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Informationen zum Dokument  BGer 6B_251/2013  Materielle Begründung
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BGer 6B_251/2013 vom 24.10.2013
 
{T 0/2}
 
6B_251/2013
 
 
Urteil 24. Oktober 2013
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Mathys, Präsident,
 
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
 
Gerichtsschreiber Faga.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Y.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Valentin Landmann,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Mehrfache versuchte vorsätzliche Tötung; Notwehr,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 19. Dezember 2012.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
D.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, er sei laut der vorinstanzlichen Begründung im Zeitpunkt der dritten Schussabgabe unter massiver Gefährdung gestanden. Die Vorinstanz habe ausser Acht gelassen, dass eine berechtigte Abwehr in einen unzulässigen Angriff übergehen könne, der seinerseits zur Abwehr legitimiere. Sein Angriff auf X.________ sei spätestens abgeschlossen gewesen, als dieser das Lokal verlassen und gesehen habe, wie er (der Beschwerdeführer) vom Ort des Geschehens weggerannt sei. X.________ habe, indem er ihm mit einem Revolver nachgelaufen sei, das Recht in die eigene Hand genommen und von der Rolle des Angegriffenen in diejenige des Angreifers ohne Recht gewechselt. Ob er (der Beschwerdeführer) tatsächlich, wie die Vorinstanz ihm vorhalte, auch auf der M.________-Strasse nochmals direkt zum Angriff übergegangen sei, stehe und falle mit der Antwort auf die Frage, wer ausserhalb des Lokals zuerst geschossen habe. Es sei davon auszugehen, dass dies X.________ gewesen sei. Der Beschwerdeführer bringt schliesslich vor, die Vorinstanz habe sich nicht damit auseinandergesetzt, wie weit sein Abwehrrecht gereicht habe und seine Schussabgabe über eine angemessene Abwehr hinausgegangen sei (Beschwerde S. 5 ff.).
1
1.2. Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren (Art. 15 StGB). Überschreitet der Abwehrende die Grenzen der Notwehr, so mildert das Gericht die Strafe (Art. 16 Abs. 1 StGB). Überschreitet er die Grenzen der Notwehr in entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung über den Angriff, so handelt er nicht schuldhaft (Art. 16 Abs. 2 StGB). Nach der Rechtsprechung muss die Abwehr in einer Notwehrsituation nach der Gesamtheit der Umstände als verhältnismässig erscheinen (vgl. dazu BGE 136 IV 49 E. 3.2 und 3.3 S. 51 f. mit Hinweisen).
2
 
Erwägung 1.3
 
1.3.1. Gestützt auf die vorinstanzlichen Feststellungen verliess der Beschwerdeführer nach der zweifachen Schussabgabe fluchtartig das Lokal "Z.________" und rannte auf der M.________-Strasse stadtauswärts in Richtung Bahnunterführung. X.________ verfolgte ihn und holte dabei konstant auf. Als der Beschwerdeführer realisierte, dass sein Gegner ihm mit einer Waffe nachlief, ergriff ihn die Angst. Er befand sich in einer akuten Bedrohungslage (Entscheid S. 20 und 33).
3
1.3.2. Der Beschwerdeführer hat X.________ in der ersten Phase nicht angegriffen, um diesen dazu zu provozieren, ihn zu verfolgen und auf ihn zu schiessen. Eine die Anwendung von Art. 15 f. StGB ausschliessende Absichtsprovokation liegt nicht vor. Er hat jedoch mit der zweifachen Schussabgabe im Lokal "Z.________" die Situation auf der M.________-Strasse nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanzen eindeutig herausgefordert. Er suchte seinen Kontrahenten trotz Hausverbots in dessen Lokal auf, ging unvermittelt und ohne Vorwarnung auf ihn zu und schlug ihn mit der Waffe auf den Kopf. Er gab X.________ keine Möglichkeit zur Diskussion. Beim folgenden Handgemenge betätigte er dreimal den Abzug seines Revolvers, wobei sich zwei Schüsse lösten und der zweite den Hals von X.________ durchdrang. Der Beschwerdeführer handelte nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz hinterhältig, und er legte den Grundstein für die Fortsetzung der Auseinandersetzung auf der M.________-Strasse. Die Geschehnisse im Lokal und auf der Strasse stehen in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang. Der Beschwerdeführer hat damit die spätere Notwehrsituation in einem Ausmass verschuldet, dass sein Abwehrrecht eingeschränkt war.
4
 
Erwägung 2
 
 
Erwägung 3
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Dispositiv-Ziffer 2 des Urteils des Obergerichts des Kantons Zürich vom 19. Dezember 2012 wird aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
2. Es werden keine Kosten erhoben.
 
3. Der Kanton Zürich hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Valentin Landmann, für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien, X.________ und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 24. Oktober 2013
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Mathys
 
Der Gerichtsschreiber: Faga
 
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