VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 5A_358/2013  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 5A_358/2013 vom 07.10.2013
 
{T 0/2}
 
5A_358/2013
 
 
Urteil vom 7. Oktober 2013
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
 
Bundesrichterin Hohl, Bundesrichter Herrmann,
 
Gerichtsschreiberin Friedli-Bruggmann.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Derrer,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Bezirksgericht Zürich, Frau Y.________.
 
Gegenstand
 
Ablehnungsbegehren im Scheidungsprozess,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, Rekurskommission, vom 11. April 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Zwischen X.________ (geb. 1960, britischer Staatsangehöriger) und dessen Ehefrau A.________ (geb. 1967, brasilianische Staatsangehörige) ist seit 2008 ein Scheidungsverfahren vor dem Bezirksgericht Zürich hängig. Seit Juli 2009 ist Bezirksrichterin Y.________ für den Fall zuständig.
1
B. Am 17. Oktober 2012 verlangte X.________, Y.________ habe in den Ausstand zu treten. Diese überwies die Angelegenheit an die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich, welches beide Seiten anhörte.
2
C. Den Nichteintretensentscheid focht X.________ am 22. Februar 2013 bei der Rekurskommission des Obergerichts an und beantragte, dieser sei aufzuheben. Es sei unter Kosten- und Entschädigungsfolgen festzustellen, dass Bezirksrichterin Y.________ als befangen erscheine und in den Ausstand zu treten habe.
3
D. Gegen dieses Urteil gelangte X.________ mit Beschwerde in Zivilsachen und subsidiärer Verfassungsbeschwerde (Postaufgabe am 15. Mai 2013) an das Bundesgericht. Er verlangt, der Entscheid vom 11. April 2013 sei aufzuheben und die Vorinstanz sei anzuweisen, Bezirksrichterin Y.________ im Scheidungsprozess auszuschliessen. Sinngemäss verlangt er weiter, die Verfahrenskosten seien der Ehefrau aufzuerlegen und diese habe ihm eine Parteientschädigung zu bezahlen.
4
E. Im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren ist der Beschwerdeführer bereits mehrmals an das Bundesgericht gelangt (vorsorgliche Massnahmen, Rechtsöffnungsverfahren betreffend Unterhalt), wobei auf seine Beschwerden jeweils nicht eingetreten wurde (vgl. Urteile 5A_103/2011 vom 23. Mai 2011, 5A_49/2012 vom 19. Januar 2012, 5A_786/2011 vom 26. Januar 2012 und 5A_433/2012 vom 21. August 2012).
5
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Angefochten ist binnen Frist der selbständig eröffnete Zwischenentscheid über den Ausstand einer Gerichtsperson (Art. 92 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1 BGG). Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg demjenigen der Hauptsache (BGE 137 III 380 E. 1.1 S. 382). Hier hat das Verfahren in der Hauptsache die Scheidung der Ehe des Beschwerdeführers zum Gegenstand, d.h. eine Zivilsache im Sinne von Art. 72 Abs. 1 BGG, in welcher die Beschwerde in Zivilsachen ohne Streitwerterfordernis zulässig ist (Urteil 5A_311/2010 vom 3. Februar 2011 E. 1.1, nicht publ. in: BGE 137 III 118). Die Rekurskommission des Obergerichts hat kantonal letztinstanzlich und auf Rechtsmittel hin entschieden (Art. 75 BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen steht daher gegen den angefochtenen Entscheid offen.
6
1.2. Nachdem die Beschwerde in Zivilsachen gegeben ist, bleibt für die ebenfalls erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde kein Raum (Art. 113 BGG).
7
2. Im strittigen Entscheid vom 7. Februar 2013 trat die Verwaltungskommission des Obergerichts als erste Entscheidinstanz auf das Ablehnungsbegehren des Beschwerdeführers nicht ein, weil dieser die Beschwerdegegnerin nicht unverzüglich abgelehnt und er damit verspätet gehandelt habe. Die Vorinstanz hatte im Rechtsmittelverfahren damit lediglich zu prüfen, ob der erstinstanzliche Nichteintretensentscheid rechtens war. Im nun zu beurteilenden Entscheid vom 11. April 2013 befand die Vorinstanzin Abweisung der Beschwerde, dass auf das Ablehnungsgesuch des Beschwerdeführers wegen Verspätung nicht einzutreten gewesen sei (vgl. auch C.). Weiter führte die Vorinstanz aus, damit komme die Frage des Ausstandes in der Sache nicht zur Beurteilung. Zwar fügte sie dann einige Überlegungen an, weshalb sie überdies die Bezirksrichterin nicht für befangen halte. Formell bildete dies indes nicht Verfahrensgegenstand.
8
3. Die Beschwerdeschrift ist über weite Teile unstrukturiert und mischt verschiedene Beschwerdegründe (unrichtige oder willkürliche Rechtsanwendung, offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts) durcheinander, ohne aufzuzeigen, welche konkrete Rechtsnorm falsch resp. willkürlich angewendet worden sein soll, oder welche spezifische Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz willkürlich wäre. Immerhin kann der Beschwerdeführer zumindest dem Sinn nach so verstanden werden, dass er eine Verletzung des verfassungsmässigen Rechts auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht rügen will, erlitten dadurch, dass die Vorinstanz willkürlich auf Verspätung seines Ausstandsgesuchs geschlossen habe.
9
3.1. Gemäss Art. 30 Abs. 1 BV hat jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Wer indes einen Ablehnungsgrund gegen einen Richter nicht unverzüglich nach dessen Kenntnisnahme geltend macht, verwirkt den Anspruch auf seine spätere Anrufung (BGE 138 I 1 E. 2.2 S. 4; 136 I 207 E. 3.4 S. 211).
10
3.2. Die Vorinstanz hielt fest, der Beschwerdeführer habe sein Ablehnungsbegehren vom 17. Oktober 2012 darauf gegründet, dass die Bezirksrichterin Mitglied und Kantonsratskandidatin der SP sei. Nach Ansicht des Beschwerdeführers zeige diese damit, dass sie es sich zur Aufgabe gemacht habe, den schwächsten Gliedern der Gesellschaft zu helfen. Weiter habe sie in einer Verfügung vom 15. Januar 2010 zum Ausdruck gebracht, dass sie die Aussagen der Ehefrau als glaubwürdiger erachte als seine und sie habe damit unausgesprochen die angeblich schwächere Partei (die Ehefrau) bevorzugt. Mit Verfügung vom 9. September 2011 habe die Bezirksrichterin der Ehefrau zudem bei der Abänderung der vorsorglichen Unterhaltsregelung einen Kursgewinn zugestanden und damit wiederum die Ehefrau bevorzugt. Darüber hinaus habe die Bezirksrichterin ihn genötigt, ein Schreiben zu unterzeichnen, welches der Ehefrau ein freies Reisen mit dem Kind ermögliche. Gemäss Feststellung der Vorinstanz ergänzte der Beschwerdeführer in einer späteren Stellungnahme seine rechtliche Argumentation, brachte aber keine zusätzlichen Tatsachen ein.
11
3.3. Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe sich nicht gegen die Parteizugehörigkeit der Richterin, sondern gegen ihre politische Aktivität gewendet. Von der Kantonsratskandidatur habe er erst später erfahren und hätte auch nicht früher davon wissen müssen. In der Regel würden sich Richter politischer Stellungnahmen in der Öffentlichkeit enthalten. Anwälte hätten damit keinen Anlass, im Internet zu forschen, ob sich ein Richter politisch engagiere. Der Rechtsvertreter wohne im Übrigen auch nicht im Wahlkreis Zürich. Daraus schliesst er, dass die Vorinstanz "Recht falsch angewendet und gleichzeitig eine falsche Sachverhaltsdarstellung gemacht" habe; überdies habe sie überspitzt formalistisch gehandelt, indem sie den Begriff "unverzüglich" sehr eng ausgelegt habe.
12
3.4. Was die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz angeht, bestreitet der Beschwerdeführer nicht, dass die vier Ereignisse, welche er gemäss Vorinstanz als Ablehnungsgrund angeführt hatte (E. 3.2: Erklärung vom 25. August 2009, Verfügungen vom 15. Januar 2010 und 9. September 2011, Kantonsratskandidatur im Frühjahr 2011), auf die Jahre 2009 bis 2011 zurückgehen. Angesichts der Einreichung des Ablehnungsbegehrens Ende 2012 handelte er in Bezug auf diese Sachverhalte isoliert betrachtet in jedem Fall nicht unverzüglich, sondern zu spät.
13
3.5. Unter den gegebenen Umständen ist keine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV ersichtlich, wenn die Vorinstanz befand, der Beschwerdeführer und seine Anwälte hätten (früher) über die erst im Oktober 2012 behaupteten Ablehnungsgründe informiert sein müssen.
14
4. Soweit der Beschwerdeführer über die einzig zu behandelnde Frage der Rechtzeitigkeit seines Begehrens hinausgeht, ist auf seine Beschwerde nicht einzutreten (vgl. Urteil 5A_94/2013 vom 6. März 2013 E. 3.1.2 mit weiteren Hinweisen).
15
5. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer für die Gerichtskosten aufzukommen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
16
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dessen Ehefrau, dem Bezirksgericht Zürich, Frau Y.________, dem Obergericht des Kantons Zürich, Rekurskommission, und der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 7. Oktober 2013
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: von Werdt
 
Die Gerichtsschreiberin: Friedli-Bruggmann
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).