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Informationen zum Dokument  BGer 6B_374/2013  Materielle Begründung
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BGer 6B_374/2013 vom 19.09.2013
 
{T 0/2}
 
6B_374/2013
 
 
Urteil vom 19. September 2013
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Mathys, Präsident,
 
Bundesrichter Schneider,
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
 
Gerichtsschreiber Held.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Kenad Melunovic,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1.  Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,
 
2. Y.________
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Einstellung des Strafverfahrens,
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 1. März 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
D.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 2
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 316 Abs. 1 StPO. Er sei der Vergleichsverhandlung nicht unentschuldigt ferngeblieben, da er sich durch seinen Rechtsbeistand habe vertreten lassen und hierdurch sein Interesse am Fortgang des Strafverfahrens bekundet habe.
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2.2. Die Vorinstanz erwägt, nach dem klaren Wortlaut von Art. 316 Abs. 1 StPO bestehe für die antragstellende Person eine "faktische Erscheinungspflicht" für die Vergleichsverhandlung, mithin sei eine Vertretung ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer sei von der Beschwerdegegnerin persönlich vorgeladen und darauf hingewiesen worden, dass sein Strafantrag als zurückgezogen gelte, falls er nicht zur Verhandlung erscheine. Dieser Pflicht sei er nicht nachgekommen, weshalb das Strafverfahren entsprechend der gesetzlichen Regelung eingestellt worden sei.
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2.3. Soweit Antragsdelikte Gegenstand des Verfahrens sind, kann die Staatsanwaltschaft die antragstellende und die beschuldigte Person zu einer Verhandlung vorladen mit dem Ziel, einen Vergleich zu erzielen. Bleibt die antragstellende Person aus, so gilt der Strafantrag als zurückgezogen (Art. 316 Abs. 1 StPO).
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Erwägung 2.4
 
2.4.1. Eine Vertretung der Parteien anlässlich von Vergleichsverhandlungen widerspricht dem klaren Sinn und Zweck von Art. 316 Abs. 1 StPO und ist grundsätzlich ausgeschlossen. Der Vergleich stellt eine aussergerichtliche Form der Konfliktbewältigung dar, die es den Parteien ermöglicht, eine Lösung zu finden, die ihnen besser entspricht als eine strafrechtliche Sanktion. Die Verfahrensleitung versucht, eine Einigung zwischen den Parteien in Form einer übereinstimmenden Willenserklärung herbeizuführen, mit dem Ziel, dass die antragstellende Person ihren Strafantrag zurückzieht und die beschuldigte Person als Ausgleich eine Entschuldigung, Genugtuung oder Schadenersatz leistet. In der Praxis erfordert das Vergleichsverfahren regelmässig eine Gegenüberstellung und das Mitwirken der geschädigten und der beschuldigten Person, um das Verfahren aussergerichtlich zu beenden (vgl. Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005 [Botschaft StPO], BBl 2006 1267 Ziff. 2.6.3.3; Michel Riedo, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 4 zu Art. 316 StPO). Die direkte Konfrontation zwingt die Parteien, sich mit den Standpunkten des Gegenübers auseinanderzusetzen und darauf einzugehen. Dies erleichtert erfahrungsgemäss die Konfliktbewältigung. Eine gemeinsam gefundene Lösung findet bei den Parteien eine stärkere Akzeptanz als ein von staatlicher Seite "aufgezwungenes Ergebnis".
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2.4.2. Auch der Wortlaut von Art. 316 Abs. 1 StPO spricht gegen die Möglichkeit einer Stellvertretung. Die Vergleichsverhandlung ist ein interner Verfahrensakt der Strafuntersuchung. Ob und in welchem Verfahrensstadium die Staatsanwaltschaft eine Vergleichsverhandlung (hoheitlich) anordnet, bleibt ihr überlassen (Botschaft StPO, BBl 2006 1268 Ziff. 2.6.3.3; Michel Riedo, a.a.O., N. 6 zu Art. 316 StPO). Erachtet sie eine Vergleichsverhandlung als sinnvoll, haben die Parteien der Vorladung Folge zu leisten und persönlich zu erscheinen. Das Gesetz statuiert bei Vorladungen eine formale, unbedingte, d.h. nicht ersetzbare persönliche Erscheinungspflicht der vorgeladenen Person (Art. 205 Abs. 1 StPO; Botschaft StPO, BBl 2006 1268 Ziff. 2.5.2; vgl. statt vieler: Sararard Arquint, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 1 zu Art. 205 StPO). Kommt die antragstellende Person in dem von ihr angestossenen Strafverfahren ihrer prozessualen Erscheinungspflicht nicht nach, drohen ihr zwar im Gegensatz zum ordentlichen Verfahren (Art. 205 Abs. 4 StPO) weder eine Ordnungsbusse noch Zwangsmassnahmen (polizeiliche Vorführung), hingegen gilt der Strafantrag von Gesetzes wegen als zurückgezogen (Art. 316 Abs. 1 Satz 2 StPO), mit der Folge, dass die Staatsanwaltschaft wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung die Verfahrenseinstellung verfügt (Art. 319 Abs. 1 lit. d StPO). Die gesetzliche Anordnung der Rechtsfolgen ermöglicht eine spürbare Entlastung der Justiz (vgl. zum Ganzen: Botschaft StPO, BBl 2006 1268 Ziff. 2.6.3.3; Nathan Landshut, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2010, N. 7 zu Art. 316 StPO) und dient der Förderung der Prozessökonomie (Michel Riedo, a.a.O., N. 6 zu Art. 316 StPO).
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2.4.3. Gründe, warum ausnahmsweise auf sein Erscheinen hätte verzichtet werden können oder die sein Fernbleiben entschuldigen, bringt der Beschwerdeführer nicht vor und sind auch nicht ersichtlich. Der zu beurteilende Sachverhalt (verbaler Streit mit gegenseitigen Provokationen wegen unterschiedlicher Ansichten über Arbeitsleistungen, der mit Tätlichkeiten und Todesdrohungen endete) stellt einen typischen Fall dar, in dem eine Vergleichsverhandlung nur Aussicht auf Erfolg hat, wenn "Täter und Opfer" eine gemeinsame Lösung finden, zumal sich die Parteien persönlich kennen und beruflich miteinander zu tun haben.
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Erwägung 3
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. 
 
2. 
 
3. 
 
Lausanne, 19. September 2013
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Mathys
 
Der Gerichtsschreiber: Held
 
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