VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 5A_458/2013  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 5A_458/2013 vom 19.09.2013
 
{T 0/2}
 
5A_458/2013
 
 
Urteil vom 19. September 2013
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
 
Bundesrichter Marazzi, Herrmann,
 
Gerichtsschreiberin Friedli-Bruggmann.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roger Groner,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Y.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Claudia Camastral,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Eheschutz,
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 14. Mai 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
A. X.________ (Ehemann; geb. 1968) und Y.________ (Ehefrau; geb. 1970) sind verheiratet und Eltern von A.________ (geb. 2004). Y.________ ist ausserdem Mutter zweier volljähriger Töchter, wovon die eine bereits verheiratet ist. Die zweite Tochter (geb. 1991) wohnt gegenwärtig (wieder) bei Y.________.
1
 
B.
 
B.a. Am 19. Oktober 2010 leitete Y.________ beim Bezirksgericht Zürich ein Eheschutzverfahren ein. In dessen Verlauf verlangten beide Parteien die Obhut für A.________ und die Zuweisung der ehelichen Wohnung an sich selbst.
2
B.b. Mit Eheschutzurteil vom 17. Januar 2012 stellte das Bezirksgericht A.________ unter die Obhut der Mutter. Es legte das Besuchs- und Ferienrecht des Vaters fest und verpflichtete diesen zur Bezahlung eines monatlichen Kindesunterhaltsbeitrages von Fr. 750.-- ab 1. Mai 2012. Die eheliche Wohnung wies es Y.________ zu, wobei X.________ die Wohnung bis zum 30. April 2012 zu verlassen habe.
3
 
C.
 
C.a. Hiergegen erhob X.________ am 6. Februar 2012 Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich. Er beantragte wiederum die Obhut für A.________, unter Einräumung eines Besuchs- und Ferienrechts zugunsten von Y.________. Die eheliche Wohnung sei ihm zuzuweisen und der Ehefrau sei Frist zu setzen, innert 30 Tagen nach Rechtskraft des Entscheids auszuziehen. Diese sei zur Leistung eines Unterhaltsbeitrages für A.________ von monatlich Fr. 1'311.-- zu verpflichten. Für den Fall einer Obhutszuteilung an die Ehefrau seien die von ihm geschuldeten Beiträge auf Fr. 350.-- zu reduzieren.
4
C.b. Das Obergericht führte am 29. Mai 2012 eine Vergleichsverhandlung durch, ohne dass eine Einigung zu Stande kam. Danach erfolgten weitere Eingaben beider Parteien.
5
C.c. Mit Urteil vom 14. Mai 2013 stellte das Obergericht A.________ unter die Obhut der Ehefrau. Für den Ehemann legte es ein grosszügiges Besuchs- und Ferienrecht fest. Die eheliche Wohnung wies es der Ehefrau zu, wobei Vormerk genommen wurde, dass der Ehemann diese bereits verlassen habe. Die Gerichtskosten auferlegte es den Parteien - unter Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege - zu gleichen Teilen und es verzichtete auf die Zusprechung von Parteientschädigungen. Den monatlich von X.________ zugunsten von A.________ zu zahlenden Betrag setzte es vom 1. Mai bis 30. November 2012 auf Fr. 1'485.-- fest; ab dem 1. Dezember 2012 schulde er keinen Unterhalt mehr.
6
D. Mit Beschwerde vom 17. Juni 2013 gelangt X.________ (Beschwerdeführer) an das Bundesgericht. Er verlangt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und wiederholt die bereits im kantonalen Verfahren gestellten Anträge (vorstehend C.a; ohne Eventualantrag für den Fall einer Obhutszuweisung an die Ehefrau). Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege.
7
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzliches Urteil in einer streitwertunabhängigen Zivilsache (Art. 72 Abs. 1, Art. 75 Abs. 1 und 2, Art. 90 BGG; zur Qualifikation als Endentscheid BGE 133 III 393 E. 4 S. 395 f.). Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 76 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt und die Frist ist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG), womit die Beschwerde in Zivilsachen grundsätzlich zulässig ist.
8
1.2. Weil Eheschutzentscheide vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG darstellen (BGE 133 III 393 E. 5.2 S. 397), kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden. Hierfür gilt das strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG). Das bedeutet, dass das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen prüft, während es auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht eintritt. Wird die Verletzung des Willkürverbots gerügt, reicht es sodann nicht aus, die Lage aus Sicht des Beschwerdeführers darzulegen und den davon abweichenden angefochtenen Entscheid als willkürlich zu bezeichnen; vielmehr ist im Einzelnen darzulegen, inwiefern das kantonale Gericht willkürlich entschieden haben soll und der angefochtene Entscheid deshalb an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246).
9
1.3. Im Übrigen dürfen bei der Beschwerde in Zivilsachen keine neuen Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden, es sei denn, erst der Entscheid der Vorinstanz habe dazu Anlass gegeben (Art. 99 Abs. 1 BGG). In der Beschwerde ist darzutun, inwiefern die Voraussetzung für eine nachträgliche Einreichung von Tatsachen und Beweismitteln erfüllt sein soll (BGE 133 III 393 E. 3 S. 395).
10
2. Umstritten ist vorliegend in erster Linie die Obhutszuteilung und als Folge davon die damit zusammenhängenden Belange (Besuchsrecht, Unterhaltsbeiträge, Wohnungszuweisung).
11
2.1. Das mit der "Regelung des Getrenntlebens" (Marginalie zu Art. 176 ZGB) befasste Eheschutzgericht trifft nach den Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses die nötigen Massnahmen, wenn die Ehegatten minderjährige Kinder haben (Art. 176 Abs. 3 ZGB). Für die Zuteilung der Obhut an einen Elternteil gelten grundsätzlich die gleichen Kriterien wie im Scheidungsfall. Nach der Rechtsprechung hat das Wohl des Kindes Vorrang vor allen anderen Überlegungen, insbesondere vor den Wünschen der Eltern. Vorab muss die Erziehungsfähigkeit der Eltern geklärt werden. Ist diese bei beiden Elternteilen gegeben, sind vor allem Kleinkinder und grundschulpflichtige Kinder demjenigen Elternteil zuzuteilen, der die Möglichkeit hat und dazu bereit ist, sie persönlich zu betreuen. Erfüllen beide Elternteile diese Voraussetzung ungefähr in gleicher Weise, kann die Stabilität der örtlichen und familiären Verhältnisse ausschlaggebend sein. Schliesslich ist - je nach Alter der Kinder - ihrem eindeutigen Wunsch Rechnung zu tragen. Diesen Kriterien lassen sich die weiteren Gesichtspunkte zuordnen, namentlich die Bereitschaft eines Elternteils, mit dem anderen in Kinderbelangen zusammenzuarbeiten oder die Forderung, dass eine Zuteilung der Obhut von einer persönlichen Bindung und echter Zuneigung getragen sein sollte (BGE 136 I 178 E. 5.3 S. 180 f.; 117 II 353 E. 3 S. 354 f.; 115 II 206 E. 4a S. 209).
12
2.2. Die Vorinstanz erachtete - in Übereinstimmung mit der ersten Instanz - bei beiden Elternteilen die notwendige Erziehungsfähigkeit als gegeben. Die Möglichkeit, den Sohn persönlich zu betreuen, sei beim Beschwerdeführer zur Zeit etwas höher; er arbeite zu 20 %. Es sei ein IV-Verfahren hängig. Aufgrund eines negativen Vorbescheids der IV-Stelle vom 16. Juni 2011 sei mit einiger Wahrscheinlichkeit aber davon auszugehen, dass er sich in absehbarer Zukunft (nach einem negativen Rentenentscheid) um eine höherprozentige Arbeitstätigkeit werde bemühen müssen. Es seien Arztberichte eingefordert worden, deren Eingang die IV-Stelle für den Entscheid abwarte. Der Taggeldanspruch des Beschwerdeführers sei ausgeschöpft. Damit verfüge er allenfalls nicht mehr lange über eine grössere zeitliche Verfügbarkeit als die Beschwerdegegnerin. Zu berücksichtigen seien auch seine gesundheitlichen Defizite, insbesondere die von ihm selbst vorgetragenen (massiven) neuropsychologischen Beeinträchtigungen samt Konzentrations- und Gedächtnisschwierigkeiten. Die Situation des Beschwerdeführers sei sehr ungewiss. Die Beschwerdegegnerin arbeite zu 60 %. Eine früher zusätzlich ausgeübte Tätigkeit sei gekündigt worden und es gebe keine Anzeichen, dass sie einer zweiten Tätigkeit nachgehe, wie dies der Beschwerdeführer behaupte. Zwar könne die Beschwerdegegnerin den Sohn nicht rund um die Uhr selbst betreuen. Sie habe aber bei der Kinderbetreuung Unterstützung durch die im gleichen Haushalt wohnende voreheliche Tochter. Weiter besuche A.________ vier Mal pro Woche den Mittagstisch, was einen positiven Einfluss auf seine deutsche Sprachkompetenz habe, rede er doch sowohl mit den Eltern als auch den Schwestern Russisch. In Bezug auf die Frage, welcher Elternteil A.________ bisher überwiegend betreut habe, stehe Aussage gegen Aussage. Jede der Parteien beanspruche dies für sich. A.________ selbst habe anlässlich der Anhörung gesagt, dass er am liebsten je die Hälfte der Zeit bei der Mutter und beim Vater verbringen möchte. Die von ihm erwünschte geteilte Obhut scheitere indes am fehlenden Einvernehmen der Eltern.
13
2.3. Der Beschwerdeführer rügt den Obhutsentscheid in verschiedener Hinsicht als willkürlich.
14
2.3.1. Er wirft der Vorinstanz insbesondere Willkür in der Beurteilung der Erziehungsf ähigkeit der Parteien vor.
15
2.3.2. Der Beschwerdeführer kritisiert sodann, die Vorinstanz habe willkürlich ignoriert, dass 
16
2.3.3. Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, die Vorinstanz habe willkürlich nicht darauf abgestellt, dass er 
17
2.3.4. Soweit der Beschwerdeführer schliesslich kritisiert, die Vorinstanz habe willkürliche Annahmen getroffen im Zusammenhang mit den dienstäglichen Übernachtungen des Sohns bei ihm, führt er nicht aus, worauf sich dies beziehen soll. Hierauf ist zum Vornherein nicht einzutreten.
18
2.4. Damit ist die Beschwerde in Bezug auf die Frage der Obhut abzuweisen, soweit darauf einzutreten war.
19
3. Da A.________ unter der Obhut der Mutter verbleibt - und der Beschwerdeführer im bundesgerichtlichen Verfahren für diesen Fall keine (Eventual-) Anträge zu seinem Besuchsrecht gestellt hat - erübrigt sich diesbezüglich eine Beurteilung.
20
4. Umstritten ist sodann das Schicksal der ehelichen Wohnung. Wie aus der Beschwerdebegründung klar hervor geht, beantragt der Beschwerdeführer die Zuweisung der Wohnung allerdings nur in Abhängigkeit mit der verlangten Obhutsübertragung an ihn selbst. Nachdem die Obhut über A.________ bei der Beschwerdegegnerin verbleibt, wird das Begehren des Beschwerdeführers betreffend Wohnung gegenstandslos. Wie erwähnt (vgl. B.b), ist der Beschwerdeführer bereits ausgezogen.
21
5. Schliesslich beanstandet der Beschwerdeführer auch die Unterhaltsberechnung. Er kritisiert, es sei der Beschwerdegegnerin ein zu hoher Bedarf angerechnet worden. Das Begehren des Beschwerdeführers zum Unterhalt lautet dabei wie folgt:
22
6. Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren kann nicht entsprochen werden, zeigen doch die vorstehenden Erwägungen auf, dass die Beschwerde von Beginn weg keinen Erfolg haben konnte (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegnerin ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden (Art. 68 Abs. 1 BGG).
23
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 19. September 2013
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: von Werdt
 
Die Gerichtsschreiberin: Friedli-Bruggmann
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).