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Informationen zum Dokument  BGer 5A_366/2013  Materielle Begründung
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BGer 5A_366/2013 vom 26.09.2013
 
{T 0/2}
 
5A_366/2013
 
 
Urteil vom 26. September 2013
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Herrmann,
 
Gerichtsschreiber Möckli.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Domenico Acocella,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Y.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Werner Caviezel,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Definitive Rechtsöffnung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Graubünden, Schuldbetreibungs- und Konkurskammer, vom 8. April 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Am 12. November 2006 ereignete sich in Slowenien ein Unfall, in welchen X.________ und A.________ verwickelt waren. Letzterer verstarb als Folge des Unfalles am 17. November 2006 im Spital in C.________ (Italien).
1
Y.________ ist die Ehefrau und Z.________ der Sohn des Verstorbenen. Sie leiteten in Italien ein Strafverfahren gegen X.________ ein, wobei sie adhäsionsweise Zivilansprüche geltend machten. Mit Urteil vom 22. Juli 2009 sprach das Tribunale Ordinario di Trieste X.________ schuldig und verurteilte ihn im Zivilpunkt zur Zahlung einer  provvisionale von EUR 70'000.-- für die Ehefrau und von EUR 50'000.-- für den Sohn des Verstorbenen.
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B. Gestützt auf dieses Urteil leitete Y.________ gegen X.________ für Fr. 93'415.-- nebst 5 % Zins seit 22. Juli 2009 die Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes B.________ ein.
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C. Gegen diesen Entscheid hat X.________ am 17. Mai 2013 eine Beschwerde in Zivilsachen eingereicht mit den Begehren, der Entscheid sei aufzuheben und auf das Rechtsöffnungsgesuch sei nicht einzutreten, eventuell sei es abzuweisen. Mit Präsidialverfügung vom 6. Juni 2013 wurde die aufschiebende Wirkung erteilt. In der Sache selbst wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
4
 
Erwägungen:
 
1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Rechtsöffnungsentscheid, dessen Streitwert Fr. 30'000.-- übersteigt (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG). Auf die rechtzeitig eingereichte Beschwerde ist einzutreten.
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2. Es geht um die inzidente Anerkennung eines italienischen Entscheides im Rahmen der Erteilung der definitiven Rechtsöffnung. Unbestrittenermassen ist gemäss den Übergangsvorschriften von Art. 63 revLugÜ noch das alte Lugano-Übereinkommen von 1988 (aLugÜ) anwendbar. Sodann wird nicht in Frage gestellt, dass es sich bei der provvisionale um einen vorsorglichen Entscheid handelt und dass der erstinstanzliche Entscheid nach italienischem Prozessrecht sofort vollstreckbar ist.
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3. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, ein vorfrageweises Exequatur im Rahmen der Rechtsöffnung verstosse gegen das Lugano-Übereinkommen. Er wirft dem Kantonsgericht vor, pauschal auf die Lehre und Rechtsprechung abgestellt statt sich mit seinen Vorbringen bzw. mit dem in seinen Augen verallgemeinerungswürdigen Argument von D. SCHWANDER, in: ZBJV 2010, S. 696 ff., auseinandergesetzt zu haben. Der vom Kantonsgericht zitierte BGE 135 III 324 besage einzig, dass ein separates Exequaturverfahren zur Verfügung stehen müsse, nicht aber, dass dieses auch vorfrageweise möglich sei. Das Lugano-Übereinkommen sei ein geschlossenes System und in allen Vertragsstaaten einheitlich zu handhaben. Art. 26 Abs. 3 aLugÜ sehe (nur) die inzidente Anerkennung vor, was e contrario die vorfrageweise Vollstreckbarerklärung ausschliesse. Ebenso wenig könne auf den Text von Art. 32 Abs. 1 aLugÜ abgestellt werden, weil dieser gerade Anlass der Unvereinbarkeit der schweizerischen Lösung mit dem Lugano-Konzept gewesen sei und deshalb nicht massgebend sein könne. Zulässig sei mithin einzig das separate einseitige Exequaturverfahren.
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4. Der Beschwerdeführer moniert weiter, dass die für die italienischen Urteile aller Instanzen eingereichten Übersetzungen ungenügend seien, was auch vom Kantonsgericht anerkannt worden sei. Massgebend könne aber nicht sein, ob er (der Beschwerdeführer) die Urteile trotzdem verstanden habe, sondern ob das Kantonsgericht den Inhalt und die Tragweite der Entscheide habe erkennen können. Das sei nicht der Fall, ansonsten es nicht zu derart unhaltbaren Schlüssen gekommen wäre.
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5. Sodann erhebt der Beschwerdeführer unter dem Titel des ordre public verschiedene Einwendungen. Unter anderem wirft er der Gegenseite treuwidriges Verhalten vor.
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6. Ebenso wenig ist dem Einwand des Beschwerdeführers zu folgen, wonach das italienische Gericht in der Hauptsache nicht zuständig gewesen sei.
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7. Weiter behauptet der Beschwerdeführer, dass im italienischen Urteil in gegen den ordre public verstossender Weise italienisches Strassenverkehrsrecht auf einen in Slowenien geschehenen Unfall angewandt worden sei. Dies zeige sich darin, dass das slowenische Urteil zu ganz anderen Ergebnissen gekommen sei. Wenn er sich aber nach slowenischem Strassenverkehrsrecht absolut korrekt verhalten habe, sei es unstatthaft bzw. verstosse es gegen den Grundsatz  nulla poena sine lege, dass er in Italien zu einer Geldleistung verurteilt worden sei.
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8. Wie auch der Beschwerdeführer einräumt, hat das Kantonsgericht in Bezug auf das slowenische Urteil festgehalten, dass dieses nicht zwischen den gleichen Parteien, sondern zwischen dem Beschwerdeführer und dem slowenischen Versicherungsverband ergangen ist. Es hat mit dem Argument, dass aufgrund der zeitlichen Priorität ohnehin der italienische Entscheid vorgehe, offen gelassen, ob das slowenische Urteil im Sinn einer Interessenidentität überhaupt als identisch mit jenem des italienischen Verfahrens angesehen werden könnte.
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9. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Gegenpartei ist nicht entschädigungsberechtigt; im Zusammenhang mit der aufschiebenden Wirkung wurde nicht in ihrem Sinn entschieden und in der Sache selbst wurde keine Vernehmlassung eingeholt.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Graubünden, Schuldbetreibungs- und Konkurskammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 26. September 2013
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: von Werdt
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli
 
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