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Informationen zum Dokument  BGer 6B_151/2013  Materielle Begründung
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BGer 6B_151/2013 vom 26.09.2013
 
{T 0/2}
 
6B_151/2013
 
 
Urteil vom 26. September 2013
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Mathys, Präsident,
 
Bundesrichter Schneider,
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
 
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
 
Gerichtsschreiber Briw.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Werner Caviezel,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Kantonsgericht von Graubünden, II. Strafkammer, Poststrasse 14, 7002 Chur,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Entschädigung der amtlichen Verteidigung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts von Graubünden, II. Strafkammer, vom 12. November 2012.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 2
 
2.1. Die Vorinstanz entschädigte den Aufwand des Beschwerdeführers gemäss Art. 5 der Verordnung des Kantons Graubünden über die Bemessung des Honorars der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (HV/GR; BR 310.250) mit einem Stundenansatz von Fr. 200.--. Sie begründete die Praxisänderung mit dem Inkrafttreten der StPO.
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2.2. Gemäss Art. 135 Abs. 1 StPO wird die amtliche Verteidigung nach dem Anwaltstarif (conformément au tarif; secondo la tariffa) des Bundes oder desjenigen Kantons entschädigt, in dem das Strafverfahren geführt wurde.
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2.2.1. Rechtsgrundlage für die Entschädigung bildet das öffentlich-rechtliche Verhältnis zwischen Bund oder Kanton und amtlicher Verteidigung. Für die Entschädigung haftet allein der Staat. Der Mandant wird aus dem öffentlichen Prozessrechtsverhältnis insoweit mittelbar berechtigt und verpflichtet, als er die amtliche Verteidigung grundsätzlich akzeptieren muss und der Staat die Entschädigung übernimmt (vgl. BGE 131 I 217 E. 2.4; 122 I 1 E. 3a). Die Verteidigung erhält das tariflich festgelegte Honorar für die Übernahme einer öffentlichen Aufgabe und trägt nicht das Risiko der Uneinbringlichkeit (vgl. BGE 131 I 217 E. 2.5). Unter Vorbehalt von Art. 135 Abs. 4 lit. b StPO kann der Verteidiger von seinem Mandanten keine weitere Vergütung verlangen (Urteil 6B_45/2012 vom 7. Mai 2012 E. 1.2 mit Hinweisen).
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2.2.2. Die StPO regelt die Entschädigung der amtlichen Verteidigung bei Freispruch oder Einstellung des Verfahrens bzw. bei Obsiegen im Rechtsmittelverfahren nicht explizit. Die allgemeinen Bestimmungen über die Entschädigung für die angemessene Ausübung der Verfahrensrechte bei Freispruch oder Einstellung des Verfahrens (Art. 429 Abs. 1 lit. a und Art. 436 Abs. 2 StPO) betreffen die Kosten einer Wahlverteidigung und sind auf die amtliche Verteidigung nicht anwendbar (BGE 138 IV 205 E. 1; Urteil 6B_77/2013 vom 4. März 2013 E. 1). Mit dem Freispruch oder der Verfahrenseinstellung wandelt sich das öffentlich-rechtliche Verhältnis zwischen Staat und amtlicher Verteidigung nicht in ein Privatrechtsverhältnis zwischen Verteidigung und Mandanten (Urteil 6B_183/2007 vom 5. September 2007 E. 3.2). Die amtliche Verteidigung besitzt nicht die Rechte einer Verfahrenspartei (Art. 104 Abs. 1 StPO; BGE 139 IV 199 E. 5.2). Ihre Entschädigung richtet sich allein nach Art. 135 StPO. Die Rechtsprechung zu den kantonalen Strafprozessgesetzen ist insoweit überholt (beispielsweise die oben in E. 2 und in BGE 137 III 185 E. 5.3 erwähnten Urteile der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts [anders noch Urteil 5A_199/2012 vom 31. Mai 2012 E. 3.3 in einem obiter dictum zum Minimalanspruch von 60 % der ordentlichen Entschädigung] und BGE 121 I 113 E. 3d; vgl. Urteile 6B_144/2012 vom 16. August 2012 E. 1.2 und 6B_363/2012 vom 10. September 2012 E. 1.2).
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2.2.3. Eine volle Entschädigung lässt sich auch nicht mit Art. 135 Abs. 4 lit. b StPO begründen, wonach die zu den Verfahrenskosten verurteilte beschuldigte Person bei wirtschaftlicher Besserstellung "der Verteidigung die Differenz zwischen der amtlichen Entschädigung und dem vollen Honorar zu erstatten" hat. Hieraus kann nicht unter Heranziehung des einen anderen Sachverhalt regelnden Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO auf einen impliziten Grundsatz des ungekürzten Honoraranspruchs der amtlichen Verteidigung geschlossen werden. Wortlaut und Systematik des Gesetzes sprechen gegen eine solche Einschränkung der generellen Verweisung in Art. 135 Abs. 1 StPO durch dessen Abs. 4 lit. b. Mit der föderalistischen Regelung in Abs. 1 von Art. 135 StPO anerkennt der Bundesgesetzgeber ausdrücklich unterschiedliche kantonale Anwaltstarife. Wie die Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts ausführt, erhält die amtliche Verteidigung damit je nach Kanton das gleiche Honorar wie eine frei bestellte oder aber ein reduziertes, amtliches Honorar (BBl 2006 1180).
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2.2.4. Art. 135 Abs. 1 StPO normiert die "Entschädigung der amtlichen Verteidigung" mit Verweisung auf die anwendbaren Anwaltstarife. Die Honorierung ist, was die französische Fassung des Gesetzes klarer zum Ausdruck bringt, "conformément au tarif" des Bundes oder Kantons vorzunehmen. Wie in der ZPO (vgl. BGE 137 III 185 E. 5.2 und 5.3) verzichtete der Bundesgesetzgeber in der StPO auf eine Durchsetzung der vollen Entschädigung.
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2.3. Gemäss Art. 3 Abs. 1 HV/GR gilt als Bemessungsgrundlage für das anwaltliche Honorar ein Stundenansatz zwischen 210 und 270 Franken. Für die unentgeltliche Vertretung und die amtliche Verteidigung beläuft er sich auf 200 Franken (Art. 5 Abs. 1 HV/GR). Die bündnerische Honorarordnung ist nicht zu beanstanden. Sie hält sich im verfassungsrechtlichen Rahmen (oben E. 2.2.1).
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Erwägung 3
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Kantonsgericht von Graubünden, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 26. September 2013
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Mathys
 
Der Gerichtsschreiber: Briw
 
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