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Informationen zum Dokument  BGer 1C_535/2012  Materielle Begründung
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BGer 1C_535/2012 vom 04.09.2013
 
{T 0/2}
 
1C_535/2012
 
 
Urteil vom 4. September 2013
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Aemisegger, Merkli,
 
Gerichtsschreiber Geisser.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________ AG,
 
Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Leonhard Müller,
 
gegen
 
Hochbauabteilung der Stadt A.________.
 
Gegenstand
 
Befehl zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands,
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 10. September 2012 des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
D.
 
 
E.
 
 
F.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 2
 
 
Erwägung 3
 
3.1. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ergibt sich aus der verfassungsmässigen Eigentumsgarantie in Verbindung mit dem Rückwirkungsverbot eine Besitzstandsgarantie im öffentlichen Baurecht. Danach dürfen neue, restriktive Bestimmungen auf Bauten und Nutzungen, die gemäss altem Recht bewilligt wurden, nur dann angewendet werden, wenn wichtige öffentliche Interessen es verlangen und das Prinzip der Verhältnismässigkeit gewahrt bleibt (BGE 113 Ia 119 E. 2a S. 122).
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3.2. Der Aussenlagerplatz war erstmals in den Jahren 1992/1993 Gegenstand eines Baubewilligungsverfahrens. Dieses betraf eine Nutzung, die in Art und Umfang der heute im Streit liegenden entspricht. Nach dem bereits damals geltenden Recht sind Lagerplätze bewilligungspflichtig gewesen (§ 309 Abs. 1 lit. i des Planungs- und Baugesetzes des Kantons Zürich vom 7. September 1975 [PBG; LS 700.1]). Das Grundstück gehörte gemäss damaliger Zonenordnung zum altrechtlichen "Übrigen Gemeindegebiet". Als teilweise Zweckänderung einer nicht zonenkonformen Nutzung ausserhalb der Bauzone erteilte die Baudirektion der früheren Eigentümerin der Liegenschaft für das Depot am 16. Dezember 1992 eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 Abs. 2 aRPG. Mit Rücksicht auf die künftige Einzonung der Parzelle befristete sie diese bis längstens zum 30. Juni 1997.
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3.3. Dasselbe gilt, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, für die bereits vor der Ausnahmebewilligung vom 16. Dezember 1992 ausgeübte Bewirtschaftung des Lagerplatzes. Die vorbestandene Nutzung hat sich, wie sich aus der Verfügung ergibt, in Art und Umfang nicht wesentlich von der damals geplanten unterschieden. Nach richtigem Verständnis der Ausnahmebewilligung hat deren zeitliche Befristung denn auch nicht nur die dannzumal geplante Nutzung als Depot von Gerüsten und Baracken betroffen, sondern - im Sinne einer nachträglichen Baubewilligung (BGE 101 Ia 314 E. 2. S. 316 f.) - auch die bis dahin bewilligungsfrei tolerierte Lagerung anderer gewerblicher Gegenstände. So geht aus dem Entscheid der Baudirektion mit hinreichender Klarheit hervor, dass auch das bisherige Aussenlager zu gewerblicher Nutzung dem künftigen Zonenzweck nicht entgegenstehen soll. Die Behörde hat damit auch der vorbestandenen Lagerplatznutzung die Bestandeskraft gegenüber der künftigen Zonenplanung abgesprochen. Die damalige Grundeigentümerin liess die Verfügung der Baudirektion samt ihren Nebenbestimmungen unangefochten in Rechtskraft erwachsen. Die Beschwerdeführerin als deren Rechtsnachfolgerin hat diesen Entscheid gegen sich gelten zu lassen. Auch eine vorbestandene Nutzung steht seit Ablauf der Baubewilligung vom 30. Juni 1997 somit nicht mehr unter dem Schutz der Besitzstandsgarantie.
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3.4. Die Beschwerdeführerin kann für die Nutzung der Liegenschaft als Aussenlager nach dem Gesagten keinen Bestandesschutz beanspruchen. Die Vorinstanz verletzt daher weder die Eigentumsgarantie noch das Rückwirkungsverbot, wenn sie das Bestehen einer Besitzstandsgarantie verneint.
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Erwägung 4
 
4.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Baubehörden hätten das Recht auf Behebung des rechtswidrigen Zustands verwirkt.
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4.1.1. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verwirkt der Anspruch der Behörden auf Herstellung des rechtmässigen Zustands im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich nach 30 Jahren. Die Frist wurde in Anlehnung an die ausserordentliche Ersitzung von Grundeigentum gemäss Art. 662 ZGB festgelegt. In diesem Sinne setzt die "Ersitzung" eine während 30 Jahren unangefochtene Nutzung des Grundeigentums voraus (vgl. BGE 136 II 359 E. 8 S. 367 f.; 107 Ia 121 E. 1b S. 123 f.).
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4.1.2. Im Lichte dieser Rechtsprechung ist im zu beurteilenden Fall der folgende, unbestrittene Sachverhalt massgeblich: Die Bewilligung zur Nutzung des Grundstücks als Lagerplatz ist am 30. Juni 1997 abgelaufen. Die kantonalen Behörden haben die befristete Ausnahmebewilligung am 3./26. Juni 1997 zwar erneuert; sie bewilligten neben der bisherigen Nutzung als Lagerplatz für Gerüste und Baracken auch eine teilweise Zweckänderung. Anwohner des Geländes haben dagegen aber den Rechtsweg bis vor Bundesgericht beschritten. Dieses hiess die Beschwerde gut und wies die Sache zur weiteren Sachverhaltsabklärung und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück (Urteil 1A.3/1999 vom 16. Juli 1999). Das Bundesgericht erachtete es gestützt auf den überwiesenen Sachverhalt als fraglich, ob die bisherige Nutzung rechtmässig sei. Sollte sich diese als rechtswidrig erweisen, wäre auch eine darauf gestützte teilweise Zweckänderung im Sinne von Art. 24 Abs. 2 aRPG unzulässig (a.a.O. E. 2e).
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4.1.3. Zu prüfen bleibt, ob sich die Beschwerdeführerin für die Zeit seit dem Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts aus dem Jahr 1999 auf den Vertrauensschutz berufen kann.
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4.2. Die Beschwerdeführerin erachtet die angeordnete Behebung des rechtswidrigen Zustands im Weiteren als unverhältnismässig.
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4.2.1. Ein Wiederherstellungsbefehl erweist sich dann als unverhältnismässig, wenn die Abweichung vom Gesetz gering ist und die berührten öffentlichen Rechtsgüter den Schaden, welcher der Eigentümerin durch die Wiederherstellung entstünde, nicht zu rechtfertigen vermögen. Auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit kann sich auch eine Bauherrin berufen, die nicht gutgläubig gehandelt hat. Sie muss aber in Kauf nehmen, dass die Behörden aus grundsätzlichen Erwägungen, namentlich zum Schutz der Rechtsgleichheit und der baulichen Ordnung, dem Interesse an der Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustands erhöhtes Gewicht beimessen und die der Bauherrin allenfalls erwachsenden Nachteile nicht oder nur in verringertem Masse berücksichtigen (BGE 132 II 21 E. 6.4 S. 39 f.).
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4.2.2. Im Lichte dieser Rechtsprechung ist der angefochtene Entscheid nicht zu beanstanden. Es ist der Vorinstanz beizupflichten, wenn sie festhält, die zonenwidrige Nutzung des Grundstücks als Lagerplatz stelle keine lediglich geringfügige Abweichung von einer Bauvorschrift dar. Nach Art. 20a BO/A.________ sind in der Wohnzone W3/65 nur nicht störende Betriebe und Nutzungen zulässig. Diese Norm dient neben umweltrechtlichen vor allem auch raumplanerischen Anliegen. Die Verwendung des Geländes als Aussenlager von Baugerüsten und Baubaracken steht in klarem Widerspruch zu den Anforderungen, die das Umwelt- und Planungsrecht für Wohnzonen ohne Gewerbeerleichterung an Immissionsschutz und Nutzungszweck stellen (vgl. auch Art. 20 BO/A.________; BGE 117 Ib 147 E. 2d/cc S. 152 ff.). Entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin ist die Betroffenheit der Rechtsgüter zudem aktuell. Die Wohnüberbauung "B.________" wird zwar erst in einigen Jahren realisiert. Bereits jetzt grenzt das streitbetroffene Grundstück auf der Südostseite aber unmittelbar an Wohnhäuser. Das öffentliche Interesse an der Wiederherstellung ist damit gross und aktuell.
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4.2.3. Auch die angeordnete Wiederherstellungsfrist ist nach Massgabe der Verhältnismässigkeit nicht zu beanstanden. Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, ist es für die Beschwerdeführerin zumutbar, den Aussenplatz des Grundstücks innert drei Monaten von Gerüsten und Baracken zu räumen. Inwieweit für die zu beurteilende Nutzung Mietverträge mit Dritten bestünden, die nicht innert nützlicher Frist aufgelöst werden könnten, führt die Beschwerdeführerin nicht weiter aus. Der betreffende Einwand ist daher unbeachtlich. Schliesslich trifft die Beschwerdeführerin die vergleichsweise kurze Wiederherstellungsfrist nicht unvorbereitet. Durch die aufschiebende Wirkung der ergriffenen Rechtsmittel wurde diese um rund zwei Jahre verlängert. Es erscheint deshalb verhältnismässig, das Grundstück innert drei Monaten nach Eröffnung des vorliegenden Urteils nicht mehr als Aussenlager für Baugerüste und Baubaracken nutzen zu dürfen.
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Erwägung 5
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. 
 
2. 
 
3. 
 
Lausanne, 4. September 2013
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Der Gerichtsschreiber: Geisser
 
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