VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 9C_461/2013  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 9C_461/2013 vom 08.10.2013
 
{T 0/2}
 
9C_461/2013
 
 
Urteil vom 8. Oktober 2013
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Meyer, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichterinnen Pfiffner, Glanzmann,
 
Gerichtsschreiber Attinger.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
R.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Franz Fischer,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Revision),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 14. Mai 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Mit Verfügung vom 4. November 1999 sprach die IV-Stelle Luzern der 1957 geborenen R.________ ab 1. Juli 1996 eine halbe Rente der Invalidenversicherung zu. In der Folge wurde die Invalidenrente im Rahmen zweier Revisionsverfahren überprüft und jeweils bestätigt. Mit Verfügung vom 8. August 2012 hob die IV-Stelle die bisher ausgerichtete halbe Rente unter Hinweis auf die am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Schlussbestimmungen zur 6. IV-Revision (erstes Massnahmenpaket) auf Ende September 2012 hin auf.
1
B. Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern (heute: Kantonsgericht Luzern) hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 14. Mai 2013 gut, hob die angefochtene Verwaltungsverfügung auf und verpflichtete damit die IV-Stelle zur Weiterausrichtung der halben Invalidenrente über Ende September 2012 hinaus.
2
C. Die IV-Stelle führt Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids. Überdies sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
3
R.________ lässt auf Abweisung schliessen, während sich das Bundesamt für Sozialversicherungen nicht hat vernehmen lassen.
4
 
Erwägungen:
 
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Allerdings prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 137 III 580 E. 1.3 S. 584; 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389; 135 III 397 E. 1.4 S. 400).
5
 
Erwägung 2
 
2.1. Gemäss lit. a Abs. 1 der Schlussbestimmungen zur 6. IV-Revision (erstes Massnahmenpaket) vom 18. März 2011 (SchlBest. IV 6/1; AS 2011 5659) werden Renten, die bei pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage (sog. PÄUSBONOG) gesprochen wurden, innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten dieser Änderung (am 1. Januar 2012) überprüft; sind die Voraussetzungen nach Art. 7 ATSG [SR 830.1] nicht erfüllt, so wird die Rente herabgesetzt oder aufgehoben, auch wenn die Voraussetzungen von Art. 17 Abs. 1 ATSG nicht erfüllt sind. Diese Bestimmung findet indessen laut lit. a Abs. 4 SchlBest. IV 6/1 keine Anwendung auf Personen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Änderung das 55. Altersjahr zurückgelegt haben oder im Zeitpunkt, in dem die Überprüfung eingeleitet wird, seit mehr als 15 Jahren eine Rente der Invalidenversicherung beziehen.
6
2.2. Im zur Publikation vorgesehenen Grundsatzurteil 8C_324/2013 vom 29. August 2013 E. 4 hat das Bundesgericht in Auslegung des vorstehend letztzitierten Halbsatzes festgestellt, dass zur Beantwortung der Frage, ob eine Person bereits seit mehr als 15 Jahren eine IV-Rente "bezieht", auf den Beginn ihres Rentenanspruchs und nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses der rentenzusprechenden Verfügung abzustellen ist. Einzig diese Interpretation der Ausschlussklausel trägt den Kernanliegen der darin verankerten Besitzstandsgarantie (Gewährleistung von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz; Vermeidung aussichtsloser Eingliederungsversuche) angemessen Rechnung. Während dem Verfügungszeitpunkt stets etwas Zufälliges anhaftet, vermag die Anknüpfung beim Beginn der Rentenberechtigung eine allfällige lange dauernde (Teil-) Absenz vom Arbeitsmarkt und die sich daraus ergebende faktische Aussichtslosigkeit von (Wieder-) Eingliederungsmassnahmen klar darzutun (vgl. auch Urteile 8C_457/2013 vom 4. September 2013 E. 3.2.1 und 8C_447/2013 vom 29. August 2013 E. 3.2.1). Die Höhe der seit mehr als 15 Jahren bezogenen IV-Rente (Viertels-, halbe, Dreiviertels- oder ganze Rente) spielt für das Heranziehen der Ausschlussklausel von lit. a Abs. 4 SchlBest. IV 6/1 keine Rolle (E. 5.1 des erwähnten Grundsatzurteils 8C_324/2013).
7
3. Im hier zu beurteilenden Fall sprach die IV-Stelle mit Verfügung vom 4. November 1999 rückwirkend ab 1. Juli 1996 eine halbe Invalidenrente zu. Bei Einleitung der ausserordentlichen Überprüfung dieser Leistung im Jahre 2012 konnte die Beschwerdegegnerin nach dem Gesagten auf einen mehr als 15 Jahre dauernden Rentenbezug im Sinne von lit. a Abs. 4 SchlBest. IV 6/1 zurückblicken. Wie die Vorinstanz zu Recht erkannt hat, fällt somit eine Rentenaufhebung nach Abs. 1 der genannten Schlussbestimmungen in jedem Fall ausser Betracht. Bei dieser Lösung mag offen bleiben, ob die Rente seinerzeit tatsächlich aufgrund eines PÄUSBONOG zugesprochen wurde, was die Beschwerdegegnerin in Zweifel zieht und dabei zu Recht beanstandet, dass die IV-Stelle die entsprechenden Akten bereits vernichtet hat.
8
4. Das Gesuch um aufschiebende Wirkung der vorliegenden Beschwerde wird mit dem heutigen Urteil gegenstandslos.
9
5. Die Gerichtskosten werden der beschwerdeführenden IV-Stelle als unterliegender Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ferner hat sie der obsiegenden Beschwerdegegnerin eine (aufwandgemässe) Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
10
Demnach erkennt das Bundesgericht:
11
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
12
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
13
3. Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'400.- zu entschädigen.
14
4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, der Ausgleichskasse Luzern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
15
Luzern, 8. Oktober 2013
16
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
17
des Schweizerischen Bundesgerichts
18
Das präsidierende Mitglied: Meyer
19
Der Gerichtsschreiber: Attinger
20
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).