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Informationen zum Dokument  BGer 1C_324/2013  Materielle Begründung
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BGer 1C_324/2013 vom 09.09.2013
 
{T 0/2}
 
1C_324/2013
 
 
Urteil vom 9. September 2013
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Merkli, Eusebio,
 
Gerichtsschreiber Störi.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Steiner,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern.
 
Gegenstand
 
Annullierung des Führerausweises auf Probe für Motorfahrzeuge,
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern vom 23. Januar 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 2
 
2.1. Unstrittig ist, dass der über einen Führerausweis auf Probe verfügende Beschwerdeführer am 15. Januar 2011 während der (verlängerten) Probezeit eine zweite schwere Widerhandlung beging, womit sein Ausweis nach Art. 15a Abs. 4 SVG verfiel. Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt eröffnete am 5. Mai 2011 das Administrativverfahren gegen den Beschwerdeführer und sistierte es zugleich bis zur rechtskräftigen Erledigung des Strafverfahrens. Nachdem der Beschwerdeführer vom Regionalgericht Bern-Mittelland am 7. September 2012 rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt worden war, annullierte es am 13. November 2012 den Führerausweis auf Probe des Beschwerdeführers, untersagte ihm mit sofortiger Wirkung das Lenken von Motorfahrzeugen und verfügte, ein Lernfahrausweis könne ihm frühestens am 13. November 2013 nach Vorlage eines positiven verkehrspsychologischen Gutachtens erteilt werden.
1
2.2. Führerausweise werden nach Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften in Anwendung der Art. 16a - 16c SVG je nach Schwere und Häufigkeit für bestimmte Zeit, in besonders schwerwiegenden Fällen auch auf unbestimmte Zeit entzogen; durch diese strafähnlichen (BGE 133 II 331 E. 4.2; 120 Ib 504 E. 4b mit Hinweis; Urteil 1C_65/2007 vom 11. September 2007 E. 3.1) Warnungsentzüge soll der Betroffene von der Begehung weiterer Widerhandlungen abgehalten werden.
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2.3. Erweckt eine Widerhandlung ernsthafte Zweifel an der Fahreignung - etwa eine wiederholte Trunkenheitsfahrt mit einem hohen Alkoholisierungsgrad (vgl. BGE 129 II 82 E. 4.2 S. 87; 127 II 122 E. 3c S. 125) -, ist der Ausweis aus Gründen der Verkehrssicherheit nach Art. 30 VZV umgehend vorsorglich zu entziehen. Da eine Wiederzulassung zum motorisierten Verkehr nicht verantwortbar ist, bevor die Zweifel an der Fahreignung ausgeräumt sind, wird Rechtsmitteln gegen vorsorgliche Entzüge und Sicherungsentzüge grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung eingeräumt (Urteil 1C_347/2012 vom 29. Oktober 2012, E. 2.2), womit in diesen Fällen der Ausweis in der Regel bis zum rechtskräftigen Abschluss des Administrativverfahrens (vorsorglich) entzogen bleibt. Erweckt die Widerhandlung dagegen keine ernsthaften Zweifel an der Fahreignung des Lenkers und steht damit ein Warnungsentzug zur Diskussion, so wird in der Regel das Strafverfahren abgewartet, bevor das Warnungsentzugsverfahren weitergeführt wird. Der Ausweis wird dem Lenker bis zu dessen rechtskräftigen Abschluss belassen und der Entzug im Anschluss daran vollstreckt (z.B. Urteil 1C_23/2012 vom 2. Juli 2012).
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2.4. Begeht der Inhaber eines Führerausweises auf Probe während der Probezeit eine zweite Widerhandlung, die mit einem Ausweisentzug zu ahnden ist, so steht nach den Ausführungen unter E. 2.2 der Verfall des Ausweises aus Gründen der Verkehrssicherheit zur Debatte, weshalb ihm der Ausweis - wie im Falle eines anstehenden Sicherungsentzugs - grundsätzlich umgehend vorsorglich abzunehmen ist. Davon geht offensichtlich auch der Gesetzgeber aus, der den Fristenlauf der minimal einjährigen Sperrfrist ausdrücklich mit dem Zeitpunkt der Widerhandlung beginnen lässt. Ist aber der Führerausweis vorsorglich entzogen, die Sperrfrist in Gang gesetzt und die Verkehrssicherheit dadurch gewährleistet, liegt es im Ermessen des zuständigen Strassenverkehrsamts, je nach den konkreten Umständen des Einzelfalles das Annullierungsverfahren bis zum Abschluss des Strafverfahrens zu sistieren oder nicht.
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2.5. Vorliegend hat indessen das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt dem Beschwerdeführer den Ausweis nicht vorsorglich entzogen, sondern ihn ihm bis zum Abschluss des Administrativverfahrens belassen. Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass es als Beginn der Sperrfrist das Datum der Annullierungsverfügung festlegte. Nach zwei schweren Widerhandlungen innerhalb von rund 14 Monaten, wie sie sich der Beschwerdeführer zu Schulden kommen liess, ist ein mindestens einjähriges Fahrverbot nach dem klaren Willen des Gesetzgebers in jedem Fall zwingend, für die Inhaber (unbefristeter) Führerausweise nach Art. 16c Abs. 2 lit. c SVG, und für die Inhaber von Führerausweisen auf Probe durch die Sperrfrist von Art. 15a Abs. 5 SVG. Insofern erscheint es folgerichtig und angemessen, dass sich der Beschwerdeführer dem einjährigen Fahrverbot im Anschluss an die Annullierungsverfügung unterziehen muss, nachdem ihn das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt nach der zweiten Widerhandlung unbehelligt weiterfahren liess.
5
 
Erwägung 3
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. 
 
2. 
 
3. 
 
Lausanne, 9. September 2013
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Der Gerichtsschreiber: Störi
 
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