltend gemachten Rechtswidrigkeiten (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem Recht ist nur zu prüfen, wenn eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Berufen sich die Beschwerdeführer auf das Willkürverbot im Sinne von Art. 9 BV, ist darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 138 I 49 E. 7.1; 138 I 305 E. 4.3; 137 I 1 E. 2.4). Mit diesen Vorbehalten ist auf die Beschwerde einzutreten.
3
 
Erwägung 2
 
2.1. Die Beschwerdeführer machen geltend, gemäss dem Urteil vom 14. Januar 2013 habe sich der Spruchkörper mehrheitlich aus Richtern zusammengesetzt, die bereits am Urteil vom 8. März 2010 mitgewirkt hätten. Sie (die Beschwerdeführer) hätten rechtzeitig vor dem hier angefochtenen Entscheid gegen diese Richter ein Ausstandsbegehren bei der Vorinstanz gestellt. Unverständlicherweise habe diese indessen keinen Antrag für die ausserordentliche Stellvertretung in Ausstandsfällen gemäss § 101 des kantonalen Gerichtsorganisationsgesetzes (GO) gestellt, sondern in eigener Sache geurteilt. Die abgelehnten Richter hätten somit über ihren eigenen Ausstand befunden. § 92 Abs. 1 lit. d GO bestimme ausdrücklich, dass ein Richter von der Ausübung des Amtes ausgeschlossen sei, wenn er in der gleichen Sache bereits als Richter tätig gewesen sei. Art. 30 Abs. 1 BV sei verletzt.
4
2.2. Gemäss Art. 30 Abs. 1 BV hat der Einzelne Anspruch darauf, dass seine Sache von einem durch Gesetz geschaffenen, zuständigen, unabhängigen und unparteiischen Gericht beurteilt wird. Es soll garantiert werden, dass keine Umstände, welche ausserhalb des Prozesses liegen, in sachwidriger Weise zugunsten oder zulasten einer Partei auf das gerichtliche Urteil einwirken. Die Garantie des verfassungsmässigen Richters wird verletzt, wenn bei objektiver Betrachtung Gegebenheiten vorliegen, die den Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen (BGE 134 I 238 E. 2.1 S. 240; 138 I 1 E. 2.2; 137 I 227 E. 2.1; je mit Hinweisen).
5
2.3. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann eine Gerichtsabteilung oder eine Behörde nicht als Ganzes abgelehnt werden, weil sich das Ausstandsgesuch gegen bestimmte Personen richten muss (BGE 137 V 20 E. 1.3.3 S. 227 sowie Urteil 8C_102/2011 vom 27. April 2011 E. 2.2), denn nur die für die Behörde tätigen Personen können befangen sein, nicht die Behörde als solche. Richterinnen bzw. Richter können auch nicht deshalb abgelehnt werden, weil sie bereits in einer früheren Sache gegen dieselbe Partei entschieden haben. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, welche sie als befangen erscheinen lassen (vgl. BGE 114 Ia 278 E. 1; 105 Ib 301 E. 1d; Urteile 4A_149/2012 vom 1. Mai 2012 E. 2; 1F_2/2012 vom 7. Februar 2012 E. 2; 2F_2/2007 vom 25. April 2007 E. 3.2). Erst recht kann eine Richterin bzw. ein Richter nicht schon dann als befangen abgelehnt werden, weil sie bzw. er nach Rückweisung durch die obere Instanz in der gleichen Sache erneut befinden muss (BGE 138 IV 142 E. 2.3; 116 Ia 28 E. 2a; 114 Ia 50 E. 3d S. 58; Urteil 4A_510/2012 vom 9. April 2013 E. 7). Dies ergibt sich für das Verfahren vor dem Bundesgericht übrigens ausdrücklich aus Art. 34 Abs. 2 BGG. Eine derart begründete Ablehnung ist unzulässig, weshalb auch kein Ausstandsverfahren durchzuführen und auf das Ausstandsgesuch nicht einzutreten ist. Dieser Entscheid kann durch den abgelehnten Spruchkörper selbst getroffen werden (BGE 129 III 445 E. 4.2.2 S. 464; 105 Ib 301 E. 1c S. 304; 114 Ia 278 E. 1), auch wenn nach dem anwendbaren Verfahrensrecht für Ausstandsverfahren eine andere Behörde zuständig ist (129 III 445 E. 4.2.2 S. 464).
6
2.4. Vorliegend lehnen die Beschwerdeführer die Steuerrichter E.________, F.________, G.________ und H.________ einzig deswegen ab, weil diese bereits am Urteil im ersten Rechtsgang vor dem kantonalen Steuergericht beteiligt waren. Weitere Gründe werden nicht genannt bzw. sind nicht augenfällig. Diese Ablehnung ist nach dem Gesagten unzulässig.
7
2.5. Die Beschwerdeführer leiten aus der kantonalrechtlichen Vorschrift in § 92 Abs. 1 lit. d GO ab, dass ein Richter im Kanton Solothurn nicht zweimal in der gleichen Sache mitwirken könne. Ein solcher Anspruch ergibt sich - wie dargelegt (oben E. 2.3) - aus der Rechtsprechung zu Art. 30 BV nicht. Die Frage, ob sich aus § 92 GO weitergehende Rechte ergeben, beschlägt das kantonale Verfahrens- und Organisationsrecht. Dessen Auslegung und Anwendung überprüft das Bundesgericht - wie kantonales Recht generell - nur unter dem Aspekt des Willkürverbots gemäss Art. 9 BV. Eine solche Rüge müsste aber ausdrücklich erhoben und begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG, vgl. vorn E. 1.3) und findet sich in der vorliegenden Beschwerdeeingabe nicht.
8
2.6. Wenn daher die Vorinstanz vorfrageweise und in weitgehend unveränderter Besetzung das Ausstandsgesuch als unzulässig erklärt hat, hat sie das Bundesrecht nicht verletzt.
9
 
Erwägung 3
 
3.1. Nach der Rechtsprechung (BGE 137 I 273 E. 3.1 mit Hinweisen) ist eine Verfügung nichtig, wenn der ihr anhaftende Mangel besonders schwer und offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird. Als Nichtigkeitsgründe fallen hauptsächlich schwerwiegende Verfahrensfehler sowie die Unzuständigkeit der Behörde in Betracht. Inhaltliche Mängel haben nur in seltenen Ausnahmefällen die Nichtigkeit einer Verfügung zur Folge. Die Vermutung spricht daher für die Gültigkeit des Verwaltungsaktes.
10
3.2. Von Nichtigkeit in diesem Sinne kann vorliegend offensichtlich nicht Rede sein. Wie das Steuergericht im angefochtenen Entscheid dargelegt hat, ist die Bezeichnung "ordentliche Veranlagung" als Abgrenzung zu anderen Veranlagungsverfahren wie etwa der Ermessenstaxation verwendet worden. Der Begriff "Übergangs-Jahressteuer" bezeichne demgegenüber die Jahressteuer, die infolge des Wechsels des Bemessungssystems (Wechsel von Vergangenheits- zu Gegenwartsbemessung) auf den ausserordentlichen Einkünften zu erheben sei, die sonst in die Bemessungslücke fielen. Der Begriff Sondereinkommen werde gerade für solche Einkünfte verwendet. Zu ergänzen ist, dass der Begriff "definitive Veranlagung" zur Abgrenzung von der provisorischen Veranlagung verwendet wird. Das alles war aber den Beschwerdeführern bekannt, wie den Einsprachebegründungen unschwer zu entnehmen ist. Anlass zur Annahme von Nichtigkeit besteht nicht, wie die Vorinstanz zu Recht erkannt hat.
11
3.3. Die Beschwerdeführer rügen in diesem Zusammenhang auch eine ungenügende Begründung des Einspracheentscheids, weil die Veranlagungsbehörde zur (angeblichen) Nichtigkeit der Veranlagungsverfügungen keine Stellung genommen habe. Sie erblicken darin eine Rechtsverweigerung und "Rechtsverkürzung".
12
 
Erwägung 4
 
4.1. Der Kanton Solothurn hat von der den Kantonen durch Art. 41 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) eingeräumten Möglichkeit des Wechsels zur fakultativen einjährigen Steuerperiode bei der direkten Bundessteuer Gebrauch gemacht und ist per 1. Januar 2001 von der zweijährigen Pränumerandobesteuerung mit Vergangenheitsbemessung zur einjährigen Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung übergegangen. Gemäss Art. 218 DBG (in der Fassung vom 9. Oktober 1998, in Kraft seit 1. Januar 1999) ist daher die Einkommenssteuer der natürlichen Personen für die erste Steuerperiode 2001 nach dem Wechsel gemäss Art. 41 DBG nach neuem Recht zu veranlagen (Abs. 1). Einkünfte der Steuerperiode 1999/2000 fallen in die Bemessungslücke. Sofern in diesem Jahr ausserordentliche Einkünfte zugeflossen sind, unterliegen diese gemäss Art. 218 Abs. 2 DBG einer vollen Jahressteuer zum Satz, der sich für diese Einkünfte allein ergibt. Als ausserordentliche Einkünfte gelten insbesondere auch aperiodische Vermögenserträge sowie, in sinngemässer Anwendung von Art. 206 Abs. 3 DBG, ausserordentliche Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit (Art. 218 Abs. 3 DBG).
13
4.2. Der Beschwerdeführer erzielte im Jahr 2000 einen Vermögenszufluss im Wert von Fr. 800'000.-- in Form von Aktien der neu gegründeten J.________ AG. Es handelt sich um die Gegenleistung für die Übertragung einer Exklusivlizenz an einem von ihm entwickelten Biosensor auf die Aktionäre der damals in Gründung befindlichen J.________ AG (vgl. die Verpflichtungserklärung vom 15. Dezember 1999 des Beschwerdeführers und der K.________ GmbH gegenüber den Aktionären der J.________ AG in Gründung). Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG) festgestellt, dass diese Leistung nicht von der J.________ AG als Arbeitgeberin des Beschwerdeführers erfolgte (vgl. Verpflichtungserklärung, a.a.O., Ziff. 3, und Arbeitsvertrag zwischen J.________ AG und dem Beschwerdeführer vom 26./27. September 2000), sondern zur Abgeltung der zur Verfügung gestellten Technologie und des Know-hows. Das Know-how sei vom Beschwerdeführer entwickelt und auf die L.________ GmbH, deren Geschäftsführer er sei, übertragen worden. Damit handle es sich beim Verkauf der Lizenz und des Know-how nicht um die Realisierung eines privaten (steuerfreien) Kapitalgewinns, sondern um die Erzielung von Einkommen aus geschäftlicher Tätigkeit. Der Beschwerdeführer habe den gesamten Betrag entgegengenommen und für sich verwendet, weshalb dieser bei ihm als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit zu besteuern sei.
14
 
Erwägung 5
 
 
Erwägung 6
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird hinsichtlich der direkten Bundessteuer abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Staatssteuer abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 6'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Steueramt des Kantons Solothurn, dem Kantonalen Steuergericht Solothurn und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 29. Juli 2013
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Der Gerichtsschreiber: Wyssmann
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).