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Informationen zum Dokument  BGer 4A_317/2013  Materielle Begründung
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BGer 4A_317/2013 vom 17.10.2013
 
{T 0/2}
 
4A_317/2013
 
 
Urteil vom 17. Oktober 2013
 
 
I. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
 
Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin Niquille,
 
Gerichtsschreiberin Reitze.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Kreditversicherung X.________ N.V.,
 
vertreten durch Fürsprecher Dr. Roger Hischier,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Y.________ AG,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Claude Schnüriger,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Vertragsauslegung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 21. Mai 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
B. Mit Klage vom 2. November 2010 beantragte die Y.________ AG dem Handelsgericht des Kantons Zürich, die Kreditversicherung X.________ N.V. sei zu verurteilen, ihr Fr. 400'000.27 nebst 5 % Zins seit dem 18. März 2009 (EUR 275'387.45 zum Kurs von Fr. 1.4525 vom 17. März 2010) sowie Fr. 209.-- Zahlungsbefehlskosten zu bezahlen. Sodann sei in der Betreibung Nr. .... des Betreibungsamtes Zürich 8 der Rechtsvorschlag im genannten Umfang zu beseitigen und die definitive Rechtsöffnung zu gewähren.
1
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 2
 
Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG gerügt werden. Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG hat die Rechtsschrift die Begehren und deren Begründung zu enthalten; im Rahmen der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG), andernfalls wird darauf nicht eingetreten. Unerlässlich ist im Hinblick auf Art. 42 Abs. 2 BGG, dass die Beschwerde auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt, worin eine Verletzung von Bundesrecht liegt. Die Beschwerdeführerin soll in der Beschwerdeschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (vgl. BGE 134 II 244 E. 2.1 S. 245 f.).
2
 
Erwägung 3
 
 
Erwägung 4
 
"1. Protracted Default als Versicherungsfall
3
In Erweiterung von Art. 2 AVB tritt der Versicherungsfall bei Kunden (...) auch ein, wenn die versicherte Forderung nach einer Karenzfrist von 6 Monaten nach ihrer Fälligkeit nicht bezahlt worden ist. (...)
4
2. Nichtzahlungsmeldung/Inkasso/Betreibung der Forderung
5
Der Versicherungsnehmer hat den Versicherer gemäss Art. 9.1 der AVB spätestens 3 Monate nach Überschreiten der in der Faktura ursprünglich vereinbarten Fälligkeit von der Nichtzahlung seiner Forderung zu informieren.
6
" Art. 7 Beginn und Ende des Versicherungsschutzes
7
1. (...)
8
2. Der Versicherungsschutz für einen Kunden endet für Forderungen aus künftigen Warenlieferungen oder sonstigen Leistungen
9
a) (...)
10
b) bei Überschreitung der Frist der Nichtzahlungsmeldung gemäss Art. 9.1,
11
c) (...)
12
1. (...)
13
2. Wird der Zeitpunkt überschritten, der für die Nichtzahlungsmeldung festgelegt ist,
14
a)endet der Versicherungsschutz für alle zukünftigen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen gegenüber dem betreffenden Kunden (Art. 7.2 b), es sei denn der Versicherer bestätigt den Fortbestand des Versicherungsschutzes,
15
b) (...)
16
3. (...)
17
1. Der Versicherer ist im Einzelfall von der Verpflichtung zur Leistung frei, ohne dass es einer Kündigung bedarf, wenn der Versicherungsnehmer eine ihn nach Gesetz oder Versicherungsvertrag treffende Verpflichtung (Obliegenheit) nicht erfüllt, es sei denn, dass die Verletzung seiner Verpflichtung als unverschuldet anzusehen ist.
18
2. Hat die Verletzung der Verpflichtung keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang der Leistung, die den Versicherer zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles trifft, gehabt, so führt die Verletzung zu keiner Leistungsbefreiung des Versicherers.
19
3. (...)
20
4. (...) "
21
4.1. Die Vorinstanz hielt fest, die Versicherungsdeckung der Beschwerdeführerin aus Protracted Default für die von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Forderungsausfälle mit drei ihrer Kunden (Q.________, R.________ und S.________) in der Höhe von Fr. 400'000.27 bzw. EUR 322'985.22, sei davon abhängig, ob die Beschwerdegegnerin ihrerseits ihre Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen nachgekommen sei. Gestützt auf die Bestimmungen in der (auf die geltend gemachten Forderungen anwendbaren) alten Police und den AVB sei massgeblich, ob die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin einerseits fristgerecht eine Nichtzahlungsmeldung der ausgebliebenen Zahlungen erstattet und andererseits die nötigen Inkassomassnahmen eingeleitet habe.
22
4.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz habe die Bestimmungen in der alten Police bezüglich Protracted Default falsch ausgelegt, weshalb sie die Rechtsfolgen der Obliegenheitsverletzungen verkannt und Art. 14 AVB nicht vertragsgemäss zur Anwendung gebracht habe.
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4.3. Der Inhalt eines Vertrags bestimmt sich in erster Linie durch subjektive Auslegung, das heisst nach dem übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen (Art. 18 Abs. 1 OR). Erst wenn eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten. Während das Bundesgericht die objektivierte Vertragsauslegung als Rechtsfrage prüfen kann, beruht die subjektive Vertragsauslegung auf Beweiswürdigung, die vorbehältlich der Ausnahmen von Art. 97 und 105 BGG der bundesgerichtlichen Überprüfung entzogen ist. Dasselbe gilt für die Feststellungen des kantonalen Richters über die äusseren Umstände sowie das Wissen und Wollen der Beteiligten im Rahmen der Auslegung nach dem Vertrauensprinzip (BGE 138 III 659 E. 4.2.1 S. 666 f. mit Hinweisen).
24
4.4. Die Auslegung der Verträge durch die Vorinstanz nach dem Vertrauensprinzip ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Art. 7 Abs. 2 AVB mit der Marginalie "Ende des Versicherungsschutzes" und Art. 9 Abs. 2 AVB mit der Marginalie "Nichtzahlungsmeldung" sowie die Bestimmung in der alten Police mit der Überschrift "Nichtzahlungsmeldung/Inkasso/Betreibung der Forderung" sehen vor, dass der Versicherungsschutz für alle zukünftigen Lieferungen und Leistungen gegenüber dem betreffenden Kunden entfallen, wenn die Frist der Nichtzahlungsmeldung überschritten wird. Die alte Police bestimmt darüber hinaus, dass für die bis zum Zeitpunkt der verspäteten Nichtzahlungsmeldung bereits erbrachten Lieferungen und Leistungen der bedingungsgemässe Versicherungsschutz bestehen bleibt, sofern innerhalb der vertraglich vereinbarten Frist bzw. der AVB fakturiert wird oder wurde. Diesbezüglich bringt die Beschwerdeführerin zu Recht vor, dass der Versicherungsnehmer nach wie vor gehalten ist, die Bestimmungen der Versicherungspolice und der AVB's zu beachten. Zu den weiterhin einzuhaltenden Bedingungen gehört somit, dem Versicherer die Nichtzahlungsmeldung zu erstatten und die Inkassobemühungen unverzüglich einzuleiten, ansonsten er auch bezüglich bereits erbrachter Lieferungen und Leistungen des Versicherungsschutzes verlustig geht. Die Folgen der Nichtzahlungsmeldung bzw. einer verspäteten Nichtzahlungsmeldung werden somit in den genannten Bestimmungen konkret geregelt.
25
 
Erwägung 5
 
5.1. Bezüglich der Forderungsausfälle der Kundin S.________, stellte die Vorinstanz fest, die Beschwerdegegnerin habe bei drei Rechnungen erst mit einiger Verspätung eine Nichtzahlungsmeldung erstattet. Für die erste dieser Rechnungen, jene vom 16. März 2007, hätte die Meldung spätestens am 13. August 2007 erfolgen müssen. Daher entfalle die Deckung für sämtliche Lieferungen, die nach dem 13. August 2007 erfolgt seien. Für die Lieferungen vor dem 13. August 2007 entfalle die Deckung sodann, soweit keine rechtzeitigen Nichtzahlungsmeldungen erfolgten und demzufolge die Bedingungen der Police nicht eingehalten wurden. Entsprechend bejahte sie einzig die Deckung für die Rechnungen vom 13. und 26. Juli 2007 über insgesamt EUR 36'849.11. Soweit die Beschwerdeführerin gestützt auf ihre eigene Auslegung vorbringt, auch diese Forderungen würden nach Art. 14 Abs. 1 AVB entfallen, gehen ihre Vorbringen nach dem Gesagten ins Leere.
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5.2. Ebenso gehen die Vorbringen der Beschwerdeführerin bezüglich der Kundin R.________ fehl.
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5.2.1. Die Beschwerdegegnerin hat nicht bestritten, im Zusammenhang mit den Forderungsausfällen der Kundin R.________ für insgesamt 25 Rechnungen der Beschwerdeführerin keine Nichtzahlungsmeldungen erstattet zu haben. Die Vorinstanz stellte fest, die früheste Nichtzahlungsmeldung hätte bis spätestens am 22. August 2007 erfolgen müssen, weshalb die Versicherungsdeckung für nach dem 22. August 2007 erfolgte Lieferungen entfallen sei. Dementsprechend bejahte sie die Deckung einzig für die Forderung gemäss Rechnung vom 3. August 2007. Soweit die Beschwerdeführerin wiederum geltend macht, die Versicherungsdeckung sei gestützt auf Art. 14 Abs. 1 AVB auch für die Rechnung vom 3. August 2007 entfallen, ist ihre Rüge unbegründet.
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5.2.2. Darüber hinaus rügt die Beschwerdeführerin, gemäss Feststellung der Vorinstanz habe die Beschwerdegegnerin einen Teil der Forderungen gegenüber der Kundin R.________ nicht gemeldet. Das sei ein (weiterer) Verstoss gegen eine vertragliche Verpflichtung, unabhängig von den nicht rechtzeitigen Nichtzahlungsmeldungen. Diesbezüglich komme es auf jeden Fall gestützt auf Art. 14 Abs. 1 AVB zu einer Deckungsverweigerung, denn für diesen Fall enthalte die Police keine (spezifische) Regelung. Die Vorinstanz sei in willkürlicher Weise auf ihre entsprechenden Ausführungen in der Klageantwort nicht eingetreten.
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5.3. Bezüglich den geltend gemachten Forderungsausfällen der Kundin Q.________ hielt die Vorinstanz fest, gewisse Rechnungen der Kundin seien nach Auffassung der Beschwerdeführerin von der Beschwerdegegnerin nicht gemeldet worden. Der früheste Vorgang, den die Beschwerdeführerin erwähne, betreffe aber eine Rechnung vom 30. März 2007, für welche die Nichtzahlungsmeldung bis spätestens Ende November 2007 hätte erfolgen müssen; die jüngste Forderung, für welche die Beschwerdegegnerin jedoch Deckung beanspruche, sei mit Rechnung vom 5. November 2007 fakturiert. Eine versäumte Nichtzahlungsmeldung betreffend die Rechnung vom 30. März 2007 hebe somit die Deckung für die geltend gemachten Forderungsausfälle, welche alle vor Ende November 2007 fakturiert wurden, nicht auf. Einzig für den Forderungsausfall gemäss Rechnung vom 14. Juni 2007 entfalle die Deckung, weil die Beschwerdegegnerin es unterlassen habe, fristgerecht Inkassomassnahmen einzuleiten. Für die restlichen Forderungsausfälle, für welche die Beschwerdegegnerin innert der vertraglichen Frist Inkassomassnahmen ergriffen habe, bestehe demgegenüber grundsätzlich Deckung.
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5.3.1. Vorerst bringt die Beschwerdeführerin abermals vor, gestützt auf Art. 14 AVB führe eine verspätete Inkassomassnahme zum Verlust aller bestehenden und zukünftigen Forderungen des entsprechenden Kunden, weshalb für keine von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Forderungen Deckung bestehe. Wie dargelegt hat die Vorinstanz aber zu Recht erwogen, dass sich die Rechtsfolgen der diesbezüglichen Obliegenheitsverletzungen aus der Police ergeben und für die Anwendung von Art. 14 AVB kein Raum bleibe.
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5.3.2. Weiter rügt die Beschwerdeführerin, die Vorinstanz sei nicht auf ihre Ausführungen in ihrer Klageantwort eingegangen, wonach die Nichtzahlungsmeldung der Beschwerdegegnerin für die Rechnung vom 14. Juni 2007 zu spät erfolgt sei und diverse Rechnungen sowie Mahnungen an die Kundin Q.________ nicht gemeldet wurden. All diese Pflichtwidrigkeiten für sich alleine würden die Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 14 Abs. 1 AVB zur Verweigerung der Versicherungsdeckung berechtigen. Die Beschwerdeführerin unterlässt es jedoch auch bezüglich der Kundin Q.________ substanziiert darzutun, welche Verhaltenspflicht (nach Art. 13 AVB) die Beschwerdegegnerin verletzt haben soll. Ebenso wenig bringt sie vor, eine entsprechend substanziierte Rüge bereits vor der Vorinstanz vorgebracht zu haben, womit sie wiederum ungenügend rügt (vgl. E. 2).
32
 
Erwägung 6
 
6.1. Die Beschwerdeführerin macht im Eventualstandpunkt geltend, die Vorinstanz habe das Rechtsbegehren 1 der Klage der Beschwerdegegnerin willkürlich ausgelegt.
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6.2. Die Vorinstanz hat festgestellt, die Beschwerdegegnerin habe mit ihrem Rechtsbegehren 1"die Zahlung von CHF 400'000.27 nebst 5 % Zins seit 18.03.2009 (Euro 275'387.45 zum Kurs von 1.4525 vom 17.03.2010) sowie CHF 209.-- Zahlungsbefehlskosten" verlangt. Es stehe jedoch ausser Frage, dass die Beschwerdeführerin nicht zu einer Zahlung in Schweizer Franken verpflichtet werden könne und die Versicherungsleistung in Euro geschuldet sei.
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6.3. Die Beschwerdeführerin bemängelt, die Vorinstanz berufe sich auf BGE 72 III 100 sowie ZR 90/1991 Nr. 37; aus keinem dieser Entscheide lasse sich jedoch ableiten, dass bei bereits eingeleiteter Betreibung ein Rechtsbegehren, bei dem ein in Schweizer Franken anstatt in der Fremdwährung eingeklagter Betrag so auszulegen sei, dass dieser dennoch als in der Fremdwährung eingeklagt anzusehen sei. Ohnehin sei davon auszugehen, dass der Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin Kenntnis von der einschlägigen Rechtsprechung (BGE 134 III 151) gehabt habe, weshalb kein Bedürfnis und keine Veranlassung bestehe, das Rechtsbegehren "nach ihrem Sinngehalt und nach dem Grundsatz von Treu und Glauben auszulegen".
35
6.4. Das massgebende Prozessrecht bestimmt, ob eine Forderung auf ein auf Schweizer Franken lautendes Rechtsbegehren in eigentlich geschuldeter Fremdwährung zugesprochen werden kann (BGE 134 III 151 E. 2.4 S. 156 mit Verweis auf BGE 72 III 100). Da die Klage vor Inkrafttreten der eidgenössischen Zivilprozessordnung eingereicht worden ist, gilt im vorliegenden Fall das bisherige Verfahrensrecht des Kantons Zürich.
36
 
Erwägung 7
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. 
 
2. 
 
3. 
 
4. 
 
Lausanne, 17. Oktober 2013
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Klett
 
Die Gerichtsschreiberin: Reitze
 
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