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Informationen zum Dokument  BGer 2C_435/2013  Materielle Begründung
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BGer 2C_435/2013 vom 18.10.2013
 
{T 1/2}
 
2C_435/2013
 
 
Urteil vom 18. Oktober 2013
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Seiler,
 
Bundesrichterin Aubry Girardin,
 
Bundesrichter Donzallaz,
 
Bundesrichter Stadelmann,
 
Gerichtsschreiber Errass.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Swissgrid AG,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Axpo Trading AG,
 
Beschwerdegegnerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stefan Rechsteiner und Rechtsanwalt Michael Waldner,
 
Eidgenössische Elektrizitätskommission ElCom.
 
Gegenstand
 
Kosten und Tarife für die Netznutzung Netzebene 1 und Systemdienstleistungen,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 20. März 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
"Die swissgrid AG hat die Mindererlöse aus dem ITC im Umfang von voraussichtlich rund 23,4 Millionen Franken (10,7 Millionen Franken für Infrastrukturkosten, 12,7 Millionen Franken für Wirkverlustkompensationen) den Vertragsparteien von internationalen Energiebezugs- und -lieferverträgen nach Artikel 17 Absatz 2 StromVG gemäss dem verursachten Mindererlös anzulasten. Massgebend sind die tatsächlichen Mindererlöse."
1
 
B.
 
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 2
 
2.1. Nach Art. 37 VGG richtet sich das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach dem VwVG, sofern das VGG nichts anderes bestimmt.
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2.2. Nach Art. 63 Abs. 1 VwVG auferlegt die Beschwerdeinstanz die Verfahrenskosten in der Regel der unterliegenden Partei. Unterliegt diese nur teilweise, so werden die Verfahrenskosten ermässigt. Ausnahmsweise können sie ihr erlassen werden. Nach Art. 63 Abs. 2 VwVG werden Vorinstanzen oder beschwerdeführenden und unterliegenden Bundesbehörden keine Verfahrenskosten auferlegt; anderen als Bundesbehörden, die Beschwerde führen und unterliegen, werden Verfahrenskosten auferlegt, soweit sich der Streit um vermögensrechtliche Interessen von Körperschaften oder autonomen Anstalten dreht. Einer obsiegenden Partei dürfen nur Verfahrenskosten auferlegt werden, die sie durch Verletzung von Verfahrenspflichten verursacht hat (Art. 63 Abs. 3 VwVG). Nach Art. 64 Abs. 1 VwVG kann sodann die Beschwerdeinstanz der ganz oder teilweise obsiegenden Partei von Amtes wegen oder auf Begehren eine Entschädigung für ihr erwachsene notwendige und verhältnismässig hohe Kosten zusprechen. Nach Abs. 2 wird die Entschädigung in der Entscheidungsformel beziffert und der Körperschaft oder autonomen Anstalt auferlegt, in deren Namen die Vorinstanz verfügt hat, soweit sie nicht einer unterliegenden Gegenpartei auferlegt werden kann. Gemäss Abs. 3 kann sie einer unterliegenden Gegenpartei je nach deren Leistungsfähigkeit auferlegt werden, wenn sich die Partei mit selbständigen Begehren am Verfahren beteiligt hat.
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2.3. Voraussetzung der Kostenauferlegung ist zunächst die Parteistellung. Diese richtet sich nach Art. 6 VwVG (BGE 128 II 90 E. 2b S. 94; MARCEL MAILLARD, in: Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], Praxiskommentar zum VwVG, 2009, Rz. 12 zu Art. 63). Gemäss dieser Bestimmung gelten als Partei namentlich Personen, deren Rechte oder Pflichten die Verfügung berühren soll.
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2.4. Weiter ist (unter Vorbehalt von Art. 63 Abs. 3 VwVG) vorausgesetzt, dass die Partei unterliegend ist. Obsiegen und Unterliegen richten sich grundsätzlich nach den von der beschwerdeführenden Partei gestellten Anträgen, ohne Rücksicht auf die Anträge der Gegenpartei (BGE 128 II 90 E. 2b S. 95; 123 V 156 E. 3c S. 158; 123 V 159 E. 4b S. 159). Hat eine Hauptpartei im erstinstanzlichen Verfahren Anträge gestellt oder das Verfahren veranlasst, so kann sie sich ihrer Kostenpflicht in dem von einer anderen Partei angestrengten Beschwerdeverfahren nicht dadurch entziehen, dass sie dort keine Anträge stellt; sie bleibt notwendige Gegenpartei und damit kostenpflichtig, soweit sie mit ihren im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Anträgen unterliegt (BGE 128 II 90 E. 2b S. 94; Urteile 2C_465/2012 vom 29. Oktober 2012 E. 3; 2C_491/2007 vom 30. April 2008 E. 3; KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, S. 410 Rz. 1175; MAILLARD, a.a.O., Rz. 15 zu Art. 63; MICHAEL BEUSCH, in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], Kommentar zum VwVG, 2008, Rz. 12 zu Art. 63; LORENZ KNEUBÜHLER, Die Kostenverlegung im Beschwerdeverfahren des Bundes, ZBl 2005, S. 449 ff., 459; BEUSCH/MOSER/KNEUBÜHLER, Ausgewählte prozessrechtliche Fragen im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, ZBl 2008, S. 1 ff., 33). Ausnahmen von diesen Grundsätzen rechtfertigen sich, wenn ein gravierender, vom Rechtsmittelbeklagten nicht mitverschuldeter Verfahrensfehler zur Gutheissung des Rechtsmittels führt und der Rechtsmittelbeklagte entweder die Gutheissung des Rechtsmittels beantragt oder sich eines Antrages enthalten hat, oder wenn jemand ohne eigenes Zutun in das Verfahren einbezogen wurde oder wenn es ausschliesslich um verfahrensrechtliche Fragen geht oder die unterliegende Partei zu Unrecht vor der Vorinstanz nicht ins Verfahren einbezogen wurde (BGE 133 V 402 E. 5 S. 408; Urteil 2C_465/2012 vom 29. Oktober 2012 E. 3; BERNARD CORBOZ, in: Corboz/Wurzburger/Ferrari/Frésard/Aubry Girardin, Commentaire de la LTF, Rz. 38 zu Art. 66; BEUSCH, a.a.O., Rz. 12 zu Art. 63; KNEUBÜHLER, a.a.O., S. 459; BEUSCH/MOSER/KNEUBÜHLER, a.a.O., S. 33).
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2.5. Gemäss Rechtsprechung und Literatur gelten diese Grundsätze auch in Bezug auf die Parteientschädigung. Wohl sieht Art. 64 Abs. 3 VwVG ausdrücklich vor, dass die unterliegende Partei nur dann zur Bezahlung einer Parteientschädigung angehalten werden kann, wenn sie sich mit selbständigen Begehren am Verfahren beteiligt hat. Dies kann jedoch nicht bezwecken, der im Beschwerdeverfahren unterliegenden Hauptpartei die Möglichkeit zu verschaffen, die prozessuale Entschädigungspflicht auf die Behörden zu überwälzen. Es darf daher berücksichtigt werden, ob der Verzicht auf selbständige Anträge auf das fehlende oder geringe Interesse an der Mitwirkung am Beschwerdeverfahren oder nur auf die Absicht zurückzuführen ist, sich der Entschädigungspflicht zu entschlagen. Liegt das Interesse der Gegenpartei am Verfahrensausgang auf der Hand, so darf bei der Entschädigungsregelung von der Voraussetzung, dass diese ausdrücklich Antrag gestellt habe, abgesehen werden (BGE 128 II 90 E. 2c S. 95; BEUSCH, in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], a.a.O., Rz. 21 zu Art. 64; MAILLARD, in: Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], a.a.O., Rz. 49 zu Art. 64; MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2008, S. 216 Rz. 4.70; KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, a.a.O., S. 412 Rz. 1184).
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Erwägung 3
 
3.1. Vorliegend ist nicht umstritten, dass die heutige Beschwerdegegnerin vor Bundesverwaltungsgericht obsiegt hat. Es können ihr daher keine Kosten auferlegt werden und sie hat Anspruch auf Parteientschädigung. Sodann anerkennt die Beschwerdeführerin, dass sie 1/5 der Kosten und Entschädigung zu tragen hat, weil die Vorinstanz auf ihren in der Beschwerdeantwort gestellten Eventualantrag nicht eingetreten ist. Streitig ist, durch wen die übrigen 4/5 der Verfahrenskosten und Parteientschädigung zu bezahlen sind.
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3.2. Die ElCom hat im Ausgangsverfahren als Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts entschieden. Ihr können daher gemäss Art. 63 Abs. 2 VwVG keine Verfahrenskosten auferlegt werden. Soweit sie nicht der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei (Art. 63 Abs. 1 VwVG) auferlegt werden können, ist daher auf eine Kostenerhebung zu verzichten. Demgegenüber hat die ElCom die Parteientschädigung an die obsiegende (heutige) Beschwerdegegnerin zu tragen, soweit sie nicht einer "unterliegenden Gegenpartei" auferlegt werden kann (Art. 64 Abs. 2 VwVG). Sowohl in Bezug auf die Verfahrenskosten als auch auf die Parteientschädigung ist daher entscheidend, ob die Beschwerdeführerin als unterliegende Partei betrachtet werden kann.
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3.3. Mit der Verfügung vom 4. März 2010 hat die ElCom gemäss Art. 22 Abs. 2 lit. b StromVG die Kostenkomponenten festgelegt, welche die Beschwerdeführerin als nationale Netzgesellschaft für den Betrieb des gesamtschweizerischen Übertragungsnetzes (Art. 18 und 20 Abs. 2 lit. a StromVG) erheben kann (Art. 14 ff. StromVG). Die Höhe dieser Kosten berührt die Rechte der Beschwerdeführerin. Diese ist daher Partei (vorne E. 2.3) und wurde von der ElCom wie von der Vorinstanz zu Recht als solche behandelt.
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3.4. Die Beschwerdeführerin legt in Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen ihre Netznutzungstarife und -entgelte fest (Art. 18 Abs. 1 StromVV), die sie den Netznutzern in Rechnung stellt (Art. 14 Abs. 2 StromVG). Das Stromversorgungsgesetz sieht dafür keine präventive Genehmigungspflicht vor (BGE 138 II 465 E. 8.6.4 S. 496). Die ElCom kann aber die von den Netzbetreibern festgesetzten Tarife überprüfen und gegebenenfalls absenken (Art. 22 Abs. 2 lit. a und lit. b StromVG). Der Tarif, den die Beschwerdeführerin festgelegt hat bzw. anwenden will, ist im Verfahren vor der ElCom sinngemäss als Antrag der Beschwerdeführerin zu verstehen, auch wenn sie nicht formell einen Antrag stellt. Die von der ElCom erlassene Verfügung legt die Einnahmen fest, welche die Beschwerdeführerin für die von ihr erbrachten Leistungen beziehen kann. Wird die Verfügung der ElCom von Dritten angefochten mit dem Antrag, die Tarife seien tiefer anzusetzen, so betrifft dies zwangsläufig die Einnahmen der Beschwerdeführerin; diese ist daher im Beschwerdeverfahren notwendige Gegenpartei. Ändert die Rechtsmittelbehörde den Entscheid der ElCom dahingehend ab, dass die Tarife abgesenkt oder bestimmte Einnahmenkomponenten aufgehoben werden, so verringert dies die Einnahmen der Beschwerdeführerin, so dass diese als unterliegende Gegenpartei zu betrachten ist (vorne E. 2.4; Urteil 2C_572/2012 vom 27. März 2013 E. 4). Dass die Beschwerdeführerin eine gesetzliche Aufgabe erfüllt und dabei die massgebenden Bestimmungen einzuhalten hat, ändert daran nichts, ebenso wenig der Umstand, dass sie letztlich die entgangenen Einnahmen nicht selber trägt, sondern auf andere Kostenpflichtige überwälzt. Es verhält sich analog, wie wenn die Eidgenössische Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten einen von den Verwertungsgesellschaften aufgestellten Tarif genehmigt (Art. 46 und 59 URG [SR 231.1]) : Wird dieser Tarif auf dem Rechtsmittelwege zum Nachteil der Verwertungsgesellschaft geändert, so ist diese unterliegende und damit kostenpflichtige Partei (Urteil 2C_658/2008 vom 18. März 2009 E. 1.4 und 3.3, nicht publ. in: BGE 135 II 172), obwohl auch sie eine gesetzlich festgelegte Aufgabe wahrnimmt und ihre Einnahmen letztlich nicht ihr selber zukommen, sondern den Rechteinhabern.
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3.5. Die ElCom hat in Ziff. 12 ihrer Verfügung festgelegt, dass die Beschwerdeführerin den Betrag von voraussichtlich rund 23,4 Mio. Franken den Vertragsparteien von internationalen Energiebezugs- und Lieferverträgen nach Art. 17 Abs. 2 StromVG anzulasten hat. In diesem Umfang hätte also die Beschwerdeführerin Einnahmen erhalten. Auf Beschwerde betroffener Vertragsparteien hin hat die Vorinstanz Ziff. 12 der Verfügung aufgehoben. Dies hat zur Folge, dass die Beschwerdeführerin den entsprechenden Betrag nicht von der Beschwerdegegnerin erheben kann, wodurch sich ihre Einnahmen reduzieren. Die Beschwerdeführerin hat denn auch vor der Vorinstanz sich zwar nicht zum Hauptantrag der heutigen Beschwerdegegnerin geäussert, aber mit ihrem Eventualantrag darauf hingewiesen, dass durch die Aufhebung von Ziff. 12 der ElCom-Verfügung eine Unterdeckung eintreten wird. Sie ist daher materiell notwendige Gegenpartei der heutigen Beschwerdegegnerin.
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3.6. Die Beschwerdeführerin beruft sich auf BGE 138 II 465, wo das Bundesgericht die Kosten nicht der Beschwerdeführerin, sondern der ElCom auferlegt hatte (nicht publ. E. 11) : Dort war aber die Konstellation anders: Die ElCom hatte die von der Swissgrid festgelegten Tarife abgesenkt. Dagegen erhoben Energieversorgungsunternehmen, welche damals noch Eigentümer des Übertragungsnetzes waren (Art. 33 Abs. 4 StromVG), Beschwerde mit dem Antrag, es seien höhere anrechenbare Betriebs- und Kapitalkosten zu berücksichtigen als diejenigen, welche die ElCom anerkannt hatte. Die (teilweise) Gutheissung der Beschwerde hatte zur Folge, dass die Netznutzungstarife und damit auch die Einnahmen der Swissgrid anstiegen; diese hatte die gleichläufigen Interessen wie die obsiegenden Beschwerdeführer, weshalb sie nicht als unterliegende Partei betrachtet werden konnte. Im vorliegenden Verfahren sind ihre Interessen jedoch gegenläufig zu denjenigen der heutigen Beschwerdegegnerin.
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3.7. Die Beschwerdeführerin ist daher im Verfahren vor der Vorinstanz im Sinne der dargelegten Rechtslage (vgl. vorne E. 2.4 und 2.5) als vollumfänglich unterliegend zu betrachten, auch wenn sie formell in der Hauptsache keinen Antrag gestellt hat. Demzufolge hat die Vorinstanz entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht die Begründungspflicht verletzt, wenn sie sich nicht zum Ausmass des Obsiegens und Unterliegens geäussert hat.
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Erwägung 4
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. 
 
2. 
 
3. 
 
4. 
 
Lausanne, 18. Oktober 2013
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Der Gerichtsschreiber: Errass
 
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